L 4 R 1025/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1374/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1025/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. Januar 2012.

Der am 1959 geborene Kläger polnischer Staatsangehörigkeit zog Ende 1986 in die Bundesrepublik Deutschland. In Polen schloss er eine dreijährige Ausbildung im Fachbereich "Schiffsrumpfmonteur" ab und war zunächst in diesem Beruf in Polen, zuletzt vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am 23. November 1986 als Instandsetzung-Schlosser tätig. Seither war er unterbrochen von Arbeitslosigkeit u.a. als Maschinenführer und Mechaniker sowie zuletzt als Fliesenlegerhelfer (4. Oktober bis 27. Dezember 1999) versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist der Kläger arbeitslos bzw. arbeitsunfähig krank; derzeit bezieht er Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Das Landratsamt Heilbronn stellte beim Kläger ab 11. Januar 2012 einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie das Merkzeichen G fest.

Der Kläger beantragte bereits im Juni 2006 und Dezember 2007 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, die die Beklagte mit bestandskräftigen Bescheiden vom 20. Juli 2006 und 20. Dezember 2007 ablehnte.

Unter dem 30. Mai 2009 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung führte er aus, seit Juli 2000 an einer koronaren Herzerkrankung zu leiden. Damals habe er einen Vorderwandherzinfarkt erlitten, anschließend im Oktober 2000, März 2005, November 2006, Juni 2007 und August 2008 weitere Infarkte. Die Beklagte ließ den Kläger nach Beiziehung der vorhandenen ärztlichen Unterlagen durch Internisten Dr. B. untersuchen und begutachten. In seinem Gutachten vom 10. August 2009 stellte dieser eine koronare Drei-Gefäß-Erkrankung mit fünf Herzinfarkten seit 2000, mehrfacher PTCA/Stent-Implantation und stabiler Situation bei mittelgradig geminderter Pumpfunktion, einen medikamentös einstellbaren Diabetes mellitus Typ II b, eine medikamentös kompensierte Refluxkrankheit der Speiseröhre, intermittierende Gelenkbeschwerden und belastungsabhängige Lendenwirbelsäulenbeschwerden fest. Dr. B. gelangte zu dem Ergebnis, der Kläger könne seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Fliesenleger nur noch unter drei Stunden täglich ausüben, leichte, rückengerechte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien ihm hingegen noch mindestens sechs Stunden täglich möglich. Mit Bescheid vom 18. August 2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Den Widerspruch des Klägers wies der bei ihr gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2010 nach Beiziehung von Befundberichten des Internisten Dr. Mü. sowie eine ergänzende Stellungnahme des Dr. B. vom 2. Dezember 2009, der die Leistungsbeurteilung in seinem Gutachten bestätigte, zurück, da die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt seien.

Auf Grund der anschließend beim Sozialgericht Heilbronn (SG) im Januar 2010 erhobenen Klage (S 3 R 247/10) holte das SG nach Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte ein internistisches Sachverständigengutachten bei Dr. S. ein. In seinem Gutachten vom 16. Oktober 2010 gelangte Dr. S. zu der Einschätzung, der Kläger könne bei Vorliegen einer koronaren Gefäßerkrankung, Hypertonie, Überhöhungen für Cholesterin, Triglyzeride und Harnsäure im Blutserum sowie eines Diabetes mellitus Typ II noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich verrichten; die Arbeit als Fliesenleger sei nur noch unter drei Stunden täglich möglich. Bei einer ergospirometrischen Untersuchung habe der Kläger bis 105 Watt belastet werden können, ohne dass die kardiopulmonalen Leistungsreserven erschöpft worden seien. Unter Einbeziehung der fehlenden Pumpleistung des im Rahmen der Herzinfarktbildung untergegangen und somit narbigen Gewebes bestehe eine leichte bis mittelgradige Einschränkung der Pumpfunktion. Weitere Einschränkungen ergäben sich aus dem bestehenden metabolischen Syndrom, welches das Risiko für koronare Herzkrankheit und Schlaganfall erhöhe, nicht. Mit Gerichtsbescheid vom 13. April 2011 wie das SG sodann die Klage unter Berufung auf die Gutachten des Dr. B. und des Dr. S. sowie die Aussagen der behandelnden Kardiologen des Klägers ab.

Hiergegen legte der Kläger im Mai 2011 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg ein (L 11 R 1986/11). Wegen des Hinweises des Klägers auf das Vorliegen einer psychischen Erkrankung veranlasste der damals zuständige Senat die Untersuchung und Begutachtung des Klägers im neurologisch-psychiatrischen Bereich. Nervenfacharzt Dr. Sc. legte in seinem Gutachten vom 28. November 2011 dar, auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet könnten keine belangvollen Gesundheitsstörungen und demzufolge keine Leistungseinschränkungen festgestellt werden. Insbesondere finde sich keine verwertbare depressive Symptomatik, sondern eher ein dysphorischer Verstimmungszustand. Kardiologe Prof. Dr. H. führte zur stationären Behandlung des Klägers im Zeitraum vom 13. bis 21. Dezember 2011 aus (Auskunft vom 7. Februar 2012), es bestehe ein Progress der koronaren Herzkrankheit. Der Kläger habe bereits am Aufnahmetag und im weiteren Verlauf keine Angina-Pectoris-Symptomatik mehr geboten, eine zwischenzeitliche kardiale Dekompensation habe erfolgreich behandelt werden können. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem damals zuständigen Senat schlossen die Beteiligten am 22. Januar 2013 einen Vergleich, in dem der Kläger die Berufung zurücknahm und die Beklagte sich bereit erklärte, für die Zeit ab 1. Januar 2012 erneut zu prüfen, ob ein Anspruch des Klägers auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bestehe.

Zuletzt beantragte der Kläger erneut am 18. Februar 2013 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ den Kläger erneut von Dr. B. untersuchen und begutachten. In seinem Gutachten vom 13. März 2013 führte dieser aus, der Kläger leide an einer koronaren Drei-Gefäß-Erkrankung (mehrere Infarkte, mehrfach perkutane transluminale koronare Angioplastie [PTCA] und Stent, zuletzt im Dezember 2011) bei mittelgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion, einem ordentlich eingestellten Diabetes mellitus Typ II b bei androider Adipositas und behandelter Hyptertonie, einer medikamentös kompensierten Refluxkrankheit der Speiseröhre. Seit Dezember 2011 seien keine kardialen Ereignisse mehr aufgetreten. Ein Belastungs-EKG habe ohne Ischämie-Zeichen bis 100 Watt durchgeführt werden können. Damals sei auch ein entgleister Diabetes im Krankenhaus festgestellt worden. Unter einer Kombinationsbehandlung aus intensiver Insulin-Therapie und niedrig dosiertem Metformin stelle sich der Diabetes seitdem ordentlich eingestellt dar. Nachdem bereits vor Jahren eine rheumatologische Erkrankung vom Facharzt ausgeschlossen worden sei, gebe es weiterhin kein fassbares Krankheitssubstrat diesbezüglich. Bei der körperlichen Untersuchung sei keine Beweglichkeitseinschränkung aufgefallen. Zusammenfassend werde festgestellt, dass sich weder im Vergleich zu August 2009 noch zu den sozialgerichtlichen Gutachtensaussagen aus den Jahren 2010 und 2011 noch zum Status von Dezember 2011 (letzter Krankenhausaufenthalt) eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes und der Leistungsfähigkeit des Klägers objektivieren lasse. Der Kläger könne leichte körperliche Arbeiten, überwiegend im Stehen oder Gehen und ständig im Sitzen sechs Stunden und mehr ausüben.

Mit Bescheid vom 22. März 2013 lehnte die Beklagte daraufhin in Ausführung des gerichtlichen Vergleichs vom 22. Januar 2013 den Rentenantrag des Klägers ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung einer erneuten Stellungnahme des Dr. B. vom 23. April 2013 mit Widerspruchsbescheid des bei ihr gebildeten Widerspruchsausschusses vom 14. März 2014 zurück. Dem Kläger seien noch leichte Tätigkeiten überwiegend im Stehen und Gehen, ständig im Sitzen, in Tagesschicht, in Frühschicht/Spätschicht sowie in Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Aufgrund der zuletzt ausgeübten Beschäftigung als Fliesenleger gehöre der Kläger zum Kreis der ungelernten Arbeiter und könne auf alle gesundheitlich zumutbaren ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden.

Hiergegen erhob der Kläger am 16. April 2014 Klage zum SG. Nicht nachvollziehbar sei, dass die Beklagte seit seinem letzten Antrag auf Erwerbsminderungsrente keine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes erkannt habe. Eine Besserung desselben sei nicht zu erwarten. Auch fühle er sich durch die Bezeichnung "ungelernter Arbeiter" persönlich diffamiert und diskriminiert; schließlich sei er als gelernter technischer Mechaniker auch in diesem Beruf in Deutschland tätig gewesen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies zur Begründung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid sowie eine beratungsärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Urologie Dr. W.-Hi. vom 11. September 2014. Unter Berücksichtigung sämtlicher vorgelegter medizinischer Unterlagen sowie der Auskunft der sachverständigen Zeugen spreche nichts gegen das Vorliegen eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens für leichte körperliche Tätigkeiten. Die bekannten qualitativen Einschränkungen ergäben sich aus der kardiologischen Erkrankung.

Das SG befragte die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Facharzt für Allgemeinmedizin Wy. legte dar (Auskunft vom 27. Juli 2014), der Kläger sei sehr schlecht, auf Grund seiner kardiologischen Erkrankungen maximal vier bis sechs Stunden pro Tag belastbar. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, in seinem zuletzt ausgeübten Beruf tätig zu werden. Lediglich leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne längere Strecken zu Fuß, seien von ihm noch zu bewältigen. Strecken in Ebene bis 200 Meter oder zwei Stockwerke lösten Luftnot und ein Engegefühl in der Brust, starke Müdigkeit und Schwitzen aus. Dr. Mü. teilte mit (Auskunft vom 31. Juli 2014), den Kläger zuletzt im März 2013 untersucht zu haben. Eine aktuelle Einschätzung über das Leistungsvermögen des Klägers könne er daher nicht abgeben. Diabetologe Mö. legte unter dem 4. August 2014 dar, aus seiner fachspezifischen Sicht sei der Kläger vollschichtig leistungsfähig. Hinsichtlich der fachfremden Diagnosen, insbesondere der kardiologischen Erkrankung des Klägers, sei ihm eine Einschätzung nicht möglich.

Vom 5. bis 7. November 2014 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung. Die anlässlich einer Koronarangiographie festgestellte 90-prozentige Stenose eine Herzarterie konnte mittels eines Stents beseitigt werden (vorläufiger Entlassungsbrief des Prof. Dr. H. vom 7. November 2014).

Das SG beauftragte Dr. S. mit der Erstattung eines fachinternistisch-arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens. In seinem Gutachten vom 2. Dezember 2014 führte er unter Berücksichtigung des vom Kläger vorgelegten vorläufigen Entlassungsbriefs des Prof. Dr. H. vom 7. November 2014 aus, beim Kläger bestehe eine koronare Drei-Gefäß-Erkrankung, eine Hypertonie, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine mäßige Adipositas (somit Vollbild des metabolischen Syndroms), eine Hypercholesterinämie, eine Hypertriglyzeridämie und eine Hyperurikämie. Die Ergospirometrie sei aus nicht-kardialen Gründen bei knapp 90 Watt abgebrochen worden. Die Pumpfunktion der nicht von den Herzinfarkten betroffenen Anteile der Muskulatur der linken Herzkammer sei nicht wesentlich eingeschränkt. Damit sei der Kläger nicht mehr in der Lage, ohne Gefährdung seiner Gesundheit in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Fliesenleger zu arbeiten, auch nicht weniger als drei Stunden. Leichte körperliche Tätigkeiten im Gehen oder Stehen oder Sitzen, in geschlossenen Räumen, bei Anwendung entsprechender Kleidung auch im Freien, seien dem Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich möglich. Vermieden werden sollten mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten, Akkord-, Fließband , Schicht- oder Nachtarbeiten, häufiges Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm, Arbeiten die mit beruflicher Personenbeförderung oder dem Transport gefährlicher Güter (z. B. Piloten, Lokomotivführer, Omnibusfahrer, Lastkraftwagenfahrer) in Zusammenhang stehen, Arbeiten mit Waffengebrach, Überwachungsfunktionen mit alleiniger Verantwortung für das Leben Anderer, Arbeiten mit Absturzgefahr oder anderen gefährlichen Arbeitsplätzen sowie Arbeiten an gefährlichen Maschinen sollten demgegenüber vermieden werden.

Mit Gerichtsbescheid vom 25. Februar 2015 wies das SG die Klage ab. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu, auch nicht bei Berufsunfähigkeit. Der Schwerpunkt der Erkrankung des Klägers liege im kardiologischen Bereich. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. S. im ersten sozialgerichtlichen Verfahren (S 3 R 247/10) im September 2010 sei mit dem Kläger eine Fahrradergometrie durchgeführt worden. Hierbei habe der Kläger bis 75 Watt über einen Zeitraum vom fünf Minuten belastet werden können. Der Abbruch sei auf Grund der Angabe von Ermüdung erfolgt. Herzrhythmusstörungen oder Endstreckenveränderungen seien bis zur Belastungsstufe nicht aufgetreten. Anlässlich der gutachterlichen Untersuchung sei zudem eine Ergospirometrie durchgeführt worden, bei der der Kläger bis 105 Watt habe belastet werden können. Der Brain Natriuretic Peptide (BNP)-Wert als Marker für das Vorliegen einer Herzinsuffizienz habe im Normbereich gelegen. Eine wesentliche Pumpfunktionsstörung sei dementsprechend nicht festzustellen gewesen. Im Vergleich hierzu hätten sich weder aus dem im Verwaltungsverfahren bei Dr. B. (Untersuchung am 13. März 2013) noch aus dem im gerichtlichen Verfahren bei Dr. S. (Untersuchung am 12. November 2014) eingeholten Gutachten Befunde ergeben, die auf eine dauerhafte wesentliche Verschlechterung der Herzerkrankung des Klägers hindeuten würden. Dr. B. habe insbesondere auf eine durch den Hausarzt des Klägers im Februar 2013 durchgeführte Ergometrie hingewiesen, bei der der Kläger vier Minuten lang bis 100 Watt habe belastet werden können. Der Abbruch dieser Ergometrie sei wegen Erschöpfung und Druck in der Brust erfolgt; Ischämiezeichen seien nicht aufgetreten. Im Rahmen eines weiteren Belastungstests bei Dr. Mü. im September 2014 sei eine Belastung bis lediglich 75 Watt möglich gewesen. Hierbei habe die Untersuchung wegen Druckgefühl in der Brust und Atemnot abgebrochen werden müssen. Im Rahmen der weiteren ärztlichen Betreuung sei sodann im November 2014 eine erneute Stentversorgung des Klägers erforderlich geworden. Dieser Eingriff sei komplikationslos verlaufen. Anlässlich der erneuten gutachterlichen Untersuchung durch Dr. S. im "Dezember 2011" (richtig: November 2014) sei wiederum mit dem Kläger eine Ergospirometrie durchgeführt worden. Hierbei sei eine Belastung wieder bis 89 Watt möglich gewesen, Hinweise auf eine Funktionsstörung im Bereich des kardiopulmonalen Systems hätten sich nicht gezeigt. Der BNP-Wert habe ebenfalls wieder im Normbereich gelegen. Der Abbruch sei bei dieser Belastungsstufe wegen Schmerzen im linken Fuß - mithin nicht aus kardialen Gründen - erfolgt. Der abweichenden Ansicht des den Kläger behandelnden Hausarztes Wy., der den Kläger lediglich für in der Lage halte, vier bis sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, könne demgegenüber nicht zugestimmt werden. Befunde, die eine solche zeitlich Leistungseinschränkung begründen würden, seien nicht mitgeteilt worden. Aus den weiteren Gesundheitsstörungen seien keine quantitativen Leistungseinschränkungen abzuleiten. Die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit scheitere daran, dass seine Tätigkeit als angelernter Fliesenleger maßgeblicher Bezugsberuf sei und der Kläger auf Grund dieser Tätigkeit als angelernter Arbeiter einzustufen sei. Zwar habe der Kläger zunächst in Polen den Beruf des technischen Mechanikers erlernt und diesen Beruf auch nach seiner Einreise in die Bundesrepublik zunächst ausgeübt. Zuletzt sei er jedoch als angelernter Fliesenleger tätig gewesen. Anhaltspunkte für eine Loslösung vom erlernten Beruf aus gesundheitlichen Gründen seien weder ersichtlich noch seien diese vorgetragen worden. Damit sei er ohne konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Tätigkeiten dieser Art könne er sechs Stunden und mehr täglich ausüben.

Gegen den dem Kläger am 11. März 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 19. März 2015 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Unter Bezugnahme auf seinen bisherigen Vortrag führt der Kläger aus, auf Grund seiner Herzerkrankung auch in seinem zeitlichen Leistungsvermögen eingeschränkt zu sein. Zuletzt sei im November 2014 eine Herzkathederuntersuchung gemacht und ein Stent eingesetzt worden. Er leide unter Müdigkeit, Druck auf der Brust, Schweißausbrüchen und Atemnot. Auch habe er ein Druckgefühl in den Unterarmen sowie Glieder- und Gelenkschmerzen. Zudem sei ihm seitens des Versorgungsamtes ein GdB von 80 und das Merkzeichen G zuerkannt worden. Für ihn sei auch nicht nachvollziehbar, dass er nun als ungelernter Arbeiter angesehen werde. Er sei gelernter technischer Mechaniker und habe in diesem Beruf in Deutschland auch gearbeitet.

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. Februar 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 22. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen.

Die Berichterstatterin hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 30. September 2015 erörtert. Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch den Senat ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten in den genannten Klageverfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG der Zulassung. Denn der Kläger begehrt Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2014 ist rechtmäßig. Der Kläger hat weder Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung noch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1. Dezember 2012.

a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach diesen Maßstäben steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Kläger in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen beim Kläger zahlreiche gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern seine berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht.

aa) Gesundheitliche Beeinträchtigungen bestehen beim Kläger vor allem im interistischen Bereich. Beim Kläger besteht eine koronare Drei-Gefäß-Erkrankung, eine Hypertonie, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine mäßige Adipositas (somit Vollbild des metabolischen Syndroms), eine Hypercholesterinämie, eine Hypertriglyzeridämie und eine Hyperurikämie. Dies entnimmt der Senat den Gutachten des Dr. B. und Dr. S. sowie den Aussagen der behandelnden Ärzte Dr. Mü., Wy. und Mö. sowie dem vorläufigen Entlassungsbericht des Prof. Dr. H ...

Bei dem Kläger bestand noch 2013 aufgrund der Vernarbungen des Herzmuskels infolge der Infarkte eine mittelgradige Einschränkung der Pumpfunktion. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. S. vom 16. Oktober 2010 und den Aussagen der behandelnden Kardiologen Prof. Dr. H. und Dr. Mü. sowie dem Gutachten des Dr. B. vom 13. März 2013. Bei der 2010 durchgeführten Ergospirometrie konnte der Kläger bis 105 Watt belastet werden, wobei Blutdruck und Sauerstoffsättigung (96 bis 98%) normal blieben und auch die anaerobe Schwelle nicht überschritten wurde. Letzteres ist bedeutend, da der Übergang vom aeroben zum anaeroben Stoffwechsel anzeigt, dass die zugeführte Sauerstoffmenge nicht mehr ausreicht, um die benötigte Energie zu erzeugen, so dass der Körper die anaeroben Reserven aus der Muskulatur aktiviert. Dr. S. führte hierzu in seinem Gutachten vom 16. Oktober 2010 nachvollziehbar und überzeugend aus, dass Leistungen oberhalb der anaeroben Schwelle nur kurzzeitig fortgesetzt werden können, wogegen Leistungen, die noch im Bereich der aeroben Stoffwechselsituation erbracht werden, aus sozialmedizinischer Sicht auch über einen vollen Arbeitstag erbringbar sind. Leichte körperliche Tätigkeiten entsprechen einer Dauerbelastbarkeit von ca. 50 Watt, so dass nach den Ergebnissen der Ergospirometrie keine Zweifel an einer entsprechenden Belastbarkeit des Klägers bestanden. Hinzu kommt, dass die Analyse der Laborwerte bei Dr. S. einen BNP-Spiegel, der als molekularer Marker einer Herzinsuffizienz gilt, im Normbereich mit 68,8 pg/ml ergab, wobei der Grenzwert für Herzinsuffizienz 100 pg/ml beträgt. Damit konnte nach den insoweit schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Dr. S. eine wesentliche Pumpfunktionsstörung zum Untersuchungszeitpunkt ausgeschlossen werden. Bei einem Belastungs-EKG am 2. August 2011 konnte der Kläger bis 125 Watt belastet werden, es ergab sich in der Ergometrie kein Anhalt für eine Progression der koronaren Herzkrankheit (Arztbrief Dr. Mü. vom 2. August 2011). Im Dezember 2011 musste der Kläger wegen leichter kardialer Dekompensation stationär behandelt werden, nachdem er wegen einem geplanten zahnärztlichen Eingriff seit zwei bis drei Wochen kein Clopidogrel eingenommen hatte. Es erfolgte im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung eine Aufdehnung einer Einengung einer Herzkranzarterie (80%ige RCX-Stenose) und Versorgung mit einem Stent. Dabei trat schon am Aufnahmetag und im weiteren Verlauf keine Angina-pectoris-Symptomatik mehr auf, wie der schriftlichen Aussage von Prof. Dr. H. vom 7. Februar 2012 zu entnehmen ist. Gegenüber den internistischen Begutachtungen aus den Jahren 2009 und 2010 ist eine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers nicht eingetreten, wie sich sowohl aus der Aussage des Hausarztes Wy. vom 7. September 2011 als auch aus dem Gutachten des Dr. B. vom 13. März 2013 ergibt. Auch in der Folgezeit war die koronare Herzkrankheit nach erfolgreicher Behandlung der leichten Dekompensation im Dezember 2011 weitgehend stabil, wie sich aus den Berichten über die kardiologischen Kontrollen aus dem Jahr 2012 ergibt.

Auch im weiteren Verlauf kam es nicht zu einer dauerhaften Verschlechterung der Herzerkrankung. Nachdem der Kläger zuletzt entsprechend dem Arztbericht des Dr. Mü. vom 18. September 2014 seit ca. Juni 2014 bei Belastungen unter einem zunehmenden Druckgefühl im Brustbereich geklagt hatte, wurde am 6. November 2014 eine erneute Koronarangiographie durchgeführt und eine Verengung von 90 % auf 0 % aufgedehnt und mit einem Stent versorgt (vgl. vorläufiger Entlassungsbericht des Prof. Dr. H. vom 7. November 2014). Im Rahmen der Herzkatheteruntersuchung wurde ein großes Vorderwand-Spitzenaneurysma festgestellt. Im Rahmen der durch Dr. S. anlässlich seines Gutachtens vom 2. Dezember 2014 vorgenommenen Bestimmung des hochspezifischen Pumpfunktionsparameters BNP wurde ein Normalwert festgestellt. Somit ist die Pumpfunktion der nicht von den Herzinfarkten betroffenen Anteile der Muskulatur der linken Herzkammer nunmehr nicht wesentlich eingeschränkt. Auch im Rahmen der Ergospirometrie bei Dr. v. Bo., die aus nichtkardialen Gründen im Belastungsbereich knapp 90 Watt abgebrochen wurde, ergaben sich keine Hinweise auf eine Funktionsstörung im Bereich des kardiopulmonalen Systems bis zu dem oben genannten Leistungsbereich. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. S. vom 2. Dezember 2014.

Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet konnte der gerichtliche Sachverständige Dr. Sc. im früheren Berufungsverfahren ausschließen, insbesondere besteht keine depressive Erkrankung. Soweit der vom Kläger aufgesuchte Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Eh. die Diagnose einer depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode gestellt hatte (Arztbrief vom 30. September 2011), ließ sich diese Diagnose bei der Begutachtung durch Dr. Sc. nicht verifizieren. Beschwerden dieser Art wurden vom Kläger im vorliegenden Berufungsverfahren auch nicht mehr geltend gemacht.

Auf orthopädischem Gebiet liegt eine belastungsabhängige LWS-Symptomatik vor, die der Kläger selbst nicht als gravierend ansieht und die auch keiner fachorthopädischen Behandlung bedarf. Dies ergibt sich neben den Berichten des Hausarztes Wy. auch aus dem Gutachten von Dr Sc., der neurologisch segmentale Reiz- oder Ausfallerscheinungen ausgeschlossen hat.

bb) Aus den beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Ansicht des Senats qualitative Leistungseinschränkungen. Der Senat stützt sich auch insoweit auf die Gutachten des Dr. B., Dr. S. und Dr. Sc ...

Aufgrund der vorhandenen Gesundheitsstörungen sollte der Kläger mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten, Akkord-, Fließband-, Schicht- oder Nachtarbeiten, häufiges Heben und Tragen von Lasten über zehn Kilogramm, Arbeiten die mit beruflicher Personenbeförderung oder dem Transport gefährlicher Güter (z. B. Piloten, Lokomotivführer, Omnibusfahrer, Lastkraftwagenfahrer) in Zusammenhang stehen, Arbeiten mit Waffengebrach, Überwachungsfunktionen mit alleiniger Verantwortung für das Leben Anderer, Arbeiten mit Absturzgefahr oder anderen gefährlichen Arbeitsplätzen sowie Arbeiten an gefährlichen Maschinen vermeiden. Tätigkeiten in Kälte, Hitze oder mit starken Temperaturschwankungen sind dem Kläger ebenfalls nicht mehr möglich.

cc) Die beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen führen jedoch nicht zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß; der Kläger ist weiterhin in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auch insoweit auf die Gutachten des Dr. B., Dr. S. und Dr. Sc. sowie die Aussage des sachverständigen Zeugen Mö ...

dd) Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeits-marktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, er also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 13 R 78/09 R -; in juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.

Eine konkrete Verweisungstätigkeit müsste dem Kläger nur benannt werden, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG a.a.O., Rn. 33). In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist nicht der Fall. Bei dem Kläger liegen zwar mehrere qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Wegen der damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren sollte etwa jegliche Belastung durch Heben, Tragen oder Bewegen von schwereren Lasten von vornherein vermieden oder zumindest stark eingeschränkt sein. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -, in juris, R. 28, m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei dem Kläger auch nur ansatzweise vorhanden.

ee) Bei folglich weiterhin erhaltener Erwerbsfähigkeit ist der Arbeitsmarkt für den Kläger aber auch nicht aus anderen Gründen verschlossen. Weder fehlt es dem Kläger an der erforderlichen Wegefähigkeit, noch bedarf er unüblicher Arbeitsbedingungen. Auch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liegt nicht vor.

(1) Der Senat vermochte sich von einer rentenrelevanten Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers nicht zu überzeugen. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit zwar auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 m zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 1988 - 5/4a RJ 57/87 -, in juris, Rn 13 ff). Wegefähigkeit setzt darüber hinausgehend auch voraus, dass solche Wege in noch zumutbarer Zeit bewältigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 -, in juris, Rn. 20). Das BSG hat hierzu ausgeführt, dass für die Beurteilung dieses Zeitfaktors ein generalisierender Maßstab anzuwenden ist. Dabei kann von dem nach der Rechtsprechung des BSG zum Schwerbehindertenrecht noch üblichen Zeitaufwand von 30 Minuten für zwei Kilometer ausgegangen werden, der bereits kurze Wartezeiten und Zeiten des Herumstehens einbezieht. Umgerechnet auf 500 m ergibt sich so eine normale Gehzeit von 7,5 Minuten. Der Bereich des zumutbaren wird dann verlassen, wenn der Gehbehinderte für 500 m mehr als das Doppelte dieser Zeit, also etwa 20 Minuten benötigt (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, a.a.O.; zum Ganzen siehe auch BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 21/10 R - in juris, Rn. 20 ff und Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R -, in juris, Rn. 18 ff).

Anhand dieses Maßstabs lässt sich für den Kläger eine Einschränkung der Wegefähigkeit nicht herleiten. Zwar hat der Hausarzt Wy. mitgeteilt, der Kläger berichte über Luftnot nach 300 m Gehen in der Ebene. Bei der zuletzt durchgeführten Ergospirometrie bei Dr. v. Bo. im November 2014 hatte der Kläger indes bereits nach sechs Minuten 250 m zurückgelegt und brach die Untersuchung lediglich wegen Schmerzen am linken Fuß ab. Diese kamen weder vor noch nach der Untersuchung jemals wieder zur Sprache, weshalb der der Senat insoweit nicht von einer dauerhaften Leistungseinschränkung ausgeht. Der Senat hat daher keine Zweifel, dass der Kläger noch in der Lage ist, 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Auch folgt dies für den Senat aus den Gutachten des Dr. S. sowie den Auskünften der sachverständigen Zeugen Dr. Mü. und Mö ...

Eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit lässt sich auch nicht aus dem Umstand ableiten, dass dem Kläger das Merkzeichen "G" zuerkannt ist. Dieser Zuerkennung aufgrund der im Schwerbehindertenrecht angewandten Maßstäbe ist für die Beurteilung der Wegefähigkeit im Rentenrecht nicht bindend (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2006 - B 13 R 27/06 R - in juris, Rn. 23).

(2) Im Falle des Klägers resultiert ein Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung auch nicht daraus, dass er wegen der Gesundheitsstörungen betriebsunübliche Arbeitsbedingungen einhalten muss, denn solche werden hierdurch nicht vorgegeben.

(3) Schließlich liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Zwar liegen bei dem Kläger auf nervenärztlichem, orthopädischem und internistischem Fachgebiet unterschiedliche qualitative Leistungseinschränkungen vor. Diese ergeben jedoch in ihrer Gesamtschau kein unerfüllbares Tätigkeitsbild, sondern vielmehr insgesamt das typische Bild einer in jeder Hinsicht leichten Tätigkeit, die überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltung zu verrichten ist. Der Große Senat des BSG hat hierzu ausdrücklich entschieden, dass für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit die konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten auch dann nicht erforderlich ist, wenn der Versicherte körperlich leichte Tätigkeiten vollschichtig nur mit weiteren Einschränkungen verrichten kann, soweit diese nicht als ungewöhnliche Einschränkung zu bezeichnen sind (BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - in juris, Rn. 34). Ungewöhnliche Leistungseinschränkungen sind bei dem Kläger jedoch nicht gegeben.

ff) Aus der Anerkennung eines Grades der Behinderung von 80 folgt ebenfalls nicht, dass der Kläger erwerbsgemindert wäre. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechsel-wirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 SB 5/01 B -, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 5b BJ 156/87 -, in juris, Rn. 3). Für die Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI sind die Erwerbsmöglichkeiten des Betroffenen maßgeblich, während § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14. Januar 2015 geltenden Fassung und § 159 Abs. 7 SGB IX in der seit dem 15. Januar 2015 geltenden Fassung (geändert durch Art. 1a des Gesetzes vom 7. Januar 2015, BGBl. II, S. 15) auf die abstrakten Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) verweist (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 SB 5/01 B -, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 5b BJ 156/87 -, in juris, Rn. 3).

b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Re-gelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 RV-Altergrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderer Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (z. B. BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 - in juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 34/97 R - in juris Rn. 13; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 19/04 R - in juris, Rn. 15). Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 - in juris, Rn. 17; Urteil vom 25. Juli 2001 - B 8 KN 14/00 R - in juris, Rn. 15) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem so genannten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Innerhalb der Gruppe der angelernten Arbeiter differenziert das BSG nochmals hinsichtlich der Versicherten, die der oberen und unteren Gruppe der Angelernten angehören. Dem unteren Bereich sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 - in juris, Rn. 20). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an. Eine Verweisung kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R - in juris, Rn. 33).

Nach diesem Schema ist der Kläger als Ungelernter einzustufen. Er hat zwar in Polen den Beruf des Schiffsrumpfmonteurs erlernt und auch als Monteur gearbeitet. Von diesem Beruf hat sich der Kläger jedoch gelöst, ohne dass hierfür gesundheitliche Gründe maßgebend waren, so dass der erlernte Beruf nicht mehr der "bisherige Beruf" i.S.d. § 240 Abs. 2 SGB VI ist. Eine Lösung von einem Beruf liegt vor, wenn der Versicherte nicht nur vorübergehend eine andere (geringerwertige) Tätigkeit aufnimmt und die Aufgabe der höherwertigen Tätigkeit vom Willen des Versicherten getragen ist (BSG, Urteil vom 25. April 1978 - 5 RKn 9/77 - in juris, Rn. 14; BSG, Urteil vom 30. Oktober 1985 - 4a RJ 53/84 - in juris, Rn. 14). Aufgrund seiner Arbeitslosigkeit hat der Kläger sich ab 1989 anderen Tätigkeiten zugewandt und sich damit abgefunden, als Maschinenführer, Mechaniker und zuletzt Fliesenleger-Helfer zu arbeiten.

Damit kann der Kläger grundsätzlich auf alle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (z.B. BSG, Urteil vom 14. September 1995 - 5 RJ 50/94 - in juris, Rn. 18; Urteil des Senats vom 23. Januar 2015 - L 4 R 5008/13 - nicht veröffentlicht).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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