L 11 R 3781/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 2778/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3781/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.04.2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 25.812,69 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Beitragsnachforderung aufgrund einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 2008 bis 2011 in Höhe von insgesamt 25.812,69 EUR.

Der Kläger betreibt ein Transportunternehmen, das sich auf die Auslieferung von gekühlten Lebensmitteln für Supermärkte und Discounter spezialisiert hat. Der 1948 geborene Beigeladene zu 1) ist Kfz-Meister. Er hat seit 2005 ein Gewerbe angemeldet für Kfz-Reparatur und Fahrertätigkeiten, verfügt aber nicht über eine Erlaubnis nach dem Güterkraftverkehrsgesetz oder eine entsprechende Gemeinschaftslizenz. Vom 15.11.2005 bis 14.05.2006 bezog er Überbrückungsgeld nach § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) von der Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 2). Im Zeitraum 2008 bis 2011 war der Beigeladene zu 1) versicherungspflichtig beschäftigt bei der Firma M. S. Industrieverpackungen; er war als Testfahrer für Subunternehmer der Firma D. tätig und als Linienbusfahrer für die Firma Me. Omnibusverkehr. Zusätzlich war er aufgrund mündlicher Vereinbarung für den Kläger als Fahrer eines 40t-Sattelzugs tätig. Hierfür erhielt er einen festen Stundenlohn von zunächst 12,50 EUR und ab 2009 13 EUR. Die geleisteten Arbeitsstunden rechnete der Beigeladene zu 1) gegenüber dem Kläger monatlich mit Umsatzsteuer ab.

Am 22.10.2012 führte die Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 01.01.2008 bis 31.12.2011 durch. Im Rahmen der Anhörung (Schreiben der Beklagten vom 29.10.2012) führte der Kläger aus, der Beigeladene zu 1) sei nicht in seinen Betrieb eingeordnet. Er werde nur eingesetzt, wenn er einen ihm angebotenen Auftrag annehme. Der Kläger könne daher gerade nicht verlässlich mit ihm planen. Nur weil kein eigenes Fahrzeug eingesetzt worden sei, könne eine selbstständige Tätigkeit nicht ausgeschlossen werden, sonst wäre jede Dienstleistung ohne Einsatz eigener Arbeitsmittel stets nicht selbstständige Tätigkeit. Es seien jeweils Einzelaufträge kurzfristig nach Bedarf bzw Verfügbarkeit zustande gekommen. Ein höheres Unternehmerrisiko als das Risiko, gar keinen Auftrag zu erhalten, sei nicht vorstellbar. Der Beigeladene zu 1) habe das Fahrzeug in dem Zustand zurückzugeben gehabt, in dem er es erhalten habe, dh die von ihm verursachten Beschädigungen habe er jeweils selbst repariert. Zudem verfüge der Beigeladene zu 1) über eine Vielzahl anderer Auftraggeber und betreibe eine eigene Kfz-Reparaturwerkstatt. Dies kennzeichne in klassischer Weise die selbstständige Tätigkeit.

Mit Bescheid vom 11.12.2012 forderte die Beklagte für den Prüfzeitraum Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) in Höhe von insgesamt 25.812,69 EUR nach. Der Beigeladene zu 1) übe die Tätigkeit eines Kraftfahrers aus, über ein eigenes Fahrzeug für die Tätigkeit verfüge er nicht. Die Tätigkeit sei eindeutig in der Form fremdbestimmt, dass der Beigeladene zu 1) nach außen hin die Transporttätigkeit für den Kläger übernehme. Bei den Abhol- und Anlieferungsstellen sei er nicht als Selbstständiger aufgetreten, sondern sei mit dem Fahrzeug des Klägers die von diesem akquirierten Touren gefahren. Die Tätigkeit eines Kraftfahrers ohne eigenes Fahrzeug erfülle nicht die Voraussetzungen für eine selbstständige Tätigkeit. Der Beigeladene zu 1) habe auch kein Unternehmerrisiko getragen, er habe als Vergütung den vereinbarten Stundenlohn erhalten. Es bestehe Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Transporte seien mit einem Fahrzeug des Klägers durchgeführt worden, das kostenlos zur Verfügung gestellt worden sei. Es gebe keine wesentlichen Unterschiede zu einem abhängig beschäftigten Fahrer. Es sei einhellige Meinung in der Rechtsprechung, dass ein Lkw-Fahrer, der nur seine Arbeitskraft zur Verfügung stelle, regelmäßig abhängig beschäftigt sei, weil das typische Unternehmerrisiko fehle. Die Möglichkeit einzelne Aufträge abzulehnen, könne zwar als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden, derartige Möglichkeiten hätten jedoch auch abhängig beschäftigte Aushilfs-, Abruf- und Teilzeitkräfte.

Hiergegen richtet sich die am 16.05.2013 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Der Kläger verweist erneut darauf, dass der Beigeladene zu 1) auch weitere Tätigkeiten ausgeübt habe und es insoweit auf eine Gesamtschau ankomme. Er sei weder regelmäßig zu bestimmten Zeiten noch im Haupterwerb für den Kläger tätig gewesen. Es liege auch kein klassisches Direktionsrecht vor.

Das SG hat im Erörterungstermin am 06.02.2014 den Beigeladenen zu 1) persönlich angehört. Mit Urteil vom 16.04.2014 hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid ergänzend ausgeführt, dass der sozialversicherungsrechtliche Status grundsätzlich für jedes Vertragsverhältnis und jede Tätigkeit einzeln zu beurteilen sei. Die eigene Werkstatt des Beigeladenen zu 1) im Kfz-Bereich sei daher unbeachtlich. Auf einen diesbezüglichen Gründungszuschuss komme es deshalb nicht an, zumal der entsprechende Zeitraum mit einer Fiktionswirkung bereits abgelaufen sei. Die Tätigkeit in einer Werkstatt und diejenige als Lkw-Fahrer für Dritte habe keinen zwingenden inhaltlichen Konnex. Ein Lkw-Fahrer ohne eigenen Lkw sei regelmäßig abhängig beschäftigt, so auch hier.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 06.08.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 03.09.2014 eingelegte Berufung des Klägers. Das SG stütze sich ohne Befassung mit den Besonderheiten des Falles ausschließlich darauf, dass ein Lkw-Fahrer ohne eigenen Lkw regelmäßig abhängig beschäftigt sei. Dieser Grundsatz stehe nicht in Frage, er entbinde das Gericht jedoch nicht von der immer notwendigen Einzelfallprüfung. Hier liege die Besonderheit vor, dass es sich bei den vom Beigeladenden zu 1) ausgeübten Tätigkeiten nicht um singuläre, nebeneinander stehende Einzeldienst- oder Auftragsverhältnisse gehandelt habe. Der Beigeladene zu 1) habe, nachdem er arbeitslos geworden sei, einen Businessplan erarbeitet, auf dieser Grundlage einen Zuschuss der Bundesagentur für Arbeit erhalten und ein Gewerbe angemeldet, dass er zum einen Reparaturen an Kfz durchführe und zum anderen Fahrertätigkeiten ausübe. Dieser Betrieb könne nicht künstlich aufgesplittet werden, nur um für den einen Teil der Tätigkeiten eine Sozialversicherungspflicht zu begründen. Der Beigeladene zu 1) habe sich maßgeblich von den angestellten Fahrern der Klägerin unterschieden. Er sei in der Routenplanung völlig frei gewesen, ihm hätten keinerlei Hilfsmittel zur Verfügung gestanden; mit Laptop, Straßenkarten und Navigationsgerät habe er sich versorgen müssen. Er sei für das Be- und Entladen verantwortlich gewesen und habe das Haftungsrisiko für den Fall eines Unfalls getragen. Ihm seien keine Schulungen bezahlt worden. Er habe auch keinen Weisungen über kurzfristige Routenänderungen oder der Zuweisung einer anderen Tätigkeit unterlegen. Im Übrigen sei der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif. Durch den Betriebsprüfungsbescheid würden endgültig Beiträge festgesetzt. § 22 Abs 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) regele ausdrücklich, dass beim Zusammentreffen beitragspflichtiger Einnahmen aus mehreren Versicherungsverhältnissen unter Übersteigung der Beitragsbemessungsgrenze sich die Beiträge verhältnismäßig reduzierten. Der Beigeladene zu 1) habe selbst angegeben, er sei für insgesamt fünf verschiedene Auftraggeber gefahren. Es müsse also im vorliegenden Verfahren festgestellt werden, welche Einnahmen er insgesamt aus allen Beschäftigungsverhältnissen erzielt habe, bevor die Höhe der Beiträge in diesem Verfahren festgesetzt werden könne. Darüber hinaus habe der vorliegende Fall grundsätzliche Bedeutung. Es gehe auch um die Fragestellung, ob der einheitliche Betrieb eines Unternehmers, der verschiedene Dienst- und Werkleistungen anbiete, dahin aufgesplittet werden könne, dass eine selbstständige Tätigkeit nur hinsichtlich der Werkleistungen angenommen und für die diversen Dienstleistungen (hier ua Fahrertätigkeit) jeweils eigenständige Arbeitsverhältnisse konstruiert würden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.04.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.04.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei eine getrennte Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Fahrer für den Kläger und die Tätigkeit in der eigenen Kfz-Werkstatt vorzunehmen. Hieran ändere auch nichts, dass der Beigeladene zu 1) den Zuschuss der Bundesagentur für Arbeit gegebenenfalls für die Tätigkeiten insgesamt erhalten habe. Ein unternehmerisches Handeln lasse sich betreffend die Fahrertätigkeit gerade nicht erkennen, hier sei lediglich die Arbeitskraft eingesetzt worden. Durch die Nutzung des wesentlichen Betriebsmittels, eines speziellen Transportfahrzeugs, sei der Beigeladene zu 1) in die Betriebsorganisation des Klägers eingegliedert gewesen. Neben der Fahrertätigkeit sei er auch für das Be- und Entladen verantwortlich gewesen. Im Erörterungstermin vom 06.02.2014 habe der Beigeladene zu 1) angemerkt, dass es auch vorgekommen sei, dass er während eines Fuhrauftrages weitere Anweisungen vom Kläger erhalten habe. Hierfür sei auch die in den Rechnungen ausgewiesene Telefonpauschale vorgesehen gewesen. Hieraus ergebe sich jedoch die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Kläger. Hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Firma Me. Omnibusverkehr seien inzwischen rechtskräftig Beiträge nacherhoben worden (Bescheid vom 27.03.2013, Widerspruchsbescheid vom 19.08.2013). Hinsichtlich der Tätigkeit als Testfahrer habe die DRV-Bund die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als abhängige Beschäftigung beurteilt und entsprechende Sozialversicherungsbeiträge nacherhoben (Bescheid vom 25.02.2015). Nach § 22 Abs 1 SGB IV bestünden die Beitragsansprüche der Sozialversicherungsträger, sobald die Voraussetzungen hierfür erfüllt seien. Beitragspflichtig würden dabei alle Einnahmen aus einer Beschäftigung. Dies bedeute, dass - gleichgültig wie viele Beschäftigungs- bzw Versicherungsverhältnisse gleichzeitig nebeneinander bestünden - zunächst aus jeder Beschäftigung laufend Beiträge bis zu jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze zu zahlen seien. § 22 Abs 2 SGB IV schränke diesen Grundsatz ein. Die praktische Durchführung dieser Einschränkung erfolge allerdings nicht im Rahmen der Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV. Der Beitragsausgleich nach § 22 Abs 2 SGB IV sei eine Aufgabe der Einzugsstelle, da nur sie die gesamten Versicherungsverhältnisse ihres Mitglieds überwachen könne und die für die Durchführung des Beitragsausgleichs erforderlichen Arbeiten bei ihr ohnehin regelmäßig anfielen. Die Rentenversicherungsträger würden deshalb im Rahmen ihrer Prüfungen nach § 28p Abs 1 SGB IV Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen ohne Rücksicht auf eine etwaige Anwendung des § 22 Abs 2 SGB IV erheben (unter Hinweis auf Besprechung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 18./19.11.2002).

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Am 31.03.2015 hat die zuständige Berichterstatterin einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem der Sohn des Klägers, im Betrieb zuständig für Personaleinstellung, Disponierung der Fahrten und Beschaffung der Fahrzeuge, sich geäußert hat. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 11.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.04.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Nachforderung von Beiträgen und Umlagen für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) im Zeitraum 01.01.2008 bis 31.12.2011 ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte konnte nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV die Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung erlassen. Dies gilt auch in Bezug auf die Nachforderung von Umlagen zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit und Mutterschutz (U 1/U 2) nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz, weil Gegenstand der Betriebsprüfung ebenfalls die Umlagen U 1 und U 2 sind (so in Bezug auf die insoweit vergleichbare Rechtslage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz BSG 30.10.2002, B 1 KR 19/01 R, SozR 3-2400 § 28p Nr 1; siehe auch: Roßbach in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann (Hg), Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 28p SGB IV RdNr 4, 12).

Nach § 28p Abs 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, und sie sind nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV auch für den Erlass der entsprechenden Verwaltungsakte einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber dem Arbeitgeber zuständig. Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs 2 SGB III auch für die Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Als Arbeitsentgelt gelten gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Die Prüfung umfasst ua nach § 28p Abs 1 Satz 4 SGB IV auch die Prüfung der Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die keine Beiträge gezahlt wurden.

Der Bescheid der Beklagten vom 11.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.04.2013 ist formell rechtmäßig. Die vor Erlass des Bescheides nach § 24 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erforderliche Anhörung hat die Beklagte mit Anhörungsschreiben vom 29.10.2012 vorgenommen. Die Stellungnahme des Klägers ist im Bescheid vom 11.12.2012 berücksichtigt worden.

Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beigeladene zu 1) ist in Bezug auf die Tätigkeit für den Kläger im Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2011 als Beschäftigter im Sinne des § 7 Abs 1 SGB IV tätig gewesen und unterliegt damit, da die Beschäftigung auch gegen Entgelt (§ 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV) erfolgte, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Abs 1 Nr 1 SGB VI), der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V), der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI) und der Arbeitslosenversicherung (§ 25 Abs 1 SGB III).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, BSG 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4; BSG 08.12.1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 01.12.1977, 12/3/12 RK 39,74, BSGE 45, 199, 200 ff; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; jeweils mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl hierzu insgesamt BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 und B 12 KR 14/10 R, juris).

Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Beigeladene zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum 2008 bis 2011 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung beim Kläger ausübt hat und daher Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.

Ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) liegt nicht vor. Dies schließt eine Beschäftigung nicht aus, denn eine solche kann sowohl mündlich vereinbart werden als auch durch faktischen Vollzug entstehen. Nach den Feststellungen des Senats auf der Grundlage der Akten und insbesondere des Vorbringens der Beteiligten in den Erörterungsterminen am 06.02.2014 beim SG und am 31.03.2015 beim LSG war der Beigeladene zu 1) auf Stundenlohnbasis für zunächst 12,50 EUR/h und ab 2009 für 13 EUR/h als Fahrer eines 40t-Lkw für den Kläger tätig. Hierfür erstellte er monatliche Rechnungen mit Umsatzsteuer. Der Beigeladene zu 1) verwendete für die Tätigkeit ausschließlich die Kühltransportfahrzeuge des Klägers, er war auch für das Be- und Entladen zuständig. Eine Tankkarte stand ihm zur Verfügung. Die Fahrten wurden in der Regel montags für die laufende Woche abgesprochen, wobei der Beigeladene zu 1) nicht verpflichtet war, die Aufträge anzunehmen. Üblicherweise musste bei einer Tour an einem Zentrallager eines Discounters die Ware abgeholt und dann bei mehreren Filialen ausgeliefert werden. Sämtliche Fahrzeuge des Klägers waren dabei mit Straßenkarten ausgestattet, nicht mit Navigationsgeräten. Waren kurzfristige Änderungen einer Tour erforderlich, etwa wegen einer zusätzlichen Abladestelle, wurde der Beigeladene zu 1) hierüber telefonisch informiert. Für alle Lkw bestand neben der Haftpflicht- auch eine Vollkaskoversicherung. Der Beigeladene zu 1) war entgegen des Vortrags des Klägers im Anhörungsverfahren nicht verpflichtet, Schäden am Lkw auf eigene Kosten zu reparieren. Insoweit hat er zwar einmal ein von ihm beschädigtes Blinklicht repariert – wie übereinstimmend angegeben – jedoch wäre schon die Einführung einer Kostenbeteiligung im Rahmen der Kaskoversicherung für ihn ein Grund gewesen, die Tätigkeit zu beenden, wie er ausdrücklich vor dem SG ausgesagt hat. Bezahlten Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhielt der Beigeladene zu 1) nicht; bei kurzfristigem Ausfall musste er keine Ersatzkraft stellen. Anhand der Rechnungen ergibt sich ein Umfang der Tätigkeit für den Kläger mit monatlich im Durchschnitt 43 Stunden im Jahr 2008, 147 Stunden 2009, 91 Stunden 2010 und 153 Stunden 2011.

Die Tätigkeit als Kraftfahrer kann sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden (vgl Senatsurteile vom 06.11.2007, L 11 KR 2407/04; 17.01.2012, L 11 KR 1138/10; 18.07.2013, L 11 R 1083/12 = Die Beiträge Beilage 2014, 56 mwN, LSG Baden-Württemberg 23.01.2004, L 4 KR 3083/02; vgl auch BSG 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 5). Für die Statusabgrenzung ist sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht entscheidend, ob der Betreffende auch für andere Auftraggeber tätig ist bzw war (BAG 09.10.2002, 5 AZR 405/01, juris RdNr 23). Erforderlich ist selbst im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses stets eine Bewertung der einzelnen Arbeitseinsätze (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris RdNr 26). Abzustellen ist daher nur auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für den Kläger. Eine künstliche Aufsplittung eines einheitlichen Betriebes liegt hier insoweit nicht vor. Bei den Tätigkeiten des Beigeladenen zu 1) handelt es sich um eigenständig nebeneinander bestehende und voneinander unterscheidbare Tätigkeiten. Für die Prüfung der Sozialversicherungspflicht ist insoweit jede Tätigkeit getrennt zu prüfen und zu qualifizieren, so dass es durchaus sein kann, dass jemand in der einen Tätigkeit als Selbständiger, in der anderen dagegen als Beschäftigter agiert. Dass der Beigeladene zu 1) die Tätigkeiten in einen Zusammenhang stellt, führt nicht dazu, dass für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht die Tätigkeiten miteinander verbunden sind, da es sich tatsächlich und rechtlich um voneinander zu unterscheidende und getrennte Verhältnisse handelt. Die unternehmerische Tätigkeit als Inhaber einer Kfz-Werkstatt strahlt nicht auf die rechtliche Bewertung, ob die Tätigkeit als Lkw-Fahrer für die Klägerin als Beschäftigung anzusehen ist, aus, da sie von dieser getrennt erfolgt (vgl Senatsurteil 18.11.2014, L 11 R 1492/14 zu sogar hauptberuflich selbstständiger Tätigkeit). Die zweifellos selbstständig ausgeübte Tätigkeit als Inhaber einer Kfz-Reparaturwerkstatt wurde zudem angesichts der daneben ausgeübten abhängigen Beschäftigung im Bereich Industrieverpackungen und insbesondere angesichts des Umfangs der Tätigkeit für den Kläger sowie der weiteren Fahrertätigkeiten als Bus- und Testfahrer nur im Nebenerwerb ausgeübt. Es entsprach von Anfang an der Absicht des Beigeladenen zu 1), die Instandsetzungsarbeiten in der Reparaturwerkstatt nur zusätzlich anzubieten und die Fahrertätigkeiten als Haupteinnahmequelle zu haben. So ging der Beigeladene zu 1) in seinem Businessplan von monatlichen Einnahmen iHv 3.000 EUR aus, wovon nur 250 EUR auf Instandsetzungen und der Rest auf Fahrertätigkeiten entfallen sollten.

Der Beigeladene zu 1) trug bei seiner Tätigkeit als Lkw-Fahrer kein für Selbständigkeit typisches unternehmerisches Risiko. Entscheidend für das Vorliegen eines unternehmerischen Risikos ist insoweit, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des finanziellen Verlusts oder der Möglichkeit eines Gewinns eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes sächlicher oder persönlicher Mittel also ungewiss ist (vgl LSG Sachsen 04.03.2014, L 5 R 425/12 - juris, unter Hinweis auf BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R). Für die Beurteilung bildet dabei, wie ausgeführt, allein die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Lkw-Fahrer die Grundlage.

Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Kraftfahrertätigkeiten kommt es entscheidend darauf an, ob der Fahrer ein eigenes Fahrzeug für die Transporte einsetzt. Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Benutzung eines eigenen Fahrzeugs und die damit einhergehende Lastentragung in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen (BSG 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 5 mwN; 19.08.2003, B 2 U 38/02 R, SozR 4-2700 § 2 Nr 1). Wird dagegen - wie hier - kein eigenes Fahrzeug benutzt, spricht dies für eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers. Berufskraftfahrer ohne eigenes Fahrzeug sind deshalb regelmäßig abhängig beschäftigt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12, Die Beiträge 2014, 56 mwN). Zwar ist dies nur eine Regel, jedoch wird diese durch die weiteren Umstände bestätigt, und es sind für eine Ausnahme von der Regel vorliegend keine Anhaltspunkte erkennbar.

Da für die Tätigkeit als Lkw-Fahrer ein pauschaler Stundensatz im Voraus vorgesehen ist, ist der Beigeladene zu 1) nicht der Gefahr eines finanziellen Verlusts ausgesetzt. Soweit das Unternehmerrisiko darin gesehen werden könnte, keine Aufträge zu erhalten, ist das Risiko, nicht durchgehend und kontinuierlich arbeiten zu können, ein Risiko, das jeden Arbeitnehmer treffen kann, der nur auf Abruf beschäftigt ist. Ein Unternehmensrisiko kann nur dann angenommen werden, wenn eine Gefahr vorliegt, die über diejenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Dies ist der Fall, wenn bei Auftragsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern auch zusätzliche Kosten für betriebliche Investitionen brach liegen (LSG Sachsen 04.03.2014, L 5 R 425/12, juris). Der Beigeladene zu 1) hatte jedoch keine erheblichen zusätzlichen Kosten für die Tätigkeit als Lkw-Fahrer, allein schon deshalb, weil er keinen eigenen Lastkraftwagen finanzieren musste. Auch beschäftigte er in Bezug auf die Tätigkeit als Lkw-Fahrer kein eigenes Personal und hatte keinen Ersatzfahrer zu stellen. Auch dies spricht für eine nichtselbständige Tätigkeit. Nach außen trat er, gerade indem er einen Lkw der Klägerin benutzte, nicht wie ein Selbständiger auf.

Der Beigeladene zu 1) setzte letztlich nur seine Arbeitskraft - und keine Arbeitsmittel mit der ungewissen Aussicht darauf, Einnahmen zu erzielen - ein. Die Belastung mit Risiken gerade im Zusammenhang mit der hier im Vordergrund stehenden Verwertung der Arbeitskraft spricht jedoch nur dann für Selbstständigkeit, wenn ihr auch eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüber steht (vgl BSG 13.07.1978, 12 RK 14/78, SozR 2200 § 1227 Nr 17; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13 mwN). Dies war hier aber nicht der Fall. Die Entlohnung des Beigeladenen zu 1) nach einem festen Stundensatz (12,50 bzw 13 EUR/Stunde ausweislich der vorliegenden Abrechnungen) spricht in seinem Fall gegen ein unternehmerisches Risiko als Merkmal für eine selbständige Tätigkeit. Die Vereinbarung eines festen Stundensatzes anstelle einer Vergütung etwa nach konkret erbrachter Transportleistung oder nach Fahrtstrecke entspricht der typischen Entlohnung eines abhängig Beschäftigten. Im Ergebnis stellt sich die Vergütung als Lohnzahlung dar. Die Art der Entlohnung ist in diesen Fällen unabhängig vom unternehmerischen Risiko des Auftraggebers und damit ein Indiz für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung (vgl Urteile des Senats vom 24.02.2015, L 11 R 5165/13 und 16.12.2014, L 11 R 3903/13, juris). In den wesentlichen Punkten besteht also kein Unterschied zu den festangestellten Kraftfahrern.

Soweit der Beigeladene zu 1) für seine Fahrten jeweils Rechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer gestellt und sich auch steuerrechtlich dementsprechend als Gewerbebetrieb aufgeführt hat, kann dies nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass er selbstständig tätig gewesen ist. Dies gibt nur Aufschluss darüber, wie der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit selbst bewertet hat. Darauf kommt es aber nicht an. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine solche (Beschluss des Senats vom 19.07.2012, L 11 KR 1789/12 ER-B, juris). Gleiches gilt dafür, dass keine Arbeitnehmerschutzrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub vereinbart waren. Solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten.

Ebenfalls kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) ist die Tatsache, dass er im streitigen Zeitraum auch für andere Auftraggeber tätig war. Denn auch ein abhängig Beschäftigter kann für mehrere Auftraggeber (abhängig) beschäftigt sein (Senatsurteile 18.07.0213, L 11 R 1083/12; 17.01.2012, L 11 R 1138/10, jeweils juris).

Nicht entscheidend ist, ob der Beschäftigte von einem anderen Träger der Sozialversicherung eine Leistung erhalten hat, zu deren Voraussetzung die Aufnahme oder Ausübung einer selbständigen Tätigkeit gehört (vgl Senatsurteil vom 30.09.2014, L 11 R 2662/13, juris; LSG Nordrhein-Westfalen 22.04.2015, L 8 R 680/12, juris). Die Beigeladene zu 2) hat Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III (idF vom 19.11.2004, BGBl I 2902) gewährt, welches die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit voraussetzt. Die Regelung beschränkt sich insoweit auf die Gewährung einer Sozialleistung; sie enthält keine Feststellung, dass die Tätigkeit, für welche das Überbrückungsgeld geleistet wird, eine selbstständige Tätigkeit ist. Lediglich bei Gewährung eines Existenzgründungszuschusses nach § 421 l SGB III ("Ich-AG") sah § 7 Abs 4 SGB IV in der bis 30.06.2009 geltenden Fassung in Satz 1 eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit und in Satz 2 die Fiktion einer selbstständigen Tätigkeit für die Dauer des Bezugs des Zuschusses vor. Einen Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III hat der Beigeladene zu 1) jedoch nicht bezogen.

Dass der Beigeladene zu 1) Aufträge des Klägers, gerade im Hinblick auf seine weiteren Tätigkeiten als Fahrer und in seiner Reparaturwerkstatt ablehnen konnte und er somit seine Entschließungsfreiheit bei jeder Anfrage aufs Neue betätigen konnte, ohne dass der Kläger ihn anweisen konnte, den Auftrag zu übernehmen, schließt das Vorliegen einer Beschäftigung nicht aus. Zwar kann die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit der Beigeladene zu 1) über den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmte. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (LSG Baden-Württemberg, 18.07.2013, L 11 R 1083/12 - juris). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Nimmt der Betroffene das angetragene Angebot jedoch an, übt er die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus und wird nicht allein wegen der grundsätzlich bestehenden Ablehnungsmöglichkeit zum selbstständig Tätigen (Senatsurteile vom 18.11.2014, L 11 R 1492/14, nv und vom 17.01.2012, L 11 R 1138/10, juris). Durch die Annahme des Angebots wird der Beigeladene zu 1) so in die Betriebs- und Arbeitsorganisation Klägers eingegliedert, dass er ab diesem Zeitpunkt der Weisungsbefugnis des Klägers unterliegt. Denn der Kläger erfüllt mit Hilfe der Fahrdienste des Beigeladenen zu 1) eigene Verbindlichkeiten Dritten (Endkunden) gegenüber und trägt als Halter der vom Beigeladenen zu 1) gefahrenen Lkw die damit verbundenen Risiken und Lasten. Er muss deshalb, vor allem bei unvorhergesehenen Störungen im Betriebsablauf, in der Lage sein, auf die Art der Arbeitsausführung des Beigeladenen zu 1) Einfluss zu nehmen, weil er nur auf diese Weise sicherstellen kann, dass der Auftrag dem Endkunden gegenüber ordnungsgemäß erfüllt wird. Entsprechende Einzelweisungen sind hier auch tatsächlich konkret erteilt worden, wie beispielsweise die im Erörterungstermin vom 31.03.2015 eingeräumten Anrufe an den Beigeladenen zu 1) zum Anfahren zusätzlicher Abladestellen belegen. Entsprechend hat auch der Beigeladene zu 1) in dem Fragebogen der Beklagten bejaht, dass ihm Weisungen hinsichtlich der Arbeit erteilt worden seien. Dass die konkrete Route nicht vorgegeben wurde, wie der Kläger geltend macht, steht dem nicht entgegen. Eine individuelle Arbeitsleistung, wie sie für selbständige Tätigkeiten typisch ist, wird damit noch nicht erbracht, denn es handelt sich um typische Verrichtungen eines Lkw-Fahrers. Dafür, dass sich die Fahrten des Beigeladenen zu 1) von der Tätigkeit anderer Lkw-Fahrer wesentlich unterscheiden, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Es sind zudem keine besonderen eigenen Entscheidungsbefugnisse erkennbar, die über die eines typischen Lkw-Fahrers hinausreichen.

Auch wenn der Beigeladene zu 1) nicht jeden Tag im streitgegenständlichen Zeitraum, sondern lediglich an einzelnen Tagen bzw auch an mehreren Tagen nacheinander zumeist ganztägig als Lkw-Fahrer tätig war, spricht dies nicht gegen das Vorliegen einer Beschäftigung. Ein Tätigwerden an einzelnen Arbeitstagen oder mehreren hintereinander und nicht durchgehend und kontinuierlich über einen längeren Zeitraum ist in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen durchaus üblich, gerade in Teilzeit-, Aushilfs- oder Abrufbeschäftigungen. Es handelt sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis, für das in aller Regel eine Rahmenvereinbarung getroffen wird. So wurde vorliegend im Voraus pauschal der Stundensatz bestimmt sowie ein Tätigwerden auf Anfrage des Klägers und ein Ablehnungsrecht des Beigeladenen zu 1) vereinbart; zudem erfolgte die Durchführung der Aufträge immer mit Lastkraftwagen des Klägers. Die einzelnen Fahrten wurden damit zu identischen Bedingungen durchgeführt und abgerechnet. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) entspricht insoweit der einer Aushilfskraft oder eines Beschäftigten auf Abruf. Die Annahme eines Werkvertrages für einzelne Fahrten oder im Hinblick auf die Fahrtätigkeiten in einem bestimmten Zeitraum ist insofern fernliegend. Ausweislich der Rechnungen des Beigeladenen zu 1) sowie der Ausgestaltung und dem Inhalt der Tätigkeit war die Tätigkeit als Fahrer und nicht dagegen als Arbeitsergebnis der Erfolg der Tätigkeit geschuldet. Die Bezahlung geschah nach der Zahl der gearbeiteten Stunden, nicht danach, ob ein bestimmter Erfolg mit der Fahrtätigkeit erreicht wurde oder nicht; die Vergütungspflicht hing nicht von einem Erfolg ab. Der Beigeladene zu 1) stellte allein seine Arbeitskraft als Fahrer zur Verfügung.

Angesichts der Durchführung der Tätigkeit als Lkw-Fahrer für den Kläger kommt dem Willen des Beigeladenen zu 1), nicht als Beschäftigter tätig zu werden, keine maßgebende Relevanz für die Qualifizierung der Tätigkeit zu, unabhängig davon, dass die rechtliche Qualifikation, ob Sozialversicherungspflicht besteht, nicht der Vereinbarung zwischen Kläger und Beigeladenem zu 1) obliegt. Maßgebend für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit sind nicht die subjektiven Vorstellungen und Wünsche der Beteiligten, sondern entscheidend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung, so wie es sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten ergibt und im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Das sich daraus ergebende Gesamtbild steht in Widerspruch zu dem Willen des Beigeladenen zu 1), selbständig tätig zu werden; dieser hat insoweit keinen entscheidenden Ausdruck in der Tätigkeit gefunden. Daher führt der Wunsch des Beigeladenen zu 1), nicht als Arbeitnehmer für den Kläger tätig sein zu wollen, nicht zu einer Qualifikation der Tätigkeit als selbständig. Die Umstände, wie die Tätigkeit zu erfolgen hat und erfolgt ist, von dem im Voraus vereinbarten Stundensatz über die zur Nutzung der Lastkraftwagen des Klägers bis hin zur betrieblichen Eingliederung, sprechen gegen eine selbständige Tätigkeit.

Die Beklagte hat ausgehend von einer abhängigen Beschäftigung zu Recht als Gesamtsozialversicherungsbeitrag die Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und zur Arbeitslosenversicherung sowie die Umlagen U 1 und U 2 geltend gemacht. Insbesondere ist der Beigeladene zu 1) nicht hauptberuflich selbstständig tätig mit der Folge, dass die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nach § 5 Abs 5 SGB V entfiele. Die Höhe der nachgeforderten Beiträge ist nicht zu beanstanden und ergibt sich nach den gezahlten Entgelten und den im jeweiligen Zweig der Sozialversicherung geltenden Beitragssatz. Eine Hochrechnung nach § 14 Abs 2 SGB IV ist nicht erfolgt, Säumniszuschläge hat die Beklagte nicht erhoben. Einwendungen gegen die dem Bescheid in Anlage beigefügten Rechenwerke werden von den Beteiligten auch nicht vorgebracht.

Die geforderten Beiträge sind im vorliegenden Verfahren auch nicht nach § 22 Abs 2 SGB IV zu begrenzen. Das allein für die Tätigkeit beim Kläger an den Beigeladenen zu 1) gezahlte Entgelt überschreitet die Beitragsbemessungsgrenzen nicht. Insoweit wird auf die Darstellung im Schriftsatz der Beklagten vom 07.04.2015 Bezug genommen. Nach § 22 Abs 2 SGB IV gilt: Treffen beitragspflichtige Einnahmen aus mehreren Versicherungsverhältnissen zusammen und übersteigen sie die für das jeweilige Versicherungsverhältnis maßgebliche Beitragsbemessungsgrenze, so vermindern sie sich zum Zwecke der Beitragsberechnung nach dem Verhältnis ihrer Höhe so zueinander, dass sie zusammen höchstens die Beitragsbemessungsgrenze erreichen. Für welche Zeiträume hier die Beitragsbemessungsgrenze angesichts der weiteren, inzwischen als versicherungspflichtig feststehenden Beschäftigungsverhältnisse des Beigeladenen zu 1) im Bereich Industrieverpackungen, als Busfahrer und als Testfahrer überschritten wird, ist nicht bekannt und muss in diesem Verfahren auch nicht ermittelt werden. Dem Leistungs- bzw Zahlungsbescheid nach § 28p SGB IV kommt nur der Charakter eines Grundlagenbescheids für die Erhebung der Beiträge zu. Die Betriebsprüfung hat insbesondere den Zweck, den Einzugsstellen durch Sicherstellung von Arbeitgeberunterlagen und –aufzeichnungen eine Berechnungsgrundlage zu verschaffen, damit diese die notwendigen Schritte zur Geltendmachung auf rückständige Beiträge (vgl § 28h Abs 1 Satz 3 SGB IV) unternehmen können. Der im Rahmen einer Betriebsprüfung erlassene Bescheid regelt verbindlich die maximale Höhe der rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge als Ausgangsbasis für den Beitragseinzug. Dieser ist Sache der Einzugsstellen als Gläubiger der Beitragsforderungen und von diesen in einem gesonderten Verwaltungsverfahren vorzunehmen, wenn wegen versicherungs- oder beitragsrechtlicher Änderungen eine Abweichung von den Prüffeststellungen in Betracht kommt (zum Ganzen: BSG 28.05.2015, B 12 R 16/13 R, juris). Erst im Rahmen dieses Einzugsstellenverfahrens ist der Ausgleich zwischen mehreren Beitragsschuldnern nach § 22 Abs 2 SGB IV vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2 Satz 1, 47 Abs 1 und 2, 52 Abs 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht der streitigen Beitragsforderung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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