L 13 R 3736/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1143/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3736/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. August 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) durch Gewährung eines Zuschusses für ein Reservepaar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe.

Der 1987 geborene Kläger, der gemäß seinen Angaben keine Berufsausbildung absolviert hat, war seit 1. September 2004 rentenversicherungspflichtig beschäftigt und arbeitete bei der Fa. W. Industrie Service GmbH & Co. KG (Fa. W.) als Lagerist. Auf orthopädischem Gebiet leidet er im Wesentlichen unter einem ausgeprägten Hohl-Spreizfuß beidseits und einer eingeschränkten Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk.

Am 22. April 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für ein Paar orthopädische Sicherheitsmaßschuhe für die Arbeit da er mit normalen Sicherheitsschuhen nicht arbeiten könne und sie deshalb für seine berufliche Tätigkeit als Lagerarbeiter benötige. Nachdem er am 5. April 2012 bereits die Verordnung des Orthopäden Dr. D. vom 4. April 2012 (ein Paar Sicherheitsmaßschuhe für die Arbeit) und einen Kostenvoranschlag des Sanitätshauses Sch. und E. GmbH vom 4. April 2012 (Kosten der Arbeitsschuhe 1.409,46 EUR) übersandt hatte, wurden noch ein Attest der Allgemeinmedizinerin Dr. L. vom 5. April 2012 (wegen einer extrem ausgeprägten Hohl-Spreizfußstellung könne der Kläger gängige Arbeitsschuhe trotz Einlagen nicht mehr tragen, da sie zu sehr schmerzhaften Druckstellen geführt hätten, eine Versorgung mit individuell angefertigten Arbeitsschuhen werde dringend empfohlen, um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten bzw. wiederherzustellen), ein Bericht des Orthopäden Dr. D. vom 24. April 2012 (dekompensierter Hohl-Spreizfuß, bei Belastung zunehmend Schmerzen, diverse Einlagen ohne Wirkung, Baumusterschuhe reichten nicht, da eine Kombination nur schwer möglich sei), Berichte des Orthopäden G. vom 12. Dezember 2011 (Diagnose: Hohl-Spreizfuß, Therapie: mittlere Abrollhilfe für drei Paar Kaufschuhe, ein Paar medizinisch abstützende langsohlige Einlagen) und 7. März 2012 (Therapie: ein Paar orthopädische Halbschuhe nach Maß) sowie die Stellungnahme der Arbeitgeberin vom 24. April 2012 (Fußschutz wegen Gefährdung durch mechanische Einwirkungen erforderlich, Stiefel halbhoch) vorgelegt.

Mit Bescheid vom 5. Juni 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Grund einer Stellungnahme der Orthopädin und Sozialmedizinerin Dr. H. vom 21. Mai 2012 (technische Hilfsmittel zur Berufsausübung nicht erforderlich, Verordnung nicht plausibel) ab.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, die Hohl-Spreizfußstellung habe sich verschlechtert und er könne gängige Arbeitsschuhe nicht mehr tragen, da sie sehr schmerzhafte Druckstellen hervorriefen. Er sei auf orthopädische Sicherheitsschuhe bei seiner beruflichen Tätigkeit angewiesen. Außerdem wurden eine Äußerung der Arbeitgeberin vom 19. Juni 2012 (der Kläger habe massive Probleme mit einer Sehnenverkürzung am Fuß und man könne ihm ausschließlich Tätigkeiten im Stehen oder Gehen anbieten, es sei zwingend erforderlich, dass die Arbeitsfähigkeit erhalten bleibe und sich der Gesundheitszustand nicht durch ungeeignetes Schuhwerk verschlechtere) und die Rechnung des Sanitätshauses Sch. und E. GmbH vom 14. Juni 2012 (Schuhe geliefert am 16. Mai 2012, Rechnungsbetrag 1.409,46 EUR) vorgelegt.

Hierauf holte die Beklagte ein Gutachten des Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. Sch. vom 14. September 2012 ein. Dieser referierte nach einer Untersuchung vom 13. September 2012 den erhobenen Befund sowie die Angaben des Klägers und gelangte zum Ergebnis, gemäß der Röntgenuntersuchung bestehe eine ausgeprägte Hohlfußbildung. Auch die körperliche Untersuchung zeige einen ausgeprägten Hohlfuß auf beiden Seiten sowie eine Einschränkung der Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk. Der Kläger sei mit normalem Schuhwerk nicht zurecht gekommen und habe immer wieder Druckstellen und Wunden über dem Spann sowie an der Kleinzehe gehabt. Auf Grund der ausgeprägten Deformität der Füße sei er nur noch in der Lage, Sandalen zu tragen. Auch bei den Freizeitschuhen erfolge eine maßgefertigte Versorgung durch die Krankenkasse. Mit den inzwischen auf seine eigenen Kosten gefertigten orthopädischen Sicherheitsschuhen sei der Kläger derzeit in der Lage, seine Tätigkeit als Lagerarbeiter auszuüben. Die Kosten für das orthopädische Maßschuhwerk sollten übernommen werden.

Die Beklagte half dann dem Widerspruch mit Bescheid vom 20. September 2012 ab und übernahm die Kosten für die orthopädischen Sicherheitsschuhe in Höhe von 1.409,46 EUR unter Abzug von 100,00 EUR als Kostenanteil des Arbeitgebers für ein Paar Sicherheitsschuhe ohne orthopädische Ausstattung.

Den Antrag vom 2. Januar 2013, mit dem der Kläger die Versorgung mit einem zweiten Paar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe als Reserve-/Wechselpaar begehrte, lehnte die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Dr. Sch. vom 9. Januar 2013 (Wechselpaar nicht erforderlich) mit Bescheid vom 10. Januar 2013 ab, da die Erwerbsfähigkeit nicht erheblich gemindert oder gefährdet sei. Die Tätigkeit als Lagerist sei weiter möglich, ein Wechselpaar sei nicht erforderlich, da die Versorgung mit den bewilligten Schuhen ausreiche. Auch aus anderen (Rechts-)Gründen bestehe kein Rehabilitationsbedarf nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, bei erheblichen Temperaturen komme es in den orthopädischen Schuhen zu einer Schweißentwicklung. Es sei keinem Menschen zumutbar, mit nur einem Paar Arbeitsschuhe im Jahr zu arbeiten. Es könne auch durchaus passieren, dass das vorhandene Paar orthopädischer Schuhe durchfeuchte oder auf sonstige Weise zumindest zeitweise unbrauchbar werde. In diesem Fall könne er nicht arbeiten und müsste ca. drei Monate bis zur Fertigung eines neuen Paares warten.

Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung einer weiteren medizinischen Stellungnahme des Dr. Sch. vom 31. Januar 2013 (keine Indikation für ein Wechselpaar orthopädischer Schuhe) mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2013 zurück.

Deswegen hat der Kläger am 9. April 2013 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und die Gewährung eines Reservepaares orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe weiter begehrt. Neben Wiederholungen hat er u.a. vorgetragen, die Begründung der Beklagten sei im Grunde genommen nur eine "Scheinbegründung" und führe zu einem "unzumutbaren Ergebnis". Durch das immer feuchte Klima im Schuh sei das Tragen unangenehm und komme es zu einem schnelleren Verschleiß sowie Folgeschäden. Mit einem Wechselpaar könnte Druckstellen vorgebeugt werden, da die Schuhe vor dem nächsten Tag komplett austrocknen könnten. Durch die Gewährung des ersten Paares Arbeitsschuhe habe die Beklagte einen "Vertrauenstatbestand erweckt", der "schützenswert" sei, dass ihm auch ein zweites Paar Arbeitsschuhe zu bewilligen sei, soweit medizinisch erforderlich. Dass ein Paar Arbeitsschuhe ausreiche, sei "absolut lebensfremd" und mit den tatsächlichen Verhältnissen absolut nicht in Übereinstimmung zu bringen. Hierzu hat er u.a. eine "Bestätigung/Bescheinigung" der Firma Orthopädie-Schuhtechnik W. vom 3. Juni 2013 (dem Kläger sei ein Paar orthopädischer Arbeitsschuhe angefertigt worden, wiederholte Kontrollen hätten ergeben, dass die Schuhe durch das ständige Tragen und durch Fußschweiß keine Möglichkeit des Austrocknens hätten, in dem Fall wäre ein Wechselpaar dringend nötig, durch das immer feuchte Klima im Schuh sei ein schneller Verschleiß sicher und das Tragen unangenehm und Folgeschäden unvermeidbar, für eine möglichst ununterbrochene Teilhabe am Arbeitsleben sei eine Ausstattung mit einem zweiten Paar Arbeitsschuhe "unumgänglich") und eine Äußerung der Dr. L. vom 28. Mai 2013 (der Kläger trage auch im Alltag orthopädische Schuhe, eine ausgeprägte Fußschweißneigung begünstige gerade in den Arbeitsschuhen immer wieder Rötungen und schmerzhafte Druckstellen, die dann wiederholt zu Arbeitsunfähigkeiten führten, ein Wechselpaar könnte Druckstellen vorbeugen, da die Schuhe vor dem nächsten Tag komplett austrocknen könnten) vorgelegt.

Das SG hat eine telefonische Auskunft des Orthopädietechnikers W. (W.) eingeholt. Gemäß dem den Beteiligten zur Kenntnis gegebenen Aktenvermerk vom 8. Juli 2014 hat er angegeben, der Kläger komme in regelmäßigen Abständen, um sowohl Arbeits- als auch Freizeitschuhe nachbessern zu lassen. Er habe sehr empfindliche Füße, die schnell zu Druckstellen und Rötungen neigten und auch oft entzündet seien. Der Kläger habe eine extreme Schweißneigung. Auch die Ausstattung mit Spezialfutter helfe nicht viel. Im Übrigen habe der Kläger das von der Beklagten bezahlte und von der Fa. Sch. und E. GmbH angefertigte Paar nie tragen können. Man habe daher Mitte 2012 ein anderes Paar angefertigt, das der Kläger nun trage, das aber auch demnächst ersetzt werden müsse. Der Kläger schwitze so stark, dass das erste Schuhpaar über Nacht nicht vollständig austrockne. Eine "Trocknungsanlage" sei wenig sinnvoll, da diese das Leder zu sehr austrockne, was zu einem schnelleren Verschleiß führe. Im Übrigen werde durch den Einsatz von zwei Paaren die Lebensdauer der Schuhe verlängert. Ein zweites Paar Arbeitsschuhe sei dringend erforderlich, damit der Kläger arbeiten könne.

Die Beklagte hat Stellungnahmen der Dr. H. vom 30. April und 14. August 2013 sowie 22. August 2014 vorgelegt und die Auffassung vertreten, eine Mehrfachversorgung mit orthopädischen Arbeitssicherheitsschuhen sei aus medizinischen Gesichtspunkten nicht erforderlich. Im Übrigen seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Versorgung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) beim Kläger nicht erfüllt, da lediglich eine Versicherungszeit von 100 Kalendermonaten nachgewiesen sei. Für eine erforderliche Ersatzbeschaffung sei sie nicht zuständig. Bezüglich des Streitgegenstandes der Versorgung mit einem Wechsel-/Ersatzpaar habe sie zu entscheiden gehabt und entschieden, weil der Antrag nicht fristgerecht weitergeleitet worden sei. Dr. H. hat ausgeführt, weder in dem orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten vom 14. September 2012, noch in den Berichten der behandelnden Ärzte vom 2. Dezember 2011, 7. März 2012 und 5. April 2012 fänden sich Hinweise auf eine Symptomatik oder Erkrankung, die aus medizinischer Sicht ein Wechselpaar notwendig mache. Es sei weder eine übermäßige Schweißabsonderung, noch eine Hauterkrankung beschrieben. Arbeitsschuhe würden in der Regel acht Stunden täglich getragen und könnten danach gelüftet werden, wobei auch eine Trocknung möglich sei. Dass sie komplett durchfeuchteten oder unbrauchbar würden, sei unwahrscheinlich. Ebenso unrealistisch sei es, dass eine Wiederbeschaffung von Maßschuhen drei Monate dauere. Eine Fertigung innerhalb von fünf Arbeitstagen sei in Eilfällen möglich. Soweit der Kläger schließlich geltend mache, das Klima im Schuh sei immer feucht, sei das nicht nachvollziehbar, da atmungsaktive Materialien Verwendung fänden. Ferner sei üblicherweise ein zumindest täglicher Strumpfwechsel möglich. Über Nacht oder über den Schichtwechsel könne der Schuh austrocknen. Rötungen und Druckstellen sollten bei Maßschuhen nicht auftreten. Sie würden so gefertigt, dass Druckstellen eben nicht entstünden. Hier sei gegebenenfalls eine Nachbesserung durch den Schuhtechniker erforderlich. Auch den Äußerungen des Orthopädieschuhtechnikers W. vom 3. Juni 2013 könne nicht umfassend zugestimmt werden. Soweit er ausführe, durch das ständige Tragen und durch Fußschweiß sei ein Austrocknen nicht möglich, stehe dem entgegen, dass zum einen durch Wechsel der Strümpfe und zum anderen zwischen den Arbeitsschichten ein ausreichender Zeitraum für das Austrocknen bleibe. Aus den Ausführungen der Dr. L. gehe auch nicht hervor, dass eine Therapie wegen pathologischer Fußschweißbildung erfolge. Soweit der Orthopädieschuhtechniker W. von einem schnelleren Verschleiß durch Trocknen der Schuhe ausgehe, sei darauf hinzuweisen, dass die Herstellung von Arbeitsschuhen mit atmungsaktiven Materialien erfolge, wie dies auch von der Berufsgenossenschaft vorgesehen sei. Die Akte enthalte auch keinen Hinweis auf eine pathologische Fußschweißbildung und schon gar nicht auf eine entsprechende fachärztliche Diagnostik und Therapie. Auch im Gutachten vom 14. September 2012 hätten sich keine Hinweise auf eine vermehrte oder pathologische Fußschweißbildung ergeben. Insgesamt gebe es keinen medizinischen Grund für eine Mehrfachversorgung.

Mit Gerichtsbescheid vom 3. August 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte, die für die Entscheidung als erstangegangener Träger zuständig sei, habe das Begehren des Klägers zu Recht abgelehnt, denn dieser habe keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Wechselpaar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe. Nach den Bestimmungen des SGB VI bestehe ein Anspruch nicht, weil der Kläger die Wartezeit von 15 Jahren gemäß § 11 Abs. 1 SGB VI nicht erfüllt habe und im Übrigen auch die persönlichen Voraussetzungen nicht vorlägen, da der Kläger mit einem Paar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe versorgt (worden) sei und er für die beanspruchte (zusätzliche) Versorgung mit einem Ersatzpaar keinen Anspruch habe. Insoweit liege eine Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit in seinem Beruf als Lagerist nicht vor. Die Versorgung mit einem Paar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe durch die Beklagte sei ausreichend, für die Versorgung mit einem Ersatzpaar bestehe keine medizinische Notwendigkeit. Selbst wenn man von einer ausgeprägten Fußschweißneigung ausgehe, begründe dies nicht die Notwendigkeit eines Ersatzpaares. Insofern sei nach den schlüssigen Ausführungen der Dr. H. ein Wechsel der Socken möglich und könne der Schuh über Nacht zudem austrocknen. Bei Verwendung atmungsaktiver Materialien sei dies durchaus möglich. Im Übrigen könne insofern auch mit einer Trocknungsanlage gearbeitet werden, was auch der Orthopädietechniker W. nicht in Abrede gestellt habe. Soweit er hierbei von einem schnelleren Verschleiß der Arbeitsschuhe ausgehe, begründe dies nicht die Notwendigkeit einer Zweitversorgung. Gegebenenfalls sei in kürzeren Abständen eine Versorgung beim jeweils zuständigen Versicherungsträger zu beantragen. Es sei im Übrigen nicht ersichtlich, dass der Kläger durch die geltend gemachte Fußschweißneigung unter schwerwiegenden Druckstellen bzw. Hautirritationen leide, denn eine regelmäßige hautärztliche oder podologische Behandlung sei nicht ersichtlich. Ferner dürften nach den Ausführungen von Dr. H. allein durch Fußschweißneigung Rötungen und schmerzhafte Druckstellen nicht auftreten, da es sich um Maßschuhe handle, die individuell gefertigt seien, damit Druckstellen gerade nicht entstünden. Gegebenenfalls müsste eine Nachbesserung durch den Schuhtechniker erfolgen. Ein Anspruch auf die begehrte Leistung ergebe sich auch nicht aus anderen Leistungsgesetzen wie dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) oder dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die beanspruchten Ersatzarbeitsschuhe dienten ausschließlich der Berufsausübung und unterfielen insofern grundsätzlich dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten und nicht dem für den Privatbereich zuständigen Bereich der Krankenversicherung. Ein Anspruch nach den Bestimmungen des SGB III komme im Hinblick auf die fehlende Notwendigkeit der Versorgung mit einem Ersatzpaar ebenfalls nicht in Betracht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.

Gegen den am 17. August 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 4. September 2015 Berufung eingelegt. Er wiederholt im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Ferner trägt er vor, die Beklagte habe die Kosten orthopädischer Arbeitsschuhe mit Bescheid vom 20. September 2012 erstattet und insofern einen Vertrauenstatbestand dahin gesetzt, dass auch ihr gegenüber ein Anspruch auf Kostenübernahme orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe bestehe. Im Übrigen bestehe auch eine medizinische Notwendigkeit für die Anschaffung eines Ersatzpaares orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe. Soweit das SG dem "nahezu unfassbaren Gutachten der Frau Dr. H. gefolgt" sei, die bei der Fußschweißneigung den Wechsel von Socken für ausreichend halte, sei dies "schlichtweg falsch und nicht haltbar". Der Orthopädieschuhtechniker W. habe bestätigt, dass die Schuhe keine Möglichkeit des Austrocknens hätten und ein Wechselpaar dringend erforderlich sei. Dr. L. habe bestätigt, dass eine ausgeprägte Fußschweißneigung gerade in den Arbeitssicherheitsschuhen immer wieder zu Rötungen und schmerzhaften Druckstellen mit Arbeitsunfähigkeit führe. Es sei völlig unmöglich, dass die Arbeitsschuhe auch beim Wechsel von Socken austrocknen könnten. Bei Benutzung von Trocknungsgeräten komme es zum Aushärten der getrockneten Stellen und zu verstärkten Druckstellen. Dr. H. habe ihn nicht untersucht und sich von den Druckstellen und auch von den Rötungen keinen eigenen Eindruck verschafft. Im Übrigen dauere auch die Wiederbeschaffung von Maßschuhen regelmäßig drei Monate. Es bestehe zu 100% eine medizinische Notwendigkeit für ein zweites Paar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe. Die Rechtsauffassung der Beklagten sei "schlichtweg menschenverachtend". Auf Nachfrage des Senats vom 13. Januar 2016 hat der Kläger angegeben am 17. Januar 2013 die streitgegenständlichen Schuhe beschafft zu haben. Ferner hat er ausgeführt, am 27. Dezember 2013 und 13. März 2015 weitere Ersatzpaare angeschafft zu haben.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. August 2015 sowie den Bescheid vom 10. Januar 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 13. März 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Reservepaar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, eine Mehrfachversorgung des Klägers mit einem Reservepaar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe, das Klagegegenstand sei, sei nicht erforderlich gewesen. Der Kläger habe Förderung für ein Paar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe mit Bescheid vom 20. September 2012 erhalten. Auf Grund dieser Kostenübernahme sei kein Vertrauenstatbestand und auch keine zukünftige Zuständigkeit der ihrerseits für erforderlich werdende Ersatzbeschaffungen abzuleiten. Dem Begehren auf Versorgung mit einem Wechselpaar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe sei nicht zu entsprechen gewesen, da sie nicht erforderlich gewesen sei. Wie auch dem Schreiben der Klägerseite vom 23. Oktober 2015 zu entnehmen, sei der Kläger im Jahr 2012 ausreichend mit geeigneten Arbeitssicherheitsschuhen versorgt gewesen. Da der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle, sei sie auch für eine Ersatzbeschaffung nicht zuständig. Für die Versorgung mit einem gegebenenfalls wegen Verschleißes erforderlichen neuen Paar sei die Arbeitsverwaltung zuständig. Eine Mehrfachversorgung mit einem Reservepaar sei nicht erforderlich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Dieser hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die begehrte Versorgung mit einem Reservepaar bzw. Zweitpaar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe.

Streitgegenstand ist allein die Frage, ob der Kläger im Rahmen der Gewährung von LTA einen Anspruch auf Versorgung mit einem Wechsel- bzw. Zweitpaar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe neben dem Paar hat, das ihm die Beklagte mit Bescheid vom 20. September 2012 bewilligt hatte. Nicht Streitgegenstand und Gegenstand des vorliegend angefochtenen Bescheids und Widerspruchsbescheids ist die Frage, ob der Kläger wegen Verschleiß und Unbrauchbarkeit der mit Bescheid vom 20. September 2012 bezuschussten Arbeitsschuhe einen Anspruch auf Kostenübernahme für Ersatzschuhen hat, da hierüber mit den angefochtenen Bescheiden nicht entschieden worden ist.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen, aus denen sich die Zuständigkeit der Beklagten für die Entscheidung über das streitgegenständliche Begehren - § 14 Abs. 1 SGB IX - ergibt, dargelegt und festgestellt, dass die Beklagte für die Entscheidung über das Begehren (Antrag vom 2. Januar 2013) zuständig ist, weil sie den Antrag nicht unverzüglich an einen anderen Leistungsträger weitergeleitet hat und es damit für die Entscheidung über diesen Streitgegenstand auch ausschließlich bei ihrer Zuständigkeit verbleibt. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an und verweist insofern auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Übrigen hat das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids auch zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die vom Kläger beanspruchte Versorgung mit einem Ersatzpaar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe - §§ 9, 10, 11 Abs. 1, 16 SGB VI i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 SGB IX sowie § 33 SGB V und § 112 SGB III i.V.m. den Vorschriften des SGB IX - dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Kläger auch nach den rentenrechtlichen Vorschriften des SGB VI einen Anspruch auf die begehrte Leistung nicht hat, weil er zum einen mit 100 Kalendermonaten Versicherungszeit schon die erforderliche Wartezeit des § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI von 15 Jahren nicht erfüllt sowie außerdem die persönlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht vorliegen, weil er mit dem von der Beklagten mit Bescheid vom 20. September 2012 bezuschussten Paar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe ausreichend versorgt war und die Versorgung mit einem Zweitpaar bzw. Ersatzpaar zur Abwendung einer Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht erforderlich war sowie im Übrigen aus denselben Gründen ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB III nicht in Betracht kommt und ferner auch für die ausschließlich für die Arbeit beanspruchten Schuhe eine Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem SGB V nicht besteht.

Ergänzend ist anzumerken, dass entgegen der Auffassung des Klägers durch die Bewilligung vom 20. September 2012 ein Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Beklagte für die begehrten Leistungen zuständig wäre und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen insoweit nicht zu prüfen wären, nicht besteht. Vielmehr ist auch insofern für jeden Antrag zu prüfen und zu entscheiden, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist im Hinblick auf § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nicht der Fall, denn der Kläger, der erst ab 1. September 2004 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat, hatte bis Januar 2013 allenfalls 101 Monate an berücksichtigungsfähigen Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt und keine 180 Kalendermonate.

Im Übrigen kommt ein Anspruch auch deshalb nicht in Betracht, weil die Versorgung des Klägers mit einem Reservepaar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe nicht erforderlich war, weil auch ohne diese Versorgung die Erwerbsfähigkeit nicht erheblich gefährdet war (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit auch nicht aus den Äußerungen der Firma W. und der Allgemeinmedizinerin Dr. L ... Bereits Dr. Sch., der den Kläger selbst anlässlich der Begutachtung im vorangegangenen Verwaltungsverfahren am 13. September 2012 noch untersucht hat, hat keinerlei Befunde erhoben, die die Erforderlichkeit einer Versorgung mit einem Zweitpaar orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe belegen könnten. Bei der Untersuchung für das Gutachten vom 14. September 2012 hat der Kläger angegeben, mit den maßgefertigten orthopädischen Sicherheitsschuhen, die er im Mai 2012 zunächst auf eigene Kosten selbst erworben hatte und für die er damals eine Erstattung der Kosten begehrte, sei er in der Lage, seine Tätigkeit als Lagerarbeiter bei der Fa. W. zu verrichten. Von Beeinträchtigungen durch Fußschweiß oder daraus resultierenden Folgeproblemen war - obwohl der Kläger mit den zunächst selbst beschafften Schuhen seit Mai 2012 und über die Sommermonate gearbeitet hatte, nicht die Rede. Dr. Sch. hat bei der körperlichen Untersuchung auch keine entsprechenden Befunde erhoben. Schließlich hat auch er in zwei Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht, dass keine Befunde vorliegen, die die Erforderlichkeit eines Ersatzpaares bzw. Zweitpaares ergeben würden (Stellungnahmen vom 9. Januar 2013 und 31. Januar 2013) und eine Indikation für ein Wechselpaar ausdrücklich verneint. Im Übrigen hat auch Dr. H. für den Senat zutreffend und nachvollziehbar ausgeführt, dass ein Zweitpaar bzw. Ersatzpaar nicht erforderlich ist. Der Senat schließt sich insofern nach eigener Prüfung ebenfalls den Ausführungen des SG uneingeschränkt an und weist insoweit die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ferner ist festzustellen, dass die Behauptung des Klägers, die Anfertigung eines Paares orthopädischer Arbeitssicherheitsschuhe drei Monate in Anspruch nehme, schon dadurch widerlegt, dass im vorangegangenen Verwaltungsverfahren am 4. April 2012 ein Kostenvoranschlag erstellt wurde und die Arbeitsschuhe gemäß der Rechnung vom 14. Juni 2012 damals am 16. Mai 2012 ausgeliefert worden sind. Die hierzu in Widerspruch stehende Behauptung des Klägers ist insofern rein zweckorientiert und ist mit dieser Tatsache nicht vereinbar. Im Übrigen liegt es am Kläger, für den Fall, dass Arbeitsschuhe unbrauchbar werden, neue Arbeitsschuhe rechtzeitig zu beantragen bzw. auch für eine Übergangszeit Ausbesserungen vornehmen zu lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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