L 4 KR 2417/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 13 KR 3815/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2417/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin zwischen dem 1. August 2011 und dem 15. April 2013 bei der Beklagten familienversichert gewesen ist.

Der Ehemann der Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Unter dem 30. Mai 2011 beantragten die Klägerin und ihr Ehemann die Durchführung der Familienversicherung zugunsten der Klägerin ab dem 1. August 2011. Sie gaben an, dass das durchschnittliche Bruttoeinkommen der Klägerin ca. EUR 390,00 auf Grund einer seit 2008 ausgeübten Beschäftigung betrage. Die Beklagte führte die Familienversicherung daraufhin durch; ein schriftlicher Verwaltungsakt hierüber erging nicht.

Auf Aufforderung der Beklagten machten die Klägerin und ihr Ehemann unter dem 31. Juli 2012 erneut Angaben zur Familienversicherung. Die Klägerin beziehe aus einer Beschäftigung seit dem 1. März 2010 ein monatliches Bruttoentgelt von EUR 395,38, aus einer selbständigen Tätigkeit ein monatliches Bruttoeinkommen von EUR 266,10 sowie Mieteinnahmen in Höhe von EUR 87,83. Sie fügten den ihnen gegenüber ergangenen Bescheid des Finanzamtes Heilbronn vom 25. November 2011 für 2010 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag (im Folgenden jeweils: Einkommensteuerbescheid) bei, nach dem die Klägerin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von EUR 2.149,00 sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 1.054,00 hatte.

Mit Schreiben vom 2. Januar 2013 übersandten die Klägerin und ihr Ehemann der Beklagten eine Kopie der Einkommensteuerberechnung ihres Steuerberaters vom 31. Oktober 2012 für das Jahr 2011. Im Sommer 2006 habe sie – die Klägerin – ihren Weinbaubetrieb aufgegeben. Bis zum Jahr 2006 hätte sie auf Grund des Weinbaus Verlustvorträge bei der Einkommensteuererklärung angegeben. Für die nächsten vier Jahre bekomme sie von der Weingenossenschaft das Weingeld für die davorliegenden Jahre, obwohl sie keinen Weinbau mehr gehabt habe.

Nachdem die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 6. März und 16. April 2013 zu ergänzenden Angaben und Klärung von Widersprüchen aufgefordert hatte, legte die Klägerin mit Schreiben vom 30. April 2013 die ihr und ihrem Ehemann gegenüber ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2011 vor. Sie habe zwischen dem 1. März 2010 und dem 31. Dezember 2012 ein monatliches Bruttoentgelt aus einer Beschäftigung in Höhe von EUR 395,38 erzielt. Der Weinbau sei im Jahre 2008 aufgegeben worden. In den Jahren 2009 bis 2011 seien noch Auszahlungen an sie für die Jahre 2006 bis 2008 erfolgt; es handele sich nicht um Gewinne, da die Verluste in den Jahre 2006 bis 2008 gegengerechnet werden müssten. Sie legte unter anderem die folgenden Einkommensteuerbescheide des Finanzamtes H. vor: • Bescheid vom 11. Januar 2010 für das Jahr 2008: Verluste der Klägerin aus Land- und Forstwirtschaft: EUR 2.369,00, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: EUR 919,00, Kapitalerträge: EUR 64,00. • Bescheid vom 16. November 2010 für das Jahr 2009: Einkünfte der Klägerin aus Land- und Forstwirtschaft: EUR 30,00, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: EUR 1.266,00. • Bescheid vom 25. November 2011 für das Jahr 2010: Einkünfte der Klägerin aus Land- und Forstwirtschaft: EUR 2.149,00, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: EUR 1.054,00. • Bescheid vom 11. April 2013 für das Jahr 2011: Einkünfte der Klägerin aus Land- und Forstwirtschaft: EUR 916,00, Verlust aus Vermietung und Verpachtung: EUR 3.407,00, Kapitalerträge: EUR 98,00.

Mit Bescheid vom 16. Mai 2013 entschied die Beklagte, die Familienversicherung ab dem 1. August 2011 zu "stornieren". Ehepartner hätten Anspruch auf Familienversicherung, sofern sie keine Einnahmen über der Einkommensgrenze hätten. Die Grenze für das Jahr 2011 betrage EUR 365,00 bzw., wenn eine geringfügige Beschäftigung (Minijob) ausgeübt werde, EUR 400,00. Schwankende Einkünfte wie z. B. aus Vermietung und Verpachtung seien anhand des letzten vorliegenden Einkommensteuerbescheides nachzuweisen. Der Steuerbescheid gelte drei Tage nach dem Ausstellungsdatum als zugestellt. Sie berücksichtige den Bescheid ab diesem Tag für die Prüfung der Familienversicherung. Dadurch ergebe sich eine zeitversetzte Betrachtungsweise. Die Klägerin habe auf dem Antrag zur Familienversicherung angegeben, dass sie eine geringfügige Beschäftigung ausübe und EUR 390,00 verdiene. Weitere Angaben seien nicht vermerkt gewesen. Bei der jährlichen Überprüfung der Familienversicherung habe die Klägerin im August 2012 erstmalig mitgeteilt, dass sie neben dem Einkommen aus ihrem Minijob noch über Mieteinkünfte verfüge. Anhand des vorliegenden Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2009 habe sie – die Beklagte – festgestellt, dass die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung jährlich EUR 1.266,00 (monatlich EUR 105,50) betrügen. Die Klägerin habe zusammen mit ihrem Gehalt ein Gesamteinkommen von EUR 495,50. Damit überstiegen ihre Einnahmen die Einkommensgrenze für die Familienversicherung. Dieses Einkommen habe bereits zum Zeitpunkt der beantragten Familienversicherung vorgelegen. Dies habe die Klägerin nicht mitgeteilt. Hätte sie – die Beklagte – Kenntnis von diesem Einkommen gehabt, wäre die Durchführung der Familienversicherung abzulehnen gewesen. Da die Voraussetzung für die Familienversicherung ab dem 1. August 2011 tatsächlich nicht erfüllt seien, habe sie die kostenlose Mitversicherung storniert. Laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 habe die Klägerin negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Diese Einkünfte unterschritten zusammen mit ihrem Gehalt aus dem Minijob die Einkommensgrenze für die Familienversicherung. Sie könne deshalb eine Familienversicherung ab dem 16. April 2013 beantragen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 6. Juni 2013 Widerspruch. Die maßgebliche Einkommensgrenze werde nur überschritten, wenn man die Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit, aus Vermietung und Verpachtung und aus der geringfügigen Beschäftigung addiere. Betrachte man die Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit nebst Vermietung und Verpachtung und die Einnahmen aus der geringfügigen Beschäftigung je separat, werde die Grenze nicht überschritten. Bei dem Gesamteinkommen im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) handele es sich um das Gesamteinkommen, das im Sinne von § 16 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit in einer steuerrechtlichen Betrachtungsweise zu verstehen sei. Für die jeweilige Person steuerfreie Einnahmen seien keine Einnahmen, die beim Gesamteinkommen im Sinne von § 16 SGB IV zu berücksichtigen seien. Dies gelte auch für § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung seien von der geringfügig beschäftigten Person nicht in die Einkommensteuerklärung aufzunehmen. Vielmehr habe von Seiten des Arbeitgebers eine Abführung des Pauschalbetrages zu erfolgen. Ausgehend hiervon hätten Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung unberücksichtigt zu bleiben. Für diese Ansicht spräche auch, dass ansonsten die Einnahmen aus der geringfügigen Beschäftigung zumindest faktisch doppelt in der gesetzlichen Krankenversicherung verbeitragt würden, verhalte es sich doch so, dass arbeitgeberseitig unter anderem Pauschalabgaben von 13 Prozent auf Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung zu entrichten seien. Sie sei daher im gesamten Zeitraum familienversichert gewesen. Hieran ändere auch nichts der Umstand, dass in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V im Falle einer geringfügigen Beschäftigung das Gesamteinkommen entsprechend dem fraglichen Zeitraum auf EUR 400,00 angehoben worden sei, da in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V nicht § 16 SGB IV eingeschränkt werden könne, da die Frage des Gesamteinkommens allein steuerrechtlich zu beurteilen sei.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2013 zurück. In der Familienversicherung seien Ehegatten von Mitgliedern versichert, wenn diese Familienangehörigen neben weiteren Voraussetzungen kein Gesamteinkommen hätten, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreite. Für das Jahr 2013 ergebe sich hier ein Wert von EUR 385,00 (2011: EUR 365,00; 2012: EUR 375,00). Ausgeschlossen von dem Anspruch seien Familienangehörige, die auf Grund ihres Einkommens für den Fall der Krankheit selbst Vorsorge treffen könnten. Das Gesamteinkommen werde entsprechend § 16 SGB IV als die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechtes definiert. Es umfasse insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen. Das Arbeitseinkommen sei nach § 15 Abs. 1 SGB IV der nach dem allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen sei als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten sei. In dem Besprechungsergebnis der Spitzenverbänden der Krankenkassen vom 27. September 2007 sei geregelt, dass bei der Feststellung des Gesamteinkommens von selbständig Tätigen im Bereich der Familienversicherung eine Übernahme der Grundsätze zur Heranziehung des Arbeitseinkommens Selbständiger so wie es im Bereich der Beitragseinstufung von freiwillig krankenversicherten hauptberuflich Selbständigen praktiziert werde, geboten sei. Dies bedeute, dass die Krankenkassen zur Bestimmung der Höhe des Arbeitseinkommens aus der selbständigen Tätigkeit grundsätzlich auf den letzten aktuellen Einkommenssteuerbescheid zurückgriffen. Entsprechend des gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 24. Oktober 2008 würden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung, Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit sowie sonstige Einkünfte bei der Ermittlung des Gesamteinkommens berücksichtigt. Hierbei könnten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sämtliche Aufwendungen abgesetzt werden, die durch die mit dieser Einkunftsart verbundenen wirtschaftlichen Tätigkeiten veranlasst würden. Ausweislich des am 16. November 2010 erstellten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2009 habe die Klägerin über monatliche Einkünfte in Höhe von EUR 108,00 verfügt. Daneben seien die Einkünfte aus ihrer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von EUR 395,38 als Arbeitsentgelt bei der Feststellung des Gesamteinkommens zu berücksichtigen. Somit überstiegen ihre Einnahmen die Einkommensgrenzen für die Familienversicherung. Die Klägerin habe in ihrem Antrag auf Familienversicherung nicht angegeben, dass sie über Einkommen verfüge, welches zudem die für die Durchführung der Familienversicherung maßgebenden Gesamteinkommensgrenze überschreite. Die Voraussetzungen für die Durchführung der Familienversicherung ab dem 1. August 2011 hätten nach alledem nicht vorgelegen. Auf Grund der unvollständigen Angaben auf dem Antrag für die Familienversicherung könne die Klägerin keinen Vertrauensschutz geltend machen. Bestätigungen über die Durchführung der Familienversicherung seien Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Der rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakt sei dementsprechend mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Da die Versichertengemeinschaft diese fehlerhafte Entscheidung durch ihre Beiträge mitfinanziere, sei das öffentliche Interesse an der Rücknahme größer als bei einer einmaligen Regelung. Zudem dürfe die Solidargemeinschaft eine ordnungsgemäße Anwendung des geltenden Rechts erwarten.

Hiergegen hob die Klägerin am 5. November 2013 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Sie wiederholte ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren. Hilfsweise trug sie vor, dass der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 vom 11. April 2013 nicht erst ab dem 16. April 2013, sondern bereits ab dem 14. April 2013 zu berücksichtigen sei, da der Einkommensteuerbescheid ab diesem Tag sowohl ihr als auch der Beklagten gegenüber als beachtlich anzusehen sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Gesamteinkommensgrenze des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB IV umfasse neben den weiteren Einkünften auch das aus der Tätigkeit als geringfügig Beschäftigte erzielte Arbeitsentgelt. Für den Zeitpunkt der Berücksichtigung des Einkommensteuerbescheides sei nicht dessen Datum maßgeblich, sondern der Zeitpunkt der Kenntnisnahme des geänderten Gesamteinkommens.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 28. Mai 2015 ab. Die Klage sei unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Familienversicherung in der Zeit vom 1. August 2011 bis zum 15. April 2013 hätten nicht vorgelegen. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt der Beantragung der Familienversicherung mit Antrag vom 30. Mai 2011 nicht die Voraussetzungen erfüllt. Sie habe über ein Gesamteinkommen verfügt, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschritten habe. Die für die Beurteilung des Gesamteinkommens maßgeblichen Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung hätten laut Einkommensteuerbescheid vom 25. November 2010 (richtig: 2011) für 2010 EUR 1.054,00 (monatlich EUR 87,83) betragen. Zusammen mit ihrem Einkommen aus der geringfügigen Beschäftigung in Höhe von knapp EUR 400,00 monatlich werde die Einkommensgrenze überschritten. Ihren Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 25. November 2010 (richtig: 2011) habe sie bereits bei Antragstellung vorliegen gehabt. Sie habe diesen Bescheid ihrem Antrag vom 30. Mai 2011 nicht beigefügt und damit gegenüber der Beklagten ihre tatsächlichen Einkommensverhältnisse verschwiegen. Auf der Basis des Steuerbescheides vom 25. November 2010 (richtig: 2011) hätte eine prognostische Beurteilung der Einkommensverhältnisse stattfinden müssen, ungeachtet der Tatsache, dass diese bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf Schwierigkeiten stoße. Eine neue Prüfung der Einkommensverhältnisse und deren prognostische Beurteilung sei erst seit dem 16. April 2013 möglich gewesen. Erst seitdem liege der Beklagten der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 vom 11. April 2013 vor.

Gegen das ihr am 8. Juni 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am selben Tag Berufung eingelegt. Das Bundessozialgericht (BSG) habe mit Urteil vom 7. Dezember 2000 (B 10 KR 3/99 R – in juris) klargestellt, dass auch in den Fällen, in denen für die Vergangenheit die Frage zu klären sei, ob eine Familienversicherung gegeben sei oder nicht, hinsichtlich der Frage des Überschreitens des Gesamteinkommens eine prognostische Betrachtung anzustellen sei. Das SG gehe unzutreffend davon aus, dass der Einkommensteuerbescheid für das Steuerjahr 2010 bis zur Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Steuerjahr 2011 am 16. April 2013 die Grundlage für die anzustellende Prognose darstelle. Der Einkommensteuerbescheid sei ein mögliches Mittel der Prognose, keinesfalls sei er das einzige Mittel. Vielmehr sei die Prognose an Hand aller Erkenntnisquellen zu treffen, wobei diese Erkenntnisquellen mit Blick auf den Untersuchungsgrundsatz nicht in der Form limitiert seien, dass die jeweilige Erkenntnisquelle der Krankenkasse vorliegen müsse. Sie habe ihre Tätigkeit im Weinbau im Jahre 2008 eingestellt. Auch habe sie der Beklagten mitgeteilt, dass die Auszahlung der Erträge aus dem Weinbau erst jeweils nach drei Jahren erfolgten, was zur Folge habe, dass sie trotz der Betriebsaufgabe im Jahr 2008 noch bis in das Jahr 2011 entsprechend Einnahmen aus dem Weinbau erzielt habe. Da aber auf Grund der Betriebsaufgabe im Jahr 2008 die Betriebsausgaben für den Weinbau weggefallen seien, seien die entsprechenden Einnahmen, die in der Zeit bis 2011 nachgeflossen seien, praktisch mit dem Gewinn aus dieser Tätigkeit gleichzusetzen gewesen, wobei bei entsprechend gebotener prognostischer Betrachtung eigentlich ab 2008 zu ersehen gewesen sei, dass die Gewinne mit Ablauf des Jahres 2011 wegfielen. Dies hätte im Rahmen der zu fordernden Prognose berücksichtigt werden müssen. Jedenfalls für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum "15. August 2013" (gemeint wohl 15. April 2013) wäre die Familienversicherung durchzuführen gewesen. Hierbei könne nicht auf das Datum der Vorlage des Steuerbescheides für das Jahr 2011 abgestellt werden, da eine dem § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V entsprechende Regelung für den Anwendungsbereich des § 10 SGB V nicht vorgesehen sei. Auch die Beklagte bzw. der Spitzenverband der Krankenkassen sei mangels des Vorliegens einer entsprechenden ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage im Gesetz nicht dazu ermächtigt, eine solche Komplementärregelung zu schaffen. Im Übrigen sei bereits auch im gesamten Jahr 2011 bei entsprechender prognostischer Betrachtung das Ergebnis zu erwarten gewesen, dass sich sodann im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 niedergeschlagen habe, weswegen bei Vornahme der gebotenen prognostischen Betrachtung die Klägerin auch im Zeitraum vom 1. August 2011 bis zum 31. Dezember 2011 familienversichert gewesen sei. Dies sei insbesondere damit zu begründen, dass die zu erwartenden Zahlungen für den Weinbau im Jahr 2011 bereits festgestanden hätten und gegebenenfalls von der Weinbaugenossenschaft hätten benannt werden können. Darüber hinaus sei mit Blick auf die Betriebsaufgabe davon auszugehen gewesen, dass keine weiteren Einnahmen erzielt würden und keine Ausgaben hierfür angefallen seien. Die Aufgabe des Weinbaus im Jahre 2006 sei der Beklagten mit Schreiben vom 2. Januar 2013, mithin also deutlich vor Erlass des Bescheides vom 16. Mai 2013, mitgeteilt worden. Bei Erlass dieses Bescheides hätte die Beklagte sämtliche Umstände berücksichtigen müssen, die ihr zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen seien, da bei einer Prognoseentscheidung immer auf die aktuelle, zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannte Sachlage und nicht auf eine frühere Sachlage abzustellen sei. Da die ursprüngliche Prognoseentscheidung für das Jahr 2011 erst im Jahre 2013 getroffen worden sei, seien bei dieser Prognoseentscheidung auch diejenigen Tatsachen zu berücksichtigen, die zu diesem Zeitpunkt aktenkundig gewesen seien und bereits im Prognosezeitraum Geltung beansprucht hätten, was auch für die Aufgabe des Weinbaus gelte. In jedem Fall hätte die Aufgabe des Weinbaus ab dem 2. Januar 2013 berücksichtigt werden müssen, da die Beklagte mit Schreiben von diesem Tag hierüber informiert worden sei und deshalb ab diesem Zeitpunkt eine andere Prognosegrundlage vorgelegen habe.

Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. Mai 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und festzustellen, dass sie im Zeitraum vom 1. August 2011 bis zum 15. April 2013 bei der Beklagten familienversichert gewesen ist, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Klägerin hat daraufhin angeregt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und im Übrigen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagte Bezug genommen.

II.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört. Die Beteiligten haben keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten erscheinen lassen.

2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 SGG, da die Klage keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft.

3. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2013 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die Klägerin ab dem 1. August 2013 nicht familienversichert war. Diese Feststellung ist in der Formulierung der Beklagten, sie "storniere" die Familienversicherung zu diesem Datum, zu sehen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – in juris, Rn. 28).

a) Der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2013 ist nicht an §§ 45, 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu messen.

Ein Verwaltungsakt der Beklagten über das Bestehen der Familienversicherung ist nicht ergangen. Die Klägerin hat sich auf eine entsprechende ausdrückliche Entscheidung der Beklagten nicht berufen. Die bloße Durchführung der Familienversicherung enthält keine Regelung des Versicherungsverhältnisses. Auch aus der jährlichen Abfrage in den Fragebögen zur Datenpflege zur Familienversicherung ist nichts ersichtlich, was auf eine Regelung zur Familienversicherung schließen lassen könnte (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2013 – L 11 KR 1983/12 – in juris, Rn. 32). Liegt jedoch ein entgegenstehender Verwaltungsakt nicht vor, ist die Krankenkasse nicht gehindert, rückwirkend festzustellen, dass ab einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt eine Familienversicherung nicht bestanden hat; sie unterliegt dabei nicht den Grenzen der §§ 45, 48 SGB X (dazu näher BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – in juris, Rn. 33 ff. m.w.N.; ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 2013 – L 11 KR 1983/12 – in juris, Rn. 32).

b) In materieller Hinsicht ist für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide entscheidend, ob die Klägerin ab dem 1. August 2011 familienversichert gewesen ist. Unerheblich ist dabei, ob und ggf. wann im späteren Verlauf wieder die Voraussetzungen für die Familienversicherung erfüllt gewesen sind. Maßgeblich für Frage, ob die Klägerin ab dem 1. August 2011 familienversichert gewesen ist, ist, ob die Beklagte an diesem 1. August 2011 bei der von ihr zu treffenden Prognose einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt hätte erlassen dürfen, dass die Klägerin ab sofort familienversichert ist. Dass die Beklagte einen solchen Verwaltungsakt nicht erlassen hat, sondern die Familienversicherung der Klägerin (nur) faktisch durchgeführt hat, kann die an eine rückwirkende Feststellung, dass keine Familienversicherung bestand, zu stellenden materiellen Anforderungen nicht verändern. Dies bedeutet, dass die rückwirkende Feststellung, dass eine Familienversicherung nicht bestand, dann rechtmäßig ist, wenn ein Verwaltungsakt am 1. August 2011 mit dem Inhalt, dass die Klägerin ab sofort familienversichert ist, rechtswidrig gewesen wäre (entsprechende Anwendung des § 45 Abs. 1 SGB X). Es ist also nachträglich eine vorausschauende Betrachtung anzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – in juris, Rn. 29 f.).

Es kommt damit allein auf die objektive Sachlage am 1. August 2011 an (vgl. Padé, in: jurisPK-SGB X, 2013, § 45 Rn. 50). Dies gilt auch, wenn später erst Erkenntnisse zu Tage treten, die erstmals die Rechtswidrigkeit der Durchführung der Familienversicherung erkennen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 25/07 R – in juris, Rn. 17). Dies gilt auch für Prognoseentscheidungen (vgl. Padé, in: jurisPK-SGB X, 2013, § 45 Rn. 50). Hier ist dabei darauf abzustellen, ob die Prognose im Zeitpunkt der Entscheidung zutreffend war (vgl. Padé, in: jurisPK-SGB X, 2013, § 45 Rn. 50). Dies ist nicht der Fall, wenn der der Prognose zugrunde liegende Sachverhalt nicht mit der tatsächlichen Sachlage objektiv übereinstimmt (LSG Hessen, Urteil vom 17. Januar 2012 – L 2 R 524/10 – in juris, Rn. 39), die Prognose also daher von Anfang an falsch war; unerheblich ist hingegen, ob sich die Prognose später aufgrund nicht vorhersehbarer Entwicklungen als falsch erweist (LSG Hessen, Urteil vom 28. August 2009 – L 5 R 341/05 – in juris, Rn. 44).

Vorliegend handelt es sich um eine derartige Prognoseentscheidung. Bei Statusentscheidungen im Versicherungsrecht – und um eine derartige Entscheidung handelt es sich bei der Feststellung des Bestehens einer Familienversicherung – ist grundsätzlich eine vorausschauende Betrachtungsweise angezeigt (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – in juris, Rn. 29 auch zum Folgenden; Beschluss des Senats vom 12. Juni 2015 – L 4 KR 4882/12 – nicht veröffentlicht; Landessozialgericht (LSG) Hessen, Urteil vom 28. Februar 2002 – L 14 KR 406/98 – in juris, Rn. 18; a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Februar 2012 – L 11 KR 4779/10 – in juris, Rn. 28). Der Betreffende muss beim Entfallen der Familienversicherung für eine anderweitige Versicherung sorgen können und bei plötzlich auftretender Krankheit zuverlässig wissen, wie und wo er versichert ist. Dies erfordert eine Prognose unter Einbeziehung der mit hinreichender Sicherheit zu erwartenden Veränderungen. Das hierbei gewonnene Ergebnis bleibt dann auch verbindlich, wenn die Entwicklung später anders verläuft als angenommen (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – in juris, Rn. 29 m.w.N.). Dies gilt auch für rückwirkende Entscheidungen (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – in juris, Rn. 30 m.w.N.; LSG Hessen, Urteil vom 28. Februar 2002 – L 14 KR 406/98 – in juris, Rn. 18), wie hier eine vorliegt.

c) Die Durchführung der Familienversicherung zu Gunsten der Klägerin war vor diesem Hintergrund rechtswidrig; ein entsprechender Verwaltungsakt wäre rechtswidrig gewesen. Denn bei der gebotenen Prognoseentscheidung hätte, wenn diese zutreffend erfolgt wäre, festgestellt werden müssen, dass die Voraussetzungen für die Durchführung der Familienversicherung nicht vorliegen.

aa) Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der hier anzuwendenden, seit 1. April 2003 geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 2 Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I, S. 4621) sind der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern versichert (Familienversicherung), wenn diese Familienangehörigen (1.) ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, (2.) nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 bis 8, 11 oder 12 SGB V oder nicht freiwillig versichert sind, (3.) nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind, wobei die Versicherungsfreiheit nach § 7 SGB V außer Betracht bleibt, (4.) nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und (5.) kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8a SGB IV beträgt das zulässige Gesamteinkommen EUR 400,00.

bb) § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in der zitierten Fassung steht einer Familienversicherung der Klägerin ab dem 1. August 2011 entgegen. Denn die Klägerin verfügte nach der am 1. August 2011 zu treffenden Prognose über ein Gesamteinkommen, das EUR 400,00 überschritt.

(1) Unter dem Gesamteinkommen im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ist das Gesamteinkommen des § 16 SGB IV zu verstehen. Danach ist das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts (Halbsatz 1). Es umfasst insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen (Halbsatz 2). Nach § 2 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) unterliegen sieben Einkunftsarten der Einkommensteuer, nämlich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (Nr. 1), Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Nr. 2), Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Nr. 3), Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Nr. 4), Einkünfte aus Kapitalvermögen (Nr. 5), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Nr. 6) und sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG (Nr. 7). Einkünfte sind nach § 2 Abs. 2 EStG bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit der Gewinn (§§ 4 bis 7k und 13a EStG), bei den übrigen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten im Sinne von §§ 8 bis 9a EStG. Auf diesen Begriff der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG wird in § 16 Halbsatz 1 SGB IV Bezug genommen. Das gilt auch, soweit das Gesamteinkommen für den Ausschluss aus der Familienversicherung Bedeutung hat (BSG, Urteil vom 22. Mai 2003 – B 12 KR 13/05 R – in juris, Rn. 12; ferner BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R – in juris, Rn. 16 m.w.N. zu § 10 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB V).

Bei der Ermittlung des Gesamteinkommens sind von den Einkünften Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG) und Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) nicht abzuziehen (BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R – in juris, Rn. 168 – auch zum Folgenden). Denn zur Bestimmung des Gesamteinkommens nehmen § 16 SGB IV und § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V nicht auf das zu versteuernde Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG, nicht auf das Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 4 EStG und auch nicht auf den Gesamtbetrag der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG Bezug. Anknüpfungspunkt ist vielmehr die Summe der Einkünfte vor Abzug der in § 2 Abs. 3 bis 5 EStG genannten Abzugsposten. Diese Abzugsposten sind nur für den Gesamtbetrag der Einkünfte, das Einkommen und das zu versteuernde Einkommen bedeutsam. Der Gesamtbetrag der Einkünfte ergibt sich, wenn von der Summe der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG (entspricht dem Gesamteinkommen) der Altersentlastungsbetrag, der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende oder Abzüge nach § 13 Abs. 3 EStG abgezogen werden (§ 2 Abs. 3 EStG). Das Einkommen des Steuerpflichtigen ergibt sich, wenn vom Gesamtbetrag der Einkünfte weiter Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden (§ 2 Abs. 4 EStG). Wird das Einkommen schließlich um Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder sonstige vom Einkommen abzuziehende Beträge vermindert, erhält man das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 Satz 1 EStG).

(2) Für die rechtmäßige Prognoseentscheidung am 1. August 2011 stellte die Beklagte zu Recht auf den damals vorliegenden Einkommensteuerbescheid vom 16. November 2010 für das Jahr 2009 ab.

Gegenstand eines Einkommensteuerbescheides ist die Festlegung der Höhe der in dem Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte. Schon aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität ist es geboten, dass die Krankenkassen für die Bestimmung der Einkünfte keine eigenen Ermittlungen anstellen, zu denen sie zudem regelmäßig nicht in der Lage sind dürften, sondern auf die von der Finanzverwaltung erteilten Steuerbescheide zurückgreifen (Beschluss des Senats vom 12. Juni 2015 – L 4 KR 4882/12 – nicht veröffentlicht; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2014 – L 1 KR 156/12 – in juris, Rn. 16). Dementsprechend hat auch die höchstrichterliche Rechtsprechung stets gebilligt, dass Tatbestandsvoraussetzungen von sozialrechtlichen Normen, die auf Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts abstellen, unter Rückgriff auf den Inhalt der von der Finanzverwaltung erlassenen Steuerbescheide festgestellt worden sind (BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 6. November 2008 – B 1 KR 28/07 R – juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – juris, Rn. 15; zur Bemessung der Beiträge freiwillig Versicherter nach § 240 SGB V z.B. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 21/11 R –in juris, Rn. 21).

Der Einkommensteuerbescheid vom 16. November 2010 für das Jahr 2009 betraf das zum streitigen Zeitpunkt (1. August 2011) zeitnächste Jahr. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 datiert auf dem 25. November 2011 und der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 auf den 11. April 2013, so dass sie beide nicht Gegenstand einer am 1. August 2011 zu treffenden Prognoseentscheidung gewesen sein konnten.

Aus dem Einkommensteuerbescheid vom 16. November 2010 für das Jahr 2009 ergaben sich jährliche Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 1.266,00; letzteres ergibt einen monatlichen Betrag von EUR 105,50. Hinzu kommen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von EUR 30,00; dies ergibt einen monatlichen Betrag von EUR 2,50, zusammen mithin EUR 108,00. Die Ermittlung des monatlichen Einkommens durch die Division des Jahresbetrages durch zwölf ist jedenfalls dann vorzunehmen, wenn der Betroffene – wie hier – keinerlei substantiierte Angaben dazu macht, dass sich der Gesamtbetrag aus höchst unterschiedlichen Monatsbeträgen zusammensetzt (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – in juris, Rn. 15; Beschluss des Senats vom 12. Juni 2015 – L 4 KR 4882/12 – nicht veröffentlicht).

Gegen eine Verpflichtung zur Heranziehung (erst) des Steuerbescheides über den Veranlagungszeitraum, welcher mit dem Zeitraum übereinstimmt, für den der Bestand einer Familienversicherung überprüft wird, spricht bereits, dass eine steuerliche Veranlagung nur im Nachhinein, also für abgelaufene Zeiträume erfolgt (Beschluss des Senats vom 12. Juni 2015 – L 4 KR 4882/12 – nicht veröffentlicht; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2014 – L 1 KR 156/12 – in juris, Rn. 17). Es kommen die dem Steuerpflichtigen eingeräumten Antragsfristen und die Bearbeitungsdauer der Finanzverwaltung hinzu. Feststellungen über das Einkommen trifft die Finanzverwaltung nur im Nachhinein. Entscheidungen über das Fortbestehen einer Versicherung sind aber grundsätzlich vorausschauend für die Zukunft und nicht rückwirkend für einen bereits vergangenen Zeitraum zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 29 f.). In diesem Zusammenhang kann ein für einen abgelaufenen Veranlagungszeitraum erstellter Steuerbescheid zwar nicht als Beleg für die aktuellen Verhältnisse, aber als Grundlage für eine zukunftsgerichtete Prognose dienen (Beschluss des Senats vom 12. Juni 2015 – L 4 KR 4882/12 – nicht veröffentlicht; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2014 – L 1 KR 156/12 – in juris, Rn. 17 – auch zum Folgenden). Damit erhalten die Krankenkassen eine tragfähige Grundlage für die von ihnen anzustellenden Berechnungen. Die Versicherten werden durch die entstehenden Ungenauigkeiten nicht übermäßig belastet, weil die Abweichungen zwischen den Prognosen und der tatsächlichen Entwicklung sich jedenfalls auf lange Sicht ausgleichen. Die Richtigkeit einer Prognoseentscheidung begründet sich aber aus den zum Zeitpunkt der Prognose vorhandenen Entscheidungsgrundlagen, nicht auf möglicherweise unvorhersehbare spätere Entwicklungen. Entsprechend sind Steuerbescheide nicht nach ihrem jeweiligen Veranlagungszeitraum, sondern jeweils ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses für die Zukunft zu berücksichtigen, bis ein neuerer Steuerbescheid vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 6. November 2008 – B 1 KR 28/07 R – juris, Rn. 16 ff. zur Berechnung von Krankengeld; BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – juris, Rn. 16 zur Berechnung von Beiträgen für Selbständige; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2014 – L 1 KR 156/12 – in juris, Rn. 17 zur Feststellung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 SGB V).

Bei der Prognose wäre zudem zu berücksichtigen gewesen, dass die Klägerin über ein monatliches Bruttoeinkommen aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe von (mindestens) EUR 390,00 verfügte. Dies ergibt sich aus ihren eigenen Angaben bei der Beantragung der Familienversicherung am 30. Mai 2011. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch das Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung bei der Ermittlung des Gesamteinkommens im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V zu berücksichtigen, auch wenn dieses Einkommen für die Klägerin einkommensteuerfrei wäre, weil eine Pauschalversteuerung durch den Arbeitgebers erfolgte (vgl. § 40a Abs. 2 EStG). Dass Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung ebenfalls zu berücksichtigen ist, ergibt sich schon aus § 10 Abs. 1 Satz Nr. 5 SGB V selbst: Die dort normierte Anhebung der maßgeblichen Gesamteinkommensgrenze für geringfügig Beschäftigte würde sonst keinen Sinn ergeben.

Damit lag bei einer am 1. August 2011 zu stellenden Prognose auf Grundlage der damals gemachten Angaben der Klägerin und dem damals ihr, aber nicht der Beklagten vorliegendem Einkommensteuerbescheid vom 16. November 2010 für das Jahr 2009 ein monatliches Gesamteinkommen von EUR 498,00 vor, so dass die Grenze des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in der oben zitierten Fassung von EUR 400,00 überschritten war.

Keinen Ausschlag für die Beurteilung, welche Prognose am 1. August 2011 rechtmäßigerweise zu treffen gewesen wäre, kann die spätere Entwicklung haben. Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass das tatsächliche Gesamteinkommen der Klägerin im Jahr 2011 hiervon abwich. der insofern einschlägige Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 datiert auf den 11. April 2013, konnte also am 1. August 2011 nicht berücksichtigt werden.

Auch das Vorbringen der Klägerin zur Entwicklung ihrer Einkünfte aus dem Weinbau ist für die am 1. August 2011 zu treffende Prognose unerheblich. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil sie diese Angaben bis zum 1. August 2011 nicht gemacht hatte, sondern sich zu diesem Aspekt erstmals mit Schreiben vom 2. Januar 2013 geäußert hat. Mangels jeglicher Angaben der Klägerin hierzu bis zum 1. August 2011 bestand auch kein Anlass für die Beklagte, insoweit Sachverhaltsaufklärung zu betreiben, so dass eine rechtmäßige Prognoseentscheidung am 1. August 2011 die Besonderheiten der Einkünfte aus dem Weinbau außer Betracht lassen durfte. Im Übrigen wäre die Grenze des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V auch ohne die Berücksichtigung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2009 von EUR 30,00 mit einem monatlichen Gesamteinkommen von EUR 495,50 (Bruttoeinkommen aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe von [mindestens] EUR 390,00 + monatliche Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von EUR 105,50) überschritten gewesen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved