L 2 R 2885/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 3556/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 2885/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung noch bis 30.11.2015.

Der in Tadschikistan geborene Kläger übersiedelte 1989 aus Russland in die Bundesrepublik Deutschland. Seinen Angaben zufolge absolvierte er vom 7.9.1971 bis 19.1.1972 eine Ausbildung zum Dreher und übte den Beruf in Kasachstan und Russland bis Februar 1989 überwiegend aus. In Deutschland war von August 1989 bis 15.4.2010 bei der Fa. GmbH u. Co. KG in verschiedenen Bereichen , zuletzt in der Baugruppenmontage versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde aufgrund einer Konfliktsituation am Arbeitsplatz nach gerichtlicher Auseinandersetzung zum 31.12.2010 gegen eine Abfindung beendet. Danach war der Kläger arbeitslos und arbeitsunfähig. Bei ihm ist seit 27.11.2010 ein GdB von 50 anerkannt.

Nach stationärer Rehabilitationsbehandlung vom 15.5.2013 bis 5.6.2013 in der Klinik am S. in Bad G., aus der er bei den Diagnosen chronisch dekompensierter Tinnitus aurium, Schweregrad III, chronisch rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom, Depression, zur Zeit mittelgradig für fähig befunden wurde, seine zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit als auch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr zu verrichten allerdings die Empfehlung zur Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens ausgesprochen wurde (Entlassungsbericht vom 6.6.2013), beantragte der Kläger am 12.6.2013 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab er an, er halte sich seit 2010 wegen folgender Gesundheitsstörungen für erwerbsgemindert: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Schulter-Arm-Syndrom, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und des rechten Ellenbogengelenkes, Depressionen, psychovegetative Störungen, chronisches Schmerzsyndrom, Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen und Tinnitus.

Die Beklagte veranlasste nach Beiziehung von ärztlichen Unterlagen die Begutachtung des Klägers durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H ... Dieser diagnostizierte im Gutachten vom 8.7.2013 eine anankastische Persönlichkeitsstörung (F60.5), Schallempfindungsschwerhörigkeit (H90.3) und Tinnitus aurium (H93.1). Im Vordergrund stehe die vom Kläger als ungerecht und ehrabschneidend empfundene Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses nach einer Auseinandersetzung mit einem Kollegen am Arbeitsplatz, der ihn nach Provokation angegriffen habe. Der Kläger sei auf dieses Ereignis auch mit negativen Folgen für das familiäre Zusammenleben fixiert. Er sei bei früher hoher beruflicher Motivationslage verbunden mit Anpassungsschwierigkeiten jetzt weniger niedergeschlagen als vielmehr aufgebracht über das empfundene Unrecht und darauf gedanklich eingeengt. Der Kläger könne weiterhin 6 Stunden und mehr pro Arbeitstag Tätigkeiten durchführen, die klar strukturiert seien, keine besondere Anpassungsleistung verlangten und bei denen es nicht notwendig sei, sich an Kollegen anzupassen.

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 26.7.2013 ab. Der Widerspruch des Klägers, den er auf seine Erkrankungen auf dem psychiatrischen und HNO-Fachgebiet stützte, blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid vom 11.12.2013 führte die Beklagte ergänzend aus, dass der Kläger mit der zuletzt ausgeübten Beschäftigung als Lackierer und Montagearbeiter zum Kreis der ungelernten Arbeiter gehöre und auf alle gesundheitlich zumutbaren ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könne.

Dagegen hat der Kläger am 23.12.2013 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erheben lassen und sich darauf berufen, insbesondere aufgrund seines Tinnitusleidens und der Depressionen sowie seines Wirbelsäulenleidens nicht mehr 6 Stunden am Tag Tätigkeiten ausüben zu können. Aufgrund seiner beruflich erlangten Qualifikation und Erfahrung sei er als Facharbeiter, ggf. sogar mit Vorgesetztenfunktion, einzustufen.

Das Gericht hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. T., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, hat mitgeteilt, aufgrund der psychischen Erkrankung bestehe keine Einschränkung des Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich. Inwieweit der Kläger durch die von ihm beschriebene sehr starke Schmerzsymptomatik eingeschränkt sei, solle bei den entsprechenden Fachkollegen erfragt werden (Auskunft vom 10.4.2014). Dr. B., Facharzt für Allgemeinmedizin, hat ausgeführt, er gehe mit der behandelnden Psychologin konform, dass es bei dem Kläger zu einer Chronifizierung der psychischen Erkrankung gekommen sei, die ihm eine Rückkehr auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nahezu unmöglich mache. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage 3 Stunden pro Tag leichte Tätigkeiten zu verrichten (Auskunft vom 22.4.2014). Der HNO-Arzt E. hat aufgrund des Ohrgeräusches und der Schallempfindungsschwerhörigkeit im Hochtonbereich keine Bedenken gegen die Ausübung leichter Tätigkeiten unter Vermeidung von lärmintensiven oder sicherheitsrelevanten Arbeitsbereichen von mindestens 6 Stunden täglich geäußert. (Auskunft vom 24.4.2014). Der Orthopäde B.hat aus orthopädischer Sicht keine Bedenken gegen die Beurteilung, der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich verrichten, geäußert (Auskunft vom 8.9.2014). Dr. P., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie hat in ihrer Auskunft vom 13.8.2014 unter Hinweis auf die fragile Arzt-Patienten Beziehung keine Beurteilung zum Leistungsvermögen des Klägers abgegeben. Dipl.-Psych. St. hat große Bedenken gegen die Annahme eines Leistungsvermögens des Klägers für leichte Tätigkeiten von mindestens 6 Stunden täglich geäußert. Der Kläger sei körperlich in seiner Funktionsfähigkeit schwer beeinträchtigt und leide unter chronischen Schmerzen sowie einer chronisch-depressiven Symptomatik (Auskunft vom 28.7.2014).

Das SG hat vom früheren Arbeitgeber des Klägers, von der A. GmbH & Co. KG die Auskunft vom 23.5.2014 eingeholt, in der über den Kläger mitgeteilt wurde, dass er während des Arbeitsverhältnisses von August 1989 bis Ende des Jahres 2010 verschiedene Tätigkeiten ausgeübt habe (Produktionshelfer Blechfertigung, Maschinenbediener an einer Mehrspindelbohrmaschine, Tätigkeiten in der Entgraterei, Tätigkeiten in der Gussputzerei, Bedienen der Maschine sowie Umrüsten nach vorgegebenem Rüstplan an einem Alfing-Sonderbohrwerk, Tätigkeit in der Lackiererei/Sonderlack, Baugruppenmontage mit Vorrichten und Montieren von Unterbaugruppen, Montieren einfacher Kleinstbaugruppen). Der Kläger habe während seiner Tätigkeit bei der Firma keine Fachkenntnisse auf dem Niveau eines Facharbeiters erworben. Alle seine Tätigkeiten in den verschiedenen Arbeitsbereichen seien ausschließlich Anlerntätigkeiten mit Anlernzeiten von ca. 5 bis 6 Wochen gewesen. Der Kläger sei mit Einführung des tariflichen ERA-Entgeltsystems der Metall- und Elektroindustrie vom 1.7.2007 und der erfolgten intensiven Neubewertung aller Arbeitsplätze in der paritätischen Kommission mit der Entgeltgruppe III eingestuft worden. Diese Entgeltgruppe entspreche einer Anlerntätigkeit mit kurzen Anlernzeiten. Damit sei die vorherige unzutreffende Einstufung in die für Facharbeiter geltende Lohngruppe VII korrigiert worden (vgl. Bl. 40 SG Akte).

Der Kläger hat an seiner Auffasung festgehalten, bei der Firma A. als Facharbeiter gearbeitet zu haben und hat mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 28.10.2014 mehrere Unterlagen vorgelegen lassen (vgl. Bl. 72 ff. der SG-Akten).

Das SG hat eine Begutachtung des Klägers durch Dr. G. veranlasst. In seinem fachpsychiatrisch-neurologischen Gutachten vom 7.4.2015 hat er folgende Diagnosen gestellt:

Auf internistischem/allgemeinmedizinischem/orthopädischem Gebiet: 1. Mitgeteilter Tinnitus beidseits - während der Untersuchung umgangssprachlich keine Auffälligkeiten 2. Obstipationsneigung 3. Degeneratives Halswirbelsäulen(HWS)-Syndrom mit Bandscheibenvorwölbung C4/5 - mäßige Funktionseinschränkungen 4. Degeneratives Lendenwirbelsäulen (LWS-Syndrom) mit Bandscheibenvorfall L4/5 mit Verengung der Foramina intervertebralia und leichter Pelottierung der Nervenwurzel L5 rechts, Protrusion L3/4 - zum Untersuchungszeitpunkt leichte Funktionseinschränkungen, kein sicherer Hinweis für Nervenwurzelreizerscheinungen 5. Hämorrhoidalbeschwerden 6. Zustand nach (Z. n.) Schulter-OP beidseits wegen degenerativer Veränderungen - zum Untersuchungszeitpunkt leichte Funktionseinschränkungen

Auf neuro-psychiatrischem Gebiet:

7. Dysthymia 8. Psychoneurose - grenzkompensiert 9. Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften und narzisstischen Anteilen 10. Anpassungsstörung im Sinne der länger dauernden depressiven/aggressiven Reaktionsbildung (nach Arbeitsplatzverlust) 11. Verdacht auf anhaltende somatoforme Schmerzstörung

Aufgrund der Diagnosen des neuro-psychiatrischen Gebietes werde der Kläger für fähig erachtet noch mindestens 6 Stunden täglich eine leichte Arbeit ausführen zu können. Zu vermeiden seien Zeitdruck, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und mit Absturzgefahr, an laufenden gefährdenden Maschinen, am Fließband und in Nacht- und Wechselschicht. Es sollte sich um körperlich leichte Arbeiten handeln. Zu vermeiden seien ferner Lärmbeeinträchtigungen am Arbeitsplatz, wie auch Arbeiten unter Menschenansammlungen, mit häufigem Publikumsverkehr und (möglichst) in der Gruppe. Denkbar wären einfache Montage- oder Kontrollarbeiten, auch das Bedienen einfacher Maschinen, in Kleinraumbetrieben und mittelständischen kleineren Betrieben, wobei Beschäftigungen in Großräumen mit vielen Personen vermieden werden sollten.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat den Entlassbrief der Klinik für Innere Medizin, Kardiologie, V., vom 22.05.2015 über die dortige Behandlung des Klägers vom 20. bis 22.05.2015 vorgelegt, wonach sich kein krankhafter kardialer Befund ergeben hat.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.6.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger gestützt auf die Gutachten von Dr. G. und Dr. H. im Verwaltungsverfahren keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit habe, weil sein Leistungsvermögen nicht auf weniger als 6 Stunden täglich abgesunken sei. Bei den von Dr. G. festgestellten wesentlichen Gesundheitsstörungen auf internistischem/allgemeinmedizinischem/orthopädischem Gebiet sei die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers aufgrund der nachvollziehbaren Ausführungen des Dr. G. zwar in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. So könne der Kläger wegen einer allgemeinen psycho-physischen Belastbarkeitsminderung aufgrund der Dysthymia und der Anpassungsstörung im Sinne länger dauernder depressiver Reaktion nur noch leichte körperliche Arbeiten und Tätigkeiten ohne Stress- und Akkordbedingungen ausüben. Wegen der Psychoneurose mit Selbstwertstörungen und sozialen Anpassungsstörungen seien Arbeiten in der Gruppe, also auch Tätigkeiten unter Menschenansammlungen sowie Tätigkeiten unter Lärmeinwirkung und Arbeiten mit besonderer Verantwortung auszuschließen vor dem Hintergrund von sozial-phobischen und dissozialen Entwicklungen im Rahmen von Kränkungen und zugrundeliegenden neurotischen Strukturentwicklungen. Aufgrund der Persönlichkeitsstörungen mit narzisstischen Anteilen und der auch länger dauernden depressiven und aggressiven Reaktionsbildung seien Arbeiten unter Zeitdruck auszuschließen, des weiteren Arbeiten, die eine psychische Anspannung erforderten bzw. auslösten und solche mit besonderer Verantwortung. Wegen der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sollten mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten ausgeschlossen werden sowie Arbeiten mit Heben und Tragen schwerer Lasten über 6 kg. Arbeiten am Fließband und Tätigkeiten in Nacht- und Wechselschicht könnten wegen der Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet (längerdauernde depressive Reaktionsbildung, Psychoneurose, Dysthymia, narzisstische Persönlichkeitsstörung und somatoforme Schmerzstörung) und wegen der damit verbundenen psycho-physischen Belastbarkeitsminderung wie auch einer reduzierten Frustrationstoleranz nicht mehr ausgeübt werden. Aufgrund der Einnahme von Antidepressiva und ggf. auch anderer Psychopharmaka im Rahmen der zukünftigen weiteren psychiatrischen Behandlung und möglicherweise zusätzlicher Einnahme von Schmerzmitteln schieden Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten und solche mit Absturzgefahr wie auch Arbeiten an laufenden gefährdenden Maschinen aus. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens könne der Kläger jedoch noch eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im zeitlichen Umfang von mindestens 6 Stunden pro Arbeitstag ausüben. Ausgehend von dem von Dr. G. erhobenen psychischen Befund - allseits orientiert und bewusstseinsklar, moros-dysphorische Stimmungslage, anfangs mürrisch, affektiv angespannt und mittelgradig reduziert schwingungsfähig, streckenweise gereizt, vordergründig zentriert auf die somatische Beschwerdekonstellation, ohne Störungen von Merk- oder Erinnerungsvermögen und inhaltlichen Denkstörungen, mit erkennbar wiederholt kränkenden Mechanismen und auch unterschwellig aggressiver Gespanntheit - und den im Vordergrund stehenden Schilderungen von somatischen Beschwerden und dem ausgeprägten Gefühl der Entwertung hinsichtlich seiner fehlenden Arbeitstätigkeit in Bezug auf sein soziales Leben, seine existenzielle Grundlage und auch durch die Ehefrau mit Rückzug werte Dr. G. dies nachvollziehbar als sichtbare zwanghafte Persönlichkeitsstrukturelemente, Störungen des Selbstwertgefüges, Versagensgefühle und eine erlebte Minderwertigkeit. Der Gesamtkomplex werde offenbar durch den Kläger narzisstisch gekränkt erlebt und fehlverarbeitet. Darüber hinaus werde der Komplex des Arbeitsplatzverlustes depressiv verarbeitet, mit appellativ-anklagender Haltung gegenüber der Gesellschaft ob des erlebten Unrechts. Dr. G. sehe den Kläger in einer Opferrolle fixiert. Der Kläger äußere auch aggressive Impulse hinsichtlich der Erinnerung an das Gesamtgeschehen, die er allerdings mit Hilfe der Psychotherapie in den Griff zu bekommen versuche. Nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachters Dr. G. sei die depressive Entwicklung des Klägers im Sinne einer Dysthymia zu werten. Hierbei handele es sich um eine längerdauernde depressive Störung leichterer bis allenfalls mittelgradiger Ausprägung, bei der die Betroffenen wie auch der Kläger in aller Regel ihren Alltagsverpflichtungen nachkommen könnten. So könne der Kläger eine Tagesstruktur aufrecht erhalten. Er beteilige sich an den Haushaltsaufgaben, nehme kleinere Gartenarbeiten vor oder auch Bastelarbeiten. Außerdem absolviere er Spaziergänge. Er sei in der Lage, ein Fahrzeug zu führen, habe sich interessiert der Umwelt gegenüber gezeigt und habe über gute Kontakte zu den Enkelkindern und Kindern berichtet. Dr. G. sei insoweit gut nachvollziehbar zu der Feststellung gelangt, dass eine gravierende Anhedonie bei dem Kläger nicht vorliege und dieser durchaus Freude bekunden könne. Des Weiteren bestehe bei dem Kläger eine Anpassungsstörung nach einem Arbeitsplatzkonflikt im Sinne einer länger dauernden depressiven/aggressiven Reaktionsbildung bei vorliegender Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften und narzisstischen Anteilen. Ferner sei von einer Psychoneurose ohne Dekompensation auszugehen mit mangelnder Geborgenheits- und Sicherheitserfahrung in der Kindheit bei Überstrenge des Vaters, früher Einbindung in eine Arbeitstätigkeit im Sinne einer abverlangten Kinderarbeit. Diese Störungen würden derzeit psychotherapeutisch aufgearbeitet. Bei Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung liege nach den Feststellungen von Dr. G. kein schweres Schmerzsyndrom vor. Die Schlafstörungen bei Tinnitus und auch die Beschwerden seitens des Bewegungsapparates könnten nach den weiteren Darlegungen von Dr. G. durch Antidepressiva einer Besserung zugeführt werden, wobei nicht alle Antidepressiva zwangläufig eine Obstipation zur Folge hätten, sodass ggf. auf andere Präparate ausgewichen werden könne. Zusammenfassend sei Dr. G. überzeugend zu der Beurteilung gelangt, dass die Dysthymia wie auch die Persönlichkeitsstörung mit den zwanghaften und narzisstischen Anteilen eine Arbeitstätigkeit des Klägers zuließen und sogar zu einer positiven Auswirkung im Sinne einer Vermittlung von Wertigkeit und auch Wertschöpfung führten. Auch unter Berücksichtigung der sonstigen, nicht im Vordergrund des Beschwerdebildes stehenden Gesundheitsstörungen, sei dieser in der Lage eine Tätigkeit im zeitlichen Umfang von mindestens 6 Stunden pro Arbeitstag auszuüben. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liege nicht vor, weshalb das Vorhandensein eines entsprechenden Arbeitsplatzes nicht zu klären sei. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig. Deshalb habe er auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI. Ausgehend von dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema sei der Kläger nicht als Facharbeiter einzuordnen. Anknüpfungspunkt sei die zuletzt langjährig ausgeübte Tätigkeit bei der Firma A. GmbH & Co.KG. Nach eigenen Angaben habe der Kläger keine Facharbeiterausbildung absolviert. Es fehlten auch Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch langjährig ausgeübte Tätigkeit nicht nur in Teilbereichen die praktischen und theoretischen Kenntnisse einer Facharbeitertätigkeit erlangt habe. Vom Kläger selbst ist nicht vorgetragen worden, um welche Facharbeitertätigkeit es sich hier im Einzelnen handeln solle. Die Arbeiten des Klägers in verschiedenen Abteilungen der Firma A. GmbH & Co.KG ließen erkennen, dass er innerhalb des Produktionsbereiches verschiedene Tätigkeiten ausgeübt habe. Dies spricht jedoch gerade dagegen, dass er in einem bestimmten Ausbildungsberuf langjährig und vertiefend und mit umfassenden theoretischen und praktischen Kenntnissen gearbeitet habe. Die tarifliche Entlohnung könne insoweit nicht als Indiz für eine Facharbeitertätigkeit herangezogen werden, als der Kläger nach der Firmen- Auskunft vom 23.05.2014 bei seinem Eintritt als Produktionshelfer in der Blechbearbeitung der Facharbeiter-Lohngruppe VII zugeordnet worden sei, ohne eine Facharbeitertätigkeit ausgeübt zu haben. Mit der Umsetzung des ERA-Tarifvertrages sei eine neue Zuordnung zur Entgeltgruppe EG 3, Anlerntätigkeit mit kurzen Anlernzeiten bewertet, nach der Arbeitgeberauskunft 5 bis 6 Wochen.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 23.6.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 8.7.2015 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und das Rentenbegehren des Klägers weiter verfolgt. Beim Kläger bestehe außerdem eine Cervicobrachialgie links. Hierzu hat er den Kernspintomographie-Befund des Dr. E. vom 11.6.2015 vorgelegt, wonach ein linksseitiger Bandscheibenvorfall bei C6/7 als mögliches Korrelat für eine linksseitige C7 Symptomatik beschrieben wird. Der Kläger hat am Facharbeiterschutz festgehalten.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. Juni 2015 sowie den Bescheid vom 26. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zumindest auf Zeit ab 1. Juni 2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Seit 1.12.2015 gewährt die Beklagte dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von 847,69 monatlich (Bescheid vom 20.10.2015).

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftlich zugestimmt (Schriftsatz des Klägervertreters vom 10.11.2015 und der Beklagten vom 5.11.2015).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (Reha- und Rente) sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auf Grund der Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 26.7.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2013, mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und auch wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger zulässig mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG).

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht unter Darstellung der maßgeblichen gesetzlichen Normen einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung auch bei Berufsunfähigkeit verneint. Das SG hat sich ausführlich mit den gesundheitlichen Beschwerden des Klägers auseinandergesetzt und in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass sich eine Leistungseinschränkung in rentenberechtigendem Grade - Herabsinken des beruflichen Leistungsvermögens auf unter 6 Stunden arbeitstäglich - hierdurch nicht begründen lässt. Ebenso ausführlich begründet hat es zutreffend ausgeführt, dass der Kläger den vom ihm beanspruchten Facharbeiterschutz nicht genießt, sondern auf Grund seiner verschiedenen Tätigkeiten bei der A. GmbH u. Co. KG der Gruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnen ist mit der Folge, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbar ist. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG und Würdigung der hier vorliegenden medizinischen Unterlagen und Gutachten Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist im Hinblick auf den vorgelegten radiologischen Befundbericht des Dr. E. vom 11.6.2015 auszuführen, dass dieser keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen gegeben hat. Die HWS-Problematik des Klägers ist bereits seit längerem bekannt und wurde auch neurologisch und funktional bei der Begutachtung durch Dr. G. gewürdigt, der dadurch lediglich mässiggradige Funktionseinschränkungen beschrieben hat, denen durch qualitative Leistungseinschränkungen - ohne schweres Heben und Tragen über 6 kg ausreichend Rechnung getragen wird. Eine zeitliche Leistungseinschränkung lässt sich damit erst recht für die Vergangenheit nicht rechtfertigen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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