Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 767/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3715/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Ausschluss von Kindererziehungszeiten im Ausland von der Berücksichtigung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist verfassungsgemäß.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. August 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Erziehung ihrer Kinder im Ausland.
Die Klägerin ist am 1952 geboren und bei der Beklagten rentenversichert. Am 1974 heiratete die Klägerin. Die Tochter N. wurde am. 1974 in Karlsruhe geboren. Nachdem ihr Ehemann in Deutschland keine Beschäftigung gefunden hatte, zog die Klägerin mit ihrer Familie im Januar 1977 in das Haschemitische Königreich Jordanien (im Folgenden: Jordanien). Aus der Ehe gingen zwei weitere Kinder hervor: Die Tochter M. wurde am. 1978 in Jordanien sowie die Tochter R. am 1981 in Jordanien geboren Im August 1996 kehrte die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes mit ihren Töchtern nach Karlsruhe zurück.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 1992 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin unter anderem eine Kindererziehungszeit vom 1. August 1974 bis 31. Juli 1975 (betreffend die Tochter N.) fest und lehnte es ab, für die Zeit vom 1. Juni 1978 bis 31. Mai 1979 (betreffend die Tochter M.) sowie vom 1. November 1981 bis 31. Oktober 1982 (betreffend die Tochter R.) Kindererziehungszeiten festzustellen. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2014 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass für die Tochter N. die Zeit vom 1. August 1975 bis zum 31. Juli 1976 (zusätzlich) als Kindererziehungszeit vorgemerkt wird. Die Vormerkung beruhe auf der seit dem 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Erhöhung der zu berücksichtigenden Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder um bis zu 12 Kalendermonate. Im selben Bescheid lehnte es die Beklagte ab, die Zeit vom 1. Juni 1979 bis zum 31. Mai 1980 als (zweite) Kindererziehungszeit für die Tochter M. sowie die Zeit vom 1. November 1982 bis zum 31. Oktober 1983 als (zweite) Kindererziehungszeit für die Tochter R. vorzumerken, weil die Kinder in dieser Zeit im Ausland erzogen worden seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 25. November 2014 Widerspruch. Die Ablehnung der Kindererziehungszeiten und damit der "Mutterrente" für ihre Kinder M. und R. stelle eine unbillige Härte und Benachteiligung dar. Beide Kinder hätten in Deutschland ihr Abitur abgelegt und danach erfolgreich studiert. Beide trügen durch ihre Berufstätigkeit zum Sozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland bei.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2015 zurück. Eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten komme nur in Betracht, wenn die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei und sich der Erziehende mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten habe. Da sich die Klägerin ab dem 1. Januar 1977 im Ausland aufgehalten habe, komme eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten für die Kinder M. und R. nicht in Betracht. Gleiches gelte für die Zeit der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehungszeiten für die Zeiten des Auslandsaufenthaltes. Daher sei auch die Anerkennung des (zweiten) Kindererziehungsjahres aus demselben Grund abzulehnen gewesen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 5. März 2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie und ihre Töchter seien sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Es sei nicht nachvollziehbar und auch nicht hinnehmbar, dass ihre Erziehungsleistung für ihre drei Töchter von der Beklagten nur deshalb nicht anerkannt werde, weil diese Erziehungsleistung nicht in Deutschland erbracht worden sei.
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf ihren Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 12. August 2015 ab. Die Kindererziehungszeiten für M. und R. seien nicht anzuerkennen, da die Erziehung im Ausland erfolgt sei. Im Falle der Klägerin greife auch kein Gleichstellungstatbestand ein. Weder die Klägerin noch ihr Ehemann hätten unmittelbar vor der Geburt oder während der Erziehung eine Beschäftigung ausgeübt, die Pflichtbeiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach sich gezogen hätten. Die Regelung des § 56 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG).
Gegen das ihr am 15. August 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. September 2015 Berufung eingelegt. Das Territorialprinzip in § 56 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI verstoße gegen Art. 3 GG. Es seien durchaus Fälle denkbar, in denen für die Erziehungszeit – sei diese im In- oder im Ausland erfolgt – keine Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung geleistet worden seien. Auch sei ihr nicht bekannt gewesen, dass die Möglichkeit bestanden hätte, dass sie während der Zeit der Erziehung ihrer Kinder im Ausland freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung hätte leisten können, um sich eine eventuelle Anwartschaft auf Mütterrente für Kindererziehungszeiten zu sichern. Für besonders bedeutungsvoll halte sie die Tatsache, dass während der Erziehung ihrer Kinder im Ausland der Bundesrepublik Deutschland keine Kosten für Kindergeld entstanden seien. Alle drei Kinder trügen durch ihre Berufstätigkeit zum Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland bei. Auch habe sie inzwischen fünf Enkelkinder, die einmal zukünftig das deutsche Rentensystem mit absichern würden.
Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. August 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 24. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2015 zu verpflichten, die Zeit vom 1. Juni 1979 bis zum 31. Mai 1980 sowie die Zeit vom 1. November 1982 bis zum 31. Oktober 1983 als Kindererziehungszeiten vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Klägerin hat daraufhin vorgebracht, dass in der Bundesrepublik Deutschland für die Zeiten, in denen sie ihre Kinder im Ausland erzogen habe, keinerlei Kosten wie zum Beispiel Kindergeld, Witwen- und Waisenrente, sachliche Kosten, Kosten für Schulen oder Lehrerbesoldung etc. entstanden seien. Nun aber sollten aktuelle oder auch zukünftige Rentenempfänger, die keine persönliche Leistungen für Kindererziehung erbracht hätten, weil sie kinderlos geblieben seien, von den Beiträgen ihrer drei Kinder für die deutsche Rentenversicherung profitieren. Sie habe die mit der Erziehung ihrer drei Kinder verbundenen physischen, psychischen und finanziellen Belastungen, die in einem Dritte-Welt-Land wie Jordanien besonders gravierend seien, erbracht. Durch die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungszeiten werde ihre schon kleine Rente weiter geschmälert. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 2. Juli 1998 (1 BvR 810/90 – in juris) sei auf ihren Fall nicht anwendbar. Diese Entscheidung sei mehr als 17 Jahre alt. Bekanntlich schreibe das BVerfG seine Rechtsprechung permanent fort. Außerdem habe die Beschwerdeführerin in jenem Verfahren in der sowjetischen Besatzungszone gelebt, bevor sie nach Belgien gezogen sei. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Akte der Beklagte Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, denn die Klage betrifft keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
3. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2015 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vormerkung der Zeit vom 1. Juni 1979 bis zum 31. Mai 1980 sowie der Zeit vom 1. November 1982 bis zum 31. Oktober 1983 als (zweite) Kindererziehungszeiten im Sinne der §§ 56, 249 SGB VI.
Im Bescheid vom 24. Oktober 2014 entschied die Beklagte allein über die (zweite) Kindererziehungszeit nach der zum 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Änderung des § 249 SGB VI durch Art. 10 Buchst. a) des Gesetzes über die Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23. Juni 2014 (BGBl. I, S. 787). Hinsichtlich der (ersten) Kindererziehungszeiten erfolgte die (hinsichtlich der Töchter M. und R. ablehnende) Entscheidung mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 20. Oktober 1992.
a) Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI wird für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I) eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn (1.) die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, (2.), die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und (3.) der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind – wie vorliegend die Töchter M. und R. – endet nach § 249 Abs. 1 SGB VI in der seit 1. Juli 2014 geltenden Fassung 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.
aa) Diese Voraussetzungen liegen bezüglich der Erziehung der Töchter M. und R. in Jordanien schon deswegen nicht vor, weil die Erziehung nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist. Eine Erziehung ist nach § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Die Klägerin hielt sich zum Zeitpunkt der Geburt und auch im zweiten Jahr nach der Geburt der Töchter M. und R. mit diesen in Jordanien gewöhnlich auf.
bb) Die Klägerin kann auch nicht von der Regelung des § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VI profitieren. Danach steht einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt nach § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB V genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 1. März 2013 – L 4 R 4921/11 – nicht veröffentlicht).
Weder die Klägerin noch ihr Ehemann hatten während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt der Töchter M. und R. Pflichtbeitragszeiten wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit. Der Ehemann der Klägerin hatte auch nicht nur deswegen keine Pflichtbeitragszeiten, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war. Die Klägerin behauptet auch nichts anderes.
cc) Abweichende europarechtliche Regelungen (dazu etwa Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 11. Mai 2011 – B 5 R 22/10 R – in juris, Rn. 20 ff.) greifen im vorliegenden Fall nicht ein, da Jordanien kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist.
b) § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB VI ist auch nicht verfassungswidrig; die Norm verstößt insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (so bereits Urteil des Senats vom 1. März 2013 – L 4 R 4921/11 – nicht veröffentlicht; ebenso Schuler-Harms, in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 56 Rn. 39; siehe auch BSG, Urteil vom 23. Oktober 2003 – B 4 RA 15/03 R – in juris, Rn. 32 f.), so dass der Senat das Verfahren nicht aussetzen und die Rechtsfrage dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorlegen muss.
Das BVerfG hat zu § 28a Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) in der Fassung des Art. 7 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261), der ebenfalls die rentenrechtliche Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung im Ausland ausschloss, in einem Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 1998 (1 BvR 810/90 – juris, Rn. 6 ff.) ausgeführt:
"1. Es entspricht der Eigenart eines auf Pflichtbeiträgen der Versicherten aufbauenden Sozialversicherungssystems, daß es grundsätzlich an inländische Beschäftigungsverhältnisse anknüpft, weil die mit einem derartigen System verbundene zwangsweise Einziehung von Pflichtbeiträgen lediglich innerhalb der Reichweite der nationalen Hoheitsgewalt erfolgen kann. Es ist ein verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstandendes Ziel nationaler Sozialpolitik, sozial relevante Tatbestände im eigenen Staatsgebiet zu formen und zu regeln; dies geschieht ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit dessen, der den Tatbestand verwirklicht. Systemgerechter Anknüpfungspunkt für die mitgliedschaftliche Einbeziehung in nationale Sozialversicherungssysteme ist daher der gewöhnliche Aufenthalt einer Person im jeweiligen Staatsgebiet und nicht die Staatsangehörigkeit. Soweit ersichtlich hat sich dieses System in allen nationalen Sozialversicherungssystemen durchgesetzt. Davon kennt das deutsche Sozialversicherungsrecht Ausnahmen (vgl. §§ 4, 5 SGB IV), die aber im vorliegenden Fall nicht einschlägig sind.
2. An diesem historisch gewachsenen Schutzbereich der Sozialversicherung und insbesondere der gesetzlichen Rentenversicherung hat sich der Gesetzgeber bei der territorialen Begrenzung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten in sachgerechter Weise orientiert. Nur wer sich danach noch im sozialen Verantwortungsbereich der Bundesrepublik Deutschland aufhält, soll auch im Falle der Kindererziehung rentenwirksam abgesichert werden.
Wer sich dagegen, wie die Beschwerdeführerin es getan hat, in ein ausländisches Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem integriert, befindet sich für die Dauer dieser Integration nicht mehr im Verantwortungsbereich der bundesdeutschen Rentenversicherung. Er partizipiert vielmehr regelmäßig an den dort im Falle der Kindererziehung gewährten Sozialleistungen. Bereits die Vermeidung des Bezugs von Doppelleistungen rechtfertigt daher den Staatsgebietsbezug bei der Anerkennung von Kindererziehungszeiten."
Diesen Ausführungen kommt zwar keine Bindungswirkung gegenüber den Gerichten gemäß § 31 Abs. 1 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) zu, da es sich lediglich um einen Nichtannahmebeschluss handelt (vgl. Heusch, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 31 Rn. 53 m.w.N.). Der Senat teilt die in dem Nichtannahmebeschluss zum Ausdruck gekommene Auffassung des BVerfG aber inhaltlich uneingeschränkt.
Die Klägerin kann mit ihren Argumenten hiergegen nicht durchdringen. Für die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten ist unter territorialen Gesichtspunkten allein ausschlaggebend, ob die Kindererziehung in In- oder im Ausland erfolgt ist, nicht aber ob die Kinder im späteren Verlauf im In- oder im Ausland berufstätig sind. Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten wird unter keinem Gesichtspunkt davon abhängig gemacht, ob das Kind später sozial- und insbesondere rentenversicherungspflichtig ist. Auch die Frage, in welchem Land außerhalb der Bundesrepublik Deutschland die Kindererziehung erfolgt ist, ist ohne Belang. Weder das einfache Recht noch das Verfassungsrecht gebieten eine Differenzierung nach entwickelten Ländern oder Ländern der sog. Dritten Welt, auf die die Klägerin abstellt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Erziehung ihrer Kinder im Ausland.
Die Klägerin ist am 1952 geboren und bei der Beklagten rentenversichert. Am 1974 heiratete die Klägerin. Die Tochter N. wurde am. 1974 in Karlsruhe geboren. Nachdem ihr Ehemann in Deutschland keine Beschäftigung gefunden hatte, zog die Klägerin mit ihrer Familie im Januar 1977 in das Haschemitische Königreich Jordanien (im Folgenden: Jordanien). Aus der Ehe gingen zwei weitere Kinder hervor: Die Tochter M. wurde am. 1978 in Jordanien sowie die Tochter R. am 1981 in Jordanien geboren Im August 1996 kehrte die Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes mit ihren Töchtern nach Karlsruhe zurück.
Mit Bescheid vom 20. Oktober 1992 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin unter anderem eine Kindererziehungszeit vom 1. August 1974 bis 31. Juli 1975 (betreffend die Tochter N.) fest und lehnte es ab, für die Zeit vom 1. Juni 1978 bis 31. Mai 1979 (betreffend die Tochter M.) sowie vom 1. November 1981 bis 31. Oktober 1982 (betreffend die Tochter R.) Kindererziehungszeiten festzustellen. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2014 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin fest, dass für die Tochter N. die Zeit vom 1. August 1975 bis zum 31. Juli 1976 (zusätzlich) als Kindererziehungszeit vorgemerkt wird. Die Vormerkung beruhe auf der seit dem 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Erhöhung der zu berücksichtigenden Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder um bis zu 12 Kalendermonate. Im selben Bescheid lehnte es die Beklagte ab, die Zeit vom 1. Juni 1979 bis zum 31. Mai 1980 als (zweite) Kindererziehungszeit für die Tochter M. sowie die Zeit vom 1. November 1982 bis zum 31. Oktober 1983 als (zweite) Kindererziehungszeit für die Tochter R. vorzumerken, weil die Kinder in dieser Zeit im Ausland erzogen worden seien.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 25. November 2014 Widerspruch. Die Ablehnung der Kindererziehungszeiten und damit der "Mutterrente" für ihre Kinder M. und R. stelle eine unbillige Härte und Benachteiligung dar. Beide Kinder hätten in Deutschland ihr Abitur abgelegt und danach erfolgreich studiert. Beide trügen durch ihre Berufstätigkeit zum Sozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland bei.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2015 zurück. Eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten komme nur in Betracht, wenn die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei und sich der Erziehende mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten habe. Da sich die Klägerin ab dem 1. Januar 1977 im Ausland aufgehalten habe, komme eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten für die Kinder M. und R. nicht in Betracht. Gleiches gelte für die Zeit der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehungszeiten für die Zeiten des Auslandsaufenthaltes. Daher sei auch die Anerkennung des (zweiten) Kindererziehungsjahres aus demselben Grund abzulehnen gewesen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 5. März 2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie und ihre Töchter seien sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Es sei nicht nachvollziehbar und auch nicht hinnehmbar, dass ihre Erziehungsleistung für ihre drei Töchter von der Beklagten nur deshalb nicht anerkannt werde, weil diese Erziehungsleistung nicht in Deutschland erbracht worden sei.
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf ihren Widerspruchsbescheid entgegen.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 12. August 2015 ab. Die Kindererziehungszeiten für M. und R. seien nicht anzuerkennen, da die Erziehung im Ausland erfolgt sei. Im Falle der Klägerin greife auch kein Gleichstellungstatbestand ein. Weder die Klägerin noch ihr Ehemann hätten unmittelbar vor der Geburt oder während der Erziehung eine Beschäftigung ausgeübt, die Pflichtbeiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach sich gezogen hätten. Die Regelung des § 56 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG).
Gegen das ihr am 15. August 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. September 2015 Berufung eingelegt. Das Territorialprinzip in § 56 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI verstoße gegen Art. 3 GG. Es seien durchaus Fälle denkbar, in denen für die Erziehungszeit – sei diese im In- oder im Ausland erfolgt – keine Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung geleistet worden seien. Auch sei ihr nicht bekannt gewesen, dass die Möglichkeit bestanden hätte, dass sie während der Zeit der Erziehung ihrer Kinder im Ausland freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung hätte leisten können, um sich eine eventuelle Anwartschaft auf Mütterrente für Kindererziehungszeiten zu sichern. Für besonders bedeutungsvoll halte sie die Tatsache, dass während der Erziehung ihrer Kinder im Ausland der Bundesrepublik Deutschland keine Kosten für Kindergeld entstanden seien. Alle drei Kinder trügen durch ihre Berufstätigkeit zum Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik Deutschland bei. Auch habe sie inzwischen fünf Enkelkinder, die einmal zukünftig das deutsche Rentensystem mit absichern würden.
Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. August 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 24. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2015 zu verpflichten, die Zeit vom 1. Juni 1979 bis zum 31. Mai 1980 sowie die Zeit vom 1. November 1982 bis zum 31. Oktober 1983 als Kindererziehungszeiten vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht des Senats, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Klägerin hat daraufhin vorgebracht, dass in der Bundesrepublik Deutschland für die Zeiten, in denen sie ihre Kinder im Ausland erzogen habe, keinerlei Kosten wie zum Beispiel Kindergeld, Witwen- und Waisenrente, sachliche Kosten, Kosten für Schulen oder Lehrerbesoldung etc. entstanden seien. Nun aber sollten aktuelle oder auch zukünftige Rentenempfänger, die keine persönliche Leistungen für Kindererziehung erbracht hätten, weil sie kinderlos geblieben seien, von den Beiträgen ihrer drei Kinder für die deutsche Rentenversicherung profitieren. Sie habe die mit der Erziehung ihrer drei Kinder verbundenen physischen, psychischen und finanziellen Belastungen, die in einem Dritte-Welt-Land wie Jordanien besonders gravierend seien, erbracht. Durch die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungszeiten werde ihre schon kleine Rente weiter geschmälert. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 2. Juli 1998 (1 BvR 810/90 – in juris) sei auf ihren Fall nicht anwendbar. Diese Entscheidung sei mehr als 17 Jahre alt. Bekanntlich schreibe das BVerfG seine Rechtsprechung permanent fort. Außerdem habe die Beschwerdeführerin in jenem Verfahren in der sowjetischen Besatzungszone gelebt, bevor sie nach Belgien gezogen sei. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Akte der Beklagte Bezug genommen.
II.
1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung des Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, denn die Klage betrifft keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
3. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2015 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vormerkung der Zeit vom 1. Juni 1979 bis zum 31. Mai 1980 sowie der Zeit vom 1. November 1982 bis zum 31. Oktober 1983 als (zweite) Kindererziehungszeiten im Sinne der §§ 56, 249 SGB VI.
Im Bescheid vom 24. Oktober 2014 entschied die Beklagte allein über die (zweite) Kindererziehungszeit nach der zum 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Änderung des § 249 SGB VI durch Art. 10 Buchst. a) des Gesetzes über die Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23. Juni 2014 (BGBl. I, S. 787). Hinsichtlich der (ersten) Kindererziehungszeiten erfolgte die (hinsichtlich der Töchter M. und R. ablehnende) Entscheidung mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 20. Oktober 1992.
a) Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI wird für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I) eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn (1.) die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, (2.), die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und (3.) der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind – wie vorliegend die Töchter M. und R. – endet nach § 249 Abs. 1 SGB VI in der seit 1. Juli 2014 geltenden Fassung 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.
aa) Diese Voraussetzungen liegen bezüglich der Erziehung der Töchter M. und R. in Jordanien schon deswegen nicht vor, weil die Erziehung nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist. Eine Erziehung ist nach § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Die Klägerin hielt sich zum Zeitpunkt der Geburt und auch im zweiten Jahr nach der Geburt der Töchter M. und R. mit diesen in Jordanien gewöhnlich auf.
bb) Die Klägerin kann auch nicht von der Regelung des § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VI profitieren. Danach steht einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt nach § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB V genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 1. März 2013 – L 4 R 4921/11 – nicht veröffentlicht).
Weder die Klägerin noch ihr Ehemann hatten während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt der Töchter M. und R. Pflichtbeitragszeiten wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit. Der Ehemann der Klägerin hatte auch nicht nur deswegen keine Pflichtbeitragszeiten, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war. Die Klägerin behauptet auch nichts anderes.
cc) Abweichende europarechtliche Regelungen (dazu etwa Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 11. Mai 2011 – B 5 R 22/10 R – in juris, Rn. 20 ff.) greifen im vorliegenden Fall nicht ein, da Jordanien kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist.
b) § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB VI ist auch nicht verfassungswidrig; die Norm verstößt insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (so bereits Urteil des Senats vom 1. März 2013 – L 4 R 4921/11 – nicht veröffentlicht; ebenso Schuler-Harms, in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 56 Rn. 39; siehe auch BSG, Urteil vom 23. Oktober 2003 – B 4 RA 15/03 R – in juris, Rn. 32 f.), so dass der Senat das Verfahren nicht aussetzen und die Rechtsfrage dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorlegen muss.
Das BVerfG hat zu § 28a Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) in der Fassung des Art. 7 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261), der ebenfalls die rentenrechtliche Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung im Ausland ausschloss, in einem Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 1998 (1 BvR 810/90 – juris, Rn. 6 ff.) ausgeführt:
"1. Es entspricht der Eigenart eines auf Pflichtbeiträgen der Versicherten aufbauenden Sozialversicherungssystems, daß es grundsätzlich an inländische Beschäftigungsverhältnisse anknüpft, weil die mit einem derartigen System verbundene zwangsweise Einziehung von Pflichtbeiträgen lediglich innerhalb der Reichweite der nationalen Hoheitsgewalt erfolgen kann. Es ist ein verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstandendes Ziel nationaler Sozialpolitik, sozial relevante Tatbestände im eigenen Staatsgebiet zu formen und zu regeln; dies geschieht ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit dessen, der den Tatbestand verwirklicht. Systemgerechter Anknüpfungspunkt für die mitgliedschaftliche Einbeziehung in nationale Sozialversicherungssysteme ist daher der gewöhnliche Aufenthalt einer Person im jeweiligen Staatsgebiet und nicht die Staatsangehörigkeit. Soweit ersichtlich hat sich dieses System in allen nationalen Sozialversicherungssystemen durchgesetzt. Davon kennt das deutsche Sozialversicherungsrecht Ausnahmen (vgl. §§ 4, 5 SGB IV), die aber im vorliegenden Fall nicht einschlägig sind.
2. An diesem historisch gewachsenen Schutzbereich der Sozialversicherung und insbesondere der gesetzlichen Rentenversicherung hat sich der Gesetzgeber bei der territorialen Begrenzung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten in sachgerechter Weise orientiert. Nur wer sich danach noch im sozialen Verantwortungsbereich der Bundesrepublik Deutschland aufhält, soll auch im Falle der Kindererziehung rentenwirksam abgesichert werden.
Wer sich dagegen, wie die Beschwerdeführerin es getan hat, in ein ausländisches Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem integriert, befindet sich für die Dauer dieser Integration nicht mehr im Verantwortungsbereich der bundesdeutschen Rentenversicherung. Er partizipiert vielmehr regelmäßig an den dort im Falle der Kindererziehung gewährten Sozialleistungen. Bereits die Vermeidung des Bezugs von Doppelleistungen rechtfertigt daher den Staatsgebietsbezug bei der Anerkennung von Kindererziehungszeiten."
Diesen Ausführungen kommt zwar keine Bindungswirkung gegenüber den Gerichten gemäß § 31 Abs. 1 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) zu, da es sich lediglich um einen Nichtannahmebeschluss handelt (vgl. Heusch, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 31 Rn. 53 m.w.N.). Der Senat teilt die in dem Nichtannahmebeschluss zum Ausdruck gekommene Auffassung des BVerfG aber inhaltlich uneingeschränkt.
Die Klägerin kann mit ihren Argumenten hiergegen nicht durchdringen. Für die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten ist unter territorialen Gesichtspunkten allein ausschlaggebend, ob die Kindererziehung in In- oder im Ausland erfolgt ist, nicht aber ob die Kinder im späteren Verlauf im In- oder im Ausland berufstätig sind. Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten wird unter keinem Gesichtspunkt davon abhängig gemacht, ob das Kind später sozial- und insbesondere rentenversicherungspflichtig ist. Auch die Frage, in welchem Land außerhalb der Bundesrepublik Deutschland die Kindererziehung erfolgt ist, ist ohne Belang. Weder das einfache Recht noch das Verfassungsrecht gebieten eine Differenzierung nach entwickelten Ländern oder Ländern der sog. Dritten Welt, auf die die Klägerin abstellt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
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