L 10 R 4314/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 1174/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4314/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18.09.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Der am 1958 geborene Kläger absolvierte von 1974 bis 1978 eine Ausbildung zum Elektroinstallateur. Ab 1986 war er bei der Firma S. beschäftigt, zuletzt bis Ende 2011 als Servicetechniker für Brandmeldeanlagen im Außendienst. Seither ist er arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

Der Kläger befand sich in der Vergangenheit bereits mehrmals in stationärer Rehabilitation, im September/Oktober 2007 in der K. -Klinik (Diagnosen: depressives Syndrom, somatoforme Störung, Folliculitis decalvans, leichte Hypercholesterinämie; vollschichtige Leistungsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Elektrotechniker und für mittelschwere körperliche Tätigkeiten), im Oktober/November 2009 im M. Klinikum für Rehabilitation, Abteilung Pulmologie (Diagnosen: chronische Rhinitis sicca, leichtgradiges obstruktives Schlafapnoesyndrom, leichtes Reizdarmsyndrom mit Neigung zur Diarrhoe, leichtes Kopfhautekzem, reine Hypercholesterinämie; Leistungsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Servicetechniker sowie für mittelschwere Tätigkeiten ohne Kontakt zu inhalativen Noxen sechs Stunden und mehr) sowie im Juni/Juli 2012 in der M.-B.-Klinik (Diagnosen: depressive Episode, obstruktives Schlafapnoesyndrom, atopisches Ekzem, Reizdarmsyndrom mit Diarrhoe, chronische Rhinopathie; Leistungsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Elektroinstallateur/-monteur sowie für mittelschwere Tätigkeiten ohne Exposition gegenüber reizenden Stoffen und Staub sowie besonderen Anforderungen an die Belastbarkeit in interpersonellen Konfliktsituationen sechs Stunden und mehr täglich).

Der Kläger beantragte im August 2012 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. G. , die ausgehend von einer Untersuchung des Klägers im November 2012 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig bis mittelgradig, bei Persönlichkeitseigentümlichkeiten, eine chronische Rhinitis sicca, früher langjähriger Privinismus, einen Zustand nach Septum-Plastik, eine leichtgradig obstruktive Schlafapnoe, ein chronisch rezidivierendes Kopfhautekzem/Folliculitis, derzeit begrenzt, einen Reizdarm (medizinische Bedarfsbehandlung) sowie eine Wirbelsäulenfehlstatik mit intermittierenden Beschwerden, derzeit reizfrei, diagnostizierte und den Kläger für fähig erachtete, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (ohne erhöhte Verantwortung für Personen und Maschinen, ohne besonderen Zeitdruck, in Normalschicht oder Spätschicht, ohne vermehrte Staubbelastung/inhalative Reizstoffe und ohne erhöhte Anforderungen an Anpassung und Umstellung) mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Servicetechniker sei der Kläger nicht mehr gewachsen.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 20.11.2012 und Widerspruchsbescheid vom 04.04.2013 ab, weil der Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen und die ihm sozial und gesundheitlich zumutbaren Verweisungstätigkeiten als Prüfer/Kontrolltätigkeiten in der industriellen Fertigung, als Verdrahtungselektriker sowie Montage-/Reparaturarbeiten im elektrischen Bereich sechs Stunden und mehr täglich verrichten könne.

Hiergegen hat der Kläger am 22.04.2013 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben. Nachdem die vom Sozialgericht als sachverständige Zeugen schriftlich befragten behandelnden Ärzte (der Allgemeinmediziner und Hausarzt Dr. B. und die Psychiaterin Dr. S. ) auf eine aus ihrer Sicht psychisch bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit hingewiesen haben, hat das Sozialgericht von Amts wegen ein Gutachtens bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. (Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Folliculitis decalvans/Kopfhautekzem, Reizdarmsyndrom mit Diarrhoe, chronische Rhinopathie, obstruktives Schlafapnoesyndrom; Leistungsfähigkeit für die Tätigkeit als Servicetechniker für Brandschutzanlagen unter drei Stunden, für die Tätigkeit als Elektroinstallateur sowie für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne übermäßigen Zeitdruck und Akkordanforderungen, im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, ohne Heben und Tragen von schweren Lasten und Arbeiten unter Nässe oder Kälte sowie ohne Wechselschicht und Nachtschicht und unter Vermeidung unreiner Arbeitsumgebung und inhalativen Noxen sechs Stunden und mehr täglich) sowie auf Antrag und Kosten des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei dem Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen und Allgemeinmedizin, Zusatzbezeichnung Sozialmedizin, B. (Diagnosen: schwere chronische Depression [Major Depression], Persönlichkeitseigentümlichkeiten, Schlafapnoesyndrom, trockene Nasenschleimhaut und Verkrustung, langjährige Behandlung [Nasenspray], Zustand nach Septum-Plastik, Schnarchen, chronisch rezidivierendes Kopfhautekzem/Folliculitis, derzeit begrenzt, Reizdarm, Wirbelsäulenfehlstatik mit intermittierenden Beschwerden; Leistungsfähigkeit für sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes aufgrund der seelischen Erkrankung weniger als drei Stunden pro Tag) eingeholt und die Klage mit Urteil vom 18.09.2014 abgewiesen. Der Kläger sei noch in der Lage, sowohl leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne erhöhte Verantwortung für Personen oder Maschinen, ohne besonderen Zeitdruck, ohne vermehrte Staubbelastung/inhalative Reizstoffe und ohne erhöhte Anforderungen an Anpassung und Umstellung als auch eine Tätigkeit im erlernten Beruf als Elektroinstallateur oder auch als Registrator mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Gegen das am 26.09.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.10.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und mit einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes begründet. Hierzu legt er einen Arztbericht des Dr. T. vom Dezember 2014 sowie ärztliche Atteste der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie P.-S. vom August 2015 und Oktober 2015 vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 18.09.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und legt ergänzend eine sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vor.

Der Senat hat ein Gutachten bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. W. eingeholt. Aufgrund einer Untersuchung im Juni 2015 hat Prof. Dr. Dr. W. bei dem Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet rezidivierende depressive Episoden, derzeit in Form einer leichtgradigen depressiven Störung sowie eine bereits in das Berufsleben eingebrachte ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung diagnostiziert und den Kläger für fähig erachtet, leichte und auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne erheblichen Druck und ohne erhebliche Verantwortung (Schicht- und Akkordarbeit, erhöhte Eigenverantwortung) sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Die Tätigkeit als selbständiger Sicherheitsbeauftragter für Brandschutzanlagen hat Prof. Dr. Dr. W. hingegen nicht mehr für zumutbar erachtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, ist zulässig, jedoch nicht begründet. Sofern sich der Kläger mit einer Entscheidung durch Beschluss nicht einverstanden erklärt hat, steht dies nicht entgegen, weil eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG ein Einverständnis der Beteiligten nicht voraussetzt, anders als eine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 SGG).

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 18.09.2014 abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 20.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht keine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit zu.

Das Sozialgericht hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 und § 240 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil er trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen bei Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne erhöhte Verantwortung für Personen oder Maschinen, ohne besonderen Zeitdruck, ohne vermehrte Staubbelastung/inhalative Reizstoffe und ohne erhöhte Anforderungen an Anpassung und Umstellung) körperlich leichte berufliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest noch sechs Stunden täglich verrichten kann, und mit diesem Leistungsvermögen weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Zutreffend hat es unter Darlegung der Regelung des § 240 SGB VI im Übrigen ausgeführt, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit deshalb ausscheidet, weil der als Facharbeiter einzustufende Kläger die Tätigkeit eines Elektroinstallateurs bzw. die eines Registrators noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Es hat sich dabei überzeugend den Ausführungen von Dr. G. und Dr. T. angeschlossen und zutreffend dargelegt, dass und aus welchen Gründen den Beurteilungen der behandelnden Ärzte und des Sachverständigen B. nicht zu folgen ist. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen in der angefochtenen Entscheidung zurück.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren unter Bezugnahme auf das Attest des Dr. T. vom Dezember 2014 (Bl. 16 LSG-Akte) eine Verschlechterung seines beruflichen Leistungsvermögens geltend macht, überzeugt dies nicht. Die von Dr. T. mitgeteilte Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode allein rechtfertigt nicht die Annahme einer Leistungseinschränkung in rentenberechtigendem Ausmaße. So hielt beispielsweise die M.-B.-Klinik im Reha-Entlassungsbericht bei einem vergleichbaren Befund (gedrückte Affektlage, deutlich reduzierte und wenig auslenkbare affektive Schwingungsfähigkeit, Antrieb und Psychomotorik reduziert) den Kläger trotz seiner psychischen Störungen noch für in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten ohne besondere Belastung in interpersonellen Konfliktsituationen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, und auch Dr. T. hat den Kläger bei der von ihm gutachterlich gestellten Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, grundsätzlich für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten zu verrichten. Angaben dazu, dass mit der angeblichen Befundverschlechterung gegenüber dem in der Begutachtungssituation erhobenen Befund auch eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Leistungsfähigkeit einhergeht, sind auch dem Attest des Dr. T. gerade nicht zu entnehmen.

Darüber hinaus hat die vom Senat durchgeführte weitere Sachaufklärung eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht bestätigt. Auf psychiatrischem Fachgebiet leidet der Kläger nach wie vor an rezidivierenden depressiven Episoden, derzeit in Form einer leichtgradigen depressiven Störung sowie einer bereits in das Berufsleben eingebrachten ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. W ... Dieser hat von einer deutlich reduzierten affektiven Schwingungsfähigkeit sowie einer wechselnden Psychomotorik und einem wechselnden Antrieb berichtet. Insbesondere in unverfänglichen Situationen hat Prof. Dr. Dr. W. lediglich eine geringfügige Beeinträchtigung des Antriebes feststellen können. Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit, der Konzentration, der Merkfähigkeit oder des Gedächtnisses hat er ebenso wenig feststellen können wie eine verstärkte Tagesmüdigkeit. Die Schilderungen des Klägers zu seinen nächtlichen Panikattacken sind - so Prof. Dr. Dr. W. - bemerkenswert blass geblieben, so dass dieser nachvollziehbar die zusätzliche Diagnose einer Panikstörung nicht hat stellen können. Zwar hat die durch Prof. Dr. Dr. W. erfolgte Auswertung der Selbstbeurteilungsfragebögen des Klägers eine deutlich unterdurchschnittliche Intelligenz und zum Teil Werte ergeben, die lediglich bei schwersten psychischen Störungen bzw. einer ausgeprägten Angststörung zu erwarten wären. Hierauf kann sich der Senat bei seiner Entscheidung jedoch nicht stützen. Denn die von Prof. Dr. Dr. W. ebenfalls durchgeführte Beschwerdevalidierung hat Zeichen einer erheblich verminderten Anstrengungsbereitschaft des Klägers mit in allen Durchgängen auffälligen Werten ergeben, die im Vergleich zu Normwerten selbst bei schwergradigen Depressionen und/oder hirnorganischen Störungen für eine verminderte Leistungsbereitschaft sprechen würden. Auch bei der körperlichen Untersuchung hat Prof. Dr. Dr. W. Hinweise auf eine bewusstseinsnahe Aggravation des Kläger festgestellt. Die vom Kläger demonstrierte wechselnde Schwäche der Handkraft hat - so Prof. Dr. Dr. W. - in dieser Form schlechterdings nicht vorhanden sein können. Darüber hinaus spricht auch die vom Kläger geschilderte Tages- und Freizeitgestaltung gegen eine erhebliche Beeinträchtigung. Gegenüber Prof. Dr. Dr. W. hat er angegeben, im Wohnort integriert zu sein und zu Veranstaltungen des Musikvereins und dem Heimatfest zu gehen. Er mache den Haushalt in dem von ihm allein bewohnten eigenen Haus und versorge den ca. 650 m² umfassenden Garten. Hilfe seiner Geschwister benötige er lediglich bei Bauarbeiten, z.B. der aktuell neu auszurichtenden Gartenmauer. Er fahre Fahrrad, allerdings maximal noch 5 km, jedoch recht hügelige Strecken. Ab und zu gehe er noch zu Veranstaltungen mit seinem Freundeskreis, beispielsweise zu einer 1. Mai-Unternehmung. Um eine Erwerbstätigkeit wolle er sich erst wieder kümmern, wenn das Landessozialgericht zu einer Entscheidung gekommen sei. In ärztlicher Behandlung sei er momentan einmal monatlich in der Psychiatrischen Institutsambulanz in Biberach, das deshalb, weil ihm sein Prozessbevollmächtigte erklärt habe, er müsse in ärztlicher Behandlung sein, da ansonsten das Landessozialgericht die Rente ablehne.

Aufgrund der Ergebnisse der von Prof. Dr. Dr. W. durchgeführten Beschwerdevalidierung, der Angaben des Klägers sowie seines Verhaltens in der Untersuchungssituation und auch der bereits von Dr. T. beschriebenen Aggravationstendenzen (deutliche Hinweise für Symptomüberbewertungstendenzen und Aggravation, Bl. 51 SG-A) sind die Angaben des Klägers kritisch zu hinterfragen. Letztlich haben weder Prof. Dr. Dr. W. noch Dr. T. belastbare objektive Befunde mitteilen können, die eine wesentliche Beeinträchtigung des Klägers wegen seiner psychischen Erkrankung rechtfertigen. Prof. Dr. Dr. W. hat unter Berücksichtigung des erhobenen psychischen Befundes daher in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise auf das Vorliegen qualitativer Leistungseinschränkungen (Tätigkeiten mit erheblichem Druck und mit erheblicher Verantwortung wie Schicht- und Akkordarbeiten und Tätigkeit mit erhöhter Eigenverantwortung) geschlossen, quantitative Leistungseinschränkungen für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen hingegen verneint. Dem schließt sich der Senat an. Insoweit sind daher die vom Sozialgericht aufgeführten qualitativen Einschränkungen zu ergänzen, allerdings ohne dass sich hieraus eine dem Kläger günstigere Beurteilung seiner Erwerbsfähigkeit ergäbe.

Soweit der Kläger gegen das Gutachten des Prof. Dr. Dr. W. sinngemäß einwendet, dieser habe seine Beschwerden von Seiten der chronischen Entzündungen der Nasenschleimhaut und Nasennebenhöhlen, der Kopfhaut und des chronischen Reizdarmes in keinster Weise berücksichtigt (vgl. Bl. 60 LSG-Akte), ergeben sich hieraus keine berechtigten Zweifel an der Richtigkeit der Leistungseinschätzung des Prof. Dr. Dr. W ... Dass sich Prof. Dr. Dr. W. bei seiner Beurteilung auf die neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen des Klägers beschränkt hat, ergibt sich aus der Natur der Sache, nachdem es sich bei Prof. Dr. Dr. W. um einen Arzt für Neurologie und Psychiatrie handelt, und er daher auch nur auf diesem Fachgebiet die Kompetenz besitzt, einen Befund zu erheben, Diagnosen zu stellen und die hieraus resultierende Leistungsfähigkeit einzuschätzen. Im Übrigen stützt sich der Senat bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers hinsichtlich der aus den internistischen Erkrankungen resultierenden Leistungseinschränkungen auf die Beurteilung entsprechender Fachärzte, nämlich das Gutachten der Allgemeinmedizinerin Dr. G. sowie den Reha-Entlassungsbericht der pulmologischen Abteilung am M. Klinikum.

Nicht überzeugend ist - wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des Sachverständigen B ... Sofern dieser den Kläger aufgrund der schweren Depression (Major Depression) nicht mehr für fähig erachtet hat, Tätigkeiten jeglicher Art drei Stunden oder mehr täglich auszuüben, basiert diese Einschätzung ausschließlich auf den subjektiven Angaben des Klägers. Dies ergibt sich beispielsweise daraus, dass der Sachverständige von einer Tagesmüdigkeit des Klägers ausgegangen ist. In seinem Befund hat er ihn aber als während der gesamten Untersuchung wach und bewusstseinsklar, zu allen Qualitäten orientiert beschrieben. Aus dem Gutachten wird damit - und hierauf hat auch die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. in ihrer von der Beklagten dem Sozialgericht vorgelegten Stellungnahme hingewiesen - nicht ersichtlich, dass und in welcher Weise der Sachverständige B. die Angaben des Klägers kritisch hinterfragt hat. Insoweit ist nicht erkennbar, auf welcher Grundlage der Sachverständige Aggravation und Simulation sicher ausgeschlossen haben will. Gerade eine derartige kritische Prüfung ist Aufgabe des Sachverständigen und hierzu hätte angesichts der von Dr. T. aufgezeigten Aggravationstendenzen besonderer Anlass bestanden.

Soweit in den vom Kläger vorgelegten Attesten der Psychiatrischen Institutsambulanz B. vom August und Oktober 2015 (Bl. 52 bzw. 61 LSG-Akte) die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung (gegenwärtig schwer ausgeprägt) mitgeteilt und deshalb die Leistungsfähigkeit des Klägers mit unter sechs Stunden beurteilt wird, überzeugt dies nicht. Auch hier wird nicht ersichtlich, inwiefern die in der Psychiatrischen Institutsambulanz B. behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie P.-S. die Angaben des Klägers, auf die sich die Diagnosestellung stützt, bei vorhandenen Aggravationstendenzen kritisch hinterfragt hat, worauf wiederum Dr. E. in ihrer Stellungnahme hingewiesen hat (Bl. 54 LSG-A). Zutreffend hat sie dargelegt, dass die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie P.-S. den Ausprägungsgrad des depressiven Syndroms nur wenige Tage nach der Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. als schwergradig geschätzt hat, ohne Beachtung der bewusstseinsnahen Aggravationstendenzen, ohne Einschränkungen in der Tagesstrukturierung sowie der Bewältigung der Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL`s).

Im Übrigen sieht der Kläger wohl selbst den Schwerpunkt seiner Erkrankung nicht im psychiatrischen Bereich. So hat er gegenüber Prof. Dr. Dr. W. geäußert, sein Hauptproblem seien die Atemwegsprobleme, die damit einhergehenden Schlafprobleme (vgl. Bl. 27 LSG-Akte) und das hieraus resultierende ständige Benommenheitsgefühl (Bl. 28 LSG-Akte).

Außerhalb des psychiatrischen Fachgebiets leidet der Kläger an einer chronischen Rhinitis sicca, einem leichtgradig obstruktiven Schlafapnoesyndrom, einem chronisch rezidivierenden Kopfhautekzem/Folliculitis sowie einem Reizdarm. Indessen folgt hieraus - worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat - keine rentenrelevante Leistungseinschränkung. Dies entnimmt der Senat dem Reha-Entlassungsbericht des M. Klinikums für Rehabilitation (Abteilung Pulmologie) sowie dem Gutachten der Dr. G ... Die vom Kläger geschilderte verstärkte Tagesmüdigkeit und Benommenheit wegen den durch die behauptete beeinträchtigte Nasenatmung bedingten Schlafstörungen hat Prof. Dr. Dr. W. nicht zu objektivieren vermocht. Das von Prof. Dr. Dr. W. veranlasste und nach der gutachterlichen Untersuchung um die Mittagszeit durchgeführte Elektroencephalogramm hat keinerlei Anhaltspunkte für eine verstärkte Tagesmüdigkeit nach zumindest vierstündiger Abwesenheit des Klägers von zu Hause ergeben. In Übereinstimmung hierzu hat Prof. Dr. Dr. W. während der rund zweistündigen Exploration und Untersuchung keinen Abfall der Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit des Klägers erkennen können.

Zusammenfassend ist der Kläger zwar in qualitativer Hinsicht in seinem Leistungsvermögen eingeschränkt. Auch der Senat geht, den Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. , Dr. T. , Dr. G. und dem Reha-Entlassungsbericht der pulmologischen Abteilung am M. Klinikum folgend, davon aus, dass dem Kläger nur leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne erhöhte Verantwortung für Personen oder Maschinen, ohne erheblichen Druck, ohne Tätigkeiten mit erhöhter Eigenverantwortung, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Schicht- und Akkordarbeiten, ohne vermehrte Staubbelastung/inhalative Reizstoffe und ohne erhöhte Anforderungen an Anpassung und Umstellung zumutbar sind. Weitere Leistungseinschränkungen, insbesondere aufgrund der chronischen Rhinitis sicca, sind nicht plausibel zu machen. Dies wird letztlich auch dadurch bestätigt, dass diese Erkrankung bereits seit den 1990er Jahren besteht, und der Kläger seine Tätigkeit als Servicetechniker bis Ende 2011 tatsächlich ausübte. Letztlich spricht auch gegen eine für das vorliegende Rentenverfahren relevante Beeinträchtigung die Äußerung des Klägers gegenüber Prof. Dr. Dr. W. , als dieser den Kläger auf die in der Untersuchungssituation offensichtlich fehlende Beeinträchtigung der Nasenatmung angesprochen und woraufhin der Kläger geäußert hat, dass er "ja schon heute Morgen die Nasenspülung gemacht habe" (Bl. 27 LSG-Akte). Diese Äußerung ist letztlich nur so zu verstehen, dass bei morgendlicher Nasenspülung eine wesentliche Beeinträchtigung von Seiten der Nasenatmung nicht besteht. Aus diesem Grund ist auch die von Dr. T. genannte qualitative Leistungseinschränkung "Vermeidung unreiner Arbeitsumgebung" nicht nachvollziehbar. Denn dem Kläger ist nicht jegliche alltägliche Staubbelastung, sondern nur eine vermehrte Staubbelastung, wie sie beispielsweise bei der von ihm zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Servicetechniker bestand (vgl. Angaben des Kläger gegenüber Dr. T. , Bl. 48 SG-A: "viel Staub und schmutzige Arbeitsumgebung"), nicht mehr zumutbar. Entsprechend hat Dr. T. auch die Tätigkeit als Servicetechniker nicht mehr, die Tätigkeit als Elektroinstallateur hingegen noch für zumutbar erachtet. Auch der Kläger selbst geht wohl nicht davon aus, dass auch eine alltägliche Staubbelastung einer beruflichen Tätigkeit entgegensteht, nachdem er lediglich über Atembeschwerden bei Arbeiten in Räumen mit belasteter Luft geklagt hat (vgl. Bl. 63 SG-A).

Im Hinblick auf den Vortrag des Klägers, aufgrund seiner chronischen Reizdarmerkrankung seien fünf bis sechs, oft dringende Stuhlgänge pro Tag nötig (vgl. Bl. 60 LSG-Akte), ist insoweit ergänzend auszuführen, dass selbst die Notwendigkeit, sechsmal täglich die Toilette wegen Durchfällen aufzusuchen, keine Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen begründet. Zum einen finden nicht alle diese Toilettenbesuche während der Arbeitszeit statt, zum anderen ist es im Arbeitsleben üblich, dass von Arbeitnehmern auch außerhalb von regulären Arbeitspausen gelegentlich die Toilette aufgesucht wird. So sind in § 4 Arbeitszeitgesetz Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden vorgesehen. Dies bedeutet, dass bei bis zu sechs Stunden Arbeit eine Ruhepause nicht vorgeschrieben ist. Angesichts üblicher menschlicher Bedürfnisse ist es ausgeschlossen, dass damit der notwendige Gang zur Toilette unterbleiben muss. Vielmehr geht der Gesetzgeber wie selbstverständlich davon aus, dass derart dringende persönliche Bedürfnisse während der Arbeitszeit verrichtet werden. Im Übrigen überschreiten die beim Kläger während eines sechsstündigen Arbeitstages allenfalls erforderlichen drei Toilettenbesuche insgesamt nicht den Rahmen der von den Arbeitgebern den Arbeitnehmern zugestandenen persönlichen "Verteilzeiten" (zusätzliche Arbeitsunterbrechungen). Solche zusätzliche Möglichkeiten der Arbeitsunterbrechung für Erholung und persönliche Bedürfnisse über die Arbeitszeitregelungen hinaus sind in betriebsüblichen Arbeitszeitregelungen nach Maßgabe tarifvertraglicher Vereinbarungen vorgesehen (vgl. hierzu und für den Fall der Erforderlichkeit, jederzeit und kurzfristig kleine Pausen von nicht mehr als fünf bis sieben Minuten z. B. zur Einnahme einer kleinen Zwischenmahlzeit bzw. einer Blutzuckerselbstmessung bei diabetischer Stoffwechsellage einzulegen, Urteil des 3. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 05.07.2000, L 3 RJ 847/99). Im Übrigen schilderte der Kläger gegenüber Dr. G. lediglich stressbedingten intermittierenden Durchfall mit täglich vier- bis fünfmaligem Auftreten, wobei Dr. G. ausdrücklich festhält, dass ein Aufsuchen der Toilette während der Begutachtung - einer durchaus stressverursachenden Situation - nicht notwendig war, und auch Dr. T. hat ein Aufsuchen der Toilette durch den Kläger während der Begutachtung und Anamneseerhebung ausdrücklich verneint.

Der Kläger kann damit noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen zumindest sechs Stunden täglich verrichten. Es liegt daher weder volle noch teilweise Erwerbsminderung iS. des § 43 SGB VI vor.

Der Kläger ist im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI darüber hinaus auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit. Denn der Kläger ist - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - gesundheitlich noch in der Lage, die ihm sozial zumutbare Tätigkeit als Elektroinstallateur bzw. als Registrator (vgl. hierzu im Einzelnen, insbesondere zu den Leistungsanforderungen und der sozialen Zumutbarkeit für Facharbeiter, das bereits vom Sozialgericht angeführte Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20.02.2013, L 2 R 1704/11, in juris) zu verrichten. Einwände hiergegen hat der Kläger nicht erhoben. Er hat vielmehr gegenüber Prof. Dr. Dr. W. angegeben, sich für eine Tätigkeit als Hausmeister interessiert, diese aber wegen der damit verbundenen Staubbelastung (Entrümpelung von Kellerräumen einer Schule) nicht angenommen zu haben (Bl. 26 LSG-A). Ansonsten habe er sich wegen des Rentenstreits nicht um eine neue Tätigkeit beworben (a.a.O.). Vergleichbar hat er sich gegenüber Dr. T. geäußert (Bl. 47 SG-A) und für den Fall der Ablehnung der Rente eine Bewerbung bei anderen Betrieben als bei dem nicht zur Umsetzung bereiten letzten Arbeitgeber in Aussicht gestellt.

Nachdem der Sachverhalt somit geklärt ist, ist die Einholung eines weiteren Gutachtens zur Beurteilung der vom Kläger behaupteten Leistungsminderung nicht erforderlich. Den Antrag des Klägers auf Einholung eines weiteren Gutachtens nach §§ 103, 106 SGG lehnt der Senat daher ab. Allein der Umstand, dass in den vom Kläger vorgelegten Attesten der Psychiatrischen Institutsambulanz B. vom August 2015 und Oktober 2015 die Leistungsfähigkeit des Klägers mit unter sechs Stunden beurteilt wird, zwingt nicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens. Dies ist noch nicht einmal bei in der Beurteilung des Leistungsvermögens sich widersprechenden Gutachten zwingend erforderlich (BSG, Beschluss vom 26.06.2001, B 2 U 83/01 B). Insbesondere sieht das SGG - wie die übrigen Prozessordnungen - keinen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" vor (BSG, Beschluss vom 23.05.2006, B 13 RJ 272/05 B m.w.N.). Vielmehr ist das Gericht in der Würdigung der Sachverständigengutachten grundsätzlich frei und es kann deshalb auch ohne Einholung weiterer Gutachten von einem bereits eingeholten Gutachten abweichen (BSG, Beschluss vom 26.06.2001, B 2 U 83/01 B, auch zum Nachfolgenden). Ein - neues - Gutachten ist somit nur dann einzuholen, wenn das Gericht sich auf Grund der schon vorliegenden - prozessrechtlich verwertbaren - Gutachten keine hinreichend sichere Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt bilden kann und die Einholung eines Gutachten insoweit erfolgversprechend ist (BSG, a.a.O.). Ersteres ist aber vorliegend - wie oben ausgeführt - nicht der Fall. Denn der Senat ist ebenso wie das Sozialgericht auf Grund der Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. , Dr. T. und Dr. G. davon überzeugt, dass der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten und die Tätigkeit als Elektroinstallateur bzw. Registrator verrichten kann. Zweifel an dieser Leistungsbeurteilung ergeben sich auch nicht aus dem zuletzt vorgelegten Attest der Psychiatrischen Institutsambulanz B. vom Oktober 2015, nachdem hierin - wie schon in dem in Bezug genommenen Attest vom August 2015 - kein neuer Befund, sondern lediglich eine unveränderte psychische Situation des Klägers mitgeteilt wird. Die hierin vorgenommene Leistungsbeurteilung kann aus den bereits genannten Gründen nicht überzeugen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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