L 11 R 3612/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 4625/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3612/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.07.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Durchführung einer Statusfeststellung durch die Beklagte zu 1) und begehrt die Feststellung, dass zwischen ihm und der R. T. GmbH (Beklagte zu 2) ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis besteht.

Der 1975 geborene Kläger war nach Angaben der Beklagten zu 2) bei dieser in der Zeit vom 09.05. bis 08.06.2011 in der Elektroinstallation tätig. Ab 13.09.2011 befand er sich zunächst in Untersuchungshaft, derzeit befindet er sich in Strafhaft.

Am 29.08.2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten zu 1) die Statusfeststellung seiner Beschäftigung bei der R. T. GmbH. Nachdem der Kläger auf Anforderung weiterer Unterlagen und Angaben durch die Beklagte mit Schreiben vom 01.11.2011, 09.01.2012 und 08.02.2012 nicht geantwortet hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12.03.2012 mit, dass ein Verfahren auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für ihn nicht durchgeführt und das Verwaltungsverfahren eingestellt werde, da die Entscheidungsfindung anhand der bisher eingereichten Unterlagen nicht möglich sei.

Mit Schreiben vom 28.03.2012 erhob der Kläger gegen diesen Bescheid zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage und legte zugleich Widerspruch ein.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.06.2012 (S 22 R 1817/12) wies das SG die Klage ab mit der Begründung, die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage bzw im Hilfsantrag Verpflichtungsklage sei unzulässig, da das Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei.

Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit Urteil vom 29.04.2014 (L 11 R 2518/12) führte der Senat zur Begründung aus, das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des Verfahrens sei entfallen, da die Beklagte mit Bescheid vom 05.12.2012 den angefochtenen Bescheid vom 12.03.2011 aufgehoben habe. Der Bescheid vom 19.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.07.2013 sei nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Mit Beschluss vom 22.01.2015 lehnte das Bundessozialgerichts (BSG) die Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ab (B 12 R 1/14 BH).

Mit Bescheid vom 19.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.07.2013 hatte die Beklagte zu 1) festgestellt, dass der Kläger bei der Beklagten zu 2) in der Zeit vom 09.05. bis 08.06.2011 abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung war. Dagegen erhob der Kläger am 11.07.2013 Klage zum Sozialgericht Ulm (S 12 R 2071/13) und die Beklagte zu 2) am 30.07.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (S 13 R 2303/13). Das Verfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe ruht.

Bereits am 21.08.2012 hat der Kläger erneut Klage zum SG erhoben (S 9 R 4625/12) mit dem Antrag zu 1), die Beklagte zu 1) zu verpflichten, zu Gunsten des Klägers festzustellen, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) seit 09.05.2012 ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis besteht und unter Änderung des Bescheids vom 12.03.2012 ein entsprechendes Statusverfahren gemäß § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durchgeführt wird. Die vom Kläger in diesem Verfahren weiter gestellten Anträge zu 2) bis 6) gegen die Beklagte zu 2) hat das SG mit Beschluss vom 13.05.2015 abgetrennt, den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit bezüglich der Anträge 2) bis 6) an das Arbeitsgericht Pforzheim verwiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Landesozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 30.06.2015 zurückgewiesen (L 1 SF 2596/15 B).

Nachdem ein Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der zuständigen Kammer des SG ohne Erfolg geblieben ist (Beschluss vom 21.07.2015), hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 23.07.2015 die Klage abgewiesen, da diese unzulässig sei. Soweit sich die Klage gegen den Bescheid vom 12.03.2012 wende, sei dieser aufgehoben worden und das Rechtsschutzbedürfnis dadurch entfallen. Bezüglich der anderen Streitgegenstände sei eine Verweisung an das Arbeitsgericht Pforzheim erfolgt.

Gegen den ihm am 28.07.2015 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 18.08.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Der Bescheid der Beklagten zu 1) vom 05.12.2015 (gemeint wohl 05.12.2012) sei kraft Gesetzes Gegenstand des Verfahrens. Im Übrigen fehle dem Gerichtsbescheid jede Begründung. Es werde die Zurückverweisung ans SG, hilfsweise die Aufhebung der weiteren Bescheide der Gegnerin beantragt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.07.2015 aufzuheben und das Verfahren zur Sachentscheidung an das Sozialgericht Stuttgart zurückzuverweisen, hilfsweise, den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 19.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.07.2013 aufzuheben.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 2) hat sich im vorliegenden Verfahren nicht geäußert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten zu 1) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Klägers mündlich verhandeln und entscheiden, da der Kläger in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (vgl § 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Den mit Schriftsatz vom 26.11.2015 gestellten Vertagungsantrag hat der Senatsvorsitzende unter dem 07.12.2015 abgelehnt, da ein wichtiger Grund für eine Vertagung nicht vorlag. Zwar steht auch einem der Strafvollstreckung unterliegenden Prozessbeteiligten wie dem Kläger das Recht zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu, doch ist es nach § 36 Strafvollzugsgesetz Sache des Gefangenen, die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin zu beantragen. Der Kläger hat lediglich behauptet, die JVA O. habe mit Verfügung vom 19.11.2015 die Vorführung verweigert, dies habe er angefochten. Damit hat der Kläger schon nicht hinreichend dargelegt, dass er seinerseits durch entsprechende Anträge bei der Strafvollzugsbehörde alles Zumutbare getan hat, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen (vgl BSG 31.10.2005, B 7a AL 14/05 B, juris). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger gerichtsbekannt im ganzen Bundesgebiet bei verschiedenen Gerichtszweigen Hunderte von Verfahren führt - allein beim LSG Baden-Württemberg hat er im Jahr 2015 mehr als 300 Verfahren anhängig gemacht - und er zudem bereits einmal aus der Haft entwichen ist.

Auch im Hinblick auf den erst am Tag vor der mündlichen Verhandlung eingegangenen Antrag auf Akteneinsicht war eine Terminsverlegung nicht geboten. Am Tag vor der Sitzung war die Gewährung von Akteneinsicht an den in O. einsitzenden Kläger zwar nicht mehr möglich. Der Kläger hätte jedoch den Antrag bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt stellen können, außerdem handelt es sich letztlich um eine Wiederholung des bereits früher geführten Verfahrens (dazu unten), so dass dem Kläger die Vorgänge bestens bekannt sind. Eine Übersendung der Akten erfolgt daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr.

Die am 14.12.2015 beim Senat eingegangenen Anträge des Klägers auf Aussetzung, Terminsänderung, Erteilung einer Aktenkopie bzw von Akteneinsicht, Bestellung eines Prozess- und Verfahrenspflegers sowie auf Anhörung der in anderen Gerichtsverfahren bestellten Gutachter zur Frage der Prozessfähigkeit des Klägers sind unwirksam und daher unbeachtlich. Von der Prozessordnung einem Beteiligten eingeräumte Verfahrensrechte unterliegen wie andere Rechte auch den sich aus dem Verbot des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ergebenden Schranken (vgl speziell zum Recht auf Akteneinsicht: OLG Hamm 19.01.2004, 15 VA 4/03, juris). Im vorliegenden stellt sich das gesamte Vorgehen des Klägers als missbräuchlich dar, da es ihm überhaupt nicht um die Sache geht. So hat das BSG in seinem Beschluss vom 28.11.2014 in Bezug das Prozessverhalten des Klägers ua ausgeführt: "Es bereitet ihm Freude, die Gerichte zu beschäftigen oder gar lahmzulegen." Dieser Befund wird durch das vorliegende Verfahren bestätigt. Der Umstand, dass "beim Kläger zwar von einer verfestigten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und querulatorischen Zügen auszugehen ist" (so das BSG im genannten Beschluss), vermag das rechtsmissbräuchliche Verhalten nicht zu entschuldigen oder zu rechtfertigen.

Ungeachtet dessen sind die Anträge, ihre Wirksamkeit unterstellt, auch aus anderen Gründen abzulehnen.

Dem mit Schreiben vom 12.12.2015, eingegangen am 14.12.2015, gestellten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens war nicht zu folgen, denn das vom Kläger genannte Verfahren vor dem Landgericht O. (7 StVK 676/15) ist für den hier anhängigen Rechtsstreit nicht vorgreiflich iSv § 114 Abs 2 SGG. Die Entscheidung im vorliegenden Verfahren hängt nicht vom Ausgang des Verfahrens vor der Vollstreckungskammer des Landgerichts O. ab.

An der Prozessfähigkeit des Klägers bestehen keine Zweifel, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl ausführlich Urteil vom 29.04.2014, L 11 R 2518/12; in diesem Sinne auch BSG 22.01.2015, B 12 R 1/14 BH und 25.03.2015, B 11 AL 3/14 C). Es war daher weder erforderlich, einen Prozess- oder Verfahrenspfleger zu bestellen, noch bestand Anlass, die im Rahmen früherer Begutachtungen des Klägers tätig gewordenen Gutachter Prof. Dr. T. und Dr. V. zur Erläuterung ihrer Gutachten zum Termin zu laden. Nachdem in zahlreichen Entscheidungen des BSG inzwischen bestätigt ist, dass der Kläger prozessfähig ist, stellen sich die in jedem Verfahren stereotyp wiederholten Anträge hinsichtlich der behaupteten Prozessunfähigkeit als weiterer Ausdruck dar, die Gerichte missbräuchlich in Anspruch zu nehmen.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig verworfen. Gründe für eine Zurückverweisung nach § 159 Abs 1 SGG liegen insoweit nicht vor.

Der Bescheid vom 19.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.07.2013 ist nicht gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Der Bescheid vom 12.03.2012 war bereits mit Bescheid vom 05.12.2012 aufgehoben worden und letzterer wird durch die Feststellung der Versicherungspflicht mit Bescheid vom 19.03.2013 weder abgeändert noch ersetzt. Die inhaltliche Prüfung bleibt daher dem vor dem SG Ulm (S 12 R 2071/13) anhängigen Verfahren vorbehalten.

Streitgegenstand ist damit allein die Klage gegen den Bescheid vom 12.03.2012 wegen Durchführung der Statusfeststellung, der durch Bescheid vom 05.12.2012 bereits aufgehoben ist. Der Streitgegenstand ist damit identisch mit dem im früheren Verfahren vor dem SG (S 22 R 1817/12, nachgehend L 11 R 2518/12). Die Klage war daher von Anfang an wegen der durch die anderweitige Rechtshängigkeit eintretenden Sperrwirkung unzulässig (§ 202 SGG iVm § 17 Abs 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)). Inzwischen steht ihr nach Abschluss des zuvor parallel laufenden Verfahrens die Rechtskraft der Entscheidung des Senats vom 29.04.2014 (L 11 R 2518/12) entgegen (§ 141 SGG; vgl BSG 15.11.2012, B 8 SO 22/10 R, juris).

Aus den dargelegten Gründen war auch der mit Schreiben vom 12.12.2015 gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen, denn die Berufung hatte keine Aussicht auf Erfolg (§ 73a SGG iVm § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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