L 5 R 5089/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 R 4963/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5089/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.10.2013 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten, mit dem sie einen Betrag in Höhe von 424,66 EUR wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze des § 96a Sozialgesetzbuch (SGB) VI im Monat November 2010 zurückfordert.

Mit Rentenbescheid vom 01.06.2006 bewilligte die Beklagte dem 1969 geborenen Kläger, der den Beruf des Versicherungskaufmanns gelernt hat, rückwirkend ab dem 01.12.2005 eine zeitlich befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und hob gleichzeitig die zuvor bewilligte volle Erwerbsminderungsrente ab dem 01.03.2006 auf, da der Kläger am 01.03.2006 eine Teilzeitbeschäftigung aufgenommen habe. Die Beklagte wies den Kläger gleichzeitig auf seine Hinzuverdienstgrenzen hin und teilte ihm mit, bis zu welchem Hinzuverdienst seine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller bzw. in halber Höhe zur Auszahlung komme (vgl. Anlage 19 des Bescheides vom 01.06.2006). Zugleich wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die maßgebende Hinzuverdienstgrenze zweimal im Laufe eines jeden Kalenderjahres um einen Betrag bis zur Höhe der jeweils geltenden Hinzuverdienstgrenze überschritten werden darf (§ 96a Abs. 1 S. 2 SGB VI). Die Rentenbewilligung wurde durch Bescheide vom 07.09.2007, 29.10.2008 (bis zum 31.10.2010) sowie mit Bescheid vom 10.08.2010 (ab 01.11.2010) bis zum 31.10.2013 verlängert. Insoweit wurden auch die entsprechenden Hinzuverdienstgrenzen in Anlage beigefügt. Im Jahr 2010 betrugen die Hinzuverdienstgrenzen des Klägers für die Leistung der vollen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung 1.730,22 EUR (im Folgenden: untere Hinzuverdienstgrenze), die Hinzuverdienstgrenze für die Leistung der hälftigen Rente wegen teilweiser Erwerbsminde¬rung 2.106,35 EUR (im Folgenden: obere Hinzuverdienstgrenze).

Im Zeitraum vom 01.05.2010 bis 31.06. 2011 betrug die monatliche Rentenhöhe 472,36 EUR brutto. Abzüglich des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags (37,31 EUR bzw. 10,39 EUR) betrug der Auszahlungsbetrag 424,66 EUR.

Der Kläger stand bereits seit dem 01.03.2006 in einem Beschäftigungsverhältnis beim Diakoni-schen Werk des Evangelischen Kirchenbezirks B.-H. in K ... Hierbei handelte es sich um eine Teilzeitstelle in der Buchhaltung und Verwaltung. Der Kläger wurde dabei nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt. Am 18.05.2011 legte der Kläger die Arbeitgeberbescheinigung hinsichtlich des ab Mai 2010 bezogenen Bruttoarbeitsentgelts vor.

Hiernach erzielte der Kläger ab Mai 2010 nachfolgendes Bruttoarbeitsentgelt:

05/10 1.617,14 EUR 11/10 3.207,64EUR 06/10 1.733,60 EUR 12/10 1.636,55 EUR 07/10 1.734,74 EUR 01/11 1.790,37 EUR 08/10 1.636,55 EUR 02/10 1.646,37 EUR 09/10 1.636,55 EUR 03/10 1.646,37 EUR 10/10 1.636,55 EUR 04/10 1.646,37 EUR

Das Überschreiten des gewöhnlichen Monatsverdienstes in den Monaten Juli und November 2010 ergab sich auf Grund einer tariflichen bzw. betrieblichen Sonderzahlung. Im Monat Juni 2010 wurde dem Kläger, nachdem er bereits unter dem 25.05.2010 per Newsletter über die Umsetzung der Tariferhöhung informiert worden war, zusätzlich zum tariflichen Monatslohn in Höhe von 1.636,55 EUR die Nachzahlung einer rückwirkend zum 01.01.2010 in Kraft getretenen Tariferhöhung für die Monate Januar bis Mai 2010 in Höhe von 97,05 EUR ausgezahlt.

Die Beklagte forderte vom Kläger mit Bescheid vom 27.05.2011 unter Aufhebung des Rentenbescheides vom 01.06.2006 in der Fassung des Bescheides vom 10.08.2010 gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X wegen Über¬schreitens der Hinzuverdienstgrenze des § 96a SGB VI einen Betrag in Höhe von 424,66 EUR zu¬rück.

Hiergegen erhob der Kläger am 16.06.2011 Widerspruch, den er durch Vorlage einer Erklärung seines Arbeitgebers begründete. Das Überschreiten der (unteren) Hinzuverdienstgrenze im Juni 2010 sei lediglich durch die rückwirkende Nachzahlung der bereits zum 01.01.2010 in Kraft getretenen Tariferhöhung für die Monate Januar bis Mai 2010 zu Stande gekommen sei. De facto hätte dem Kläger die jeweilige Tariferhöhung bereits ab Januar 2010 zugestanden. Das Gehalt in den Monaten Januar bis Juni 2010 habe daher eigentlich tatsächlich jeweils 1.636,55 EUR betragen. Es könne nicht zu Lasten des Klägers gehen, dass die Tariferhöhung erst verspätet zur Auszah-lung gekommen sei, so dass der Nachzahlungsbetrag in Höhe von 97,05 EUR gleichmäßig auf die Monate Januar bis Mai 2010 zu verteilen sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Hinzuverdienstgrenzen des Klägers im Monat November 2010 bereits zum dritten Mal im Kalenderjahr 2010 überschritten worden seien. Die Hinzuverdienstgrenzen dürften zwar zweimal pro Kalenderjahr bis zum Dop¬pelten der monatlichen Hinzuverdienstgrenze überschritten werden, so dass das vorherige Über¬schreiten in den Monaten Juni und Juli 2010 unschädlich für die Rentenleistung gewesen sei. Da jedoch im November 2010 sämtliche Hinzuverdienstgrenzen überschritten worden seien, bestehe für diesen Monat kein zahlbarer Anspruch, so dass die bereits geleisteten 424,66 EUR für diesen Monat zu erstatten seien. Die (rückwirkende) Tariferhöhung sei dem Kläger im Monat Juni 2010 ausgezahlt worden, weshalb der gesamte Auszahlungsbetrag leistungsrechtlich diesem Monat zuzuordnen sei. Da die zu erstattende Leistung ohne (Mit-)Verschulden der Beklagten entstan¬den sei und da der Kläger regelmäßig über seine maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen sowie die Möglichkeit, bei Überschreiten dieser Grenzen den Rentenbescheid auch rückwirkend ganz oder teilweise aufzuheben, informiert worden sei, könne im Wege des Ermessen nicht von der Rück¬forderung abgesehen werden. In Kenntnis des Arbeitseinkommens des Klägers sei auch nicht davon auszugehen, dass ihm ggf. andere Sozialleistungen entgangen wären. Auf die Rückforderung könne auch mit Rücksicht auf die Versichertengemeinschaft nicht verzichtet werden.

Am 15.09.2011 erhob der Kläger zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage. Er vertrat die Auffassung, dass die Rückforderung für den Monat November 2010 bereits unver¬hältnismäßig erscheine, da er die (untere) Hinzuverdienstgrenze im Monat Juni 2010 auf Grund einer nicht absehbaren rückwirkenden Tariferhöhung um lediglich 3,38 EUR überschritten habe. Wäre die Tariferhöhung von Anfang an für die entsprechenden Monate geleistet worden, wäre die Hinzuverdienstgrenze auf Grund dieser Tariferhöhung in keinem Monat überschritten wor¬den. Hätte er gewusst, dass die Tariferhöhung zu einem Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze führen würde, hätte er die Nachzahlung auf einen Monat legen können, in dem er ohnehin die Grenze überschritten hätte (z.B. 11/2010) oder aber gänzlich auf diese Erhöhung verzichten kön-nen. Aufgrund der vorliegenden Umstände könne ihm weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorgeworfen werden.

Die Beklagte bezog sich auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid vom 17.08.2011 und wies ergänzend darauf hin, dass der Kläger seiner Pflicht zur Mitteilung der für ihn nachteiligen Änderung des Einkommens grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Darüber hinaus habe der Kläger zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewusst, dass der Anspruch auf eine Vollrente mit dem Hinzuverdienst für November 2010 kraft Gesetzes weggefallen sei. Er hätte sich aufgrund nahe liegender Überlegungen zumindest vor Auszahlung der tariflichen Entgeltanpassung im Juni 2010 bei ihr, der Beklagten, nach der aktuellen Hinzuverdienstgrenze erkundigen können. Es lägen daher die Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 SGB X vor

Das SG hob mit Urteil vom 11.10.2013 den Bescheid der Beklagten vom 27.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2011 auf, soweit der dort geltend gemachte Erstattungsanspruch einen Betrag von 212,33 EUR übersteigt und wies im Übrigen die Klage ab. Des Weiteren wurde die Berufung zugelassen. Der Rentenbescheid vom 01.06.2006 in der Fassung des Bescheides vom 10.08.2010 sei nachträglich durch das dreimalige Überschreiten der unteren Hinzuverdienstgrenze des Klägers im Kalenderjahr 2010 rechtswidrig geworden. Zu Recht gehe die Beklagte davon aus, dass die Nachzahlung der rückwirkenden Ta¬riferhöhung vollständig dem Monat Juni 2010 zuzuordnen sei, so dass sie grundsätzlich zum Erlass eines Erstattungsbescheides berechtigt gewesen sei. Der Kläger habe im Kalenderjahr 2010 jedoch lediglich die untere Hinzuverdienstgrenze drei Mal überschritten. Da jede Hinzuverdienstgrenze gesondert zu betrachten sei und da die obere Hinzuverdienstgrenze lediglich einmalig im November 2010 überschritten worden sei, sei die Beklagte nur zur hälftigen Rück¬forderung der für den Monat November 2010 bereits geleisteten Rente wegen teilweiser Er¬werbsminderung berechtigt gewesen. Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Rentenkürzung entspreche nur in Höhe von 212,33 EUR der Rechtslage.

Gegen das ihr am 07.11.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25.11.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) einge¬legt. Das SG lege entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI und der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die das von der Rentenversicherung entwickelte "Vormonatsprinzip" gebilligt habe, die Vorschrift der Hinzuverdienstgrenzen so aus, dass dem Versicherten erst ein dreimaliges Überschreiten entgegengehalten werde. Bereits bei einer doppelten Überschrei¬tung in einem Jahr sei das Privileg jedoch verbraucht und eine dritte Überschreitung beachtlich, egal welche Grenze überschritten sei. Aus diesem Grund habe der Kläger für den Monat No¬vember 2010 keinen Zahlungsanspruch auf die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und sei zur Rückzahlung verpflichtet.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.10.2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das sozialgerichtliche Urteil für richtig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Gerichtsakte, die Akte des SG und die vorgelegte Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1, 3 SGG auf Grund der Zulassung der Berufung durch das SG statthaft. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen gem. § 151 SGG zulässig.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Sie hat mit dem Bescheid vom 27.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.08.2011 den Rentenbescheid vom 01.06.2006 in der Fassung des Bescheids vom 10.08.2010 nach Maßgabe des § 48 SGB X rechtsfehlerfrei für November 2010 aufgehoben und dem Kläger gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu Recht aufgegeben, die im November 2010 überzahlte Rente in Höhe von 424,66 EUR zu erstatten. Das SG hätte der dagegen gerichteten Klage des Klägers nicht teilweise stattgeben dürfen.

Gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Er soll gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also rückwirkend aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer der Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.

Der Rentenbescheid vom 10.08.2010 stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, ist im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X für November 2010 (nachträglich), eine Änderung eingetreten, da dem Kläger die Rente wegen erzielten Hinzuverdienstes über der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze für November 2010 nicht mehr zugestanden hat.

Nach § 96 a Abs. 1 SGB VI in der hier ab dem 01.01.2008 maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungs-gesetz) vom 20.04.2007 (BGBl I Nr. 16S. 554-575) wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird (Satz 1; zur Verfassungsmäßigkeit der Einführung von Hinzuverdienstgrenzen bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, BSG, Urteil vom 28.04.2004, - B 5 RJ 60/03 R -; BSG, Urteil vom 06.02.2007, - B 8 KN 03/06 R -; Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss vom 14.06.2007 - 1 BvR 154/05 -, alle in juris). Sie wird nicht überschritten, wenn das für denselben Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit die in Abs. 2 genannten, auf einen Monat bezogenen Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zu Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt (§ 96 a Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Abhängig vom erzielten Hinzuverdienst wird gem. § 96 a Abs. 1 a Nr. 1 SGB VI eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe oder in Höhe der Hälfte geleistet. Durch die Formulierung "geleistet" in der vorgenannten Norm wird klargestellt, dass ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen - anders als bei den Hinzuverdienstgrenzen für Renten wegen Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze in § 34 Abs. 2 und 3 SGB VI - nicht unmittelbar den Rentenanspruch selbst betrifft, sondern der Hinzuverdienst nur Auswirkungen auf die Rentenhöhe haben soll (BSG, Urteil vom 09.12.2010, - B 13 R 10/10 R -, in juris).

Die Höhe der Hinzuverdienstgrenzen ist in § 96 a Abs. 2 SGB VI geregelt. Danach beträgt die Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente - wie vorliegend - wegen teilweiser Erwerbsminderung (a) in voller Höhe das 0,23fache, (b) in Höhe der Hälfte das 0,28fache der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, mindestens mit 1,5 Entgeltpunkten (§ 96 a Abs. 2 Nr. 1 SGB VI). Vorliegend betrugen die individuellen monatlichen Hinzuverdienstgrenzen für den Versicherten gem. § 96 a Abs. 2 Nr. 1 SGB VI für den Zeitraum ab 01.01.2010 bei den Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung für eine Vollrente in alten Bundesländern - wie vorliegend - (a) 1.730,22 EUR und für eine halbe Rente (b) 2.106,35 EUR. Dies ergibt sich aus der von der Beklagten durchgeführten Berechnung, die vom Kläger auch nicht beanstandet wird. Fehler sind auch für den Senat nicht ersichtlich.

Ausweislich der vorgelegten Arbeitgeberbescheinigung hat der Kläger die Hinzuverdienstgrenze des § 96 a Abs. 2 Nr. 1 a SGB VI durch sein Einkommen im Juni 2010 (1.733,60 EUR), im Juli 2010 (1.734,74 EUR) und im November 2010 (3.207,64 EUR) überschritten.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist das sogenannte Vormonatsprinzip ein geeigneter (verwaltungs-)praktikabler und dem Gesetzeszweig entsprechender Prüfungsmaßstab zur Feststellung eines privilegierten (d. h. "rentenunschädlichen") Überschreitens im Sinne des § 96 a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SGB VI (BSG, Urteil vom 09.12.2010, - B 13 R 10/10 R - unter Verweis auf BSG, Urteile vom 06.02.2007, - B 8 KN 03/06 R - vom 26.06.2008, - B 13 R 119/07 R -, alle in juris). Danach ist Ausgangspunkt für die Prüfung, in welcher Höhe die Rente trotz eines Hinzuverdienstes zu zahlen ist, grundsätzlich die zum Zeitpunkt des Rentenbeginns bzw. des ersten Monats des Zusammentreffens von Rente mit zu berücksichtigendem Hinzuverdienst eingehaltene (einfache) Hinzuverdienstgrenze. Die insoweit maßgebliche Hinzuverdienstgrenze darf im Lauf eines jeden Kalenderjahres gem. § 96 a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SGB VI rentenunschädlich in zwei Kalendermonaten bis zur Höhe des Betrags, welcher der Hinzuverdienstgrenze entspricht, überschritten werden. Ob ein solches privilegiertes Überschreiten vorliegt, ist ausschließlich chronologisch ("linear") zu ermitteln, denn nach § 100 Abs. 1 SGB VI i. V. m. § 48 Abs. 1 SGB X ist die Rente in neuer Höhe zu leisten, sobald sich aus tatsächlichen (oder rechtlichen) Gründen die Voraussetzungen für die Höhe der Rente ändern. Die Prüfung, ob ein privilegiertes Überschreiten vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach der im Vormonat eingehaltenen Hinzuverdienstgrenze. Denn ein "Überschreiten" im Sinne des § 96 a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SGB VI setzt bei chronologischer Betrachtungsweise voraus, dass sich der Hinzuverdienst über die im jeweiligen Vormonat eingehaltene Hinzuverdienstgrenze hinaus erhöht (BSG, Urteil vom 06.02.2007, - B 8 KN 03/06 R -, in juris). Wurde die Hinzuverdienstgrenze des Vormonats eingehalten, ist die bisherige Rente vom Rentenversicherungsträger ohne Weiteres in der dieser Hinzuverdienstgrenze geordneten Höhe (weiter) zu leisten. Ändert sich der Verdienst und wird hierdurch die im Vormonat noch eingehaltene Hinzuverdienstgrenze überschritten, ist weiter zu prüfen, ob das Überschreiten rentenunschädlich ist. Dies setzt voraus, dass der Hinzuverdienst innerhalb des Doppelten dieser Hinzuverdienstgrenze liegt; ein solches Überschreiten ist im Laufe eines Kalenderjahres in zwei Kalendermonaten zulässig (vgl. BSG, Urteile vom 06.02.2007, - B 8 KN 03/06 R - und vom 09.12.2010 - B 13 R 10/10 R -, beide in juris).

Unstreitig hat der Kläger aufgrund des Bezugs von Arbeitsentgelt im vorliegenden Fall die Hinzuverdienstgrenze des § 96 a Abs. 2 Nr. 1 a SGB VI im Juni und Juli 2010 überschritten. Hierbei handelt es sich jedoch um ein privilegiertes Überschreiten, da die doppelte Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wurde.

Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass es entgegen der Ansicht des Klägers keine Rolle spielt, dass das Überschreiten der unteren Hinzuverdienstgrenze im Monat Juni 2010 auf die Nachzahlung einer rückwirkenden Tariferhöhung zurückzuführen ist und dass diese Grenze um lediglich 3,38 EUR überschritten wurde. Der Gesetzgeber hat sich bei den Hinzuverdienstgrenzen bewusst für starre Grenzen entschieden. Auch der Umstand, dass die untere Hinzuverdienstgrenze lediglich durch die Nachzahlung einer rückwirkenden Tariferhöhung überschritten wurde, kann nicht dazu führen, dass diese Nachzahlung auf die einzelnen Monate Januar bis Mai 2010 aufzuteilen ist. Entscheidend ist allein, dass dem Kläger die Zahlung im Juni 2010 in entsprechender Höhe zugeflossen ist, aus welchen Gründen und durch welche Art von Einkünften die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird, ist unbeachtlich (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2010, - B 13 R 10/10 R, in juris; Quinten in LPK-SGB VI § 96a Rd. 29). Dies gilt auch für eine Nachzahlung aufgrund einer Tariferhöhung. Auch insoweit handelt es sich um Arbeitsentgelt (Ruland/Försterling § 96a RN 86; a.A. Kamprad in: Hauck/Noftz § 96a RN. 10). Der Begriff des "Arbeitsentgelts" in § 96a Abs 1 S 2 SGB VI ist durch § 14 SGB IV legal definiert. Nach dessen Abs. 1 S 1 sind Arbeitsentgelte alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Da die tarifliche Nachzahlung während des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses erfolgte, ist ein entsprechender Bezug zur Beschäftigung zum Zeitpunkt der Auszahlung gegeben, weshalb die Nachzahlung im Monat der Auszahlung zu berücksichtigen ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.07.2012, - B 13 R 85/11 R -; LSG BW, Urteil vom 16.06.2015, - L 9 R 5132/14 -, jeweils zu Nachzahlungen bei ruhendem Arbeitsverhältnis, beide in juris). Insoweit bestimmt auch § 23a Abs.1 Satz 3 SGB IV die Zuordnung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt zum Auszahlungsmonat, da vorliegend § 23a Abs. 2 und 4 SGB IV nicht einschlägig sind.

Damit aber stellt sich im vorliegenden Fall die - dritte - Überschreitung im November 2010 als rentenschädlich dar, weshalb die Beklagte zutreffend eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X angenommen hat. Entgegen der Ansicht des SG war die Beklagte dabei auch berechtigt, eine vollständige Aufhebung der teilweisen Erwerbsminderungsrente für November 2010 vorzunehmen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 96 a Abs. 1 und 2 SGB VI ergibt, ist rentenunschädlich nur das zweimalige Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze. Die Hinzuverdienstgrenze bei einer vollen Rente für teilweise Erwerbsminderung liegt bei 1.730,22 EUR. Die vom SG vorgenommene Auslegung, wonach die Hinzuverdienstgrenzen des § 96 Abs. 2 Nr. 1 a und b SGB VI jeweils getrennt zu betrachten sind, findet auch bei Berücksichtigung der Gesetzesbegründung keine Stütze. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber ein zweimaliges Überschreiten aus verwaltungspraktikablen Gründen hinnehmen wollte (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2010, - B 13 R 10/10 R -, in juris mwN). Die vom SG gewählte Auslegung würde hingegen eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Hinzuverdienstgrenzen erforderlich machen, die vom Gesetzgeber nicht gewollt war. Dementsprechend ist auch das BSG in seiner ständigen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der chronologischen Bestimmung der maßgeblichen für die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze relevanten Monate davon ausgegangen, dass ein zweimaliges Überschreiten der einfachen Hinzuverdienstgrenze zum Wegfall der Privilegierung für die nachfolgenden Monate führt, auch wenn dort andere Hinzuverdienstgrenzen maßgeblich sind (BSG, Urteil vom 06.02.2007, - B 8 KN 38/06 R -, in juris).

Die Beklagte war auch zur Aufhebung des Rentenbescheids gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also rückwirkend zum November 2010, gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 3 und 4 SGB X berechtigt. Der Kläger hat mit dem Hinzuverdienst Einkommen erzielt, das zur Minderung des Rentenanspruchs geführt hat. Der Kläger hat im Übrigen aber auch trotz des Hinweises im Bescheid vom 10.08.2010 die Änderung nicht mitgeteilt. Damit hat er seine Mitteilungspflicht aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I verletzt. Er hat dabei auch grob fahrlässig gehandelt. Er hat um die Pflicht zur Mitteilung von Veränderungen des Hinzuverdienstes gewusst. Hierauf ist er in den Bewilligungsbescheiden zur Gewährung einer teilweisen Erwerbsminderung hingewiesen worden. Der Kläger hat auch in der Vergangenheit entsprechende Arbeitgeberbescheinigungen hinsichtlich seines Verdienstes vorgelegt. Insoweit hätte er als "langjähriger" Rentenbezieher mit Hinzuverdienst und auch unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und seiner beruflichen Tätigkeit auch ohne Weiteres erkennen können, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes im November zum Ruhen gekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X). Auf mangelnde Urteils- oder Kritikfähigkeit oder mangelndes Einsichtsvermögen kann er sich nicht berufen.

§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Sollvorschrift. Das bedeutet, dass die Behörde den Verwaltungsakt in der Regel rückwirkend aufheben muss und nur in atypischen Fällen nach pflichtgemäßem Ermessen hiervon abweichen darf (BSG, Urteil vom 05.04.2012, - B 10 EG 10/11 R, in juris; näher zu den Anforderungen an das Vorliegen eines atypischen Falles, etwa BSG, Urteil vom 31.01.2008, - B 13 R 23/07 R -, in juris). Bei der Ermessensausübung ist das Interesse des Versicherten am Behaltendürfen der rechtswidrig (weiter-)bezogenen Leistungen mit dem öffentlichen Interesse abzuwägen. Letzterem kommt grundsätzlich der Vorrang zu. Das folgt aus dem für alle Versicherungsträger geltenden Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 69 Abs. 2 SGB IV). Für eine von der gesetzlichen Wertung abweichende Ausübung des Aufhebungsermessens müssen erhebliche Gründe vorliegen (dazu näher Senatsurteile vom 23.02.2011, - L 5 KR 3975/09 -, vom 28.09.2011, - L 5 R 3888/10 - und vom 18.11.2015 - L 5 R 1929/15 -, jeweils nicht veröffentlicht).

Ein atypischer Fall ist hier nicht ersichtlich. Allein die geringfügige Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen kann einen solchen nicht begründen. Im Übrigen hat die Beklagte eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung getroffen. Sie hat Ermessen ausgeübt und hierbei die äußeren und inneren Grenzen des Verwaltungsermessens gewahrt (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I, KassKomm/Seewald SGB I § 39 Rn 9 ff.), namentlich dem Kläger nichts Unverhältnismäßiges auferlegt.

Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist gewahrt. Die Beklagte hat die teilweise Aufhebung des Rentenbescheids vom 10.08.2010 mit dem Bescheid vom 27.05.2011 innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen verfügt, welche die Aufhebung des Rentenbescheids für die Vergangenheit rechtfertigen.

Ist der Rentenbescheid vom 10.08.2010 danach zu Recht für November 2010 aufgehoben worden, ist die bereits erbrachte Leistung, die überzahlte Rente in Höhe von 424,66 EUR, gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X ohne weitere Voraussetzungen zu erstatten. Ermessen ist nicht mehr auszuüben. Die zu erstattende Leistung ist gem. § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X durch schriftlichen Verwaltungsakt festzustellen. Dies ist ebenfalls rechtsfehlerfrei geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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