L 3 AS 3218/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 AS 2902/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3218/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag, den Klägern für das Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A., B., zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe:

( I )

Die Kläger begehren die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.11.2013 - 30.4.2014.

Die im Jahr 1971 geborene Klägerin zu 1) stand ab dem 1.4.2006 beim Beklagten, zunächst als Alleinstehende, nach der Geburt ihrer drei Kinder, den Klägern zu 2) - zu 4) in den Jahren 2007 und 2008, als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Nachdem sie zunächst in der C.-D.-Str. 38/1, E., wohnhaft war, verzog sie im Juni 2008 in die F.-G.-Str. 20, E ... Der mietvertraglich geschuldete Mietzins belief sich auf monatlich 550,- EUR zzgl. 211,- EUR Betriebskostenvorauszahlung. Während des bis zum 30.4.2013 andauernden Leistungsbezuges der Kläger kam es zu mannigfachen Differenzen zwischen den Beteiligen um die Höhe der zu gewährenden Leistungen. Nachdem im Januar 2013 anlässlich eines Erörterungstermins vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) im Verfahren S 22 AS 6767/12 ER der Ehegatte der Vermieterin der Liegenschaft in der F.-G.-Str. 20, Hr. H. I., geschildert hatte, dass der Vater der Kläger zu 2) - zu 4), der im Jahr 1943 geborene J. K. L. (H.) ihm gegenüber angegeben habe, das Haus für sich und seine Familie anmieten zu wollen, die Mietzinszahlungen von Konten des H. geleistet werden und er, der Zeuge, die Kläger und H. als "normale Familie" erlebt habe, lehnte der Beklagte die am 3.4.2014 beantragte weitere Leistungsgewährung an die Bedarfsgemeinschaft ab dem 1.5.2013, nachdem er H zuvor, vor dem Hintergrund, dass dieser jedenfalls über zwölf auf ihn laufende Konten verfügt, ergebnislos nach dessen Einkünften und Vermögenswerten befragte hatte, unter der Begründung der fehlenden Hilfebedürftigkeit mit Bescheid vom 27.9.2013 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.4.2013 zurück. Auch eine gerichtliche Überprüfung führte für die Kläger nicht zum Erfolg (Urteil des SG vom 18.5.2015 - S 22 AS 2624/14 -, Beschluss des erkennenden Senats vom 15.1.2016 - L 3 AS 2751/15 -).

Einen Antrag der Kläger vom 24.9.2013, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von November 2013 - April 2014 zu bewilligen, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27.9.2013 unter der Begründung, die für die Leistungsgewährung erforderliche Hilfebedürftigkeit sei nicht nachgewiesen, ab. Nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 17.4.2014) haben die Kläger am 19.5.2014 Klage zum SG (S 22 AS 2902/14) erhoben. Zuvor hatten sie bereits am 12.11.2013, am 4.12.2013 und am 26.3.2014 insg. vier Klagen (S 22 AS 6376/13, S 22 AS 6815/13, S 22 AS 6816/13 und S 22 AS 2001/14) erhoben, mit denen sie Leistungen für November 2013 (2x), für Dezember 2013 und für die Zeit von Januar - März 2014 geltend gemacht haben.

Mit Beschluss vom 8.4.2015 hat das SG die Verfahren S 22 AS 2902/14, S 22 AS 6376/13, S 22 AS 6816/13 und S 22 AS 2001/14 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung im Verfahren S 22 AS 2902/14 verbunden.

Die Kläger haben zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht, sie seien hilfebedürftig, da sie ihren Lebensunterhalt aus den Erwerbseinkünften der Klägerin zu 1) und dem Kindergeld nicht deckten könnten. Sie, die Kläger, lebten gemeinsam in einer 4-Zimmer-Wohnung, für die Miete zu entrichten sei, die sich seit dem 1.10.2013 auf 764,50 EUR monatlich nebst einer Betriebskostenvorauszahlung i.H.v. 211,- EUR belaufe, woraus sich ein Leistungsanspruch i.H.v. 1.275,46 EUR monatlich errechne. Die Klägerin zu 1) habe überdies einen Anspruch auf Bewilligung eines Mehrbedarfs für Alleinerziehung.

Der Beklagte ist den Klagen entgegen getreten.

Mit Urteil vom 23.6.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 27.9.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.4.2014 sei rechtmäßig und verletzte die Kläger nicht in ihren Rechten. Ein Anspruch auf die begehrten Leistungen nach dem SGB II bestehe nicht. H. lebe mit den Klägern in einem Haushalt und rechne zur klägerischen Bedarfsgemeinschaft, weswegen sein Einkommen und Vermögen bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen sei. Da H. jedoch seine finanziellen Verhältnisse nicht offen gelegt habe, sei die Hilfebedürftigkeit der klägerischen Bedarfsgemeinschaft nicht nachgewiesen.

Gegen das der Klägerin zu 1 am 27.6.2015 zugestellte Urteil hat der gesetzliche Vertreter der Kläger zu 2) - zu 3) am 22.7.2015 Berufung eingelegt, die von der Klägerin zu 1) unter dem 24.8.2015 verfahrensübergreifend sinngemäß genehmigt wurde. Eine inhaltliche Begründung haben die Kläger nicht vorgelegt.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juni 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2014 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung sowie eines Mehrbedarfes für Alleinerziehende für den Zeitraum vom 1.11.2013 - 30.4.2014 zu zahlen und die Forderung jeweils ab dem 1. des jeweiligen Monats mit 4,2 % zu verzinsen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 19.11.2015 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden. Den Beteiligten wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu bis zum 21.12.2015 zu äußern.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten geführten Leistungsakten verwiesen.

( II )

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.

Der Senat konnte die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden nicht vorgebracht und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich. Auch der vom gesetzlichen Vertreter zuletzt verfahrensübergreifend gestellte Antrag, ihm Akteneinsicht zu gewähren, steht einer Entscheidung nicht entgegen. Der gesetzliche Vertreter wurde mit Schreiben vom 17.12.2015, ihm am 19.12.2015 zugestellt, darauf hingewiesen, dass Akteneinsicht in den Räumlichkeiten des Landessozialgerichts nach vorheriger Terminabsprache genommen werden kann. Nachdem der Bevollmächtigte hierauf nicht mehr reagiert hat, ist der Senat nach einem Zeitraum von 3 ½ Wochen nicht daran gehindert, über die Berufung zu entscheiden, da dem Anspruch auf rechtliches Gehör genügt ist, wenn dem Beteiligten Gelegenheit eingeräumt wird, sich unter Ausschöpfung der prozessualen Möglichkeiten rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 28.1.1993 - 2 BU 131/92 - veröffentlicht in juris).

Die Berufung führt für die Kläger nicht zum Erfolg, da im streitbefangenen Zeitraum vom 1.11.2013 - 30.4.2014 kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II besteht. Der angefochtene Bescheid vom 27.9.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.4.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Nach § 7 Abs. 1 SGB II in der Fassung der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl. I S. 850) erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Leistungen. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Hierbei sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c) SGB II eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird nach § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr. 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr. 4).

Der Senat sieht angesichts der zahlreichen Hinweistatsachen keinen Anlass, die Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft der Klägerin zu 1) mit H in Frage zu stellen. Insoweit wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil verwiesen und die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass in Ansehung der vorliegenden Indizien für den Senat nicht in Zweifel steht, dass die Klägerin zu 1) und H. zusammengewohnt haben und - ungeachtet der von H. angegebenen und im Rubrum berücksichtigten Meldeadresse - unverändert zusammenwohnen. Über die bereits vom SG angeführten Indizien sieht der Senat weitere, für ein Zusammenleben sprechende Indizien. So wurde seitens der Fa. Zentrale Entrümpelungen auf eine telefonische Anfrage des Beklagten vom 23.10.2008 mitgeteilt, dass bereits anlässlich der Durchführung des Umzugs der Klägerin zu 1) - zu 3) von der C.-D.-Str. 1, E., in die F.-G.-Str. 20, E., im Juni 2008 u.a. auch Kleider des H. mittransportiert worden seien. Der Einzug des H. in die F.-G.-Str. 20 wird auch dadurch bestätigt, dass die dem H. bis dato vom Landratsamt E. gewährten Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch mit Wirkung zum 1.6.2008 wegen des Umzugs eingestellt wurden und, wie aus dem Aktenvermerk über einen Hausbesuch am 5.11.2008 ersichtlich ist, die Doppelhaushälfte in der F.-G.-Str. 20 auch mit einem, den Namen des H. versehenen Briefkasten ausgestattet war. Wenn sodann seitens des H. in einem Schreiben vom 5.7.2010 ausgeführt wird, dass ein Wasserschaden in der Liegenschaft F.-G.-Str. 20 nicht "von mir, noch von einem Mitglied" seiner "Familie" verursacht worden sei, wird hieraus unzweifelhaft deutlich, dass H. mit den Klägern in der Wohnung gelebt hat. Dass die Klägerin zu 1 und H. auch nach dem Umzug in die F.-G.-Str. 5 zusammengewohnt haben, wird durch die vom SG angeführten Umstände der Kontaktaufnahme zum Vermieter, des Abschlusses des Mietvertrages und der Aussagen des Hr. I. umfassend und zutreffend ausgeführt. Ferner hat der Rechtsanwalt des ehemaligen Vermieters gegenüber dem Beklagten in einer schriftlichen Mitteilung vom 18.11.2014 dargelegt, dass er im Hinblick auf eine gerichtliche Auseinandersetzung der Mietvertragsparteien beim Umzug am 14.11.2014 zugegen gewesen sei und gesehen habe, dass H. bei der Durchführung des Umzugs geholfen habe und auch ihm gehörende Einrichtungsgegenstände mittransportiert worden seien. Schließlich hat auch Hr. Slavoudis vom Jugendamt E. anlässlich einer telefonischen Unterredung vom 14.10.2014 geäußert, dass er wegen der durchgängigen telefonischen Erreichbarkeit des H. unter dem in der F.-G.-Str. 5 eingerichteten Anschluss den Verdacht habe, dass H. durchgängig und nicht nur sporadisch dort sei.

In Zusammenschau der vorliegenden Indizien, die das Bestehen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft belegen, und des Umstandes, dass das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft während der gesamten rechtlichen Auseinandersetzungen der Kläger und H. mit dem Beklagten durchgängig nur pauschal negiert wurde und wird, sowie des Umstandes, dass die Klägerin zu 1) und H. mit den gemeinsamen Kindern, den Klägern zu 2) bis zu 4) zusammenleben (vgl. § 7 Abs. 3a Nr.2 SGB II) ist der Senat davon überzeugt, dass H. nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c), Abs. 3a SGB II zur Bedarfsgemeinschaft der Kläger rechnet (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.4.2015 - L 7 AS 1487/15 -). Dies ist zwar kein Ausschlussgrund für einen Anspruch der Kläger auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, jedoch ist gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II für die Frage der Hilfebedürftigkeit der Kläger auch Einkommen und Vermögen des H. zu berücksichtigen. Da dieses unbekannt ist, ist die erforderliche Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen. Dies geht zu Lasten der, einen höheren Anspruch begehrenden Kläger.

Mithin besteht in der streitbefangenen Zeit vom 1.11.2013 - 30.4.2014 kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Ein Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung besteht dem folgend gleichfalls nicht. Schließlich scheidet auch eine Verzinsung aus.

Die Berufung ist hiernach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Berufung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ff. Zivilprozessordnung). Dies konnte vorliegend im Rahmen der Entscheidung in der Hauptsache erfolgen, da nicht ersichtlich ist, dass bei einer zeitlich vorgelagerten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu bejahen gewesen wäre (vgl. BSG, Beschluss vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B - veröffentlicht in juris).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Rechtskraft
Aus
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