Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 R 5966/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4309/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.09.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als Rechtsnachfolger im Wege des Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente für seine verstorbene Ehefrau.
Die am 26.09.1960 geborene und am 31.08.2014 verstorbene R. B. (im Folgenden Versicherte) war mit dem Kläger verheiratet. Sie hatte keinen Beruf erlernt, Pflichtbeiträge wurden zuletzt durchgehend bis 31.08.2001 zurückgelegt, anschließend war die Versicherte geringfügig versicherungsfrei beschäftigt. Vom 01.07.2003 bis 12.11.2005 wurden erneut Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt, anschließend war die Versicherte wiederum geringfügig versicherungsfrei beschäftigt (Versicherungsverlauf vom 28.03.2012).
Im November 2006 wurde bei der Versicherten im Städtischen Krankenhaus S. die Erstdiagnose einer Encephalomyelitis disseminata, primär schubförmiger Verlauf mit beginnender spastischer Paraparese der Beine rechtsbetont gestellt sowie eine Urgeinkontinenz, Gangataxie, Harnwegsinfekt und Hypercholesterinämie festgestellt. Laut Entlassungsbericht vom 21.12.2006 (Bl 47/48 der SG-Akte S 18 (25) R 2424/08) hat die Versicherte eine Einschränkung der Gehstrecke (ca 700 m), Pelzigkeitsgefühl in den Fingerkuppen der Hände und Beine sowie Gleichgewichtsstörungen beklagt. Ab 22.05.2006 wurde der Versicherten ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 mit dem Merkzeichen "G" zuerkannt.
Am 24.10.2007 beantragte die Versicherte die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente und gab an, sie fühle sich seit November 2006 erwerbsgemindert. Die Beklagte ließ die Versicherte daraufhin internistisch begutachten. Im Gutachten vom 27.11.2007 diagnostizierte Dr. H.-Z. eine Encephalomyelitis disseminata mit leichter spastischer Paraparese der Beine, Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, beginnendes hirnorganisches Psychosyndrom, rezidivierende Uveitis intermedia seit 2002 sowie einen kontrollbedürftigen Blutdruck. Der Gang der Versicherten sei schwerfällig, kleinschrittig und etwas unsicher gewesen; mit dem Gehwagen habe sie relativ flott gehen können bis zu 1 km. Eine gewisse Umständlichkeit und Weitschweifigkeit spreche für ein beginnendes organisches Psychosyndrom. Leichte Tätigkeiten könnten noch vollschichtig verrichtet werden.
Mit Bescheid vom 05.12.2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da die Versicherte weder erwerbsgemindert sei, noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei einem Leistungsfall zum Zeitpunkt des Rentenantrags vorlägen. Im Zeitraum 01.06.2002 bis 23.10.2007 seien nur zwei Jahre und fünf Kalendermonate mit Beiträgen belegt. Den Widerspruch der Versicherten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.02.2008 zurück.
Am 26.03.2008 erhob die Versicherte Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), die zunächst unter dem Az S 25 R 2414/08 geführt wurde. Das SG vernahm die behandelnden Ärzte der Versicherten als sachverständige Zeugen. Der Neurologe Dr. B.-S. teilte unter dem 22.09.2008 mit, dass die Versicherte unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Progredienz der Multiplen Sklerose nunmehr abweichend vom Gutachten von November 2007 nur noch zwischen 3 und 6 Stunden leistungsfähig sei. Der Augenarzt Dr. S. berichtete über eine rezidivierende Uveitis; nach Rückgang der Beschwerden bestehe keine Einschränkung des Leistungsvermögens (Schreiben vom 18.09.2008). Dr. G. von der Neurologischen Klinik S. teilte stationäre Behandlungen der Versicherten vom 30.03. bis 25.04.2008 und 13.07. bis 17.07.2008 mit; berichtet wurde neben der Multiplen Sklerose über leichte Gedächtnis- und mittelschwere Aufmerksamkeitsstörungen und eine eingeschränkte Gehfähigkeit. Selbst leichte Tätigkeiten könnten nicht mehr ausgeübt werden. Zusätzlich holte das SG ein neurologisches Gutachten bei Prof. Dr. A. vom 10.02.2009 mit neuropsychologischem Zusatzgutachten von Dipl-Psych. B. ein. Testpsychologisch hätten sich erhebliche kognitive Defizite bei der Versicherten erwiesen, die seit Frühjahr 2008 die berufliche Leistungsfähigkeit auf unter 3 Stunden täglich drückten. Aktuell sei auch die Wegefähigkeit der Versicherten nicht mehr gegeben. Nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig im Juni 2006 gegeben seien, holte das SG eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. A. ein. Dieser bekräftigte, dass ein Leistungsfall erst im Frühjahr 2008 angenommen werden könne. Die Versicherte sei zwar bereits im Juni 2006 an Multipler Sklerose erkrankt gewesen, die Auswirkungen der damals aktuellen Gesundheitsstörungen hätten jedoch nicht zu quantitativen Leistungseinschränkungen geführt. Der im November 2006 im Klinikum S. erhobene Befund habe noch keinen fortgeschrittenen Zustand der Erkrankung gezeigt. Mit Beschluss vom 12.10.2009 ordnete das SG auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens an. Die Versicherte hatte am 23.09.2009 einen Antrag auf Nachzahlung von Pflichtbeiträgen in Fällen besonderer Härte gemäß § 197 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bei der Beklagten gestellt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte bestandskräftig mit Bescheid vom 29.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2010 ab.
Sodann wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 28.02.2012 (nunmehr unter dem Az S 25 R 3491/10) die Klage ab. Zur Begründung führte das SG aus, gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. A. sei der Leistungsfall der Erwerbsminderung erst im Frühjahr 2008, jedenfalls nicht bereits im Juni 2006 eingetreten. Erst zum Zeitpunkt der stationären Behandlung in der Neurologischen Klinik S. im März 2008 seien die nunmehr festgestellten kognitiven Störungen dokumentiert, die letztlich zu einer Leistungsminderung der Versicherte führten. Dem Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. B.-S. vom 20.12.2006 sei zu entnehmen, dass die Versicherte neuropsychologisch ohne Auffälligkeiten gewesen sei. Auch im Bericht der Städtischen Klinik S. vom 21.12.2006 werde eine MS, primär schubförmiger Verlauf mit beginnender spastischer Paraparese der Beine rechtsbetont festgestellt, ohne dass kognitive Störungen festgestellt worden seien. Dr. H.-Z. habe im Gutachten vom 27.11.2007 ein organisches Psychosyndrom bzw ein mäßiges hirnorganisches Psychosyndrom mitgeteilt; aus der Befunderhebung ergäben sich jedoch nicht kognitive Störungen dergestalt, wie sie nunmehr festgestellt worden seien. Auch die seit 2002 bestehende rezidivierende Uveitis führe zu keiner quantitativen Leistungsminderung. Nach den Ausführungen des behandelnden Arztes Dr. S. bestehe nur bei akuter Uveitis Arbeitsunfähigkeit, sonst jedoch keine Einschränkungen des Leistungsvermögens. Unabhängig davon, ob ein Leistungsfall im März 2008 oder bereits im Januar 2008 eingetreten sei, lägen jedenfalls die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vor. Bei Annahme eines Leistungsfalls bereits im Januar 2008 seien nur 29 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt.
Am 13.04.2012 stellte die Versicherte einen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hinsichtlich der Rentenablehnung vom 05.12.2007 mit dem Ziel einer Rentenbewilligung zumindest seit dem 01.01.2008. Mit Bescheid vom 27.07.2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es bleibe dabei, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von drei Jahren Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalles auch unter Berücksichtigung eines im Januar 2008 eingetretenen Leistungsfalles nicht erfüllt seien.
Hiergegen erhob die Versicherte am 01.08.2012 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2012 zurückwies. Nach den Feststellungen des Sozialmedizinischen Dienstes sowie den Ausführungen im Gerichtsbescheid vom 28.02.2012 hätten keine Hinweise darauf vorgelegen, dass ein Leistungsfall bereits im Juni 2006 eingetreten sei. Im maßgeblichen Zeitraum vom 01.09.2002 bis 14.01.2008 seien lediglich 29 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen vorhanden. Die Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.2007 sei auch nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt.
Hiergegen richtet sich die am 31.10.2012 von der Versicherten zum SG erhobene Klage. Sie hat geltend gemacht, dass sie unter einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung bzw einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen leide, weshalb ihr bezogen auf Juni 2006 unter Beachtung der verbliebenen Wegefähigkeit zumindest eine Verweisungstätigkeit zu benennen sei. Der Gerichtsbescheid enthalte mehrere Angaben, welche Strecken die Versicherte noch ohne oder mit Rollator zurücklegen könne, zeitliche Angaben hierzu fehlten jedoch. Zudem sei dem Schreiben des Hausarztes Dr. M. vom 06.07.2006 zu entnehmen, dass die Versicherte ihre Arbeit habe aufgeben müssen, weil sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, am PC zu arbeiten. Ergänzend hat die Versicherte im Klageverfahren weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt. Nach dem Tod der Versicherten am 31.08.2014 infolge einer Krebserkrankung hat der Kläger das Verfahren als Rechtsnachfolger fortgeführt.
Das SG hat weitere medizinische Unterlagen bei Dr. M. und dem Städtischen Krankenhaus S. für den Zeitraum bis Dezember 2006 angefordert und sodann mit Urteil vom 16.09.2015 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Abänderung des Bescheids vom 05.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.02.2008 abgelehnt. Der geltend gemachte Rentenanspruch der Versicherten scheitere am Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, da der für eine Rentengewährung erforderliche Leistungsfall zum Juni 2006 nicht habe nachgewiesen werden können. Die Versicherte habe vor allem an einer Encephalomyelitis disseminata mit leichter spastischer Tetraparese, erheblichen Koordinationsstörungen, Urgeinkontinenz und ausgeprägten kognitiven Beeinträchtigungen eines initial schubförmigen, zuletzt jedoch chronisch-progredienten Verlaufes gelitten. Der Leistungsfall sei erstmalig zum Zeitpunkt der stationären Behandlung in der Neurologischen Klinik S. im März 2008 anzusetzen, weil dort die als maßgeblich festzustellenden kognitiven Störungen dokumentiert seien, die letztlich zu der Leistungsminderung geführt hätten. Ein früherer Leistungsfall lasse sich auch nicht anhand der im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen nachvollziehen. Die wenigen Unterlagen, die den maßgeblichen Zeitraum beträfen, stützten das Anliegen des Klägers gerade nicht. Der Arztbrief des Dr. B.-S. vom 05.10.2006 bestätige, dass noch zum Untersuchungszeitpunkt am 26.09.2006 neurologisch ein in weiten Teilen unauffälliger Befund vorgelegen habe. Auch im Bericht des Städtischen Klinikums S. vom 21.12.2006 sei von einer Multiplen Sklerose-Erkrankung die Rede, ohne dass jedoch entsprechende kognitive Störungen festgestellt wurden. Zudem habe Dr. H.-Z. im November 2007 mitgeteilt, dass der Gang der Versicherten zwar schwerfällig und kleinschrittig sei, jedoch mit Gehwagen relativ flott, sodass eine Einschränkung der Wegefähigkeit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht nachgewiesen werden könne. Bei Annahme eines Leistungsfalls bereits im Januar 2008 seien nur 29 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 23.09.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 14.10.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Seine Ausführungen seien allenfalls mager berücksichtigt worden. Zu nennen seien insoweit ua die Stichworte Wegefähigkeit, Schwerbehinderung, Benennung einer Verweisungstätigkeit, Vorlaufzeit für das Erkennen von Multipler Sklerose mit der Abgrenzung Behandlungsfall zur Erwerbsminderung, fortwährende Arbeitsunterbrechungen wegen der Erkrankung. Der die Beklagte unterstützende Obermedizinalrat F. mit mehreren sozialmedizinischen Stellungnahmen könne doch nur parteiisch sein.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.09.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 27.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 05.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.02.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der Versicherung der R. B. nach Anerkennung eines Leistungsfalls Juni 2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Akten des SG S 25 R 2414/08 und S 25 R 3491/10 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Der Kläger kann als Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) den Anspruch der Versicherten auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung geltend machen. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger mit der Versicherten zum Zeitpunkt ihres Todes nicht nur unter der bekannten Meldeadresse gewohnt, sondern mit ihr auch in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids der Beklagten vom 05.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.02.2008 und auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente aus der Versicherung der Versicherten.
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (vgl etwa Bundessozialgericht (BSG) 04.02.1998, B 9 V 16/96 R, SozR 3-1300 § 44 Nr 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsakts unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG 28.01.1981, 9 RV 29/80, BSGE 51, 139 = SozR 3900 § 40 Nr 15).
Vorliegend ist bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 05.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.02.2008 weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Erwerbsminderungsrente an die Versicherte abgelehnt.
Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).
Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden erwerbstätig zu sein. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens 6 Stunden täglich bezogen auf eine 5-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch 6 Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom SG im jetzigen sowie im vorangegangenen Klageverfahren durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass die Versicherte frühestens seit Januar 2008 nicht mehr in der Lage war, auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten mindesten 6 Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind wegen der Lücken im Versicherungsverlauf jedoch letztmals bei Eintritt des Leistungsfalls im Juni 2006 erfüllt.
Bei Eintritt eines Versicherungsfalls im Januar 2008 oder später erfüllt die Versicherte nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie hat dann in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, auch keine gleichgestellten Zeiten. Dies gilt auch unter Anwendung möglicher Verlängerungstatbestände gem §§ 43 Abs 4 und 5, 241 SGB VI. Im (bei Eintritt eines Leistungsfalls im Januar 2008) maßgebenden Zeitraum vom 01.09.2002 bis 14.01.2008 hat die Versicherte nur 29 Monate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Auf den Versicherungsverlauf vom 28.03.2012 wird insoweit Bezug genommen.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen auch unter keinem weiteren Gesichtspunkt vor. Nach § 43 Abs 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestands eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (§ 53 SGB VI). Dies ist hier nicht der Fall. Nach § 241 Abs 1 SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit, in dem Versicherte für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben müssen, auch um Ersatzzeiten und Zeiten des Bezugs einer Knappschaftsausgleichsleistung vor dem 01.01.1992. Solche Zeiten hat die Versicherte nicht. Die Versicherte hatte auch, bei Erfüllung der allgemeinen Wartezeit vor dem 01.01.1984, weder sämtliche Monate bis Januar 2008 mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt, noch ist für sämtliche nicht belegten Monate eine Beitragszahlung noch zulässig (§ 241 Abs 2 SGBVI).
Die frühestens ab Januar 2008 bestehende Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Versicherten in einem rentenberechtigenden Ausmaß beruht im Wesentlichen auf der Erkrankung Encephalomyelitis disseminata, die zu diesem Zeitpunkt insbesondere mit schwerwiegenden kognitiven Beeinträchtigungen verbunden war. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten von Prof. Dr. A. vom 10.02.2009 mit Zusatzgutachten von Dipl-Psych B. sowie der Aussage von Dr. G. vom 23.10.2008, der die Versicherte in der Neurologischen Klinik S. behandelt hatte.
Hinreichende Anhaltspunkte für einen früheren Eintritt des Leistungsfalls liegen nicht vor. Aus den Gutachten von Dr. H.-Z. vom 27.11.2007 ist zu entnehmen, dass im November 2007 noch keine gravierenden Beeinträchtigungen bestanden, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit entgegenstehen konnten. Dr. H.-Z. ging von einem beginnenden Psychosyndrom aus, Mnestik, Konzentration und Auffassung erschienen jedoch noch weitestgehend ungestört. Auch war die Wegefähigkeit nicht relevant eingeschränkt, denn die Versicherte war in der Lage, mit dem Gehwagen bis zu 1 km flott zu gehen. Gegenüber dem im November 2006 bei erstmals diagnostiziertem Krankheitsbild der Encephalomyelitis disseminata festgestellten Zustand (damals laut Entlassungsbericht des Städtischen Krankenhauses S. vom 21.12.2006 nur eine Gehstrecke von 700 Metern) war sogar eine Besserung zu verzeichnen. Dies entspricht dem von allen medizinischen Behandlern und Sachverständigen festgestellten primär schubförmigen Verlauf der Erkrankung. Aus der bereits seit längerem bekannten Uveitis folgte keine Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten, wie Dr. S. nachvollziehbar ausgeführt hat.
Auch der behandelnde Nervenarzt Dr. B.-S. hat im Jahr 2006 noch keine erheblichen Beeinträchtigungen festgestellt. Dem Arztbrief vom 05.10.2006 ist insoweit zu entnehmen, dass die Klägerin eine unklare Schwäche mit Gangunsicherheit angegeben hatte, die sie beim Nordic Walking festgestellt hatte. Zehenspitzen und Hackengang war jedoch beidseits durchführbar, auch der Einbeinstand war beidseits möglich. Auch psychisch werden ebenso wie im nachfolgenden Arztbrief vom 20.12.2006 keinerlei Auffälligkeiten berichtet. Es steht damit zur Überzeugung des Senats fest, dass für das Jahr 2006 keinesfalls eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit nachgewiesen ist und auch keine gravierenden kognitiven Beeinträchtigungen bestanden.
Soweit der Bevollmächtigte des Klägers darauf hinweist, dass eine gewissen Vorlaufzeit bis zur Diagnose der Erkrankung anzunehmen sei, lässt sich daraus ein früherer Leistungsfall nicht herleiten. Es ist zwar davon auszugehen, dass die Versicherte Symptome der MS bereits einige Zeit vor der Erstdiagnose im November 2006 verspürte, wie ua eine Einschränkung der Gehstrecke und Pelzigkeitsgefühle. Eine dauerhafte Leistungsminderung ergab sich spätestens bis Juni 2006 hieraus jedoch nicht, wie aus den oben dargestellten medizinischen Unterlagen klar ersichtlich ist.
Auch unter Berücksichtigung des mit Wirkung ab 22.06.2006 anerkannten GdB von 60 vH mit Merkzeichen G ergibt sich keine andere Beurteilung. Die Festsetzung des GdB nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch bzw dem früheren Schwerbehindertengesetz erfolgt nach anderen Maßstäben als die Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der GdB ist das Maß für behinderungsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen, die von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und sich in verschiedenen Lebensbereichen, also nicht nur im Erwerbsleben, auswirken. Rückschlüsse aus einem bestimmten GdB auf eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung sind nicht möglich (vgl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 22.11.2012, L 22 R 43/12, juris).
Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person der Versicherten bis spätestens Juni 2006 eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre bestehen nicht. Die Vermeidung von Tätigkeiten mit Absturzgefahr, besonderem Zeitdruck und besonderen Anforderungen an Konzentration und Umstellungsfähigkeit schränken den in Betracht kommenden Arbeitsmarkt für körperlich leichte Tätigkeiten nicht wesentlich ein. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5).
Die Wegefähigkeit war im Juni 2006 ebenfalls noch gegeben. Die Versicherte war in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies folgt insbesondere aus dem Verwaltungsgutachten von Dr. H.-Z. und dem Bericht des Dr. B.-S. vom 05.10.2006. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht.
Es besteht auch kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass die Versicherte vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig war (§ 240 SGB VI). Als Ungelernte konnte die Versicherte auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als Rechtsnachfolger im Wege des Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente für seine verstorbene Ehefrau.
Die am 26.09.1960 geborene und am 31.08.2014 verstorbene R. B. (im Folgenden Versicherte) war mit dem Kläger verheiratet. Sie hatte keinen Beruf erlernt, Pflichtbeiträge wurden zuletzt durchgehend bis 31.08.2001 zurückgelegt, anschließend war die Versicherte geringfügig versicherungsfrei beschäftigt. Vom 01.07.2003 bis 12.11.2005 wurden erneut Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt, anschließend war die Versicherte wiederum geringfügig versicherungsfrei beschäftigt (Versicherungsverlauf vom 28.03.2012).
Im November 2006 wurde bei der Versicherten im Städtischen Krankenhaus S. die Erstdiagnose einer Encephalomyelitis disseminata, primär schubförmiger Verlauf mit beginnender spastischer Paraparese der Beine rechtsbetont gestellt sowie eine Urgeinkontinenz, Gangataxie, Harnwegsinfekt und Hypercholesterinämie festgestellt. Laut Entlassungsbericht vom 21.12.2006 (Bl 47/48 der SG-Akte S 18 (25) R 2424/08) hat die Versicherte eine Einschränkung der Gehstrecke (ca 700 m), Pelzigkeitsgefühl in den Fingerkuppen der Hände und Beine sowie Gleichgewichtsstörungen beklagt. Ab 22.05.2006 wurde der Versicherten ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 mit dem Merkzeichen "G" zuerkannt.
Am 24.10.2007 beantragte die Versicherte die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente und gab an, sie fühle sich seit November 2006 erwerbsgemindert. Die Beklagte ließ die Versicherte daraufhin internistisch begutachten. Im Gutachten vom 27.11.2007 diagnostizierte Dr. H.-Z. eine Encephalomyelitis disseminata mit leichter spastischer Paraparese der Beine, Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, beginnendes hirnorganisches Psychosyndrom, rezidivierende Uveitis intermedia seit 2002 sowie einen kontrollbedürftigen Blutdruck. Der Gang der Versicherten sei schwerfällig, kleinschrittig und etwas unsicher gewesen; mit dem Gehwagen habe sie relativ flott gehen können bis zu 1 km. Eine gewisse Umständlichkeit und Weitschweifigkeit spreche für ein beginnendes organisches Psychosyndrom. Leichte Tätigkeiten könnten noch vollschichtig verrichtet werden.
Mit Bescheid vom 05.12.2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da die Versicherte weder erwerbsgemindert sei, noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei einem Leistungsfall zum Zeitpunkt des Rentenantrags vorlägen. Im Zeitraum 01.06.2002 bis 23.10.2007 seien nur zwei Jahre und fünf Kalendermonate mit Beiträgen belegt. Den Widerspruch der Versicherten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.02.2008 zurück.
Am 26.03.2008 erhob die Versicherte Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), die zunächst unter dem Az S 25 R 2414/08 geführt wurde. Das SG vernahm die behandelnden Ärzte der Versicherten als sachverständige Zeugen. Der Neurologe Dr. B.-S. teilte unter dem 22.09.2008 mit, dass die Versicherte unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Progredienz der Multiplen Sklerose nunmehr abweichend vom Gutachten von November 2007 nur noch zwischen 3 und 6 Stunden leistungsfähig sei. Der Augenarzt Dr. S. berichtete über eine rezidivierende Uveitis; nach Rückgang der Beschwerden bestehe keine Einschränkung des Leistungsvermögens (Schreiben vom 18.09.2008). Dr. G. von der Neurologischen Klinik S. teilte stationäre Behandlungen der Versicherten vom 30.03. bis 25.04.2008 und 13.07. bis 17.07.2008 mit; berichtet wurde neben der Multiplen Sklerose über leichte Gedächtnis- und mittelschwere Aufmerksamkeitsstörungen und eine eingeschränkte Gehfähigkeit. Selbst leichte Tätigkeiten könnten nicht mehr ausgeübt werden. Zusätzlich holte das SG ein neurologisches Gutachten bei Prof. Dr. A. vom 10.02.2009 mit neuropsychologischem Zusatzgutachten von Dipl-Psych. B. ein. Testpsychologisch hätten sich erhebliche kognitive Defizite bei der Versicherten erwiesen, die seit Frühjahr 2008 die berufliche Leistungsfähigkeit auf unter 3 Stunden täglich drückten. Aktuell sei auch die Wegefähigkeit der Versicherten nicht mehr gegeben. Nachdem die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig im Juni 2006 gegeben seien, holte das SG eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. A. ein. Dieser bekräftigte, dass ein Leistungsfall erst im Frühjahr 2008 angenommen werden könne. Die Versicherte sei zwar bereits im Juni 2006 an Multipler Sklerose erkrankt gewesen, die Auswirkungen der damals aktuellen Gesundheitsstörungen hätten jedoch nicht zu quantitativen Leistungseinschränkungen geführt. Der im November 2006 im Klinikum S. erhobene Befund habe noch keinen fortgeschrittenen Zustand der Erkrankung gezeigt. Mit Beschluss vom 12.10.2009 ordnete das SG auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens an. Die Versicherte hatte am 23.09.2009 einen Antrag auf Nachzahlung von Pflichtbeiträgen in Fällen besonderer Härte gemäß § 197 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bei der Beklagten gestellt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte bestandskräftig mit Bescheid vom 29.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2010 ab.
Sodann wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 28.02.2012 (nunmehr unter dem Az S 25 R 3491/10) die Klage ab. Zur Begründung führte das SG aus, gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. A. sei der Leistungsfall der Erwerbsminderung erst im Frühjahr 2008, jedenfalls nicht bereits im Juni 2006 eingetreten. Erst zum Zeitpunkt der stationären Behandlung in der Neurologischen Klinik S. im März 2008 seien die nunmehr festgestellten kognitiven Störungen dokumentiert, die letztlich zu einer Leistungsminderung der Versicherte führten. Dem Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. B.-S. vom 20.12.2006 sei zu entnehmen, dass die Versicherte neuropsychologisch ohne Auffälligkeiten gewesen sei. Auch im Bericht der Städtischen Klinik S. vom 21.12.2006 werde eine MS, primär schubförmiger Verlauf mit beginnender spastischer Paraparese der Beine rechtsbetont festgestellt, ohne dass kognitive Störungen festgestellt worden seien. Dr. H.-Z. habe im Gutachten vom 27.11.2007 ein organisches Psychosyndrom bzw ein mäßiges hirnorganisches Psychosyndrom mitgeteilt; aus der Befunderhebung ergäben sich jedoch nicht kognitive Störungen dergestalt, wie sie nunmehr festgestellt worden seien. Auch die seit 2002 bestehende rezidivierende Uveitis führe zu keiner quantitativen Leistungsminderung. Nach den Ausführungen des behandelnden Arztes Dr. S. bestehe nur bei akuter Uveitis Arbeitsunfähigkeit, sonst jedoch keine Einschränkungen des Leistungsvermögens. Unabhängig davon, ob ein Leistungsfall im März 2008 oder bereits im Januar 2008 eingetreten sei, lägen jedenfalls die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vor. Bei Annahme eines Leistungsfalls bereits im Januar 2008 seien nur 29 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt.
Am 13.04.2012 stellte die Versicherte einen Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hinsichtlich der Rentenablehnung vom 05.12.2007 mit dem Ziel einer Rentenbewilligung zumindest seit dem 01.01.2008. Mit Bescheid vom 27.07.2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es bleibe dabei, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von drei Jahren Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalles auch unter Berücksichtigung eines im Januar 2008 eingetretenen Leistungsfalles nicht erfüllt seien.
Hiergegen erhob die Versicherte am 01.08.2012 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2012 zurückwies. Nach den Feststellungen des Sozialmedizinischen Dienstes sowie den Ausführungen im Gerichtsbescheid vom 28.02.2012 hätten keine Hinweise darauf vorgelegen, dass ein Leistungsfall bereits im Juni 2006 eingetreten sei. Im maßgeblichen Zeitraum vom 01.09.2002 bis 14.01.2008 seien lediglich 29 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen vorhanden. Die Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.2007 sei auch nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt.
Hiergegen richtet sich die am 31.10.2012 von der Versicherten zum SG erhobene Klage. Sie hat geltend gemacht, dass sie unter einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung bzw einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen leide, weshalb ihr bezogen auf Juni 2006 unter Beachtung der verbliebenen Wegefähigkeit zumindest eine Verweisungstätigkeit zu benennen sei. Der Gerichtsbescheid enthalte mehrere Angaben, welche Strecken die Versicherte noch ohne oder mit Rollator zurücklegen könne, zeitliche Angaben hierzu fehlten jedoch. Zudem sei dem Schreiben des Hausarztes Dr. M. vom 06.07.2006 zu entnehmen, dass die Versicherte ihre Arbeit habe aufgeben müssen, weil sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, am PC zu arbeiten. Ergänzend hat die Versicherte im Klageverfahren weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt. Nach dem Tod der Versicherten am 31.08.2014 infolge einer Krebserkrankung hat der Kläger das Verfahren als Rechtsnachfolger fortgeführt.
Das SG hat weitere medizinische Unterlagen bei Dr. M. und dem Städtischen Krankenhaus S. für den Zeitraum bis Dezember 2006 angefordert und sodann mit Urteil vom 16.09.2015 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Abänderung des Bescheids vom 05.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.02.2008 abgelehnt. Der geltend gemachte Rentenanspruch der Versicherten scheitere am Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, da der für eine Rentengewährung erforderliche Leistungsfall zum Juni 2006 nicht habe nachgewiesen werden können. Die Versicherte habe vor allem an einer Encephalomyelitis disseminata mit leichter spastischer Tetraparese, erheblichen Koordinationsstörungen, Urgeinkontinenz und ausgeprägten kognitiven Beeinträchtigungen eines initial schubförmigen, zuletzt jedoch chronisch-progredienten Verlaufes gelitten. Der Leistungsfall sei erstmalig zum Zeitpunkt der stationären Behandlung in der Neurologischen Klinik S. im März 2008 anzusetzen, weil dort die als maßgeblich festzustellenden kognitiven Störungen dokumentiert seien, die letztlich zu der Leistungsminderung geführt hätten. Ein früherer Leistungsfall lasse sich auch nicht anhand der im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen nachvollziehen. Die wenigen Unterlagen, die den maßgeblichen Zeitraum beträfen, stützten das Anliegen des Klägers gerade nicht. Der Arztbrief des Dr. B.-S. vom 05.10.2006 bestätige, dass noch zum Untersuchungszeitpunkt am 26.09.2006 neurologisch ein in weiten Teilen unauffälliger Befund vorgelegen habe. Auch im Bericht des Städtischen Klinikums S. vom 21.12.2006 sei von einer Multiplen Sklerose-Erkrankung die Rede, ohne dass jedoch entsprechende kognitive Störungen festgestellt wurden. Zudem habe Dr. H.-Z. im November 2007 mitgeteilt, dass der Gang der Versicherten zwar schwerfällig und kleinschrittig sei, jedoch mit Gehwagen relativ flott, sodass eine Einschränkung der Wegefähigkeit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht nachgewiesen werden könne. Bei Annahme eines Leistungsfalls bereits im Januar 2008 seien nur 29 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 23.09.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 14.10.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Seine Ausführungen seien allenfalls mager berücksichtigt worden. Zu nennen seien insoweit ua die Stichworte Wegefähigkeit, Schwerbehinderung, Benennung einer Verweisungstätigkeit, Vorlaufzeit für das Erkennen von Multipler Sklerose mit der Abgrenzung Behandlungsfall zur Erwerbsminderung, fortwährende Arbeitsunterbrechungen wegen der Erkrankung. Der die Beklagte unterstützende Obermedizinalrat F. mit mehreren sozialmedizinischen Stellungnahmen könne doch nur parteiisch sein.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.09.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 27.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 05.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.02.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der Versicherung der R. B. nach Anerkennung eines Leistungsfalls Juni 2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Akten des SG S 25 R 2414/08 und S 25 R 3491/10 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Der Kläger kann als Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) den Anspruch der Versicherten auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung geltend machen. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger mit der Versicherten zum Zeitpunkt ihres Todes nicht nur unter der bekannten Meldeadresse gewohnt, sondern mit ihr auch in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids der Beklagten vom 05.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.02.2008 und auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente aus der Versicherung der Versicherten.
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (vgl etwa Bundessozialgericht (BSG) 04.02.1998, B 9 V 16/96 R, SozR 3-1300 § 44 Nr 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsakts unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG 28.01.1981, 9 RV 29/80, BSGE 51, 139 = SozR 3900 § 40 Nr 15).
Vorliegend ist bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 05.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.02.2008 weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Erwerbsminderungsrente an die Versicherte abgelehnt.
Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3).
Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden erwerbstätig zu sein. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens 6 Stunden täglich bezogen auf eine 5-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch 6 Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Nach dem Ergebnis der vom SG im jetzigen sowie im vorangegangenen Klageverfahren durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass die Versicherte frühestens seit Januar 2008 nicht mehr in der Lage war, auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten mindesten 6 Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind wegen der Lücken im Versicherungsverlauf jedoch letztmals bei Eintritt des Leistungsfalls im Juni 2006 erfüllt.
Bei Eintritt eines Versicherungsfalls im Januar 2008 oder später erfüllt die Versicherte nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie hat dann in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, auch keine gleichgestellten Zeiten. Dies gilt auch unter Anwendung möglicher Verlängerungstatbestände gem §§ 43 Abs 4 und 5, 241 SGB VI. Im (bei Eintritt eines Leistungsfalls im Januar 2008) maßgebenden Zeitraum vom 01.09.2002 bis 14.01.2008 hat die Versicherte nur 29 Monate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Auf den Versicherungsverlauf vom 28.03.2012 wird insoweit Bezug genommen.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen auch unter keinem weiteren Gesichtspunkt vor. Nach § 43 Abs 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestands eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (§ 53 SGB VI). Dies ist hier nicht der Fall. Nach § 241 Abs 1 SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit, in dem Versicherte für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben müssen, auch um Ersatzzeiten und Zeiten des Bezugs einer Knappschaftsausgleichsleistung vor dem 01.01.1992. Solche Zeiten hat die Versicherte nicht. Die Versicherte hatte auch, bei Erfüllung der allgemeinen Wartezeit vor dem 01.01.1984, weder sämtliche Monate bis Januar 2008 mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt, noch ist für sämtliche nicht belegten Monate eine Beitragszahlung noch zulässig (§ 241 Abs 2 SGBVI).
Die frühestens ab Januar 2008 bestehende Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Versicherten in einem rentenberechtigenden Ausmaß beruht im Wesentlichen auf der Erkrankung Encephalomyelitis disseminata, die zu diesem Zeitpunkt insbesondere mit schwerwiegenden kognitiven Beeinträchtigungen verbunden war. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten von Prof. Dr. A. vom 10.02.2009 mit Zusatzgutachten von Dipl-Psych B. sowie der Aussage von Dr. G. vom 23.10.2008, der die Versicherte in der Neurologischen Klinik S. behandelt hatte.
Hinreichende Anhaltspunkte für einen früheren Eintritt des Leistungsfalls liegen nicht vor. Aus den Gutachten von Dr. H.-Z. vom 27.11.2007 ist zu entnehmen, dass im November 2007 noch keine gravierenden Beeinträchtigungen bestanden, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit entgegenstehen konnten. Dr. H.-Z. ging von einem beginnenden Psychosyndrom aus, Mnestik, Konzentration und Auffassung erschienen jedoch noch weitestgehend ungestört. Auch war die Wegefähigkeit nicht relevant eingeschränkt, denn die Versicherte war in der Lage, mit dem Gehwagen bis zu 1 km flott zu gehen. Gegenüber dem im November 2006 bei erstmals diagnostiziertem Krankheitsbild der Encephalomyelitis disseminata festgestellten Zustand (damals laut Entlassungsbericht des Städtischen Krankenhauses S. vom 21.12.2006 nur eine Gehstrecke von 700 Metern) war sogar eine Besserung zu verzeichnen. Dies entspricht dem von allen medizinischen Behandlern und Sachverständigen festgestellten primär schubförmigen Verlauf der Erkrankung. Aus der bereits seit längerem bekannten Uveitis folgte keine Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten, wie Dr. S. nachvollziehbar ausgeführt hat.
Auch der behandelnde Nervenarzt Dr. B.-S. hat im Jahr 2006 noch keine erheblichen Beeinträchtigungen festgestellt. Dem Arztbrief vom 05.10.2006 ist insoweit zu entnehmen, dass die Klägerin eine unklare Schwäche mit Gangunsicherheit angegeben hatte, die sie beim Nordic Walking festgestellt hatte. Zehenspitzen und Hackengang war jedoch beidseits durchführbar, auch der Einbeinstand war beidseits möglich. Auch psychisch werden ebenso wie im nachfolgenden Arztbrief vom 20.12.2006 keinerlei Auffälligkeiten berichtet. Es steht damit zur Überzeugung des Senats fest, dass für das Jahr 2006 keinesfalls eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit nachgewiesen ist und auch keine gravierenden kognitiven Beeinträchtigungen bestanden.
Soweit der Bevollmächtigte des Klägers darauf hinweist, dass eine gewissen Vorlaufzeit bis zur Diagnose der Erkrankung anzunehmen sei, lässt sich daraus ein früherer Leistungsfall nicht herleiten. Es ist zwar davon auszugehen, dass die Versicherte Symptome der MS bereits einige Zeit vor der Erstdiagnose im November 2006 verspürte, wie ua eine Einschränkung der Gehstrecke und Pelzigkeitsgefühle. Eine dauerhafte Leistungsminderung ergab sich spätestens bis Juni 2006 hieraus jedoch nicht, wie aus den oben dargestellten medizinischen Unterlagen klar ersichtlich ist.
Auch unter Berücksichtigung des mit Wirkung ab 22.06.2006 anerkannten GdB von 60 vH mit Merkzeichen G ergibt sich keine andere Beurteilung. Die Festsetzung des GdB nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch bzw dem früheren Schwerbehindertengesetz erfolgt nach anderen Maßstäben als die Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der GdB ist das Maß für behinderungsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen, die von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und sich in verschiedenen Lebensbereichen, also nicht nur im Erwerbsleben, auswirken. Rückschlüsse aus einem bestimmten GdB auf eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung sind nicht möglich (vgl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 22.11.2012, L 22 R 43/12, juris).
Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person der Versicherten bis spätestens Juni 2006 eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre bestehen nicht. Die Vermeidung von Tätigkeiten mit Absturzgefahr, besonderem Zeitdruck und besonderen Anforderungen an Konzentration und Umstellungsfähigkeit schränken den in Betracht kommenden Arbeitsmarkt für körperlich leichte Tätigkeiten nicht wesentlich ein. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5).
Die Wegefähigkeit war im Juni 2006 ebenfalls noch gegeben. Die Versicherte war in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies folgt insbesondere aus dem Verwaltungsgutachten von Dr. H.-Z. und dem Bericht des Dr. B.-S. vom 05.10.2006. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht.
Es besteht auch kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass die Versicherte vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig war (§ 240 SGB VI). Als Ungelernte konnte die Versicherte auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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