Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 2214/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2167/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. März 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 32.804,53 festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Nachforderung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von EUR 32.804,53 für Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012.
Der Kläger betreibt eine Metzgerei. Der Beigeladene zu 1) war im streitgegenständlichen Zeitraum abhängig beschäftigter Arbeitnehmer des Klägers. Der Beigeladene zu 1) war bis zum 31. Juli 2003 bei der Beigeladenen zu 2) freiwillig krankenversichert. Seit dem 1. August 2003 ist er bei der Signal Krankenversicherung a. G. privat kranken- und pflegeversichert. In den Jahren 2009 bis 2012 erhielt der Beigeladene zu 1) aufgrund der Tätigkeit beim Kläger ein jährliches Bruttoentgelt in Höhe von EUR 47.612,00.
Die Beklagte führte am 27. Juni 2013 bei dem Kläger eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 durch. Mit Schreiben vom 28. Juni 2013 kündigte sie gegenüber dem Kläger an, Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt EUR 32.661,86 zu erheben, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Nach ihren Feststellungen sei der Beigeladene zu 1) seit dem 1. August 2003 privat krankenversichert. Bis zu diesem Zeitpunkt sei er wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze bei einer gesetzlichen Krankenkasse freiwillig krankenversichert gewesen. Durch Fortzahlung des gleichbleibenden Arbeitsentgelts und Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze sei diese ab dem Kalenderjahr 2007 unterschritten worden. Es seien daher Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Januar 2009 zu erheben. Die Bestandschutzregelung des § 6 Abs. 7 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), wonach für den betroffenen Arbeitnehmer die niedrigere besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze zur Feststellung der Versicherungspflicht gelten würde, könne keine Anwendung finden, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem 31. Dezember 2002, keine private Versicherung bestanden habe. Die rückwirkende Feststellung der Beitragspflicht sei auch dann zulässig, wenn wegen einer gleichzeitigen privaten Krankenversicherung ein Leistungsanspruch gegenüber einer gesetzlichen Krankenversicherung nicht gegeben sei.
Mit Bescheid vom 26. August 2013 setzte die Beklagte Nachforderungen von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für die Jahre 2009 bis 2012 in Höhe von insgesamt EUR 32.804,53 fest. Zur Begründung wiederholte sie die Ausführungen aus ihrem Schreiben vom 28. Juni 2013.
Hiergegen erhob der Kläger am 19. September 2013 Widerspruch. Es stehe ganz grundsätzlichen Rechtsprinzipien entgegen, wenn ein Versicherungsträger aus einem Versicherungsverhältnis einseitig Rechtspositionen in Gestalt von Beitragsansprüchen gegen einen Versicherten bzw. dessen Arbeitgeber ableite, ohne dafür den Versicherten gegenüber selbst nur das Risiko einer möglichen Gewährung von Versicherungsschutz durch Gewährung von Sozialleistungen zu tragen. Eine solche schwere Störung des Äquivalenzprinzips sei nicht hinnehmbar, weil kein Grund ersichtlich sei, der es rechtfertigen könnte, dass bei der für beide Teile des Versicherungsverhältnisses gleichen, ihr Verhalten bestimmenden und erklärenden subjektiven Ausgangslage – Unwissenheit über das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses schon in der Vergangenheit – der andere Teil (Versicherungsträger) für die gleiche Zeit nur (durch Beitragsansprüche ohne Leistungsverpflichtung) begünstigt, der andere Teil (Versicherter bzw. Arbeitgeber) für die gleiche Zeit ausschließlich (durch Beitragspflicht) benachteiligt wäre (unter Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 4. Oktober 1988 – 4/11a RK 2/87 – in juris). Eine solche Störung des Äquivalenzprinzips liege auch tatsächlich vor. Der Beigeladene zu 1) habe aus der privaten Krankenversicherung privatärztliche Leistungen sowie weitere Leistungen der privaten Krankenversicherung beansprucht, die nicht oder nur teilweise zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung beansprucht werden könnten. Eine Rückabwicklung der in Annahme der nichtbestehenden Versicherungspflicht vertraglich geschlossenen Versicherung sei daher nicht möglich, sofern sie den Betroffenen überhaupt zumutbar wäre.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2014 – dem Kläger nach seinen Angaben am 3. Juni 2014 zugestellt – zurück. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V seien versicherungsfrei Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 oder 7 übersteige und in den drei aufeinanderfolgenden Kalendermonaten (richtig: Kalenderjahren) überstiegen habe. Anhand der Jahresarbeitsentgeltgrenze müsse der Arbeitgeber die Krankenversicherungspflicht des Arbeitnehmers bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, bei jeder Gehaltserhöhung oder Gehaltsminderung sowie bei der jährlichen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze prüfen. Da die Jahresarbeitsentgeltgrenze jedes Jahr erhöht werde, müsse der Arbeitgeber zu Beginn eines jeden Jahres prüfen, ob bisher krankenversicherungsfreie Arbeitnehmer auch weiterhin nicht der Krankenversicherungspflicht unterlägen. Durch die Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze von EUR 40.500,00 für das Jahr 2002 auf EUR 45.900,00 für 2003 seien alle bisher krankenversicherungsfreien Arbeitnehmer, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt mehr als EUR 40.500,00, aber nicht mehr als EUR 45.900,00 betragen habe, vom 1. Januar 2003 an krankenversicherungspflichtig, es sei denn, dass der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hätte und die übrigen Voraussetzung des § 3 Abs. 3a SGB V vorlägen. Für Arbeitnehmer, die am 31. Dezember 2002 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze krankenversicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert gewesen seien, sehe § 6 Abs. 7 Satz 1 SGB V aus Gründen des Bestands- und Vertrauensschutzes eine niedrigere Jahresarbeitsentgeltgrenze vor, die an das Niveau der bisherigen Jahresarbeitsentgeltgrenze anknüpfe. Der Beigeladene zu 1) sei seit dem 1. August 2003 privat krankenversichert. Bis zu diesem Zeitpunkt sei er wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze bei der Beigeladenen zu 2) freiwillig versichert gewesen. Damit sei er zum 31. Dezember 2002 zwar wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze krankenversicherungsfrei, jedoch nicht bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert gewesen. Für die Beurteilung sei daher die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze und nicht die besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze heranzuziehen. Der Beigeladene zu 1) habe seit dem Jahr 2008 ein Bruttoentgelt in Höhe von EUR 47.612,00 bezogen und damit zu Beginn des Prüfungszeitraums im Jahr 2009 bis Ende des Prüfzeitraums im Jahr 2012 jeweils unter dem allgemeinen Jahresarbeitsentgeltgrenzen gelegen. Eine Störung des Äquivalenzprinzips liege nicht vor (Hinweis auf Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris). Aus dem Urteil des BSG vom 4. Oktober 1988 (a.a.O.) folge nichts anderes. Nach Auffassung des BSG könne eine Äquivalenzstörung dann hingenommen werden, wenn sie auf ein vorwerfbares Verhalten zurückgehe. Der Kläger habe bereits ab dem Jahr 2008 die gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht entrichtet, obwohl die Jahresarbeitsentgeltgrenze der Kranken- bzw. Pflegeversicherung eindeutig überschritten gewesen sei und er dies ohne Weiteres hätte erkennen können, wenn er seiner Pflicht nachgekommen wäre, zu Beginn des Jahres zu prüfen, ob auf Grund der jährlichen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze noch Kranken- bzw. Pflegeversicherungsfreiheit bestehe. Es sei dem Kläger daher zumindest fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, so dass eine Äquivalenzstörung – sollte eine solche überhaupt gegeben sein – hinzunehmen wäre. Die Prämien der privaten Versicherung orientierten sich im Gegensatz zu den Beiträgen zu den gesetzlichen Versicherungsträgern nicht am Einkommen der Versicherungsnehmer, seien also gerade bei hohen Einkommen wesentlich niedriger als die Beträge der gesetzlichen Kassen. Dies bedeute, die Vorgehensweise des Klägers führe sowohl für ihn als auch für den Beigeladenen zu 1) zu einer kostengünstigen Versicherung, während der Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten die gesetzlichen Beiträge vorenthalten würden. Würde man davon ausgehen, dass eine Rückabwicklung nicht zumutbar sei, würde dies bedeuten, dass jede Fehlbeurteilung eines Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses zu Gunsten einer privaten Versicherung – vorsätzlich oder fahrlässig – zu Lasten der gesetzlichen Versicherungen ginge. Im Sozialversicherungsrecht existiere jedoch kein allgemein gültiges Äquivalenzprinzip, das der Nacherhebung von Beiträgen entstehen könne.
Hiergegen erhob der Kläger am 2. Juli 2014 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er verwies auf die Begründung seines Widerspruchs und führte ergänzend aus, die Beitragsnachforderung betreffe einen Arbeitnehmer, der während des gesamten Nachforderungszeitraums privat krankenversichert gewesen sei. Die gesetzliche Krankenversicherung habe in dieser Zeit somit keinerlei Versicherungsrisiko getragen. Eine solche schwere Störung des Äquivalenzprinzips sei nicht hinnehmbar, weil kein Grund ersichtlich sei, der es rechtfertigen könnte, dass bei der für beide Teile des Versicherungsverhältnisses gleichen, ihr Verhalten bestimmenden und erklärenden subjektiven Ausgangslage – Unwissenheit über das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses schon in der Vergangenheit – der andere Teil für die gleiche Zeit nur begünstigt, der andere Teil für die gleiche Zeit ausschließlich benachteiligt werde. Eine Rückabwicklung der in der Annahme der nichtbestehenden Versicherungspflicht geschlossenen privaten Krankenversicherung sei nicht möglich, sofern sie ihm überhaupt zumutbar wäre. Davon abgesehen sehe das gültige Recht keine rückwirkende Aufhebung des Vertragsverhältnisses zwischen der privaten Krankenversicherung und dem betroffenen Arbeitnehmer vor, obwohl der Versicherungsvertrag in der maßgeblichen Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 unter Annahme falscher Voraussetzungen fortgeführt worden sei. § 205 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sehe eine rückwirkende Kündigung einer privaten Krankenversicherung bei Eintritt gesetzlicher Krankenversicherungspflicht nur binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht vor. Bei späterer Kündigung sei eine Beendigung des Versicherungsverhältnisses nur zum Ende des Monats möglich, in dem der Eintritt von Versicherungspflicht nachgewiesen worden sei.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Die durch Beschluss des SG vom 5. November 2014 Beigeladenen äußerten sich nicht.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 25. März 2015 ab. Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum auf Grund seiner beim Kläger ausgeübten Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung unterlegen sei. Insbesondere habe keine Versicherungsfreiheit mehr nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bestanden, da das dem Beigeladenen zu 1) bezahlte Jahresarbeitsentgelt seit 2007 die maßgebenden Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht mehr überstiegen habe. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung aus anderen Gründen oder für das Vorliegen eines Befreiungstatbestandes seien nicht ersichtlich. Der Nachforderung der Beiträge stehe der Einwand einer Störung des Äquivalenzprinzips nicht entgegen (Verweis auf mehrere Urteile von Landessozialgerichten).
Gegen das ihm am 21. April 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Mai 2015 – wie den Widerspruch und die Klage durch einen Rentenberater als Prozessbevollmächtigten – Berufung eingelegt. Er wolle es nicht hinnehmen, Beiträge für eine Versicherung zu zahlen, bei der die Versicherung keinerlei Versicherungsrisiko zu tragen habe. Auch nach dem Willen des Gesetzgebers sollten Doppelversicherungen vermieden werden. Dies ergebe sich u. a. aus § 5 Abs. 9 SGB V und § 205 Abs. 2 VVG. Auch die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung zur Auffangversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V habe zum Ziel, dass nur ein Krankenversicherungssystem zuständig sei. Im Gegensatz zur Darstellung im Urteil des SG halte das Gesetz für den Fall einer rückwirkenden Feststellung von gesetzlicher Krankenversicherungspflicht keine entsprechenden Mittel bereit, um eine nichtgewünschte Doppelversorgung zu verhindern. Der Ausgangsbescheid stehe daher grundsätzlichen Rechtsprinzipien entgegen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. März 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und keine Stellungnahme abgegeben.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben sich nicht geäußert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat hat für den vorliegenden Fall davon abgesehen, den Prozessbevollmächtigten des Klägers, einen Rentenberater, nach § 73 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Auch wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers als Rentenberater im vorliegenden Verfahren nicht vertretungsbefugt sein dürfte (dazu sogleich), sind seine bisherigen Prozessbehandlungen sowie die an ihn bisher bewirkten Zustellungen oder Mitteilungen wirksam (§ 73 Abs. 3 Satz 2 SGG). Die (an sich wohl notwendige) Zurückweisung des Prozessbevollmächtigten des Klägers führte zu einer Verzögerung des entscheidungsreifen Rechtsstreits.
Nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG – in der seit 1. Juli 2008 geltenden Fassung des Art. 12 Nr. 3 Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 2840) – sind als Bevollmächtigte vor dem Sozialgericht dem Landessozialgericht vertretungsbefugt Rentenberater im Umfang ihrer Befugnisse nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Nach dieser Vorschrift dürfen unter anderem natürliche Personen, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen der Rentenberatung auf dem Gebiet der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, des sozialen Entschädigungsrechts, des übrigen Sozialversicherungs- und Schwerbehindertenrechts mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente sowie der betrieblichen und berufsständischen Versorgung erbringen. In wesentlicher Übereinstimmung mit dem bis zum 30. Juni 2008 geltenden Recht (vgl. Bundestags-Drucksache 16/3655 S. 64), wonach bei dem Rentenberater Ausgangs- und Endpunkt der Beratung die zu erwartende Rente war, hat der Gesetzgeber auch ab 1. Juli 2008 den Gegenstand der registrierungspflichtigen Rentenberatung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG dahin präzisiert, dass es dabei um Rentenberatung auf dem Gebiet der gesetzlichen Renten und Unfallversicherung, des sozialen Entschädigungsrechts und des übrigen Sozialversicherungs- und Schwerbehindertenrechts mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente sowie der betrieblichen und berufsständischen Versorgung geht. Bei einer Beratung über die spezifisch rentenrechtlichen Gebiete hinaus ist mithin stets ein konkreter Bezug zu einer gesetzlichen Rente erforderlich (Bundestags-Drucksache, a.a.O.; (zuletzt erneut zu diesem Anknüpfungspunkt: BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 SB 3/13 R – in juris, Rn. 14, m.w.N.)).
Es besteht beim Streit um die Gesamtsozialversicherungsbeiträge des beim Kläger beschäftigten Beigeladenen zu 1) und die Verpflichtung des Klägers, die vollen Gesamtsozialversorgungsbeiträge zu zahlen, keinerlei Bezug zu einer gesetzlichen Rente des Klägers. Denn der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Nachforderung von Gesamtversicherungsbeiträgen für den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Beigeladenen zu 1) gegen den Kläger als Arbeitgeber, die die Beklagte aufgrund einer Betriebsprüfung beim Kläger erhob. Es erscheint höchst zweifelhaft, dass dieser Streitgegenstand von der Rentenberatung, die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erlaubt ist, umfasst wird, unabhängig davon, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach § 1 Einführungsgesetz zum RDG (RDGEG) als Erlaubnisinhaber nach dem bis 30. Juni 2008 geltenden Rechtsberatungsgesetz registriert ist. Die Beratung wegen der vom Kläger zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge dürfte auch keine Nebenleistung im Sinne des § 5 RDG beinhalten.
2. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
3. Die gemäß § 143 SGG statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie bedurfte auch nicht der Zulassung, da die Klage einen Wert von mehr als EUR 750,00 betrifft, nämlich Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 32.804,53 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
4. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 26. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2014 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht Sozialversicherungsbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für den Beigeladenen zu 1) in Höhe von EUR 32.804,53 nachgefordert.
a) Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710) für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen (Fassung ab 1. Januar 2012: Entgeltunterlagen) der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Diese Befugnis der Beklagten schließt die Rechtsmacht ein, einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu erlassen und damit rechtsgestaltend im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in die Rechtssphäre des Arbeitnehmers – hier des Beigeladenen zu 1) – als Drittbetroffene einzugreifen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R – in juris, Rn. 20 ff.).
Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß § 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber ausnahmsweise nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung. Die Zuständigkeit der Einzugsstelle – und demgemäß auch die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers – ist aus Gründen der Rechtssicherheit auch anzuwenden, wenn es wie hier um die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe nur in zwei der genannten Sozialversicherungszweige geht (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 2003 – B 12 RA 3/02 R – in juris, Rn. 16; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris, Rn. 37). Auch die hier streitigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Arbeitgeber gezahlt (§ 28d Sätze 1 und 2, § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV).
b) Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung sind gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Versicherungsfrei sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 oder 7 übersteigt. Für die soziale Pflegeversicherung gilt gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) entsprechendes (vgl. zur Versicherungsfreiheit in der Pflegeversicherung von versicherungsfreien Personen nach § 6 SGB V Beck, in: jurisPK-SGB XI, 2014, § 20 Rn. 25).
aa) Der Beigeladene zu 1) war im streitgegenständlichen Zeitraum (1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012) bei dem Kläger abhängig beschäftigt; dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Beigeladene zu 1) war daher in gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V; § 20 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB XI).
bb) Der Beigeladene zu 1) war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht versicherungsfrei in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.
Der Beigeladene zu 1) war bereits vor dem 1. Januar 2009 bei dem Kläger abhängig beschäftigt, dennoch war er vor dem streitgegenständlichen Zeitraum zumindest zeitweise in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei, weil sein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die jeweils maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze überstieg. Er war deshalb seit dem 1. August 2003 privat krankenversichert und pflegeversichert. Der von der Klägerin für den Beigeladenen zu 1) entrichtete Gesamtsozialversicherungsbeitrag umfasste deshalb keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Dies ergibt sich aus dem übereinstimmenden Sachvortrag der Beteiligten. Die Versicherungsfreiheit endete jedoch jedenfalls zum 31. Dezember 2008; spätestens ab dem 1. Januar 2009 unterlag der Beigeladene zu 1) wieder der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und damit auch in der sozialen Pflegeversicherung. Er erhielt zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. Dezember 2012 ein Jahresgehalt von EUR 47.612,00. Diese Summe konnte er bereits zu Beginn des jeweiligen Jahres erwarten, da sein Gehalt schon zu Beginn des jeweiligen Jahres feststand.
Damit lag das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1) unter den für die Jahre 2009 bis 2012 maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenzen. Diese betrugen nach § 6 Abs. 6 Satz 4 SGB V in Verbindung mit den jeweiligen Rechtsverordnungen im Jahr 2009 EUR 48.600,00, im Jahr 2010 EUR 49.950,00, im Jahr 2011 EUR 49.500,00 und im Jahr 2012 EUR 50.850,00. Auf die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 SGB V und nicht auf diejenige nach § 6 Abs. 7 SGB V ist abzustellen, weil der Beigeladene zu 1) am 31. Dezember 2002 wegen Überschreitens der an diesem Tag geltenden Jahresarbeitsgrenze zwar versicherungsfrei, aber nicht bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert war; er war vielmehr am 31. Dezember 2002 bei der Beigeladenen zu 2) (freiwillig) krankenversichert.
Da die jeweils maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze jedenfalls ab dem 1. Januar 2009 unterschritten wurde, trat spätestens ab diesem Datum bei dem Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht in der Krankenversicherung ein. Während für den Eintritt von Versicherungsfreiheit bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze in § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V bestimmt wird, dass die Versicherungspflicht – von Ausnahmen abgesehen – erst mit Ablauf des Kalenderjahres endet, in dem sie überschritten wird, fehlt es für den umgekehrten Fall des Eintritts von Versicherungspflicht wegen Unterschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze an einer entsprechende Regelung, so dass Versicherungspflicht grundsätzlich sogleich eintritt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris, Rn. 41 m.w.N.).
Der Eintritt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Folge, dass auch Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung eintritt, begründet für den Kläger als Arbeitgeber die Pflicht, mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV).
cc) Die Pflicht zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris, Rn. 42 ff. – auch zum Folgenden). Dies gilt auch, wenn der gesetzlich Versicherte vom Eintritt der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nichts weiß oder hiervon keine Kenntnis nimmt und deshalb keine Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen hat. Darin liegt keine Störung des sog. Äquivalenzprinzips. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Sozialversicherung unter anderem durch das Beitrags- oder Versicherungsprinzip (im Folgenden: Äquivalenzprinzip), aber auch durch das Prinzip des sozialen Ausgleichs bestimmt wird. Das Versicherungsprinzip ist dadurch gekennzeichnet, dass im Grundsatz eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung besteht (BVerfG, Beschluss vom 23. März 1994 – 1 BvL 8/85 – in juris, Rn. 55). Rechtliche Bedeutung hat dies insofern, als eine Verletzung oder Störung des Äquivalenzprinzips einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz indizieren kann. Allerdings hat das BVerfG gleichfalls betont, dass es verschiedene Regelungen einmal mehr als durch das Solidarprinzip, ein anderes Mal mehr als durch das Versicherungsprinzip geprägt und gerechtfertigt angesehen hat (vgl. die Nachweise bei BVerfG, Beschluss vom 10. November 1981 – 1 BvL 18/77, 1 BvL 19/77 – in juris, Rn. 35). Auch hat das Äquivalenzprinzip in der Sozialversicherung nicht die gleiche Bedeutung wie in der privaten Versicherung. Von der privaten Versicherung, die auf dem Äquivalenzprinzip einerseits und dem Kapitaldeckungsprinzip andererseits sowie der Bildung altersabhängiger Risikogemeinschaften beruht, unterscheidet sich die Sozialversicherung ganz wesentlich durch das fehlende Gewinnstreben und die zahlreichen Komponenten des sozialen Ausgleichs, wie sie etwa in der beitragsfreien Mitversicherung von Familienmitgliedern, der Umlagefinanzierung und der Bemessung der Beiträge nach dem Entgelt zum Ausdruck kommen. Der Ausgleich unterschiedlicher Krankheitsrisiken unter den Pflichtversicherten tritt in der gesetzlichen Krankenversicherung als prägendes Merkmal hinter den Ausgleich zwischen finanziell Leistungsfähigen und Leistungsschwächeren zurück (BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 4. Februar 2004 – 1 BvR 1103/03 – in juris, Rn. 20). Das Äquivalenzprinzip tritt vor allem in der gesetzlichen Rentenversicherung hervor, weil sich die Höhe einer Rente vorrangig nach der Höhe des während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelts richtet (BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 13. Juni 2006 – 1 BvR 1311/96 – in juris, Rn. 2). Dagegen ist das Äquivalenzprinzip z.B. in der Arbeitslosenversicherung nicht streng durchgeführt (BVerfG, Beschluss vom 23. März 1994 – 1 BvL 8/85 – in juris, Rn. 55 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 29. Juni 1993 – 12 BK 66/92 – in juris, Rn. 3 m.w.N.) und bei Sozialversicherungsbeiträgen in der gesetzlichen Unfallversicherung gilt es nur eingeschränkt (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 43/03 R – in juris, Rn. 32). In der gesetzlichen Krankenversicherung hat das Äquivalenzprinzip ebenfalls vorrangig in den Fällen Bedeutung, in denen sich die Leistung des Versicherten nach der Höhe des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts richtet. In diesem Fall ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten nicht nur Maßstab für die Heranziehung zu Beiträgen, sondern auch die durch den Versicherungsfall verursachte Einbuße an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Maßstab für die Berechnung von Lohnersatzleistungen wie z.B. das Krankengeld (BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 1995 – 1 BvR 892/88 – in juris, Rn. 58).
Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist das Äquivalenzprinzip also kein der Sozialversicherung zwingend und durchgehend vorgegebenes Strukturprinzip. Vielmehr ist für jede Regelung zu prüfen, ob sie mehr vom Äquivalenzprinzip oder mehr vom Solidarprinzip geprägt und gerechtfertigt ist. Für den vorliegenden Fall ist ferner zu berücksichtigen, dass sich die Rechtsprechung des BSG zum Gegenleistungs- und Äquivalenzprinzip in erster Linie auf das sozialrechtliche Versicherungsverhältnis zwischen Sozialversicherungsträger und Versichertem bezieht (vgl. BSG, Urteil vom 4. Oktober 1988 – 4/11a RK 2/87 – in juris, Rn. 19) und mithin nicht ohne Weiteres auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Sozialversicherungsträger übertragbar ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris, Rn. 43 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall, in dem die Nacherhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen beim Arbeitgeber für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zu beurteilen ist, liegt bereits keine Störung des Äquivalenzprinzips vor (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris, Rn. 44 – auch zum Folgenden). Die Argumentation des Klägers beruht im Kern darauf, dass er als Arbeitgeber Beiträge zur Krankenversicherung zu leisten habe, obwohl die Krankenkasse für den Zeitraum, für den die Beiträge nacherhoben werden, kein Risiko getragen habe. Dies trifft nicht zu. Die Versicherungspflicht durch das Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze ist kraft Gesetzes eingetreten, unabhängig davon, ob der Kläger Beiträge entrichtet hat oder nicht. Deshalb war der Beigeladenen zu 1) im hier streitigen Zeitraum auch tatsächlich gesetzlich krankenversichert. Die Versicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen stand der Begründung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht entgegen. Da der Beigeladene zu 1) – nach dem Vortrag des Klägers – keine Kenntnis vom Bestehen einer gesetzlichen Krankenversicherung hatten, war lediglich die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankenkasse tatsächlich zu einer Leistung herangezogen wird, gering. Die Inanspruchnahme der gesetzlichen Krankenversicherung war aber keineswegs ausgeschlossen. So hätte z.B. der Fall eintreten können, dass bei dem Beigeladenen zu 1) eine Krankheit auftritt, deren Therapie erfahrungsgemäß sehr hohe Kosten verursacht. Hätte das private Versicherungsunternehmen dann festgestellt, dass der Betroffene beim Abschluss der Versicherung eine vorbestehende Krankheit nicht angegeben hatte und hätte sie deshalb den Versicherungsvertrag gekündigt, hätte die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten übernehmen müssen. Es ist aber nicht als Störung des Äquivalenzprinzips anzusehen, dass sich das versicherte Risiko nicht verwirklicht hat bzw. die Verwirklichung des Risikos mangels Kenntnis des Versicherungsschutzes wenig wahrscheinlich war. Das Bestehen einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung hat ferner für den Versicherten den Vorteil, dass er damit das Recht zum freiwilligen Beitritt nach Beendigung der Pflichtversicherung erwerben kann (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) oder im Fall der Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Vorversicherungszeiten für die Krankversicherung der Rentner erfüllt (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V).
Das BSG hat eine rechtlich bedeutsame Störung des Äquivalenzprinzips im Übrigen nur bejaht, wenn der Sozialversicherungsträger aus dem Versicherungsverhältnis einseitig Rechtspositionen in Gestalt von Beitragsansprüchen gegen den Versicherten (nicht gegen den Arbeitgeber) ableitet, ohne dafür diesem gegenüber selbst nur das Risiko einer möglichen Gewährung von Versicherungsschutz durch Gewährung von Sozialleistungen zu tragen. Deshalb hat es zwar verlangt, dass dem Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis wenigstens derjenige Schutz gewährt wird, der bei dieser Sachlage noch erbringbar ist, z.B. eine Kostenerstattung (BSG, Urteil vom 4. Oktober 1988 – 4/11a RK 2/87 – in juris, Rn. 18). Selbst eine solche Äquivalenzstörung kann jedoch hingenommen werden, wenn sie auf ein dem Versicherten nach dem Inhalt des sozialrechtlichen Versicherungsverhältnis vorwerfbares Verhalten zurückgeht (BSG, Urteil vom 4. Oktober 1988 – 4/11a RK 2/87 – in juris, Rn. 19). Überträgt man diesen Gedanken auf den vorliegenden Fall, kann sich der Kläger nicht auf eine relevante Störung des Äquivalenzprinzips berufen, weil er die verspätete Beitragszahlung durch eine Fehlbeurteilung selbst verschuldet hat. Unterbleibt die Meldung der Versicherungspflicht und damit die Beitragszahlung, weil der Arbeitgeber einem Rechtsirrtum erlegen ist, handelt er fahrlässig, also schuldhaft (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris, Rn. 45).
Es liegt im Übrigen auf der Hand, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Versicherungs- und Beitragspflicht der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung nicht dadurch umgehen können, dass der Arbeitgeber die Meldung zur gesetzlichen Krankenversicherung unterlässt und der Arbeitnehmer sich parallel dazu privat krankenversichert, um sich beide anschließend auf das Äquivalenzprinzip zu berufen. Anderenfalls liefen die gesetzlichen Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht zugunsten eines faktischen Wahlrechts der Betroffenen leer.
c) Bedenken gegen die Höhe der erhobenen Beiträge bestehen nicht. Sie sind auch vom Kläger nicht geltend gemacht worden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt, so dass insofern eine Kostentragungspflicht des Klägers nicht billig wäre.
6. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
7. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Gerichtskostengesetz.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 32.804,53 festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Nachforderung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von EUR 32.804,53 für Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012.
Der Kläger betreibt eine Metzgerei. Der Beigeladene zu 1) war im streitgegenständlichen Zeitraum abhängig beschäftigter Arbeitnehmer des Klägers. Der Beigeladene zu 1) war bis zum 31. Juli 2003 bei der Beigeladenen zu 2) freiwillig krankenversichert. Seit dem 1. August 2003 ist er bei der Signal Krankenversicherung a. G. privat kranken- und pflegeversichert. In den Jahren 2009 bis 2012 erhielt der Beigeladene zu 1) aufgrund der Tätigkeit beim Kläger ein jährliches Bruttoentgelt in Höhe von EUR 47.612,00.
Die Beklagte führte am 27. Juni 2013 bei dem Kläger eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 durch. Mit Schreiben vom 28. Juni 2013 kündigte sie gegenüber dem Kläger an, Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt EUR 32.661,86 zu erheben, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Nach ihren Feststellungen sei der Beigeladene zu 1) seit dem 1. August 2003 privat krankenversichert. Bis zu diesem Zeitpunkt sei er wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze bei einer gesetzlichen Krankenkasse freiwillig krankenversichert gewesen. Durch Fortzahlung des gleichbleibenden Arbeitsentgelts und Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze sei diese ab dem Kalenderjahr 2007 unterschritten worden. Es seien daher Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Januar 2009 zu erheben. Die Bestandschutzregelung des § 6 Abs. 7 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), wonach für den betroffenen Arbeitnehmer die niedrigere besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze zur Feststellung der Versicherungspflicht gelten würde, könne keine Anwendung finden, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem 31. Dezember 2002, keine private Versicherung bestanden habe. Die rückwirkende Feststellung der Beitragspflicht sei auch dann zulässig, wenn wegen einer gleichzeitigen privaten Krankenversicherung ein Leistungsanspruch gegenüber einer gesetzlichen Krankenversicherung nicht gegeben sei.
Mit Bescheid vom 26. August 2013 setzte die Beklagte Nachforderungen von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für die Jahre 2009 bis 2012 in Höhe von insgesamt EUR 32.804,53 fest. Zur Begründung wiederholte sie die Ausführungen aus ihrem Schreiben vom 28. Juni 2013.
Hiergegen erhob der Kläger am 19. September 2013 Widerspruch. Es stehe ganz grundsätzlichen Rechtsprinzipien entgegen, wenn ein Versicherungsträger aus einem Versicherungsverhältnis einseitig Rechtspositionen in Gestalt von Beitragsansprüchen gegen einen Versicherten bzw. dessen Arbeitgeber ableite, ohne dafür den Versicherten gegenüber selbst nur das Risiko einer möglichen Gewährung von Versicherungsschutz durch Gewährung von Sozialleistungen zu tragen. Eine solche schwere Störung des Äquivalenzprinzips sei nicht hinnehmbar, weil kein Grund ersichtlich sei, der es rechtfertigen könnte, dass bei der für beide Teile des Versicherungsverhältnisses gleichen, ihr Verhalten bestimmenden und erklärenden subjektiven Ausgangslage – Unwissenheit über das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses schon in der Vergangenheit – der andere Teil (Versicherungsträger) für die gleiche Zeit nur (durch Beitragsansprüche ohne Leistungsverpflichtung) begünstigt, der andere Teil (Versicherter bzw. Arbeitgeber) für die gleiche Zeit ausschließlich (durch Beitragspflicht) benachteiligt wäre (unter Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 4. Oktober 1988 – 4/11a RK 2/87 – in juris). Eine solche Störung des Äquivalenzprinzips liege auch tatsächlich vor. Der Beigeladene zu 1) habe aus der privaten Krankenversicherung privatärztliche Leistungen sowie weitere Leistungen der privaten Krankenversicherung beansprucht, die nicht oder nur teilweise zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung beansprucht werden könnten. Eine Rückabwicklung der in Annahme der nichtbestehenden Versicherungspflicht vertraglich geschlossenen Versicherung sei daher nicht möglich, sofern sie den Betroffenen überhaupt zumutbar wäre.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2014 – dem Kläger nach seinen Angaben am 3. Juni 2014 zugestellt – zurück. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V seien versicherungsfrei Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 oder 7 übersteige und in den drei aufeinanderfolgenden Kalendermonaten (richtig: Kalenderjahren) überstiegen habe. Anhand der Jahresarbeitsentgeltgrenze müsse der Arbeitgeber die Krankenversicherungspflicht des Arbeitnehmers bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, bei jeder Gehaltserhöhung oder Gehaltsminderung sowie bei der jährlichen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze prüfen. Da die Jahresarbeitsentgeltgrenze jedes Jahr erhöht werde, müsse der Arbeitgeber zu Beginn eines jeden Jahres prüfen, ob bisher krankenversicherungsfreie Arbeitnehmer auch weiterhin nicht der Krankenversicherungspflicht unterlägen. Durch die Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze von EUR 40.500,00 für das Jahr 2002 auf EUR 45.900,00 für 2003 seien alle bisher krankenversicherungsfreien Arbeitnehmer, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt mehr als EUR 40.500,00, aber nicht mehr als EUR 45.900,00 betragen habe, vom 1. Januar 2003 an krankenversicherungspflichtig, es sei denn, dass der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hätte und die übrigen Voraussetzung des § 3 Abs. 3a SGB V vorlägen. Für Arbeitnehmer, die am 31. Dezember 2002 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze krankenversicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert gewesen seien, sehe § 6 Abs. 7 Satz 1 SGB V aus Gründen des Bestands- und Vertrauensschutzes eine niedrigere Jahresarbeitsentgeltgrenze vor, die an das Niveau der bisherigen Jahresarbeitsentgeltgrenze anknüpfe. Der Beigeladene zu 1) sei seit dem 1. August 2003 privat krankenversichert. Bis zu diesem Zeitpunkt sei er wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze bei der Beigeladenen zu 2) freiwillig versichert gewesen. Damit sei er zum 31. Dezember 2002 zwar wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze krankenversicherungsfrei, jedoch nicht bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert gewesen. Für die Beurteilung sei daher die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze und nicht die besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze heranzuziehen. Der Beigeladene zu 1) habe seit dem Jahr 2008 ein Bruttoentgelt in Höhe von EUR 47.612,00 bezogen und damit zu Beginn des Prüfungszeitraums im Jahr 2009 bis Ende des Prüfzeitraums im Jahr 2012 jeweils unter dem allgemeinen Jahresarbeitsentgeltgrenzen gelegen. Eine Störung des Äquivalenzprinzips liege nicht vor (Hinweis auf Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris). Aus dem Urteil des BSG vom 4. Oktober 1988 (a.a.O.) folge nichts anderes. Nach Auffassung des BSG könne eine Äquivalenzstörung dann hingenommen werden, wenn sie auf ein vorwerfbares Verhalten zurückgehe. Der Kläger habe bereits ab dem Jahr 2008 die gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht entrichtet, obwohl die Jahresarbeitsentgeltgrenze der Kranken- bzw. Pflegeversicherung eindeutig überschritten gewesen sei und er dies ohne Weiteres hätte erkennen können, wenn er seiner Pflicht nachgekommen wäre, zu Beginn des Jahres zu prüfen, ob auf Grund der jährlichen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze noch Kranken- bzw. Pflegeversicherungsfreiheit bestehe. Es sei dem Kläger daher zumindest fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, so dass eine Äquivalenzstörung – sollte eine solche überhaupt gegeben sein – hinzunehmen wäre. Die Prämien der privaten Versicherung orientierten sich im Gegensatz zu den Beiträgen zu den gesetzlichen Versicherungsträgern nicht am Einkommen der Versicherungsnehmer, seien also gerade bei hohen Einkommen wesentlich niedriger als die Beträge der gesetzlichen Kassen. Dies bedeute, die Vorgehensweise des Klägers führe sowohl für ihn als auch für den Beigeladenen zu 1) zu einer kostengünstigen Versicherung, während der Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten die gesetzlichen Beiträge vorenthalten würden. Würde man davon ausgehen, dass eine Rückabwicklung nicht zumutbar sei, würde dies bedeuten, dass jede Fehlbeurteilung eines Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses zu Gunsten einer privaten Versicherung – vorsätzlich oder fahrlässig – zu Lasten der gesetzlichen Versicherungen ginge. Im Sozialversicherungsrecht existiere jedoch kein allgemein gültiges Äquivalenzprinzip, das der Nacherhebung von Beiträgen entstehen könne.
Hiergegen erhob der Kläger am 2. Juli 2014 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er verwies auf die Begründung seines Widerspruchs und führte ergänzend aus, die Beitragsnachforderung betreffe einen Arbeitnehmer, der während des gesamten Nachforderungszeitraums privat krankenversichert gewesen sei. Die gesetzliche Krankenversicherung habe in dieser Zeit somit keinerlei Versicherungsrisiko getragen. Eine solche schwere Störung des Äquivalenzprinzips sei nicht hinnehmbar, weil kein Grund ersichtlich sei, der es rechtfertigen könnte, dass bei der für beide Teile des Versicherungsverhältnisses gleichen, ihr Verhalten bestimmenden und erklärenden subjektiven Ausgangslage – Unwissenheit über das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses schon in der Vergangenheit – der andere Teil für die gleiche Zeit nur begünstigt, der andere Teil für die gleiche Zeit ausschließlich benachteiligt werde. Eine Rückabwicklung der in der Annahme der nichtbestehenden Versicherungspflicht geschlossenen privaten Krankenversicherung sei nicht möglich, sofern sie ihm überhaupt zumutbar wäre. Davon abgesehen sehe das gültige Recht keine rückwirkende Aufhebung des Vertragsverhältnisses zwischen der privaten Krankenversicherung und dem betroffenen Arbeitnehmer vor, obwohl der Versicherungsvertrag in der maßgeblichen Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 unter Annahme falscher Voraussetzungen fortgeführt worden sei. § 205 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sehe eine rückwirkende Kündigung einer privaten Krankenversicherung bei Eintritt gesetzlicher Krankenversicherungspflicht nur binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht vor. Bei späterer Kündigung sei eine Beendigung des Versicherungsverhältnisses nur zum Ende des Monats möglich, in dem der Eintritt von Versicherungspflicht nachgewiesen worden sei.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Die durch Beschluss des SG vom 5. November 2014 Beigeladenen äußerten sich nicht.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 25. März 2015 ab. Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum auf Grund seiner beim Kläger ausgeübten Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung unterlegen sei. Insbesondere habe keine Versicherungsfreiheit mehr nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bestanden, da das dem Beigeladenen zu 1) bezahlte Jahresarbeitsentgelt seit 2007 die maßgebenden Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht mehr überstiegen habe. Anhaltspunkte für das Vorliegen von Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung aus anderen Gründen oder für das Vorliegen eines Befreiungstatbestandes seien nicht ersichtlich. Der Nachforderung der Beiträge stehe der Einwand einer Störung des Äquivalenzprinzips nicht entgegen (Verweis auf mehrere Urteile von Landessozialgerichten).
Gegen das ihm am 21. April 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Mai 2015 – wie den Widerspruch und die Klage durch einen Rentenberater als Prozessbevollmächtigten – Berufung eingelegt. Er wolle es nicht hinnehmen, Beiträge für eine Versicherung zu zahlen, bei der die Versicherung keinerlei Versicherungsrisiko zu tragen habe. Auch nach dem Willen des Gesetzgebers sollten Doppelversicherungen vermieden werden. Dies ergebe sich u. a. aus § 5 Abs. 9 SGB V und § 205 Abs. 2 VVG. Auch die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung zur Auffangversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V habe zum Ziel, dass nur ein Krankenversicherungssystem zuständig sei. Im Gegensatz zur Darstellung im Urteil des SG halte das Gesetz für den Fall einer rückwirkenden Feststellung von gesetzlicher Krankenversicherungspflicht keine entsprechenden Mittel bereit, um eine nichtgewünschte Doppelversorgung zu verhindern. Der Ausgangsbescheid stehe daher grundsätzlichen Rechtsprinzipien entgegen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. März 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und keine Stellungnahme abgegeben.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben sich nicht geäußert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat hat für den vorliegenden Fall davon abgesehen, den Prozessbevollmächtigten des Klägers, einen Rentenberater, nach § 73 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Auch wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers als Rentenberater im vorliegenden Verfahren nicht vertretungsbefugt sein dürfte (dazu sogleich), sind seine bisherigen Prozessbehandlungen sowie die an ihn bisher bewirkten Zustellungen oder Mitteilungen wirksam (§ 73 Abs. 3 Satz 2 SGG). Die (an sich wohl notwendige) Zurückweisung des Prozessbevollmächtigten des Klägers führte zu einer Verzögerung des entscheidungsreifen Rechtsstreits.
Nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG – in der seit 1. Juli 2008 geltenden Fassung des Art. 12 Nr. 3 Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 2840) – sind als Bevollmächtigte vor dem Sozialgericht dem Landessozialgericht vertretungsbefugt Rentenberater im Umfang ihrer Befugnisse nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Nach dieser Vorschrift dürfen unter anderem natürliche Personen, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen der Rentenberatung auf dem Gebiet der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, des sozialen Entschädigungsrechts, des übrigen Sozialversicherungs- und Schwerbehindertenrechts mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente sowie der betrieblichen und berufsständischen Versorgung erbringen. In wesentlicher Übereinstimmung mit dem bis zum 30. Juni 2008 geltenden Recht (vgl. Bundestags-Drucksache 16/3655 S. 64), wonach bei dem Rentenberater Ausgangs- und Endpunkt der Beratung die zu erwartende Rente war, hat der Gesetzgeber auch ab 1. Juli 2008 den Gegenstand der registrierungspflichtigen Rentenberatung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG dahin präzisiert, dass es dabei um Rentenberatung auf dem Gebiet der gesetzlichen Renten und Unfallversicherung, des sozialen Entschädigungsrechts und des übrigen Sozialversicherungs- und Schwerbehindertenrechts mit Bezug zu einer gesetzlichen Rente sowie der betrieblichen und berufsständischen Versorgung geht. Bei einer Beratung über die spezifisch rentenrechtlichen Gebiete hinaus ist mithin stets ein konkreter Bezug zu einer gesetzlichen Rente erforderlich (Bundestags-Drucksache, a.a.O.; (zuletzt erneut zu diesem Anknüpfungspunkt: BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 SB 3/13 R – in juris, Rn. 14, m.w.N.)).
Es besteht beim Streit um die Gesamtsozialversicherungsbeiträge des beim Kläger beschäftigten Beigeladenen zu 1) und die Verpflichtung des Klägers, die vollen Gesamtsozialversorgungsbeiträge zu zahlen, keinerlei Bezug zu einer gesetzlichen Rente des Klägers. Denn der vorliegende Rechtsstreit betrifft die Nachforderung von Gesamtversicherungsbeiträgen für den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Beigeladenen zu 1) gegen den Kläger als Arbeitgeber, die die Beklagte aufgrund einer Betriebsprüfung beim Kläger erhob. Es erscheint höchst zweifelhaft, dass dieser Streitgegenstand von der Rentenberatung, die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers erlaubt ist, umfasst wird, unabhängig davon, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach § 1 Einführungsgesetz zum RDG (RDGEG) als Erlaubnisinhaber nach dem bis 30. Juni 2008 geltenden Rechtsberatungsgesetz registriert ist. Die Beratung wegen der vom Kläger zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge dürfte auch keine Nebenleistung im Sinne des § 5 RDG beinhalten.
2. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
3. Die gemäß § 143 SGG statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie bedurfte auch nicht der Zulassung, da die Klage einen Wert von mehr als EUR 750,00 betrifft, nämlich Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 32.804,53 (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
4. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 26. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2014 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht Sozialversicherungsbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für den Beigeladenen zu 1) in Höhe von EUR 32.804,53 nachgefordert.
a) Die Beklagte ist nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710) für die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zuständig. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen (Fassung ab 1. Januar 2012: Entgeltunterlagen) der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden (Satz 4). Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Diese Befugnis der Beklagten schließt die Rechtsmacht ein, einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu erlassen und damit rechtsgestaltend im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in die Rechtssphäre des Arbeitnehmers – hier des Beigeladenen zu 1) – als Drittbetroffene einzugreifen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – B 12 R 13/13 R – in juris, Rn. 20 ff.).
Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß § 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber ausnahmsweise nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung. Die Zuständigkeit der Einzugsstelle – und demgemäß auch die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers – ist aus Gründen der Rechtssicherheit auch anzuwenden, wenn es wie hier um die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe nur in zwei der genannten Sozialversicherungszweige geht (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 2003 – B 12 RA 3/02 R – in juris, Rn. 16; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris, Rn. 37). Auch die hier streitigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Arbeitgeber gezahlt (§ 28d Sätze 1 und 2, § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV).
b) Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung sind gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Versicherungsfrei sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 oder 7 übersteigt. Für die soziale Pflegeversicherung gilt gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) entsprechendes (vgl. zur Versicherungsfreiheit in der Pflegeversicherung von versicherungsfreien Personen nach § 6 SGB V Beck, in: jurisPK-SGB XI, 2014, § 20 Rn. 25).
aa) Der Beigeladene zu 1) war im streitgegenständlichen Zeitraum (1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2012) bei dem Kläger abhängig beschäftigt; dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Beigeladene zu 1) war daher in gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V; § 20 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB XI).
bb) Der Beigeladene zu 1) war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht versicherungsfrei in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.
Der Beigeladene zu 1) war bereits vor dem 1. Januar 2009 bei dem Kläger abhängig beschäftigt, dennoch war er vor dem streitgegenständlichen Zeitraum zumindest zeitweise in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei, weil sein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die jeweils maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze überstieg. Er war deshalb seit dem 1. August 2003 privat krankenversichert und pflegeversichert. Der von der Klägerin für den Beigeladenen zu 1) entrichtete Gesamtsozialversicherungsbeitrag umfasste deshalb keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Dies ergibt sich aus dem übereinstimmenden Sachvortrag der Beteiligten. Die Versicherungsfreiheit endete jedoch jedenfalls zum 31. Dezember 2008; spätestens ab dem 1. Januar 2009 unterlag der Beigeladene zu 1) wieder der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und damit auch in der sozialen Pflegeversicherung. Er erhielt zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. Dezember 2012 ein Jahresgehalt von EUR 47.612,00. Diese Summe konnte er bereits zu Beginn des jeweiligen Jahres erwarten, da sein Gehalt schon zu Beginn des jeweiligen Jahres feststand.
Damit lag das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1) unter den für die Jahre 2009 bis 2012 maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenzen. Diese betrugen nach § 6 Abs. 6 Satz 4 SGB V in Verbindung mit den jeweiligen Rechtsverordnungen im Jahr 2009 EUR 48.600,00, im Jahr 2010 EUR 49.950,00, im Jahr 2011 EUR 49.500,00 und im Jahr 2012 EUR 50.850,00. Auf die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 6 SGB V und nicht auf diejenige nach § 6 Abs. 7 SGB V ist abzustellen, weil der Beigeladene zu 1) am 31. Dezember 2002 wegen Überschreitens der an diesem Tag geltenden Jahresarbeitsgrenze zwar versicherungsfrei, aber nicht bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert war; er war vielmehr am 31. Dezember 2002 bei der Beigeladenen zu 2) (freiwillig) krankenversichert.
Da die jeweils maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze jedenfalls ab dem 1. Januar 2009 unterschritten wurde, trat spätestens ab diesem Datum bei dem Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht in der Krankenversicherung ein. Während für den Eintritt von Versicherungsfreiheit bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze in § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V bestimmt wird, dass die Versicherungspflicht – von Ausnahmen abgesehen – erst mit Ablauf des Kalenderjahres endet, in dem sie überschritten wird, fehlt es für den umgekehrten Fall des Eintritts von Versicherungspflicht wegen Unterschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze an einer entsprechende Regelung, so dass Versicherungspflicht grundsätzlich sogleich eintritt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris, Rn. 41 m.w.N.).
Der Eintritt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Folge, dass auch Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung eintritt, begründet für den Kläger als Arbeitgeber die Pflicht, mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV).
cc) Die Pflicht zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris, Rn. 42 ff. – auch zum Folgenden). Dies gilt auch, wenn der gesetzlich Versicherte vom Eintritt der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nichts weiß oder hiervon keine Kenntnis nimmt und deshalb keine Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen hat. Darin liegt keine Störung des sog. Äquivalenzprinzips. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Sozialversicherung unter anderem durch das Beitrags- oder Versicherungsprinzip (im Folgenden: Äquivalenzprinzip), aber auch durch das Prinzip des sozialen Ausgleichs bestimmt wird. Das Versicherungsprinzip ist dadurch gekennzeichnet, dass im Grundsatz eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung besteht (BVerfG, Beschluss vom 23. März 1994 – 1 BvL 8/85 – in juris, Rn. 55). Rechtliche Bedeutung hat dies insofern, als eine Verletzung oder Störung des Äquivalenzprinzips einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz indizieren kann. Allerdings hat das BVerfG gleichfalls betont, dass es verschiedene Regelungen einmal mehr als durch das Solidarprinzip, ein anderes Mal mehr als durch das Versicherungsprinzip geprägt und gerechtfertigt angesehen hat (vgl. die Nachweise bei BVerfG, Beschluss vom 10. November 1981 – 1 BvL 18/77, 1 BvL 19/77 – in juris, Rn. 35). Auch hat das Äquivalenzprinzip in der Sozialversicherung nicht die gleiche Bedeutung wie in der privaten Versicherung. Von der privaten Versicherung, die auf dem Äquivalenzprinzip einerseits und dem Kapitaldeckungsprinzip andererseits sowie der Bildung altersabhängiger Risikogemeinschaften beruht, unterscheidet sich die Sozialversicherung ganz wesentlich durch das fehlende Gewinnstreben und die zahlreichen Komponenten des sozialen Ausgleichs, wie sie etwa in der beitragsfreien Mitversicherung von Familienmitgliedern, der Umlagefinanzierung und der Bemessung der Beiträge nach dem Entgelt zum Ausdruck kommen. Der Ausgleich unterschiedlicher Krankheitsrisiken unter den Pflichtversicherten tritt in der gesetzlichen Krankenversicherung als prägendes Merkmal hinter den Ausgleich zwischen finanziell Leistungsfähigen und Leistungsschwächeren zurück (BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 4. Februar 2004 – 1 BvR 1103/03 – in juris, Rn. 20). Das Äquivalenzprinzip tritt vor allem in der gesetzlichen Rentenversicherung hervor, weil sich die Höhe einer Rente vorrangig nach der Höhe des während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelts richtet (BVerfG, Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 13. Juni 2006 – 1 BvR 1311/96 – in juris, Rn. 2). Dagegen ist das Äquivalenzprinzip z.B. in der Arbeitslosenversicherung nicht streng durchgeführt (BVerfG, Beschluss vom 23. März 1994 – 1 BvL 8/85 – in juris, Rn. 55 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 29. Juni 1993 – 12 BK 66/92 – in juris, Rn. 3 m.w.N.) und bei Sozialversicherungsbeiträgen in der gesetzlichen Unfallversicherung gilt es nur eingeschränkt (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 2 U 43/03 R – in juris, Rn. 32). In der gesetzlichen Krankenversicherung hat das Äquivalenzprinzip ebenfalls vorrangig in den Fällen Bedeutung, in denen sich die Leistung des Versicherten nach der Höhe des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts richtet. In diesem Fall ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten nicht nur Maßstab für die Heranziehung zu Beiträgen, sondern auch die durch den Versicherungsfall verursachte Einbuße an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Maßstab für die Berechnung von Lohnersatzleistungen wie z.B. das Krankengeld (BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 1995 – 1 BvR 892/88 – in juris, Rn. 58).
Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist das Äquivalenzprinzip also kein der Sozialversicherung zwingend und durchgehend vorgegebenes Strukturprinzip. Vielmehr ist für jede Regelung zu prüfen, ob sie mehr vom Äquivalenzprinzip oder mehr vom Solidarprinzip geprägt und gerechtfertigt ist. Für den vorliegenden Fall ist ferner zu berücksichtigen, dass sich die Rechtsprechung des BSG zum Gegenleistungs- und Äquivalenzprinzip in erster Linie auf das sozialrechtliche Versicherungsverhältnis zwischen Sozialversicherungsträger und Versichertem bezieht (vgl. BSG, Urteil vom 4. Oktober 1988 – 4/11a RK 2/87 – in juris, Rn. 19) und mithin nicht ohne Weiteres auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Sozialversicherungsträger übertragbar ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris, Rn. 43 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall, in dem die Nacherhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen beim Arbeitgeber für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zu beurteilen ist, liegt bereits keine Störung des Äquivalenzprinzips vor (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris, Rn. 44 – auch zum Folgenden). Die Argumentation des Klägers beruht im Kern darauf, dass er als Arbeitgeber Beiträge zur Krankenversicherung zu leisten habe, obwohl die Krankenkasse für den Zeitraum, für den die Beiträge nacherhoben werden, kein Risiko getragen habe. Dies trifft nicht zu. Die Versicherungspflicht durch das Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze ist kraft Gesetzes eingetreten, unabhängig davon, ob der Kläger Beiträge entrichtet hat oder nicht. Deshalb war der Beigeladenen zu 1) im hier streitigen Zeitraum auch tatsächlich gesetzlich krankenversichert. Die Versicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen stand der Begründung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht entgegen. Da der Beigeladene zu 1) – nach dem Vortrag des Klägers – keine Kenntnis vom Bestehen einer gesetzlichen Krankenversicherung hatten, war lediglich die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankenkasse tatsächlich zu einer Leistung herangezogen wird, gering. Die Inanspruchnahme der gesetzlichen Krankenversicherung war aber keineswegs ausgeschlossen. So hätte z.B. der Fall eintreten können, dass bei dem Beigeladenen zu 1) eine Krankheit auftritt, deren Therapie erfahrungsgemäß sehr hohe Kosten verursacht. Hätte das private Versicherungsunternehmen dann festgestellt, dass der Betroffene beim Abschluss der Versicherung eine vorbestehende Krankheit nicht angegeben hatte und hätte sie deshalb den Versicherungsvertrag gekündigt, hätte die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten übernehmen müssen. Es ist aber nicht als Störung des Äquivalenzprinzips anzusehen, dass sich das versicherte Risiko nicht verwirklicht hat bzw. die Verwirklichung des Risikos mangels Kenntnis des Versicherungsschutzes wenig wahrscheinlich war. Das Bestehen einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung hat ferner für den Versicherten den Vorteil, dass er damit das Recht zum freiwilligen Beitritt nach Beendigung der Pflichtversicherung erwerben kann (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) oder im Fall der Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Vorversicherungszeiten für die Krankversicherung der Rentner erfüllt (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V).
Das BSG hat eine rechtlich bedeutsame Störung des Äquivalenzprinzips im Übrigen nur bejaht, wenn der Sozialversicherungsträger aus dem Versicherungsverhältnis einseitig Rechtspositionen in Gestalt von Beitragsansprüchen gegen den Versicherten (nicht gegen den Arbeitgeber) ableitet, ohne dafür diesem gegenüber selbst nur das Risiko einer möglichen Gewährung von Versicherungsschutz durch Gewährung von Sozialleistungen zu tragen. Deshalb hat es zwar verlangt, dass dem Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis wenigstens derjenige Schutz gewährt wird, der bei dieser Sachlage noch erbringbar ist, z.B. eine Kostenerstattung (BSG, Urteil vom 4. Oktober 1988 – 4/11a RK 2/87 – in juris, Rn. 18). Selbst eine solche Äquivalenzstörung kann jedoch hingenommen werden, wenn sie auf ein dem Versicherten nach dem Inhalt des sozialrechtlichen Versicherungsverhältnis vorwerfbares Verhalten zurückgeht (BSG, Urteil vom 4. Oktober 1988 – 4/11a RK 2/87 – in juris, Rn. 19). Überträgt man diesen Gedanken auf den vorliegenden Fall, kann sich der Kläger nicht auf eine relevante Störung des Äquivalenzprinzips berufen, weil er die verspätete Beitragszahlung durch eine Fehlbeurteilung selbst verschuldet hat. Unterbleibt die Meldung der Versicherungspflicht und damit die Beitragszahlung, weil der Arbeitgeber einem Rechtsirrtum erlegen ist, handelt er fahrlässig, also schuldhaft (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. März 2012 – L 11 KR 4952/10 – in juris, Rn. 45).
Es liegt im Übrigen auf der Hand, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Versicherungs- und Beitragspflicht der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung nicht dadurch umgehen können, dass der Arbeitgeber die Meldung zur gesetzlichen Krankenversicherung unterlässt und der Arbeitnehmer sich parallel dazu privat krankenversichert, um sich beide anschließend auf das Äquivalenzprinzip zu berufen. Anderenfalls liefen die gesetzlichen Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht zugunsten eines faktischen Wahlrechts der Betroffenen leer.
c) Bedenken gegen die Höhe der erhobenen Beiträge bestehen nicht. Sie sind auch vom Kläger nicht geltend gemacht worden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt, so dass insofern eine Kostentragungspflicht des Klägers nicht billig wäre.
6. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
7. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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