L 5 KR 5332/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 5516/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5332/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. September 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie bei der Beklagten seit 01.12.2009 nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch (SGB) V pflichtversichertes Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist.

Die 1930 in V. geborene Klägerin lebt seit 1990 in Deutschland. Sie verfügt über eine unbefristete Niederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Eine Verpflichtungserklärung nach § 5 AufenthG liegt nicht vor. Seit der Einreise nach Deutschland ist die Klägerin hilfebedürftig (zunächst) nach Maßgabe des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), sodann nach Maßgabe des SGB XII. Sie war zu keiner Zeit gesetzlich oder privat krankenversichert, erhielt vielmehr durchweg vom zuständigen Sozialhilfeträger Leistungen der Krankenhilfe gemäß § 264 Abs. 2 SGB V.

Im Jahr 2009 gewährte das Landratsamt L. (Sozialamt) der in W. a. R. wohnhaften Klägerin (Grundsicherungs-)Leistungen nach dem SGB XII als örtlich zuständiger Leistungsträger. Der Klägerin wurden zuletzt (offenbar mit Bescheid vom 25.06.2009) Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.07.2009 bis 31.12.2010 bewilligt.

Mit Schreiben vom 20.08.2009 teilte das Landratsamt L. der Klägerin mit, wegen der für Januar 2008 bis August 2009 zu Unrecht vorgenommenen Anrechnung von Kindergeld als Einkommen erhalte sie eine Nachzahlung für diese Monate von 3.160,00 EUR (Januar bis Dezember 2008: 12 x 154,00 EUR; Januar bis August 2009: 8 x 164,00 EUR). Der Nachzahlungsbetrag wurde der Klägerin, die mit ihrer jüngeren Tochter und deren Ehemann zusammenwohnte, auf das Konto des Ehemannes ihrer jüngeren Tochter im August 2009 ausgezahlt.

Am 23.11.2009 zog die Klägerin von W. a. R. zu ihrer älteren Tochter nach K. um. Seitdem ist der Beigeladene (Landkreis) zuständig für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII. Mit Bescheid vom 23.11.2009 hob das Landratsamt L. den Bewilligungsbescheid vom 25.06.2009 zum 30.11.2009 auf.

Am 23.11.2009 beantragte die Klägerin beim Beigeladenen Leistungen nach dem SGB XII. Unter dem 26.11.2009 versicherte sie, dass sie kein Vermögen und kein Bankkonto habe. Als Konto, auf das die Leistungen zu zahlen seien, gab sie das Konto des Ehemannes ihrer älteren Tochter an. Am 10.12.2009 gab der Ehemann ihrer älteren Tochter an, für Dezember 2009 könne die Klägerin ihren Lebensbedarf mit der Nachzahlung des Landratsamts L. von 3.160,00 EUR selbst decken. Weitere Ermittlungen zum im Dezember 2009 vorhandenen Vermögen erfolgten nicht.

Mit Bescheid vom 10.12.2009 lehnte der Beigeladene den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, die Vermögensfreigrenze des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von 2.600,00 EUR sei überschritten, da die Klägerin über einen Geldbetrag von 3.160,00 EUR verfüge. Mit weiterem Bescheid vom 10.12.2009 gewährte der Beigeladene der Klägerin Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2010 i.H.v. 594,78 EUR/monatlich. In diesem Betrag waren Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. 138,40 EUR/monatlich enthalten. Die genannten Bescheide sind bestandskräftig.

Am 23.12.2009 legte die Klägerin der Beklagten eine Anzeige zur Pflichtversicherung (Auffangversicherung) nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bzw. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI vor. Sie gab an, sie sei seit 01.12.2009 weder gesetzlich noch privat krankenversichert und erhalte keine Leistungen des Sozialhilfeträgers.

Mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenem Bescheid vom 14.01.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nicht versicherungspflichtig zur Auffangversicherung (§§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI) sei. Der Antrag auf Durchführung der Auffangversicherung sei bei der Krankenkasse zu stellen, bei der die Klägerin zuletzt Mitglied gewesen sei.

Unter dem 24.02.2010 legte die Klägerin Widerspruch ein; die Beklagte behandelte den Widerspruch als Antrag auf Überprüfung und Aufhebung des Bescheids vom 14.01.2010 nach Maßgabe des § 44 SGB X.

Mit Bescheid vom 04.08.2010 lehnte die Beklagte die Aufhebung des Bescheids vom 14.01.2010 ab. Zur Begründung führte sie aus, zwar sei sie für die Durchführung der Auffangversicherung zuständig, weil die Klägerin noch nie gesetzlich oder privat krankenversichert gewesen sei. Versicherungspflicht zur Auffangversicherung komme aber nicht in Betracht, weil der Beigeladene die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII für Dezember 2009 zu Unrecht eingestellt habe; dessen Bescheid vom 10.12.2009 sei rechtswidrig. Die Klägerin habe die Vermögensfreigrenze nämlich nur wegen der Nachzahlung der über mehrere Monate zu Unrecht (teilweise) nicht gezahlten Sozialhilfe überschritten. Der Nachzahlungsbetrag sei daher kein Vermögen i. S. d. § 90 SGB XII. Die Klägerin möge sich wegen der Ablehnung der Leistungsgewährung für Dezember 2009 an den Beigeladenen wenden. Da die Klägerin danach durchgehend Anspruch auf Sozialhilfeleistungen gehabt habe, gehöre sie nicht zu den zur Auffangversicherung versicherungspflichtigen Personen. Es müsse bei der Gewährung von Krankenhilfe nach § 264 SGB V durch den Sozialhilfeträger bleiben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2010 wies die Beklagte den (von der Klägerin aufrecht erhaltenen) Widerspruch zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 27.09.2010 zugestellt.

Am 26.10.2010 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Sie trug vor, sie sei seit 01.12.2009 versicherungspflichtig zur Auffangversicherung. Der Ausnahmetatbestand des § 5 Abs. 8a SGB V sei nicht erfüllt, weil sie einen Monat lang - im Dezember 2009 - Leistungen nach dem SGB XII nicht bezogen habe. Der Beigeladene habe seinerzeit die Nachzahlung von Sozialhilfe zu Recht als (vorhandenes) Vermögen angerechnet. Dass das Vermögen selbst aus Sozialhilfeleistungen bestanden habe, sei unerheblich. Anderes sehe § 90 SGB XII - im Unterschied etwa zu § 82 SGB XII - nicht vor. Außerdem sei die Beklagte nicht berechtigt, Verwaltungsakte des Beigeladenen zu überprüfen. Sie sei daher an dessen Bescheid vom 10.12.2009 über die Ablehnung von Sozialhilfeleistungen für Dezember 2009 gebunden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie trug vor, die Klägerin habe durchgehend, auch im Dezember 2009, im Bezug von Leistungen nach dem SGB XII gestanden. Die vom Beigeladenen für Dezember 2009 vorgenommene Vermögensanrechnung sei rechtswidrig gewesen, weshalb der Ablehnungsbescheid des Beigeladenen vom 10.12.2009 jedenfalls gem. § 44 SGB X aufgehoben werden müsse. Die der Klägerin gewährte Sozialhilfenachzahlung stelle anrechenbares Vermögen i. S. d. § 90 SGB XII nicht dar. Davon abgesehen wäre die dem Dezember 2009 zugeordnete Nachzahlung ihrerseits als Sozialhilfebezug einzustufen, so dass auch dieser Monat mit Leistungen nach dem SGB XII "belegt" wäre. Der Beigeladene dürfe im Hinblick auf die Verpflichtung der Sozialleistungsträger zur Zusammenarbeit (§ 86 SGB X) nicht auf einem, wenngleich nicht nichtigen, doch aber offensichtlich rechtswidrigen und einem anderen Sozialleistungsträger nachteiligen Verwaltungsakt beharren. Es könne nicht angehen, die rechtswidrige Versagung des sozialhilferechtlichen Existenzminimums in der Vergangenheit dadurch für die Zukunft festzuschreiben, dass wegen der Nachzahlung der vorenthaltenen Sozialhilfe der laufende Sozialhilfebezug entsprechend gekürzt werde.

Mit Beschluss vom 18.11.2010 lud das SG das Landratsamt E. zum Verfahren bei. Der Beigeladene schloss sich der Rechtsauffassung der Klägerin an; auch nach seiner Auffassung bestehe Versicherungspflicht der Klägerin zur Auffangversicherung (bei der Beklagten).

Mit Urteil vom 13.09.2013 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 04.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2010 auf und verpflichtete die Beklagte, den Bescheid vom 14.01.2010 zurückzunehmen. Außerdem stellte das SG fest, dass die Klägerin seit 01.12.2009 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten ist. Zur Begründung führte das SG aus, die Klägerin (als Ausländerin mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel, § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V) sei seit 01.12.2009 gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig zur Auffangversicherung und deswegen Mitglied der Beklagten, da sie keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall habe und bisher weder gesetzlich noch privat krankenversichert gewesen sei (§ 5 Abs. 1 Nr. 13b SGB V). Die (Versicherungs-)Ausnahme in § 5 Abs. 8a SGB V sei nicht erfüllt. Nach näherer Maßgabe dieser Vorschrift seien nicht versicherungspflichtig zur Auffangversicherung (u.a.) Empfänger von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII, wobei eine Leistungsunterbrechung von weniger als einem Monat unschädlich sei (§ 5 Abs. 8a Satz 3 SGB V); diese Personen verfügten insoweit über einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Das treffe für die Klägerin im Hinblick auf den Monat Dezember 2009 nicht zu. In diesem Monat habe sie nicht im Bezug laufender Leistungen nach dem SGB XII gestanden. Ob sie ihren Lebensunterhalt im Dezember 2009 aus der (Sozialhilfe-)Nachzahlung des Landratsamts L. oder möglicherweise durch Unterstützungszahlungen ihrer Familie bestritten habe, sei unerheblich. Gem. § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V empfingen Personen "laufende Leistungen" zur Sicherung des Lebensunterhalts in dem Zeitraum, für den die Leistungen durch Verwaltungsakt des Sozialhilfeträgers zuerkannt worden seien. Es komme auf den Leistungsanspruch und nicht auf den tatsächlichen Leistungsbezug an. Mit der vom Sozialhilfeträger getroffenen Festlegung des Beginns des Leistungsanspruchs stehe gleichzeitig fest, ob Versicherungspflicht zur Auffangversicherung eintrete oder nicht. Diese - vom Bundessozialgericht (BSG) so vorgenommene (Urt. v. 06.10.2010, - B 12 KR 25/09 R -; ebenso Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 19.04.2012, - L 5 KR 261/10 -, beide in juris) - und sich vor allem bei Empfängern von Leistungen der Grundsicherung im Alter (und bei Erwerbsminderung) auswirkende Auslegung des Empfängerbegriffs in § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V folge aus dem Bedeutungszusammenhang der Vorschrift und dem Zweck der Auffangversicherung. Im Monat Dezember 2009 seien der Klägerin Leistungen nach dem SGB XII nicht bewilligt worden und sie habe wegen des bestandskräftigen Ablehnungsbescheids des Beigeladenen vom 10.12.2009 in diesem Monat daher laufende Leistungen nicht beanspruchen können. Der genannte (und nicht nichtige) Ablehnungsbescheid binde die Klägerin als Adressatin des Bescheids und habe für die Beklagte (nicht anders als Bescheide über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II hinsichtlich des Versicherungspflichttatbestands in § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V) Tatbestandswirkung, auch wenn er rechtswidrig sein sollte (vgl. etwa BSG, Urt. v. 24.06.2008, - B 12 KR 29/07 R -, in juris). Anderes folge auch nicht aus dem Zusammenarbeitsgebot in § 86 SGB X. Danach könne die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts allenfalls in Erstattungsstreitigkeiten unter Sozialleistungsträgern unter engen Voraussetzungen entfallen. In Verfahren dieser Art könnte die Beklagte möglicherweise geltend machen, der Ablehnungsbescheid des Beigeladenen vom 10.12.2009 sei offensichtlich rechtswidrig; im Verhältnis zur Klägerin komme dies aber nicht in Betracht (vgl. BSG, Urt. 12.05.1999, - B 7 AL 74/98 R -, in juris).

Auf das ihr am 13.11.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte (auch für die bei ihr errichtete Pflegekasse) am 12.12.2013 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, die Klägerin sei wegen der Versicherungsausnahme nach § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V nicht versicherungspflichtig zur Auffangversicherung. Das Landratsamt L. habe ihr zunächst laufende Leistungen nach dem SGB XII gewährt, die zu Unrecht (teilweise) einbehalten worden seien. Der Klägerin hätten im Dezember 2009 nachgezahlte laufende Leistungen zur Verfügung gestanden und sie habe diese Leistungen auch im Dezember 2009 verbraucht. Für Unterstützungszahlungen ihrer Familie gebe es keine Anhaltspunkte. Das Urteil des BSG vom 06.10.2010 (- B 12 KR 25/09 R -, in juris), auf das sich das SG bezogen habe, habe die nachträgliche Bewilligung einer bereits erbrachten Leistung und damit eine andere Fallgestaltung zum Gegenstand und besage nichts zur rechtlichen Bewertung der der Klägerin gewährten Nachzahlung. Diese umfasse in der Vergangenheit (Januar 2008 bis August 2009) zu Unrecht nicht gewährte laufende Grundsicherungsleistungen und dürfe deswegen nicht als Vermögen eingestuft werden, stelle vielmehr der Sache nach ebenfalls eine laufende Grundsicherungsleistung dar, die in der Zweckbestimmung (durch den Beigeladenen) nicht mehr verändert werden dürfe. Die Anrechnung von Vermögen durch den Beigeladenen sei daher rechtswidrig gewesen und würde in der praktizierten Form zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen führen. Die Klägerin habe auch für Dezember 2009 laufende Leistungen nach dem SGB XII beantragt und habe diese auch beanspruchen können. Es dürfe nicht angehen, dass die Klägerin, die seit 1990 durchgehend Leistungen nach dem SGB XII (bzw. dem BSHG) bezogen habe und der auch die Leistungen, die im Dezember 2009 zur Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung gestanden hätten, vom Landratsamt L. als laufende Leistungen zum Lebensbedarf ausgezahlt worden seien, wegen einer einmonatigen Leistungsunterbrechung im Dezember 2009 in die Auffangversicherung überführt werde. Die zu diesem Ergebnis führende wortlautgetreue Anwendung der einschlägigen Vorschriften werde deren Zielsetzung nicht gerecht und bewirke eine so nicht gewollte Verschiebung der Leistungsverantwortung vom (vorrangig zuständigen) Sozialhilfeträger auf die Krankenkasse. Dementsprechend habe das LSG Bayern in einem vergleichbaren Fall Versicherungspflicht zur Auffangversicherung abgelehnt, wenn der Sozialhilfebezug nur wegen einer Rentennachzahlung aus dem Ausland unterbrochen werde (Beschl. v. 20.01.2011, - L 4 KR 430/10 B ER -, in juris). Der Sozialhilfeträger dürfe die Versicherungspflicht des Hilfeempfängers zur Auffangversicherung nicht durch das "gezielte Schaffen" einer Lücke im Sozialhilfebezug herbeiführen (vgl. auch Sozialgericht Regensburg, Urt. v. 07.12.2011, - S 2 KR 297/10 -, in juris). Auch das LSG Baden-Württemberg habe die Nachzahlung einer (russischen) Rente und die daraus folgende Lücke im Sozialhilfebezug für unerheblich erachtet (Urt. v. 07.05.2014, - L 4 KR 4717/12 -, in juris).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13.09.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Maßgeblich sei, dass ihr für Dezember 2009 Leistungen nach dem SGB XII nicht (durch Verwaltungsakt) zuerkannt worden seien. Der Ablehnungsbescheid des Beigeladenen vom 10.12.2009 sei auch rechtmäßig. Sie habe ihren Lebensbedarf im Dezember 2009 aus über der Freigrenze von 2.600,00 EUR liegendem Vermögen bestreiten können. Woher das Vermögen gestammt habe, sei unerheblich. Anders als § 82 SGB XII nehme § 90 SGB XII Leistungen nach dem SGB XII aus dem Begriff der Einkünfte nicht aus. Sie habe die Sozialhilfenachzahlung des Landratsamts L. bereits im August 2009 erhalten und gleichsam angespart. Bei Aufhebung des Bescheids über die Gewährung von Grundsicherungsleistungen am 23.11.2009 habe sie daher über entsprechendes Vermögen verfügt und dieses im Dezember 2009 auch verbrauchen müssen. Davon abgesehen müsse es bei der Tatbestandswirkung des Bescheids des Beigeladenen vom 10.12.2009 bleiben; die Beklagte dürfe diesen Bescheid nicht überprüfen (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 19.09.2007, - L 11 KR 2/07 -, in juris). Das von der Beklagten angeführte Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 07.05.2014 sei nicht einschlägig. Es habe die Nachzahlung einer laufenden Rente zum Gegenstand, die auf mehrere Monate hätte verteilt werden müssen; auf den zufälligen Zeitpunkt der Nachzahlung könne es nicht ankommen. Schließlich mache sie für Dezember 2009 Leistungen nach dem SGB XII gar nicht geltend; man dürfe ihr solche Leistungen nicht aufzwingen.

Der Beigeladene verweist ohne Antragstellung auf die Ausführungen der Klägerin.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Beigeladenen, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 151, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und statthaft.

2. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 04.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2010 nur soweit er die Aufhebung des Bescheids vom 14.01.2010 mit Blick auf die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung abgelehnt hat. Gegen die im Bescheid der Beklagten vom 14.01.2010 sinngemäß ebenfalls enthaltene Feststellung, dass sie nicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB XI versicherungspflichtig sei, hat sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch, den die Beklagte als Antrag gemäß § 44 SGB X gewertet hat, nicht gewandt. Sie bat nur um Prüfung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Über diesen Antrag hat auch nur die Beklagte und nicht gleichzeitig die bei ihr gebildete Pflegekasse entschieden. Auch das SG hat nur eine Feststellung mit Blick auf die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten getroffen.

3. Die so gefasste Berufung der Beklagten ist begründet. Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2010 zu Recht die Rücknahme des Bescheids vom 14.01.2010 und die Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V abgelehnt. Das SG hat auf die hiergegen erhobene Klage zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 04.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 14.01.2010 zurückzunehmen und außerdem zu Unrecht festgestellt, dass die Klägerin seit 01.12.2009 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten ist.

a) Der Bescheid der Beklagten vom 04.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2010 ist einer Überprüfung nach § 44 Abs. 1 SGB X zugänglich. Die Frage, ob der Versicherungsschutz einer gesetzlichen Krankenkasse besteht, ist bei allen Leistungsansprüchen nach dem SGB V eine (gleichsam vor die Klammer gezogene) Leistungsvoraussetzung. Ein Verwaltungsakt, der eine konkrete Leistungsgewährung wegen fehlender Mitgliedschaft in der angegangenen Krankenkasse ablehnt, unterliegt unstreitig der Nachprüfung nach § 44 Abs. 1 SGB V. Nichts anderes kann für einen Bescheid gelten, mit dem die Mitgliedschaft in der Krankenkasse verneint und der Betroffene damit von allen (bisher angefallenen oder zukünftigen) Leistungsansprüchen generell ausgeschlossen wird. Die Feststellung der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ist mithin allgemeine Voraussetzung für einen Leistungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte, sodass es sich um einen Verwaltungsakt handelt, aufgrund dessen - möglicherweise - Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Es ist auch eine rückwirkende Änderung der Feststellung eines Krankenversicherungsverhältnisses nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Das BSG hat in seinem Urteil vom 06.10.2010 (B 12 KR 25/09 R, in juris) vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine rückwirkende Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Krankenversicherungspflicht gerade nicht ausgeschlossen ist (Urt. des erkennenden Senats vom 19.02.2014 - L 5 KR 3842/11 -, n.v.).

b) Die Beteiligten streiten nicht darüber, dass die Voraussetzungen der Versicherungspflicht der Klägerin zur Auffangversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V) grundsätzlich erfüllt sind und die Beklagte auch zur Durchführung der Auffangversicherung zuständig ist. Streitig ist, ob die Versicherungsausnahme nach Maßgabe des § 5 Abs. 8a Satz 1 bis 3 SGB V eingreift.

Gemäß § 5 Abs. 8a SGB V ist nach Abs. 1 Nr. 13 nicht versicherungspflichtig, wer nach Abs. 1 Nr. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert ist (Satz 1). Satz 1 gilt entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem 3., 4., 6. und 7. Kapitel des SGB XII und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (Satz 2). § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V gilt auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen wird (Satz 3). § 5 Abs. 8a Satz 2 ff. SGB V soll wie das BSG in seinem Urteil vom 06.10.2010 (B 12 KR 25/09 R, in juris) unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien ausgeführt hat, sicherstellen, dass der Sozialhilfeträger "weiterhin" für die Krankenbehandlung der Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII zuständig bleibt (BT-Drucksache 16/3100 S. 95). Mit Satz 3 des § 5 Abs. 8a SGB V ist beabsichtigt, sicherzustellen, dass die "Vorrangregelung der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers nach § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V nicht soll unterlaufen werden können" (BT-Drucks. 16/4247 S. 29). Hiermit wurde ein Anliegen des Bundesrates übernommen, der gefordert hatte, bei der angedachten Versicherungspflichtlösung eine "Kostenverschiebung durch die Sozialhilfeträger" zu verhindern bzw. auszuschließen, dass eine (unter Umständen "gesteuerte") Unterbrechung des Sozialhilfeleistungsbezugs eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V eintreten lässt, mit der die "Vorrangregelung des § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V" ausgehebelt werden könnte (BR-Drucks. 755/06 [Beschluss] S. 2) (vgl. Urt. des erkennenden Senats vom 19.02.2014 - L 5 KR 3842/11 -, n.v.). Empfangen im Sinne von § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V werden laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Leistungen des 4. Kapitels des SGB XII), wie sie die Klägerin erhielt, in dem Zeitraum, für den sie durch Verwaltungsakt des Sozialhilfeträgers zuerkannt werden. Maßgeblich ist nicht, ob sie bezogen werden, sondern ob sie beansprucht werden können. Es kommt auf den vom Sozialhilfeträger durch Verwaltungsakt (bestimmten) zuerkannten Leistungsanspruch an (BSG, Urteil vom 06.10.2010 - B 12 KR 25/09 R -, in juris). Dies folgt aus dem Bedeutungszusammenhang der Norm, aus dem Zweck der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V als sogenannte Auffangversicherung; der Wortlaut des § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V steht nicht entgegen. § 5 Abs. 8a SGB V steht im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V den er tatbestandlich konkretisiert. Das gegenwärtige Fehlen einer anderweitigen Absicherung wird dort als Abwesenheit eines Anspruchs definiert. An das Nichtbestehen eines Anspruchs knüpfen auch die Bestimmungen über den Beginn der Mitgliedschaft der nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Versicherungspflichtigen in § 186 Abs. 11 Sätze 1 und 3 SGB V an, ebenso § 190 Abs. 13 Satz 1 Nr. 1 SGB V hinsichtlich des Endes der Mitgliedschaft, wenn eine Absicherung aufgrund anderer Leistungen der Sozialhilfe in Betracht kommt. Auch § 5 Abs. 8a Sätze 3 und 4 SGB V stellen auf den Anspruch auf Leistungen ab, sodass es folgerichtig erscheint, diesen Maßstab auch Satz 2 der Vorschrift zugrunde zu legen, um nicht den Regelungszusammenhang zu durchbrechen. Diese Auslegung entspricht auch unter teleologischen Gesichtspunkten dem Zweck der Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V als Auffangversicherungspflicht (zum Ganzen BSG, Urt. vom 06.10.2010 - B 12 KR 25/09 R -, LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 7.05.2014 - L 4 KR 4717/12 -, beide in juris).

aa) Zwar war die Klägerin nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 SGB V versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder familienversichert (§ 10 SGB V) und erhielt im Dezember 2009 für einen vollen Monat auch keine Leistungen nach dem 3., 4., 6. und 7. Kapitel des SGB XII. Die Beigeladene hatte ihren diesbezüglichen Antrag mit Bescheid vom 10.12. 2009 abgelehnt, da die Vermögensfreigrenze des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von 2.600,00 EUR überschritten sei, weil die Klägerin über einen Geldbetrag von 3.160,00 EUR verfüge.

Die Klägerin hatte allerdings (auch) für den Monat Dezember 2009 Anspruch auf laufende Leistungen auf Grundsicherung im Alter und damit Anspruch auf laufende Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII, sodass Versicherungspflicht ab 01.12.2009 wegen § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V nicht eintrat.

bb) Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob die Klägerin im Dezember 2009 tatsächlich noch über ein Vermögen in Höhe von 3.160,00 EUR verfügte, woran der Senat Zweifel hat, nachdem sie ursprünglich unter dem 26.11.2009 angegeben hatte, dass sie über kein Vermögen verfüge und der Nachzahlungsbetrag des Landratsamts L. im August 2009 auch auf ein Konto des Ehemannes ihrer jüngeren Tochter ausgezahlt wurde. Der Beigeladene hat insoweit keinerlei Vermögensprüfung durchgeführt.

Denn bei dem Nachzahlungsbetrag in Höhe von 3.160,00 EUR handelte es sich nicht um im Sinne von § 90 SGB XII einzusetzendes Vermögen. Nach dessen Abs. 1 ist grundsätzlich das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Hiervon bestehen Ausnahmen nach § 90 Abs. 2 SGB XII, die hier nicht einschlägig sind, und nach § 90 Abs. 3 SGB XII. Nach § 90 Abs. 3 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Eine Härte im Sinne des Gesetzes liegt vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles (z.B. Art, Schwere und Dauer der Hilfe, Alter, Familienstand oder sonstige Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen) eine typische Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden insbesondere wegen einer Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist. Dabei spielt die Herkunft des Vermögens regelmäßig keine entscheidende Rolle, dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. In Einzelfällen kann die Herkunft des Vermögens dieses so prägen, dass seine Verwertung eine Härte darstellen kann. Dies hat die Rechtsprechung insbesondere in Fällen angenommen, in denen anrechnungsfreies Einkommen angespart wurde oder aus entsprechenden Nachzahlungen resultierte (BSG, Urt. vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 20/06 R - mwN, in juris).

Die Herkunft des Vermögens der Klägerin ist auch bei der angesparten Nachzahlung der für die Monate Januar 2008 bis August 2009 zu Unrecht einbehaltenen Sozialhilfeleistung nicht ohne Bedeutung und rechtfertigt im Zusammenspiel mit dem Alter der Klägerin (79 Jahre im Jahr 2009) und dem Umzug die Feststellung, dass die Verwertung der angesparten Nachzahlung eine Härte für die Klägerin bedeuten würde. Der Sachverhalt stellt sich nicht so dar, dass die Klägerin diese Sozialleistung von der laufenden Sozialleistung über einen längeren Zeitraum angespart hätte, sondern es handelt sich um einen Nachzahlungsbetrag aufgrund eines Fehlers des Landratsamts L., der in der Vergangenheit zur Folge hatte, dass die Klägerin monatlich 154,00 EUR bzw. 164,00 EUR weniger zur Verfügung hatte. Sie hat dieses Geld nicht "freiwillig" nicht verbraucht, vielmehr hat das Landratsamt L. ihr dieses Geld zu Unrecht vorenthalten. Es kann der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, dass sie zwischen dem 28.08.2009, als das Geld ausbezahlt wurde, und dem 11.12.2009, als ihr Schwiegersohn die Angabe machte, sie verfüge noch über dieses Geld, nicht, um die Vermögensfreigrenze des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.H.v. 2.600,00 EUR einzuhalten, von den nachgezahlten 3.100,00 EUR 560,00 EUR verbraucht hat, zumal insoweit - wie ausgeführt - nicht außer Acht gelassen werden darf, dass die Klägerin wegen des bevorstehenden Umzugs nicht wusste, ob sie nicht möglicherweise einen höheren Geldbetrag benötigen würde.

cc) Die Klägerin hatte demzufolge auch für die Zeit vom 1. bis 31.12.2009 Anspruch auf laufende Leistungen der Grundsicherung. Den für die Leistung erforderlichen Antrag hat die Klägerin am 23.11.2009 gestellt. Etwas anderes ergibt sich insoweit auch nicht aufgrund des Telefonanrufs des Schwiegersohns der Klägerin am 10.12.2009. Auch wenn darin eine konkludente Antragsrücknahme gesehen werden könnte, scheitert eine Rücknahme des Antrags durch den Schwiegersohn an dessen fehlender Vollmacht. Die Klägerin hat die Rücknahme auch nicht gegenüber dem Beigeladenen genehmigt.

dd) Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Beigeladene durch Bescheid vom 10.12.2009 den Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII für den Monat Dezember 2009 abgelehnt hat. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass Bescheide eines anderen Leistungsträgers für die Krankenkasse Tatbestandswirkung haben können (vgl. etwa für die Feststellung von Schwerbehinderung im Rahmen des Versicherungsbeitritts LSG Saarland, Urt. vom 06.02.2015 - L 2 KR 16/24 -; für die Bewilligung von Arbeitslosengeld II BSG, Urt. vom 24.06.2008 - B 12 KR 29/07 R -, beide in juris). Die Tatbestandswirkung bedeutet, dass sowohl die Gerichte wie die Krankenkassen im Rechtsstreit über das Bestehen von Versicherungspflicht auch zur Auffangversicherung grundsätzlich die Tatsache hinzunehmen haben, dass ein Verwaltungsakt über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII erlassen wurde und sie müssen den Inhalt des Verwaltungsakts ihrer Entscheidung grundsätzlich als gegeben zugrunde legen und ihn in diesem Sinne beachten, es sei denn, er ist nichtig (so BSG, Urt. vom 24.06.2008 - B 12 KR 29/07 R -, LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 19.09.2007 - L 11 KR 2/07 -, Urt. vom 19.04.2012 - L 5 KR 361/10 -, alle in juris). Dies gilt jedoch nur für den Fall der Bewilligung einer Leistung. In der vorliegenden Konstellation wurden Leistungen nach dem SGB XII mit dem Bescheid der Beigeladenen vom 10.12.2009 aber nicht bewilligt, sondern abgelehnt. Hinsichtlich eines Ablehnungsbescheides tritt keine Bindungswirkung ein.

ee) Aber auch für den Fall, dass man auch für diesen Fall von einer Bindungswirkung auszugehen hätte, darf hier nicht außer acht gelassen werden, weshalb im konkreten Fall die Leistung abgelehnt wurde. Ursächlich war insoweit, dass das ursprünglich zuständig gewesene Sozialamt L. aufgrund seines Fehlers der Klägerin für die Zeit von Januar 2008 bis August 2009 zu Unrecht Kindergeld angerechnet hatte und ihr einen zu geringen Sozialhilfebetrag ausbezahlt hatte. Die Klägerin verfügte über Vermögen in Höhe von 3.160,00 EUR nur deshalb, weil dem Sozialamt ein Fehler unterlaufen war und der Nachzahlungsbetrag dreieinhalb Monate zuvor zur Auszahlung gekommen war. Im Gegensatz zum Landratsamt L. veranlasste dies den Beigeladenen, für einen Monat Sozialhilfeleistungen zu versagen. Auch das Vorgehen des Beigeladenen mit Blick auf die Vermögensverhältnisse der Klägerin im Dezember 2009 gibt zu erkennen, dass ohne weiteres Nachfragen und weitere Ermittlungen trotz der widersprüchlichen Angaben zum Vermögen mit der einen Monat später erfolgenden Leistungsbewilligung im Wesentlichen allein das Ziel ins Auge gefasst wurde, die Begründung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V herbeizuführen. Die Klägerin hätte nicht darauf verwiesen werden dürfen, zunächst diese eigenen Mittel zu verbrauchen, um dann im Januar 2010 wieder Grundsicherungsleistungen zu erhalten. Würde man in einer solchen Konstellation auf den ablehnenden Bescheid des Beigeladenen abstellen, hätte der Beigeladene die Verschiebung der Leistungsverantwortung für den Krankheitsfall zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in der Hand, indem er Nachzahlungen leistet und auf diese Weise die Bedürftigkeit für einen Monat unterbricht. Die Subsidiarität der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V könnte damit umgangen werden (so auch für den Fall der Berücksichtigung der mehrere Monate umfassenden Nachzahlung einer eigentlich monatlich zu zahlenden russischen Rente LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 07.05.2014 - L 4 KR 4717/12 -, in juris).

ff) Etwas anderes lässt sich auch nicht darauf stützen, dass die Klägerin für den Monat Dezember 2009 tatsächlich keine Leistungen vom Beigeladenen erhalten hat. Würde man auf den bewilligenden Bescheid bezüglich der laufenden Leistungen der Grundsicherung im Alter abstellen, hätte die Beigeladene - wiederum - die Verschiebung der Leistungsverantwortung für den Krankheitsfall zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in der Hand. Deshalb ist der Senat der Ansicht, dass die Ausführungen des BSG im Urteil vom 06.10.2010 - B 12 KR 25/09 -, in juris so zu verstehen sind, dass laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter nicht nur dann "empfangen" werden, wenn der Sozialhilfeträger dies bescheidmäßig festgestellt hat, sondern dass es auf die Erfüllung der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen einschließlich des Antrags ankommt (LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 07.05.2014 - L 4 KR 4717/12, LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 18.05.2011 - L 12 SO 60/09 -, offengelassen LSG Baden-Württemberg, Beschl. vom 23.07.2008 - L 11 KR 2101/08 PKH-B -; a.A. Sozialgericht Oldenburg, Urt. vom 08.09. 2011 - S 61 KR 151/11 -, alle in juris). Diese Anspruchsvoraussetzungen liegen - wie ausgeführt - vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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