L 3 AS 3266/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 AS 3557/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3266/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag, den Klägern für das Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A., B., zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe:

( I )

Die Kläger begehren die Gewährung einer "Nutzungsentschädigung" betr. die Zeit ab dem 1.2.2014 für die Nutzung der von ihnen bis Ende Juli 2014 bewohnten Wohnung in der C.-D.-Str. 20, E., i.H.v. 764,50 EUR monatlich.

Die im Jahr 1971 geborene Klägerin zu 1) stand ab dem 1.4.2006 beim Beklagten, zunächst als Alleinstehende, nach der Geburt ihrer drei Kinder in den Jahren 2007 und 2008, den Klägern zu 2) - zu 4) als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nachdem sie zunächst in der H.-I.-Str. 38/1, E., wohnhaft war, verzog sie im Juni 2008 in die C.-D.-Str. 20, E ... Zum 1.8.2014 verzogen die Kläger in eine Wohnung unter der im Rubrum benannten Adresse. Während des bis zum 30.4.2013 andauernden Leistungsbezuges der Kläger kam es zu mannigfachen Differenzen zwischen den Beteiligen um die Höhe der zu gewährenden Leistungen. Nachdem im Januar 2013 anlässlich eines Erörterungstermins vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) im Verfahren S 22 AS 6767/12 ER der Ehegatte der Vermieterin der Liegenschaft in der C.-D.-Str. 20, Hr. Axel F., geschildert hatte, dass der Vater der Kläger zu 2) - zu 4), der im Jahr 1943 geborene K. L. M. (H.) ihm gegenüber angegeben habe, das Haus für sich und seine Familie anmieten zu wollen, die Mietzinszahlungen von Konten des H. geleistet werden und er, der Zeuge, die Kläger und H. als "normale Familie" erlebt habe, lehnte der Beklagte die weitere Leistungsgewährung an die Bedarfsgemeinschaft, nachdem er H. zuvor, vor dem Hintergrund, dass dieser jedenfalls über zwölf auf ihn laufende Konten verfügt, ergebnislos nach dessen Einkünften und Vermögenswerten befragte hatte, unter der Begründung der fehlenden Hilfebedürftigkeit ab.

Am 11.6.2014 beantragte die Klägerin zu 1) beim Beklagten die Bewilligung einer "Nutzungsentschädigung" betreffend die Zeit ab dem 1.2.2014 für die von ihr bewohnte Wohnung in der C.-D.-Str. 20 in E. i.H.v. 764,50 EUR. Dem Antrag fügte sie ein Schreiben des Landgerichts Stuttgart (- 2 T 88/14 -) vom 3.6.2014 bei, worin sie darauf hingewiesen wurde, dass sie zur Zahlung von Nutzungsentschädigung verpflichtet sei. Ihre Zahlungspflicht ergebe sich aus der tatsächlichen Nutzung der Räumlichkeiten in Höhe des bisherigen Mietzinses.

Mit Bescheid vom 16.6.2014 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Nach einem Beschluss des Landessozialgerichts sei er, der Beklagte, lediglich verpflichtet, vorläufig, für Februar und März 2014, Leistungen i.H.v. 177,39 EUR zu gewähren. Kosten für Unterkunft und Heizung seien hierin nicht beinhaltet und daher nicht zu erbringen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte unter der Begründung, die erforderliche Hilfebedürftigkeit sei nicht belegt, mit Widerspruchsbescheid vom 1.10.2014 (Bl. 2881 ff. d. VA) zurück.

Bereits am 26.6.2014 hatten die Kläger Klage zum SG erhoben. Sie haben vorgebracht, für die Nutzung der Wohnung in der C.-D.-Str. 20 in 73732 E. sei eine Nutzungsentschädigung zu zahlen. Zwar sei das Mietverhältnis beendet, die Wohnung könne jedoch wegen einer Erkrankung des Klägers zu 4), der an Epilepsie leide, nicht geräumt werden.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Mit Urteil vom 23.6.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Kläger und H. lebten jedenfalls seit Juni 2008 in einem gemeinsamen Haushalt; sie bildeten eine Bedarfsgemeinschaft. Da H. seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht offen gelegt habe, sei die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft, die Voraussetzung für die begehrte Leistung sei, nicht nachgewiesen. Der im Verfahren S 22 AS 6767/12 ER einvernommene Zeuge F. habe glaubhaft geschildert, dass H. ihm gegenüber angegeben habe, das Haus für sich und seine Familie anmieten zu wollen, dass die Mietzinszahlungen von Konten des H. geleistet worden seien und er die Klägerin, H. und die Kinder als "normale Familie" erlebt habe. H. habe ferner in einem Schreiben an das Amtsgericht Nürtingen vom 7.7.2012 sinngemäß ausgeführt, mit der Klägerin, der Mutter seiner Kinder, zusammen gezogen zu sein. H. habe die Klägerin auch nach außen hin als seine Frau bezeichnet. Der Vermieter der seit 2014 bewohnten Wohnung in der C.-D.-Str. 5, Hr. J., der in den Verfahren S 22 AS 5594/14, S 22 AS 6008/14 und S 22 AS 6341/14 am 19.12.2014 als Zeuge einvernommen worden sei, habe glaubhaft geschildert und durch Vorlage des Mietvertrages belegt, dass das Mietverhältnis über die Wohnung in der C.-D.-Straße 5 in E. mit der Klägerin und H. als Mieter begründet worden sei. Sowohl die Klägerin als auch H. seien im Mietvertrag als Mieter benannt, beide hätten den Mietvertrag unterzeichnet. Eine Beendigung des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt sei, so das SG weiter, nicht bewiesen. Dass sich H. umgemeldet habe, reiche hierfür nicht aus.

Gegen das ihr am 27.6.2015 zugestellte Urteil hat H. am 22.7.2015 Berufung eingelegt. Unter dem 24.8.2015 hat die Klägerin zu 1) sinngemäß die Berufungseinlegung durch H. verfahrensübergreifend genehmigt. Inhaltlich haben sich die Kläger nicht eingelassen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.6.2015 aufzuheben und den Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2014 zu verurteilen, an sie eine Nutzungsentschädigung i.H.v. 764,50 EUR monatlich ab dem 1. Februar 2014 zu bewilligen und die jeweilige Forderung ab dem 1. des jeweiligen Monats mit 4,2 % zu verzinsen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages verweist der Beklagte auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 1.10.2014.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 19.11.2015 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden. Den Beteiligten wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu bis zum 21.12.2015 zu äußern.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten geführten Leistungsakten - aktuell 15 Bände - verwiesen.

( II )

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, führt jedoch für die Kläger nicht zum Erfolg.

Der Senat konnte die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden nicht vorgebracht und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 16.6.2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 1.10.2014, der nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des (Klage-)Verfahrens geworden ist, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Nach § 7 Abs. 1 SGB II in der Fassung der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl. I S. 850) erhalten Personen Leistungen nach dem SGB II, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Leistungen. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Hierbei sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c) SGB II eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird nach § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr. 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr. 4).

Der Senat sieht angesichts der zahlreichen Hinweistatsachen keinen Anlass, die Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft der Klägerin zu 1) mit H. in Frage zu stellen. Insoweit wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil verwiesen und die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass in Ansehung der vorliegenden Indizien für den Senat nicht in Zweifel steht, dass die Klägerin zu 1) und H. zusammengewohnt haben und unverändert - ungeachtet der von H. angegebenen und im Rubrum berücksichtigten Meldeadresse -zusammenwohnen. Über die bereits vom SG angeführten Indizien sieht der Senat weitere, für ein Zusammenleben sprechende Indizien. So wurde seitens der Fa. Zentrale Entrümpelungen auf eine telefonische Anfrage des Beklagten vom 23.10.2008 mitgeteilt, dass bereits anlässlich der Durchführung des Umzugs der Klägerin zu 1) von der H.-I.-Str. 1, E., in die C.-D.-Str. 20, E., im Juni 2008 u.a. auch Kleider des H. mittransportiert worden seien. Der Einzug des H. in die C.-D.-Str. 20 wird auch dadurch bestätigt, dass die dem H. bis dato vom Landratsamt E. gewährten Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch mit Wirkung zum 1.6.2008 wegen des Umzugs eingestellt wurden und, wie aus dem Aktenvermerk über einen Hausbesuch am 5.11.2008 ersichtlich ist, die Doppelhaushälfte in der C.-D.-Str. 20 auch mit einem, den Namen des H. versehenen Briefkasten ausgestattet war. Wenn sodann seitens des H. in einem Schreiben vom 5.7.2010 ausgeführt wird, dass ein Wasserschaden in der Liegenschaft C.-D.-Str. 20 nicht "von mir, noch von einem Mitglied" seiner "Familie" verursacht worden sei, wird hieraus unzweifelhaft deutlich, dass H. mit den Klägern in der Wohnung gelebt hat. Dass die Klägerin zu 1) und H. auch nach dem Umzug in die C.-D.-Str. 5 zusammengewohnt haben, wird durch die vom SG angeführten Umstände der Kontaktaufnahme zum Vermieter, des Abschlusses des Mietvertrages und der Aussagen des Hr. F. umfassend und zutreffend ausgeführt. Ferner hat der Rechtsanwalt des ehemaligen Vermieters gegenüber dem Beklagten in einer schriftlichen Mitteilung vom 18.11.2014 dargelegt, dass er im Hinblick auf eine gerichtliche Auseinandersetzung der Mietvertragsparteien beim Umzug am 14.11.2014 zugegen gewesen sei und gesehen habe, dass H. bei der Durchführung des Umzugs geholfen habe und auch ihm gehörende Einrichtungsgegenstände mittransportiert worden seien. Schließlich hat auch Hr. G. vom Jugendamt E. anlässlich einer telefonischen Unterredung vom 14.10.2014 geäußert, dass er wegen der durchgängigen telefonischen Erreichbarkeit des H. unter dem in der C.-D.-Str. 5 eingerichteten Anschluss den Verdacht habe, dass H. durchgängig und nicht nur sporadisch dort sei.

In Zusammenschau der vorliegenden Indizien, die das Bestehen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft belegen, und des Umstandes, dass das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft während der gesamten rechtlichen Auseinandersetzungen der Kläger und H. mit dem Beklagten durchgängig nur pauschal negiert wurde und wird, sowie des Umstandes, dass die Klägerin und H. mit den gemeinsamen Kindern zusammenleben (vgl. § 7 Abs. 3a Nr.2 SGB II) ist der Senat davon überzeugt, dass H. nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c), Abs. 3a SGB II zur Bedarfsgemeinschaft der Kläger rechnet (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.4.2015 - L 7 AS 1487/15 -). Dies ist zwar kein Ausschlussgrund für einen Anspruch der Kläger auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, jedoch ist gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II für die Frage der Hilfebedürftigkeit der Klägerin auch Einkommen und Vermögen des H. zu berücksichtigen. Da dieses unbekannt ist, ist die erforderliche Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen. Dies geht zu Lasten der einen Anspruch begehrenden Klägerin.

Die Berufung ist hiernach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Berufung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ff. Zivilprozessordnung). Dies konnte vorliegend im Rahmen der Entscheidung in der Hauptsache erfolgen, da nicht ersichtlich ist, dass bei einer zeitlich vorgelagerten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu bejahen gewesen wäre (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B - veröffentlicht in juris).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Rechtskraft
Aus
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