Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 VS 3897/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VS 2234/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Gesundheitsstörung, die als Folge einer Wehrdienstbeschädigung festgestellt werden soll, muss sich durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnen lassen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Tinnitus aurium beidseits als Folge einer Wehrdienstbeschädigung.
Der 1950 geborene Kläger absolvierte, nachdem er die Schule beendet hatte, von 1964 bis 1968 eine Lehre als Elektroinstallateur. Bis Mai 1970 arbeitete er in diesem Beruf als Geselle. Ab Juli 1970 verpflichtete er sich bei der Bundeswehr, wo er bis Juni 1978 als Panzerpionier eingesetzt war, zuletzt im Rang eines Feldwebels. Nach dem Fachabitur, welches er im Juni 1979 bestand, studierte er bis Ende 1985 Nachrichtentechnik. Auf diesem Gebiet war er als Diplom-Ingenieur bis zuletzt beruflich tätig. Wehrübungen leistete er vom 14. bis 25. April 1980, vom 2. bis 14. Juli 1984 sowie am 7. und 8. April 1986. Nach einer ärztlichen Untersuchung am 11. Oktober 1988 wurde mit Bescheid vom 22. November 1988 seine Wehrdienstunfähigkeit festgestellt.
Am 24. November 2009 stellte er beim Landratsamt A.D.Kreis einen so genannten "Erstantrag nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)". Darin führte er als bei ihm vorhandene Gesundheitsstörungen unter anderem eine schwere Hörminderung und einen Tinnitus an, die er auf eine Wehrdienstbeschädigung zurückführe. Am 8. Dezember 2009 beantragte er wegen dieser Erkrankungen die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Als von ihm angenommene Ursache führte er nun konkret wehrdienstliche Lärmeinwirkungen durch Panzermotoren sowie bei Schieß- und Sprengübungen an, wie er dies der Beklagten gegenüber auch in einem Erklärungsvordruck Mitte Mai 2010 kundtat. Er gab darin weiter an, dass er während seiner beruflichen Tätigkeit als Betriebselektriker in einem Kessel gearbeitet habe und hierbei das Trommelfell gerissen sei. Der Tinnitus sei 1976 oder im Folgejahr behandlungsbedürftig geworden.
Nach einer vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigung des ihn behandelnden Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohren (HNO-)Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie Dr. Ph. von April 2010 war er seit über fünfzehn Jahren in dessen regelmäßiger Behandlung. Er habe ihm gegenüber im Oktober 2004 über eine beeinträchtigende Hörminderung und ein Ohrgeräusch berichtet. Nach der beigefügten Tonaudiometrie bestehe eine leicht rechtsbetonte Hochtonperzeptionsschwerhörigkeit beidseits mit Steilabfall ab 2 kHz. Die vom Kläger geklagten Ohrgeräusche seien rechts bei 3 kHz mit 75 dB und links bei 4 kHz mit 80 dB zu bestimmen gewesen.
Die Beklagte zog Unterlagen über truppenärztliche Untersuchungen des Klägers über das Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr bei. Hierunter befand sich, neben Tonaudiogrammen vom 23. Mai 1977, 12. September 1986 und 7. November 1988, ein Bericht des Facharztes für HNO-Heilkunde Dr. St. vom 3. Juni 1977, wonach eine knalltraumatisch bedingte Innenohrschädigung beidseits und der Verdacht auf eine chronische Tonsillitis diagnostiziert wurden. Wegen des zeitweiligen Tinnitus empfehle er, zweimal täglich eine Tablette Bellergal retard über zehn Tage hinweg einzunehmen. Zudem wurden die mittels eines Audiogrammes gewonnenen Ergebnisse zum Hörverlust wiedergegeben. Nach einem Bericht des Oberstabsarztes und Arztes für HNO-Heilkunde W. vom 14. Juni 1977 wurde eine lärmtraumatisch bedingte Innenohrschwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus rechts diagnostiziert. Im Vergleich zur Voruntersuchung Anfang Juni sei ein praktisch unveränderter Befund erhoben worden.
Auf Nachfrage der Beklagten wiederholte Dr. Ph. im November 2010 seine Angaben, die er bereits in der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigung von April 2010 gemacht hatte, und übersandte von ihm erstellte Tonaudiogramme vom 7. Oktober 2004, 22. Oktober 2009 sowie 23. April und 4. Mai 2010.
Im Auftrag der Beklagten erstattete der HNO-Arzt Dr. N. am 4. Januar 2011 ein Gutachten nach Aktenlage. In den Tonaudiogrammen vom 7. Oktober 2004 und 22. Oktober 2009 habe sich gegenüber demjenigen vom 7. November 1988 eine Hörverschlechterung über alle Frequenzen gezeigt; im Tonaudiogramm vom 7. Oktober 2004 auch in den tieferen und mittleren Frequenzen. Da knalltraumatische Innenohrschäden in der Regel nicht progredient verliefen, insbesondere nicht in den schädigungsfreien tiefen und mittleren Frequenzen, sei diese Hörverschlechterung nicht mit Wahrscheinlichkeit auf Knalltraumen während der Bundeswehrzeit, die bereits 1978 geendet habe, zurückzuführen, zumal bis 1988 keine Progredienz eingetreten sei. Auch die Hörverbesserung gegenüber dem Tonaudiogramm vom 7. Oktober 2004, wie sie in denjenigen vom 22. Oktober 2009 sowie vom 23. April und 4. Mai 2010 zum Ausdruck gekommen sei, und das schwankende Hörvermögen wiesen auf lärmunabhängige Einflüsse hin; ebenso wie die jetzt noch vorhandene Progredienz im mittleren Frequenzbereich. Der knalltraumatische Innenohrschaden sei bereits 1977 festgestellt und mit Wahrscheinlichkeit auf ein Knalltrauma während der Bundeswehrzeit zurückgeführt worden. Die aktuellen Befunde bestätigten dies. Ohrgeräusche seien nach den Arztberichten seit 1988 nicht mehr angegeben worden. Diese seien unter Berücksichtigung der Auskunft von Dr. Ph. offenbar erst wieder im Jahre 2004 aufgetreten. Ab diesem Zeitpunkt seien sie indes nicht mehr mit Wahrscheinlichkeit auf das Knalltrauma im Jahre 1977 zurückzuführen. Sie seien demgegenüber bedingt durch die schadensunabhängige Progredienz des Hörschadens und die Hörverschlechterung im Jahre 2004. An aus der Bundeswehrzeit resultierenden Gesundheitsstörungen liege beim Kläger ein beidseitiger knalltraumatischer Innenohrschaden mit einer beidseitigen Hochtoninnenohrschwerhörigkeit und abgeklungenen Ohrgeräuschen rechts vor.
Im Verfahren zur Feststellung eines Rechts auf Beschädigtenversorgung zog die Beklagte Vorerkrankungsverzeichnisse der Barmer Ersatzkasse (heute: Barmer GEK) und der AOK Baden-Württemberg bei, wo der Kläger einerseits von Juli 1978 bis Mitte November 1995 sowie andererseits von 1965 bis Mai 1970 und Mai 2004 bis September 2008 jeweils gegen Krankheit versichert war. Anschließend war er bei der DAK-Gesundheit versichert.
Mit Bescheid vom 9. Februar 2011 stellte die Beklagte einen knalltraumatischen Innenohrschaden beidseits mit einer Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beidseits und abgeklungenen Ohrgeräuschen rechts als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung fest. Ein Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG bestehe nicht. Der nicht begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2011 zurückgewiesen. Ein Ausgleich könne nicht gewährt werden. Da der Widerspruch trotz Aufforderung nicht begründet worden sei, sei die Versorgungsangelegenheit nach Lage der Akten nochmals überprüft worden. Dabei sei festgestellt worden, dass der angefochtene Bescheid keinen Anlass zur Beanstandung gebe.
Unterdessen hatte der Beigeladene mit (Erstanerkennungs-)Bescheid vom 21. Februar 2011 eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt. Diese sei durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG hervorgerufen worden. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, über den, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden wurde.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 14. November 2011 hat der Kläger am 24. November 2011 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, welches mit Beschluss vom 13. Dezember 2011 das Land Baden-Württemberg beigeladen hat.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat die Leiterin der Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie der Universitätsklinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie des Universitätsklinikums U. Prof. Dr. B., nach einer Untersuchung des Klägers am 10. Juni 2013 ein Gutachten erstattet. Bei ihm lägen eine deutliche hochtonbetonte Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits und Ohrgeräusche beidseits vor. Dabei verliefen die Hörschwellen beider Ohren durchaus lärmtypisch. Die Ohrgeräusche ließen sich für beide Ohren lärmtypisch verdecken. Das Tonaudiogramm vom 23. Mai 1977 liege dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus der Bundeswehr am nächsten. Auf einer sehr schlechten Kopie im tiefen und mittleren Frequenzbereich zeige es schlechtere Werte als zum Zeitpunkt ihrer aktuellen Messung. Sie vermute, dass die Hörprüfung damals nicht nach einer ausreichenden Lärmpause vorgenommen worden sei. Ein weiteres Tonaudiogramm vom 3. Juni 1977 belege, dass es seither zu einer gewissen Progredienz der Schwerhörigkeit auf beiden Ohren gekommen sei. Diese sei rechts bei 3 kHz besonders deutlich ausgeprägt. Da der Kläger nach dieser Hörprüfung noch für weitere zwölf Monate diversen Lärmquellen bei der regelmäßigen Aufsicht von Schützen an Maschinengewehren, durch Panzermotoren oder bei Sprengübungen ausgesetzt gewesen sei, könne im Nachhinein nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die Progredienz bis heute im Wesentlichen lärmunabhängig entstanden sei. Für eine gewisse Hörverschlechterung nach 1978 sprächen die eigenen Angaben des Klägers, der berichtet habe, in letzter Zeit subjektiv etwas schlechter zu hören. Im Wesentlichen habe sich jedoch die Hörstörung unter massivem Lärm in der Zeit zwischen Juni 1970 und Juni 1978 entwickelt. Es gebe keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die eindeutig vorhandenen und völlig lärmtypischen Ohrgeräusche nicht ebenfalls Folge dieser Lärmeinwirkungen seien, auch wenn sie in den Akten keine regelmäßige Erwähnung fänden. Der Grund hierfür liege darin, dass der Kläger Kompensationsstrategien entwickelt habe, die es ihm ermöglichten, die Ohrgeräusche bis zum heutigen Tag weitgehend suffizient zu unterdrücken. Diese erfüllten audiometrisch alle Kriterien einer Lärmschädigung, so dass diese, abweichend zum Vorgutachten, ebenfalls als Wehrdienstfolge anzuerkennen seien. Der Kläger habe ihr gegenüber glaubhaft versichert, dass diese schon Mitte bis Ende der 1970er Jahre kontinuierlich vorhanden gewesen seien.
Hierauf hat die Beklagte, unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W., Arzt für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, von Juli 2013, die an eine frühere von Dezember 2011 anknüpft, erwidert, bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. B. seien beim Kläger aktuell eine lärmtypische deutliche hochtonbetonte Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits, also eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beidseits, und Ohrgeräusche im Hochtonbereich beidseits festgestellt worden. In dem durchgeführten Gehörtest habe sich, bei weitgehender Deckungsgleichheit der Luft- mit den Knochenleitungshörkurven (Innenohren = Schallempfindung), jeweils eine Senke der Innenohrhörkurve rechtsseitig oberhalb 0,5 kHz von etwa 15 auf 90 bis 95 dB bei 4 bis 6 kHz und linksseitig oberhalb 1 kHz von etwa 15 auf ungefähr 90 dB bei 4 bis 6 kHz gezeigt. Es habe sich dabei, nachgewiesen durch die weiteren Untersuchungen, um einen reinen Innenohrschaden gehandelt. Da die Hörkurven der Innenohren in den Gehörtests aus den Jahren 1977 und 1988 weitgehend übereinstimmten, könne abgeleitet werden, dass beim Kläger bei Beendigung seines Wehrdienstes im Juni 1978 im Wesentlichen ein vergleichbarer Hörverlust wie im November 1988 vorgelegen habe. Die Senken der Innenohrkurven oberhalb 3 kHz hätten sich rechtsseitig von 10 auf 75 dB bei 4 kHz und linksseitig von 5 auf 70 dB bei 6 kHz gezeigt. Er nehme daher an, dass dieser im November 1988 festgestellte Hörverlust bereits bei Beendigung des Wehrdienstes des Klägers im Juni 1978 vorhanden gewesen sei. Nach der Begutachtung durch Prof. Dr. B. habe sich nun eine deutliche Verschlechterung des beidseitigen Hörvermögens zwischen Juni 1978 und Juni 2013 gezeigt, ohne dass es in der Krankenvorgeschichte des Klägers nach seinem Wehrdienst zu weiteren lärmtraumatischen Einflüssen gekommen sei. Da sich ein lärmtraumatisch bedingter Hörverlust, wie er beim Kläger bei Beendigung seines Wehrdienstes im Juni 1978 nachgewiesen worden sei, ohne weitere lärmtraumatische Einwirkungen nicht negativ verändere, müsse die über den Zeitraum von Juni 1978 bis Juni 2013 hinweg eingetretene Verschlimmerung auf einer anderen, nicht wehrdienstbedingten Ursache beruhen. Nach Aktenlage sei im Monat nach dem offensichtlich im Mai 1977 erlittenen Knalltrauma HNO-ärztlich wiederholt ein mitunter zeitweilig auftretendes, rechtsseitiges Ohrgeräusch beschrieben worden.
Ergänzend dazu habe der Kläger gegenüber Prof. Dr. B. angegeben, dass bei ihm bereits seit etwa 1972 phasenweise, jeweils bis zu einer Woche, ein Tinnitus im Anschluss an Schießübungen aufgetreten sei. Entsprechende Eintragungen in der wehrdienstlichen Gesundheitsakte des Klägers fänden sich demgegenüber nicht. Nach seinem Wehrdienst habe er sich ab etwa 1994 in HNO-ärztlicher Behandlung befunden. Dabei sei erstmals im Oktober 2004 im Bereich der Hörschwelle ein beidseitiges Ohrgeräusch, rechtsseitig bei 3 kHz in Höhe von 75 dB und linksseitig bei 4 kHz in Höhe von 80 dB, eingegrenzt worden. Bei der Begutachtung durch Prof. Dr. B. sei im Juni 2013 erneut ein beidseitiges Ohrgeräusch, jeweils in Höhe der Hörschwelle, rechtsseitig bei 10 kHz in Höhe von 89 dB und linksseitig bei 4 kHz in Höhe von 95 dB, festgestellt worden. Von 2004 bis 2013 sei es also insoweit zu einer Veränderung des beidseitigen Ohrgeräusches gekommen, als sich insbesondere rechtsseitig die empfundene Tonhöhe von 3 auf 10 kHz geändert habe und es beidseitig zu einer Erhöhung der empfundenen Lautheit gekommen sei.
Auch wenn der Verlauf der Innenohrhörkurven beider Ohren im Gehörtest und das bei der Begutachtung durch Prof. Dr. B. nachgewiesene beidseitige Ohrgeräusch für sich genommen schlüssig als jeweils lärmtraumatisch verursacht zu bewerten sei, müsse aus versorgungsmedizinischer Sicht wegen des während des Wehrdienstes des Klägers HNO-ärztlich wiederholt beschriebenen und lediglich zeitweise aufgetretenen rechtsseitigen Ohrgeräusches, einer nach dem Wehrdienst nicht geklärten Verschlechterung des beidseitigen Hörvermögens, einer Änderung der empfundenen Tonhöhe und Lautheit sowie des nunmehr beidseitigen Ohrgeräusches, insbesondere rechtsseitig, ein wahrscheinlicher wehrdienstlicher Kausalzusammenhang verneint werden. Selbst wenn hinsichtlich eines bleibenden rechtsseitigen Ohrgeräusches ein solcher in Betracht zu ziehen sei, müsse auf die Veränderung der empfundenen Tonhöhe von 3 auf 10 kHz hingewiesen werden. Dieser Umstand spreche gegen eine lärmtraumatische Ursache.
Hierzu hat Prof. Dr. B. im August 2013 ergänzend Stellung genommen. Gegen Ende der Wehrdiensttätigkeit im Juni 1978 sei kein Tonaudiogramm erstellt worden. Die vorhandenen Messungen zeigten zudem nicht unerhebliche Schwankungen. Da der Kläger nach der Hörprüfung im Juni 1977 ferner noch für weitere zwölf Monate diversen wehrdienstbedingten Lärmquellen ausgesetzt gewesen sei, könne im Nachhinein nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die Progredienz bis heute im Wesentlichen lärmunabhängig entstanden sei. Für eine gewisse Hörverschlechterung nach 1978 sprächen allenfalls die eigenen Angaben des Klägers, der berichtet habe, in letzter Zeit etwas schlechter zu hören. Korrekt sei, dass sich eine lärmtraumatisch entstandene Schwerhörigkeit nach Sistieren der Lärmarbeit nicht weiter verschlechtern könne. Degenerative, lärmunabhängige Mitursachen für das Voranschreien der Schwerhörigkeit des Klägers seien durchaus denkbar, letztlich jedoch nicht nachgewiesen worden. Wie bereits im Gutachten dargelegt, habe der Kläger absolut plausibel schildern können, wie sich seine Ohrgeräusche während der Bundeswehrzeit, aber auch darüber hinaus, entwickelt hätten. Offenbar habe schon damals ein durchaus wechselseitiger, intermittierender Tinnitus in beiden Ohren vorgelegen, der rechts stärker ausgeprägt gewesen sei als links. Die Bestimmung von Ohrgeräuschen in Frequenz und Lautstärke sei nicht einfach und abhängig sowohl von der Untersuchungstechnik als auch der Erfahrung der untersuchenden Person. Nicht nur die Frequenz alleine bestimme eine lärmtraumatische Schädigung. Viel aussagekräftiger sei insbesondere die Verdeckbarkeit der Ohrgeräusche. Auf dem von ihr Mitte Juni 2013 erstellten Tonaudiogramm sei bei beiden Ohren eine schwellennahe Verdeckbarkeit der Ohrgeräusche zu erkennen, wie sie klassischer für eine Lärmschädigung nicht vorhanden sein könne. Links sei das Ohrgeräusch bei 4 kHz und 95 dB bestimmt worden. Dies sei ebenfalls ein lärmtypischer Befund. Dass sich die Tinnitusbestimmung rechts von ehemals 3 auf nun 10 kHz verändert habe, könne als Einzelbefund nicht als Nachweis dafür dienen, dass die wehrdienstbedingte Lärmeinwirkung nicht ursächlich gewesen sei. Soweit ersichtlich, habe nur sie eine Tinnitusverdeckungskurve durchgeführt, weshalb eine Vergleichsbetrachtung von vornherein ausscheide.
Hierauf hat die Beklagte mittels einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. von September 2013 eingewandt, Prof. Dr. B. habe nun bestätigt, dass eine wehrdienstliche Ursache für die im Zeitraum von November 1988 bis Juni 2013 nachgewiesene Verschlechterung nicht wahrscheinlich sei. Während des Wehrdienstes des Klägers seien Ohrgeräusche nicht objektiviert worden. Lediglich im Rahmen einer Anfang Juni 1977 erfolgten HNO-ärztlichen Untersuchung sei das Auftreten eines zeitweiligen Tinnitus ohne Seitenangabe und bei einer Nachuntersuchung knapp zwei Wochen später ein Tinnitus rechts beschrieben worden. Während des weiteren Wehrdienstes des Klägers seien Ohrgeräusche aktenkundig nicht mehr beschrieben worden. Erstmals nach der Bundeswehrdienstzeit, soweit erkennbar im Oktober 2004, seien bei einer HNO-ärztlichen Untersuchung des Klägers beidseitige Ohrgeräusche im Gehörtest, rechtsseitig bei 3 kHz und linksseitig bei 4 kHz, nachgewiesen worden. Es bestünden aus versorgungsmedizinischer Sicht keine Zweifel an der korrekten Durchführung dieser fachärztlichen Untersuchungen. Bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. B. Mitte Juni 2013 sei das Ohrgeräusch im Gehörtest rechtsseitig bei 10 kHz und linksseitig wiederum bei 4 kHz nachgewiesen worden. Somit sei im Zeitraum von Oktober 2004 bis Juni 2013 eine Veränderung der empfundenen Tonhöhe des rechtsseitigen Ohrgeräusches von 3 auf 10 kHz eingetreten. Eine derartig ausgeprägte Veränderung sei untypisch für ein lärmtraumatisch verursachtes Ohrgeräusch. Eine Traumatisierung des Innenohres durch Knall, Explosion oder eine andere Lärmquelle setze eine Schädigung der Innenohrsinneszellen in einem ganz bestimmten Anteil der Hörschnecke voraus. Diese Schädigung führe zu einem Ohrgeräusch, dass unbeeinflussbar und somit dauernd in etwa gleicher Stärke wahrnehmbar sei. Wechsele die Intensität oder verändere sich der tonale Eindruck des Ohrgeräusches, wie beim Kläger, müsse ein Schaden der Innenohrsinneszellen und damit eine knalltraumatische oder andere lärmbedingte Ursache mit Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Selbst wenn das beschriebene rechtsseitige Ohrgeräusch auch während des Wehrdienstes nachgewiesen worden wäre, würde dies die deutliche Veränderung der Tonhöhe nicht erklären. Daher könne das im Juni 2013 bei der Begutachtung durch Prof. Dr. B. objektivierte rechtsseitige Ohrgeräusch bei 10 kHz aus versorgungsmedizinischer Sicht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine wehrdienstliche Ursache zurückgeführt werden. Da ein linksseitiges Ohrgeräusch während des Wehrdienstes aktenkundig weder beschrieben noch nachgewiesen worden sei, bestünde aus versorgungsmedizinischer Sicht auch diesbezüglich kein wahrscheinlicher wehrdienstlicher Kausalzusammenhang.
Das SG hat die Klage, mit Einverständnis der Beteiligten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, mit Urteil vom 10. Dezember 2014 abgewiesen. Es stünde bereits nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entlassung aus der Bundeswehr Ende Juni 1978 ein Tinnitus überhaupt noch bestanden habe, was erforderlich wäre, damit es sich bei der zuletzt gesicherten Gesundheitsstörung um eine Schädigungsfolge handeln könne. Im Übrigen seien die ab dem Jahre 2004 dokumentierten Ohrgeräusche nicht mit der notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit auf die während der Bundeswehrzeit erlittenen Knalltraumen zurückzuführen. Hierbei sei berücksichtigt worden, dass nach Abschluss der letzten Wehrübung noch annähernd zwei Jahrzehnte vergangen seien bis eine ärztliche Dokumentation erfolgte. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb direkt nach dem traumatischen Ereignis ein Tinnitus angegeben worden sei, bei späteren Untersuchungen hingegen nicht mehr. Die Kammer sei davon überzeugt, dass einem Zeitsoldaten bei der Bundeswehr die Bedeutung der medizinischen Dokumentation seiner Gesundheitsstörungen bei der Entlassungsuntersuchung im Hinblick auf später auftretende Folgeerkrankungen bekannt sei. Es erscheine deshalb wenig nachvollziehbar, dass nicht auf eine entsprechende Berücksichtigung bestanden worden sei. Zweifel an einer ordnungsgemäßen Befunderhebung durch Dr. Ph. und Prof. Dr. B. bestünden nicht.
Gegen die den Bevollmächtigten des Klägers am 8. Mai 2015 zugestellte Entscheidung hat dieser am 27. Mai 2015 Berufung eingelegt.
Er trägt im Wesentlichen vor, aus welchem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz das SG schließe, dass ein Zeitsoldat bei der Untersuchung anlässlich seiner Entlassung aus der Bundeswehr darauf achte, welche Dinge dokumentiert würden, erschließe sich ihm nicht. Dies sei weder dargelegt worden noch nachvollziehbar. Nach dem Bericht von Dr. St. habe es sich angeblich um einen zeitweiligen Tinnitus gehandelt. Dem Dokument sei jedoch nicht zu entnehmen, weshalb er zu diesem Ergebnis gekommen sei. Ohnehin bezöge sich diese Aussage wohl nur auf den Untersuchungszeitpunkt und nicht auf die Zeit danach. Zu berücksichtigen sei zudem, dass es sich bei einem Tinnitus um keine Krankheit, sondern lediglich ein Symptom handele. Bereits der Umstand, dass in den HNO-ärztlichen Berichten von Anfang und Mitte Juni 1977 von einer solchen Gesundheitsstörung gesprochen worden sei, deute in diagnostischer Form darauf hin, dass die Ohrgeräusche auch ein Jahr später noch vorgelegen hätten; insbesondere auch deshalb, da der Tinnitus noch jüngst diagnostiziert worden sei. Die Untersuchungen im Juni 1977 seien nicht direkt nach traumatischen Ereignissen vorgenommen worden. Er sei erst wieder ab Juli bis September 1977, nach Ablauf der Abkommandierung nach B. weiteren Lärmeinwirkungen ausgesetzt gewesen. Letztendlich habe die Sachverständige Prof. Dr. B. klar und deutlich ausgeführt, dass von einem durchgehend vorhandenen Tinnitus auszugehen sei und er diesen wegen der Verdrängungsmöglichkeiten nicht immer bei ärztlichen Untersuchungen angeführt habe. Er habe wegen des Tinnitus nie Tabletten eingenommen, ihm seien Spritzen verabreicht worden. Die Messung, die Dr. Ph. zur Bestimmung der Ohrgeräusche vorgenommen habe, sei nicht geeignet gewesen, den zutreffenden Wert zu ermitteln.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 10. Dezember 2014 und teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 9. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2011 die Beklagte zu verpflichten, einen Tinnitus aurium (ICD-10 H93.1) beidseits als Folge einer Wehrdienstbeschädigung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, das Urteil des SG weise weder Sach- noch Rechtsfehler auf, weshalb das Begehren des Klägers nicht zum Erfolg führen könne.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und erstinstanzlich vorgetragen, ein Kausalzusammenhang zwischen den vom Kläger angeführten Ohrgeräuschen beidseits und wehrdienstlichen Einflüssen lasse sich nicht wahrscheinlich machen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (3 Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) des Klägers ist unbegründet. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung im Bescheid vom 9. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2011 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Das SG hat daher die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VS 2/09 R -, SozR 4-3200 § 88 Nr. 4, Rz. 32; Urteil des Senats vom 19. Dezember 2013 - L 6 VS 2041/13 -, juris, Rz. 23) erhobene Klage zu Recht abgewiesen.
Die Beklagte ist nach der Änderung des § 88 Abs. 1 Satz 1 SVG, wonach die Soldatenversorgung nunmehr von Behörden der Bundeswehrverwaltung durchgeführt wird (BGBl I Nr. 61, S. 3054), seit dem 1. Januar 2015 für die Ausführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständig. Insoweit kommt es nicht auf die nach früherer Rechtslage zu treffende Zuständigkeitsabgrenzung zwischen der Bundeswehrverwaltung und den damals noch für die Ausführung des BVG zuständigen Behörden nach § 88 SVG alte Fassung an, also ob es um die Feststellung von Folgen einer Wehrdienstbeschädigung geht, die bereits während des Wehrdienstes vorgelegen haben oder die erst nach dessen Ende aufgetreten sind (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, juris, Rz. 32; zur früheren Rechtslage BSG, a. a. O., Rz. 33 ff.). Maßgeblich für die vom Kläger erhobene Klage ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats.
Die Sachentscheidungsvoraussetzungen der Klage liegen vor, insbesondere ist der Kläger klagebefugt. Nach § 54 Abs. 1 SGG kann mit der Anfechtungsklage, die vorliegend mit einer Verpflichtungsklage kombiniert worden ist, die Aufhebung eines Verwaltungsaktes oder seine Abänderung begehrt werden (Satz 1). Sie ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein (Satz 2). Insoweit reicht es hingegen aus, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und der Kläger die Beseitigung einer in seine Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstrebt, von der er behauptet, sie sei nicht rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SB 2/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 5, Rz. 18). An der Klagebefugnis fehlt es nur, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R -, BSGE 90, 127 (130)), weil hinsichtlich des Klagebegehrens eine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung nicht vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 33/07 R -, SozR 4-1500 § 77 Nr. 1, Rz. 13). Solange der zuständige Verwaltungsträger nicht etwa über einen Anspruch auf Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung entschieden hat, kann der Versicherte, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde (§ 88 SGG), kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung haben. Nach Auslegung des Bescheides vom 9. Februar 2011 hat die Beklagte indes festgestellt, dass - außer abgeklungenen Ohrgeräuschen rechts als Folge einer Wehrdienstbeschädigung - ein bestehender Tinnitus aurium nicht hierauf zurückzuführen ist. Dabei ist Maßstab der Auslegung der "Empfängerhorizont" verständiger Beteiligter, die die Zusammenhänge berücksichtigen, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2008 - B 5a/5 R 20/06 R -, BSGE 100, 1, (2 m. w. N.)). Gemessen daran hat die Beklagte diese negative Feststellung getroffen. Denn der Kläger hat im Erstantrag nach dem SGB IX vom 24. November 2009 angeführt, unter anderem an einem Tinnitus zu leiden, wofür er eine Wehrdienstbeschädigung als Ursache ansehe. Auch deswegen hat er mit Antrag vom 8. Dezember 2009 die Gewährung von Beschädigtenversorgung beansprucht. In einem ihm von der Beklagen übersandten Erklärungsvordruck hat er Mitte Mai 2010 angegeben, er klage aktuell über einen Tinnitus, und diesem eine ärztliche Bescheinigung des ihn behandelnden Arztes für HNO-Heilkunde Dr. Ph. beigefügt, wonach eine solche Erkrankung im Oktober 2004 objektiviert worden sei. Bei dieser Sachlage konnte ein verständiger Beteiligter den Ausgangsbescheid nur so verstehen, dass damit auch geregelt worden ist, dass, außer den von den Ärzten für HNO-Heilkunde Dr. St. und W. jeweils im Juni 1977 in ihren Berichten erwähnten zeitweiligen Ohrgeräuschen beziehungsweise dem Tinnitus rechts, ein sonstiger, später nachgewiesener Tinnitus aurium nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung ist.
Für eine zulässige Klage fehlt es auch nicht an einem abgeschlossenen Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). Den nicht begründeten und somit als gegen alle, einen jeweiligen Anspruch des Klägers verneinende Verwaltungsentscheidungen gerichtet anzusehenden Widerspruch hat die Beklagte nicht nur mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Ausgleich gemäß § 85 SVG, der ebenfalls Regelungsgegenstand der Ausgangsbescheides gewesen ist, nicht gewährt werden kann. Daran schließt die Formulierung an, dass, da der Widerspruch trotz Aufforderung nicht begründet worden ist, die Versorgungsangelegenheit nach Lage der Akten nochmals überprüft worden ist. Dabei sei festgestellt worden, dass der angefochtene Bescheid keinen Anlass zur Beanstandung gebe. Ein verständiger Beteiligter konnte hierin einzig eine umfassende Überprüfung der mittels des Ausgangsbescheides getroffenen Regelungen durch die Widerspruchsbehörde sehen, also auch in Bezug auf die negative Feststellung, dass ein Tinnitus aurium nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung ist.
Die Klage ist hingegen unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Tinnitus aurium beidseits als Folge einer Wehrdienstbeschädigung.
Dieser Anspruch richtet sich nach § 81, § 85 SVG (vgl. Urteil des Senats vom 19. Dezember 2013 - L 6 VS 2041/13 -, juris, Rz. 26). Gemäß § 85 Abs. 1 SVG erhalten Soldaten wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Abs. 1 und § 31 BVG. Nach § 81 Abs. 1 SVG ist eine Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Durch diese gesetzlichen Bestimmungen ist nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum für die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreigliedrige Kausalkette vorgegeben: Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung geführt haben, die wiederum die geltend gemachte Schädigungsfolge bedingt haben muss. Dabei müssen sich die drei Glieder selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen, während für den ursächlichen Zusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 3/13 R -, SozR 4-3200 § 81 Nr. 6, Rz. 14 m. w. N.), wie dies § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung normiert. Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, SozR 4-7945 § 3 Nr. 1, Rz. 17). Ein Gesundheitsschaden muss darüber hinaus nicht nur sicher feststehen. Er muss auch durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18 zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben spricht nach der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigenden Lärmeinwirkungen durch Panzermotoren sowie bei Schieß- und Sprengübungen im Laufe des vom Kläger abgeleisteten Wehrdienstes, einschließlich der Wehrübungen, und einem Tinnitus aurium (ICD-10 H93.1). Während der Bundeswehrzeit ist ein Tinnitus aurium nicht objektiviert worden. Dr. St. hatte nach der von ihm Anfang Juni 1977 durchgeführten Untersuchung lediglich einen zeitweiligen Tinnitus beschrieben, weswegen er zweimal täglich eine Tablette Bellergal retard für zehn Tage verordnete, ohne allerdings eine Erkrankung zu diagnostizieren. Die Diagnosestellung beschränkte sich auf eine beidseits knalltraumatisch bedingte Innenohrschädigung und den Verdacht auf eine chronische Tonsillitis. Der Arzt für HNO-Heilkunde W. führte zwar nach einer Untersuchung Mitte Juni 1977 einen Tinnitus rechts unter den von ihm gestellten Diagnosen auf. Er bezog sich hingegen auf den von Dr. St. erhobenen Befund, der praktisch unverändert vorlag. Daher kann der Senat, mangels weiterer, von dem Arzt für HNO-Heilkunde W. erhobenen Befunde, die von diesem gestellte Diagnose nicht nachvollziehen. Soweit die Sachverständige Prof. Dr. B. davon ausgegangen ist, dass offenbar schon 1977 ein durchaus wechselseitiger, intermittierender Tinnitus in beiden Ohren vorgelegen habe, der rechts stärker ausgeprägt gewesen sei als links, stützt sie sich ausschließlich auf die für einen Nachweis unzureichenden Berichte der Ärzte für HNO-Heilkunde Dr. St. und W., weshalb für den Senat nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass für die Zeit des Wehrdienstes des Klägers ein Tinnitus aurium objektiviert worden ist. Soweit Prof. Dr. B. darauf hingewiesen hat, dass die Bestimmung von Ohrgeräuschen in Frequenz und Lautstärke nicht einfach ist und sowohl von der Untersuchungstechnik als auch der Erfahrung der untersuchenden Person abhängt, hat sich für den Senat kein Hinweis dafür ergeben, dass die Ärzte für HNO-Heilkunde Dr. St. und W. diesen Standard beziehungsweise diese Anforderung nicht beachtet oder erfüllt hätten. Erstmals erfolgte der Nachweis eines Tinnitus aurium beim Kläger durch Dr. Ph. nach dessen Untersuchung im Oktober 2004, auch wenn er diese Gesundheitsstörung nicht nach einem der gängigen Diagnosesysteme verschlüsselt hat. Er bestimmte die vom Kläger geklagten Ohrgeräusche rechts bei 3 kHz mit 75 dB und links bei 4 kHz mit 80 dB. Damit liegen selbst unter Berücksichtigung der letzten Wehrübung Anfang April 1986 und des Nachweises eines Tinnitus aurium im Oktober 2004 mehr als achtzehn Jahre zwischen der letztmöglichen wehrdienstbedingten Lärmeinwirkung und dieser hierauf vom Kläger zurückgeführten Gesundheitsstörung. Bereits dieser große zeitliche Abstand ohne Brückensymptome spricht gegen einen Ursachenzusammenhang (vgl. Anlage zu § 2 VersMedV, Teil C, Nr. 3 c). Aus den in der Zwischenzeit Mitte September 1986 und Anfang November 1988 erstellten Tonaudiogrammen ergibt sich kein Hinweis auf einen Tinnitus. Gegen einen Zusammenhang spricht weiter, dass bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. B. Mitte Juni 2013 die Ohrgeräusche im Gehörtest rechtsseitig bei 10 kHz und linksseitig bei 4 kHz objektiviert worden sind. Somit ist im Zeitraum von Oktober 2004 bis Juni 2013 eine Veränderung der empfundenen Tonhöhe des rechtsseitigen Ohrgeräusches von 3 auf 10 kHz eingetreten. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, die von Dr. Ph. vorgenommene Messung sei nicht geeignet gewesen, den tatsächlichen Wert zu ermitteln. Ein Hinweis, dass es bei der durch diesen Facharzt vorgenommenen Befunderhebung zu Messfehlern gekommen ist, lässt sich indes dessen Schreiben von November 2010, dem auch das Tonaudiogram von Oktober 2004 beigefügt war, nicht entnehmen. Vielmehr ging Dr. Ph. davon aus, dass der Wert zu bestimmen war. Eine derartig ausgeprägte Veränderung dient als Einzelbefund zwar nicht als Nachweis für einen fehlenden Zusammenhang, worauf Prof. Dr. B. nachvollziehbar hinweist. Gleichwohl ist er, ob der Steigerung, wie die Beklagte, gestützt auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W., überzeugend angeführt hat, sowie einer Frequenz deutlich oberhalb 3 kHz und im oberen Bereich (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 350) untypisch für einen lärmtraumatisch verursachten Tinnitus aurium, wie er beim Kläger nach Einschätzung von Prof. Dr. B. vorliegen soll. Eine Traumatisierung des Innenohres durch Knall, Explosion oder eine andere Lärmquelle setzt, wie Dr. W. schlüssig ausgeführt hat, eine Schädigung der Innenohrsinneszellen in einem ganz bestimmten Anteil der Hörschnecke voraus. Diese Schädigung führt zu einem Ohrgeräusch, dass unbeeinflussbar und somit dauernd in etwa gleicher Stärke wahrnehmbar ist. Wechselt die Intensität oder verändert sich der tonale Eindruck des Ohrgeräusches, wie beim Kläger, ist ein Schaden der Innenohrsinneszellen und damit eine knalltraumatische oder andere lärmbedingte Ursache eher auszuschließen. Nach der bereits erwähnten unfallmedizinischen Literatur, die sich im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ebenfalls mit Ursachenzusammenhängen befasst, sind lärmbedingte Ohrgeräusche indes in der Regel frequenzstabil (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.).
Mit einer von den wehrdienstlichen Verhältnissen unabhängigen Krankheitsentwicklung in Einklang steht, wie Dr. N. in seinem Gutachten von Januar 2011, welches im Wege des Urkundenbeweises verwertet worden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung - ZPO), überzeugend ausgeführt hat, dass sich auch nach dem Ende der Bundeswehrzeit, also ohne wehrdienstbedingte Lärmeinwirkungen, in den Tonaudiogrammen von Anfang Oktober 2004 und Ende Oktober 2009 gegenüber demjenigen von Anfang November 1988 eine Hörverschlechterung über alle Frequenzen zeigt; im Tonaudiogramm vom 7. Oktober 2004 auch in den tieferen und mittleren Frequenzen. Da sich knalltraumatische Innenohrschäden nach Sistieren der Lärmeinwirkung nicht verschlechtern können, was die Sachverständige Prof. Dr. B. bestätigt hat, insbesondere nicht in den schädigungsfreien tiefen und mittleren Frequenzen, wie von Dr. N. weiter nachvollziehbar dargelegt worden ist, ist diese Hörverschlechterung nicht mit Wahrscheinlichkeit auf Knalltraumen während der Bundeswehrzeit zurückzuführen, zumal bis 1988 keine Progredienz eingetreten war. Auch die Hörverbesserung gegenüber dem Tonaudiogramm von Anfang Oktober 2004, wie sie in denjenigen von Ende Oktober 2009 sowie von Ende April und Anfang Mai 2010 zum Ausdruck gekommen ist, und das schwankende Hörvermögen weisen auf lärmunabhängige Einflüsse hin; ebenso wie die daraus ersichtliche Progredienz im mittleren Frequenzbereich. Hierauf weist Dr. N. überzeugend hin. Selbst Prof. Dr. B. hat eingeräumt, dass für eine gewisse lärmunabhängige Progredienz die Angaben des Klägers sprechen, dass er in der letzten Zeit vor ihrer Untersuchung schlechter gehört hat.
Daher ist es bestenfalls möglich, hingegen nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger wegen einer Wehrdienstbeschädigung auf mindestens einem seiner Ohren an einem Tinnitus aurium leidet.
Die zur Anerkennung des Tinnitus aurium als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit ist nicht deshalb verneint worden, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Folglich kam eine so genannte "Kann-Versorgung" im Sinne des § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 - 9 RV 17/94 -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 13) ohnehin nicht in Betracht.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Tinnitus aurium beidseits als Folge einer Wehrdienstbeschädigung.
Der 1950 geborene Kläger absolvierte, nachdem er die Schule beendet hatte, von 1964 bis 1968 eine Lehre als Elektroinstallateur. Bis Mai 1970 arbeitete er in diesem Beruf als Geselle. Ab Juli 1970 verpflichtete er sich bei der Bundeswehr, wo er bis Juni 1978 als Panzerpionier eingesetzt war, zuletzt im Rang eines Feldwebels. Nach dem Fachabitur, welches er im Juni 1979 bestand, studierte er bis Ende 1985 Nachrichtentechnik. Auf diesem Gebiet war er als Diplom-Ingenieur bis zuletzt beruflich tätig. Wehrübungen leistete er vom 14. bis 25. April 1980, vom 2. bis 14. Juli 1984 sowie am 7. und 8. April 1986. Nach einer ärztlichen Untersuchung am 11. Oktober 1988 wurde mit Bescheid vom 22. November 1988 seine Wehrdienstunfähigkeit festgestellt.
Am 24. November 2009 stellte er beim Landratsamt A.D.Kreis einen so genannten "Erstantrag nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)". Darin führte er als bei ihm vorhandene Gesundheitsstörungen unter anderem eine schwere Hörminderung und einen Tinnitus an, die er auf eine Wehrdienstbeschädigung zurückführe. Am 8. Dezember 2009 beantragte er wegen dieser Erkrankungen die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Als von ihm angenommene Ursache führte er nun konkret wehrdienstliche Lärmeinwirkungen durch Panzermotoren sowie bei Schieß- und Sprengübungen an, wie er dies der Beklagten gegenüber auch in einem Erklärungsvordruck Mitte Mai 2010 kundtat. Er gab darin weiter an, dass er während seiner beruflichen Tätigkeit als Betriebselektriker in einem Kessel gearbeitet habe und hierbei das Trommelfell gerissen sei. Der Tinnitus sei 1976 oder im Folgejahr behandlungsbedürftig geworden.
Nach einer vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigung des ihn behandelnden Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohren (HNO-)Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie Dr. Ph. von April 2010 war er seit über fünfzehn Jahren in dessen regelmäßiger Behandlung. Er habe ihm gegenüber im Oktober 2004 über eine beeinträchtigende Hörminderung und ein Ohrgeräusch berichtet. Nach der beigefügten Tonaudiometrie bestehe eine leicht rechtsbetonte Hochtonperzeptionsschwerhörigkeit beidseits mit Steilabfall ab 2 kHz. Die vom Kläger geklagten Ohrgeräusche seien rechts bei 3 kHz mit 75 dB und links bei 4 kHz mit 80 dB zu bestimmen gewesen.
Die Beklagte zog Unterlagen über truppenärztliche Untersuchungen des Klägers über das Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr bei. Hierunter befand sich, neben Tonaudiogrammen vom 23. Mai 1977, 12. September 1986 und 7. November 1988, ein Bericht des Facharztes für HNO-Heilkunde Dr. St. vom 3. Juni 1977, wonach eine knalltraumatisch bedingte Innenohrschädigung beidseits und der Verdacht auf eine chronische Tonsillitis diagnostiziert wurden. Wegen des zeitweiligen Tinnitus empfehle er, zweimal täglich eine Tablette Bellergal retard über zehn Tage hinweg einzunehmen. Zudem wurden die mittels eines Audiogrammes gewonnenen Ergebnisse zum Hörverlust wiedergegeben. Nach einem Bericht des Oberstabsarztes und Arztes für HNO-Heilkunde W. vom 14. Juni 1977 wurde eine lärmtraumatisch bedingte Innenohrschwerhörigkeit beidseits mit Tinnitus rechts diagnostiziert. Im Vergleich zur Voruntersuchung Anfang Juni sei ein praktisch unveränderter Befund erhoben worden.
Auf Nachfrage der Beklagten wiederholte Dr. Ph. im November 2010 seine Angaben, die er bereits in der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigung von April 2010 gemacht hatte, und übersandte von ihm erstellte Tonaudiogramme vom 7. Oktober 2004, 22. Oktober 2009 sowie 23. April und 4. Mai 2010.
Im Auftrag der Beklagten erstattete der HNO-Arzt Dr. N. am 4. Januar 2011 ein Gutachten nach Aktenlage. In den Tonaudiogrammen vom 7. Oktober 2004 und 22. Oktober 2009 habe sich gegenüber demjenigen vom 7. November 1988 eine Hörverschlechterung über alle Frequenzen gezeigt; im Tonaudiogramm vom 7. Oktober 2004 auch in den tieferen und mittleren Frequenzen. Da knalltraumatische Innenohrschäden in der Regel nicht progredient verliefen, insbesondere nicht in den schädigungsfreien tiefen und mittleren Frequenzen, sei diese Hörverschlechterung nicht mit Wahrscheinlichkeit auf Knalltraumen während der Bundeswehrzeit, die bereits 1978 geendet habe, zurückzuführen, zumal bis 1988 keine Progredienz eingetreten sei. Auch die Hörverbesserung gegenüber dem Tonaudiogramm vom 7. Oktober 2004, wie sie in denjenigen vom 22. Oktober 2009 sowie vom 23. April und 4. Mai 2010 zum Ausdruck gekommen sei, und das schwankende Hörvermögen wiesen auf lärmunabhängige Einflüsse hin; ebenso wie die jetzt noch vorhandene Progredienz im mittleren Frequenzbereich. Der knalltraumatische Innenohrschaden sei bereits 1977 festgestellt und mit Wahrscheinlichkeit auf ein Knalltrauma während der Bundeswehrzeit zurückgeführt worden. Die aktuellen Befunde bestätigten dies. Ohrgeräusche seien nach den Arztberichten seit 1988 nicht mehr angegeben worden. Diese seien unter Berücksichtigung der Auskunft von Dr. Ph. offenbar erst wieder im Jahre 2004 aufgetreten. Ab diesem Zeitpunkt seien sie indes nicht mehr mit Wahrscheinlichkeit auf das Knalltrauma im Jahre 1977 zurückzuführen. Sie seien demgegenüber bedingt durch die schadensunabhängige Progredienz des Hörschadens und die Hörverschlechterung im Jahre 2004. An aus der Bundeswehrzeit resultierenden Gesundheitsstörungen liege beim Kläger ein beidseitiger knalltraumatischer Innenohrschaden mit einer beidseitigen Hochtoninnenohrschwerhörigkeit und abgeklungenen Ohrgeräuschen rechts vor.
Im Verfahren zur Feststellung eines Rechts auf Beschädigtenversorgung zog die Beklagte Vorerkrankungsverzeichnisse der Barmer Ersatzkasse (heute: Barmer GEK) und der AOK Baden-Württemberg bei, wo der Kläger einerseits von Juli 1978 bis Mitte November 1995 sowie andererseits von 1965 bis Mai 1970 und Mai 2004 bis September 2008 jeweils gegen Krankheit versichert war. Anschließend war er bei der DAK-Gesundheit versichert.
Mit Bescheid vom 9. Februar 2011 stellte die Beklagte einen knalltraumatischen Innenohrschaden beidseits mit einer Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beidseits und abgeklungenen Ohrgeräuschen rechts als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung fest. Ein Anspruch auf Ausgleich nach § 85 SVG bestehe nicht. Der nicht begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2011 zurückgewiesen. Ein Ausgleich könne nicht gewährt werden. Da der Widerspruch trotz Aufforderung nicht begründet worden sei, sei die Versorgungsangelegenheit nach Lage der Akten nochmals überprüft worden. Dabei sei festgestellt worden, dass der angefochtene Bescheid keinen Anlass zur Beanstandung gebe.
Unterdessen hatte der Beigeladene mit (Erstanerkennungs-)Bescheid vom 21. Februar 2011 eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt. Diese sei durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG hervorgerufen worden. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, über den, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden wurde.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 14. November 2011 hat der Kläger am 24. November 2011 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, welches mit Beschluss vom 13. Dezember 2011 das Land Baden-Württemberg beigeladen hat.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat die Leiterin der Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie der Universitätsklinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie des Universitätsklinikums U. Prof. Dr. B., nach einer Untersuchung des Klägers am 10. Juni 2013 ein Gutachten erstattet. Bei ihm lägen eine deutliche hochtonbetonte Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits und Ohrgeräusche beidseits vor. Dabei verliefen die Hörschwellen beider Ohren durchaus lärmtypisch. Die Ohrgeräusche ließen sich für beide Ohren lärmtypisch verdecken. Das Tonaudiogramm vom 23. Mai 1977 liege dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus der Bundeswehr am nächsten. Auf einer sehr schlechten Kopie im tiefen und mittleren Frequenzbereich zeige es schlechtere Werte als zum Zeitpunkt ihrer aktuellen Messung. Sie vermute, dass die Hörprüfung damals nicht nach einer ausreichenden Lärmpause vorgenommen worden sei. Ein weiteres Tonaudiogramm vom 3. Juni 1977 belege, dass es seither zu einer gewissen Progredienz der Schwerhörigkeit auf beiden Ohren gekommen sei. Diese sei rechts bei 3 kHz besonders deutlich ausgeprägt. Da der Kläger nach dieser Hörprüfung noch für weitere zwölf Monate diversen Lärmquellen bei der regelmäßigen Aufsicht von Schützen an Maschinengewehren, durch Panzermotoren oder bei Sprengübungen ausgesetzt gewesen sei, könne im Nachhinein nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die Progredienz bis heute im Wesentlichen lärmunabhängig entstanden sei. Für eine gewisse Hörverschlechterung nach 1978 sprächen die eigenen Angaben des Klägers, der berichtet habe, in letzter Zeit subjektiv etwas schlechter zu hören. Im Wesentlichen habe sich jedoch die Hörstörung unter massivem Lärm in der Zeit zwischen Juni 1970 und Juni 1978 entwickelt. Es gebe keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass die eindeutig vorhandenen und völlig lärmtypischen Ohrgeräusche nicht ebenfalls Folge dieser Lärmeinwirkungen seien, auch wenn sie in den Akten keine regelmäßige Erwähnung fänden. Der Grund hierfür liege darin, dass der Kläger Kompensationsstrategien entwickelt habe, die es ihm ermöglichten, die Ohrgeräusche bis zum heutigen Tag weitgehend suffizient zu unterdrücken. Diese erfüllten audiometrisch alle Kriterien einer Lärmschädigung, so dass diese, abweichend zum Vorgutachten, ebenfalls als Wehrdienstfolge anzuerkennen seien. Der Kläger habe ihr gegenüber glaubhaft versichert, dass diese schon Mitte bis Ende der 1970er Jahre kontinuierlich vorhanden gewesen seien.
Hierauf hat die Beklagte, unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W., Arzt für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, von Juli 2013, die an eine frühere von Dezember 2011 anknüpft, erwidert, bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. B. seien beim Kläger aktuell eine lärmtypische deutliche hochtonbetonte Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits, also eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beidseits, und Ohrgeräusche im Hochtonbereich beidseits festgestellt worden. In dem durchgeführten Gehörtest habe sich, bei weitgehender Deckungsgleichheit der Luft- mit den Knochenleitungshörkurven (Innenohren = Schallempfindung), jeweils eine Senke der Innenohrhörkurve rechtsseitig oberhalb 0,5 kHz von etwa 15 auf 90 bis 95 dB bei 4 bis 6 kHz und linksseitig oberhalb 1 kHz von etwa 15 auf ungefähr 90 dB bei 4 bis 6 kHz gezeigt. Es habe sich dabei, nachgewiesen durch die weiteren Untersuchungen, um einen reinen Innenohrschaden gehandelt. Da die Hörkurven der Innenohren in den Gehörtests aus den Jahren 1977 und 1988 weitgehend übereinstimmten, könne abgeleitet werden, dass beim Kläger bei Beendigung seines Wehrdienstes im Juni 1978 im Wesentlichen ein vergleichbarer Hörverlust wie im November 1988 vorgelegen habe. Die Senken der Innenohrkurven oberhalb 3 kHz hätten sich rechtsseitig von 10 auf 75 dB bei 4 kHz und linksseitig von 5 auf 70 dB bei 6 kHz gezeigt. Er nehme daher an, dass dieser im November 1988 festgestellte Hörverlust bereits bei Beendigung des Wehrdienstes des Klägers im Juni 1978 vorhanden gewesen sei. Nach der Begutachtung durch Prof. Dr. B. habe sich nun eine deutliche Verschlechterung des beidseitigen Hörvermögens zwischen Juni 1978 und Juni 2013 gezeigt, ohne dass es in der Krankenvorgeschichte des Klägers nach seinem Wehrdienst zu weiteren lärmtraumatischen Einflüssen gekommen sei. Da sich ein lärmtraumatisch bedingter Hörverlust, wie er beim Kläger bei Beendigung seines Wehrdienstes im Juni 1978 nachgewiesen worden sei, ohne weitere lärmtraumatische Einwirkungen nicht negativ verändere, müsse die über den Zeitraum von Juni 1978 bis Juni 2013 hinweg eingetretene Verschlimmerung auf einer anderen, nicht wehrdienstbedingten Ursache beruhen. Nach Aktenlage sei im Monat nach dem offensichtlich im Mai 1977 erlittenen Knalltrauma HNO-ärztlich wiederholt ein mitunter zeitweilig auftretendes, rechtsseitiges Ohrgeräusch beschrieben worden.
Ergänzend dazu habe der Kläger gegenüber Prof. Dr. B. angegeben, dass bei ihm bereits seit etwa 1972 phasenweise, jeweils bis zu einer Woche, ein Tinnitus im Anschluss an Schießübungen aufgetreten sei. Entsprechende Eintragungen in der wehrdienstlichen Gesundheitsakte des Klägers fänden sich demgegenüber nicht. Nach seinem Wehrdienst habe er sich ab etwa 1994 in HNO-ärztlicher Behandlung befunden. Dabei sei erstmals im Oktober 2004 im Bereich der Hörschwelle ein beidseitiges Ohrgeräusch, rechtsseitig bei 3 kHz in Höhe von 75 dB und linksseitig bei 4 kHz in Höhe von 80 dB, eingegrenzt worden. Bei der Begutachtung durch Prof. Dr. B. sei im Juni 2013 erneut ein beidseitiges Ohrgeräusch, jeweils in Höhe der Hörschwelle, rechtsseitig bei 10 kHz in Höhe von 89 dB und linksseitig bei 4 kHz in Höhe von 95 dB, festgestellt worden. Von 2004 bis 2013 sei es also insoweit zu einer Veränderung des beidseitigen Ohrgeräusches gekommen, als sich insbesondere rechtsseitig die empfundene Tonhöhe von 3 auf 10 kHz geändert habe und es beidseitig zu einer Erhöhung der empfundenen Lautheit gekommen sei.
Auch wenn der Verlauf der Innenohrhörkurven beider Ohren im Gehörtest und das bei der Begutachtung durch Prof. Dr. B. nachgewiesene beidseitige Ohrgeräusch für sich genommen schlüssig als jeweils lärmtraumatisch verursacht zu bewerten sei, müsse aus versorgungsmedizinischer Sicht wegen des während des Wehrdienstes des Klägers HNO-ärztlich wiederholt beschriebenen und lediglich zeitweise aufgetretenen rechtsseitigen Ohrgeräusches, einer nach dem Wehrdienst nicht geklärten Verschlechterung des beidseitigen Hörvermögens, einer Änderung der empfundenen Tonhöhe und Lautheit sowie des nunmehr beidseitigen Ohrgeräusches, insbesondere rechtsseitig, ein wahrscheinlicher wehrdienstlicher Kausalzusammenhang verneint werden. Selbst wenn hinsichtlich eines bleibenden rechtsseitigen Ohrgeräusches ein solcher in Betracht zu ziehen sei, müsse auf die Veränderung der empfundenen Tonhöhe von 3 auf 10 kHz hingewiesen werden. Dieser Umstand spreche gegen eine lärmtraumatische Ursache.
Hierzu hat Prof. Dr. B. im August 2013 ergänzend Stellung genommen. Gegen Ende der Wehrdiensttätigkeit im Juni 1978 sei kein Tonaudiogramm erstellt worden. Die vorhandenen Messungen zeigten zudem nicht unerhebliche Schwankungen. Da der Kläger nach der Hörprüfung im Juni 1977 ferner noch für weitere zwölf Monate diversen wehrdienstbedingten Lärmquellen ausgesetzt gewesen sei, könne im Nachhinein nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die Progredienz bis heute im Wesentlichen lärmunabhängig entstanden sei. Für eine gewisse Hörverschlechterung nach 1978 sprächen allenfalls die eigenen Angaben des Klägers, der berichtet habe, in letzter Zeit etwas schlechter zu hören. Korrekt sei, dass sich eine lärmtraumatisch entstandene Schwerhörigkeit nach Sistieren der Lärmarbeit nicht weiter verschlechtern könne. Degenerative, lärmunabhängige Mitursachen für das Voranschreien der Schwerhörigkeit des Klägers seien durchaus denkbar, letztlich jedoch nicht nachgewiesen worden. Wie bereits im Gutachten dargelegt, habe der Kläger absolut plausibel schildern können, wie sich seine Ohrgeräusche während der Bundeswehrzeit, aber auch darüber hinaus, entwickelt hätten. Offenbar habe schon damals ein durchaus wechselseitiger, intermittierender Tinnitus in beiden Ohren vorgelegen, der rechts stärker ausgeprägt gewesen sei als links. Die Bestimmung von Ohrgeräuschen in Frequenz und Lautstärke sei nicht einfach und abhängig sowohl von der Untersuchungstechnik als auch der Erfahrung der untersuchenden Person. Nicht nur die Frequenz alleine bestimme eine lärmtraumatische Schädigung. Viel aussagekräftiger sei insbesondere die Verdeckbarkeit der Ohrgeräusche. Auf dem von ihr Mitte Juni 2013 erstellten Tonaudiogramm sei bei beiden Ohren eine schwellennahe Verdeckbarkeit der Ohrgeräusche zu erkennen, wie sie klassischer für eine Lärmschädigung nicht vorhanden sein könne. Links sei das Ohrgeräusch bei 4 kHz und 95 dB bestimmt worden. Dies sei ebenfalls ein lärmtypischer Befund. Dass sich die Tinnitusbestimmung rechts von ehemals 3 auf nun 10 kHz verändert habe, könne als Einzelbefund nicht als Nachweis dafür dienen, dass die wehrdienstbedingte Lärmeinwirkung nicht ursächlich gewesen sei. Soweit ersichtlich, habe nur sie eine Tinnitusverdeckungskurve durchgeführt, weshalb eine Vergleichsbetrachtung von vornherein ausscheide.
Hierauf hat die Beklagte mittels einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. von September 2013 eingewandt, Prof. Dr. B. habe nun bestätigt, dass eine wehrdienstliche Ursache für die im Zeitraum von November 1988 bis Juni 2013 nachgewiesene Verschlechterung nicht wahrscheinlich sei. Während des Wehrdienstes des Klägers seien Ohrgeräusche nicht objektiviert worden. Lediglich im Rahmen einer Anfang Juni 1977 erfolgten HNO-ärztlichen Untersuchung sei das Auftreten eines zeitweiligen Tinnitus ohne Seitenangabe und bei einer Nachuntersuchung knapp zwei Wochen später ein Tinnitus rechts beschrieben worden. Während des weiteren Wehrdienstes des Klägers seien Ohrgeräusche aktenkundig nicht mehr beschrieben worden. Erstmals nach der Bundeswehrdienstzeit, soweit erkennbar im Oktober 2004, seien bei einer HNO-ärztlichen Untersuchung des Klägers beidseitige Ohrgeräusche im Gehörtest, rechtsseitig bei 3 kHz und linksseitig bei 4 kHz, nachgewiesen worden. Es bestünden aus versorgungsmedizinischer Sicht keine Zweifel an der korrekten Durchführung dieser fachärztlichen Untersuchungen. Bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. B. Mitte Juni 2013 sei das Ohrgeräusch im Gehörtest rechtsseitig bei 10 kHz und linksseitig wiederum bei 4 kHz nachgewiesen worden. Somit sei im Zeitraum von Oktober 2004 bis Juni 2013 eine Veränderung der empfundenen Tonhöhe des rechtsseitigen Ohrgeräusches von 3 auf 10 kHz eingetreten. Eine derartig ausgeprägte Veränderung sei untypisch für ein lärmtraumatisch verursachtes Ohrgeräusch. Eine Traumatisierung des Innenohres durch Knall, Explosion oder eine andere Lärmquelle setze eine Schädigung der Innenohrsinneszellen in einem ganz bestimmten Anteil der Hörschnecke voraus. Diese Schädigung führe zu einem Ohrgeräusch, dass unbeeinflussbar und somit dauernd in etwa gleicher Stärke wahrnehmbar sei. Wechsele die Intensität oder verändere sich der tonale Eindruck des Ohrgeräusches, wie beim Kläger, müsse ein Schaden der Innenohrsinneszellen und damit eine knalltraumatische oder andere lärmbedingte Ursache mit Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Selbst wenn das beschriebene rechtsseitige Ohrgeräusch auch während des Wehrdienstes nachgewiesen worden wäre, würde dies die deutliche Veränderung der Tonhöhe nicht erklären. Daher könne das im Juni 2013 bei der Begutachtung durch Prof. Dr. B. objektivierte rechtsseitige Ohrgeräusch bei 10 kHz aus versorgungsmedizinischer Sicht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine wehrdienstliche Ursache zurückgeführt werden. Da ein linksseitiges Ohrgeräusch während des Wehrdienstes aktenkundig weder beschrieben noch nachgewiesen worden sei, bestünde aus versorgungsmedizinischer Sicht auch diesbezüglich kein wahrscheinlicher wehrdienstlicher Kausalzusammenhang.
Das SG hat die Klage, mit Einverständnis der Beteiligten zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, mit Urteil vom 10. Dezember 2014 abgewiesen. Es stünde bereits nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entlassung aus der Bundeswehr Ende Juni 1978 ein Tinnitus überhaupt noch bestanden habe, was erforderlich wäre, damit es sich bei der zuletzt gesicherten Gesundheitsstörung um eine Schädigungsfolge handeln könne. Im Übrigen seien die ab dem Jahre 2004 dokumentierten Ohrgeräusche nicht mit der notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit auf die während der Bundeswehrzeit erlittenen Knalltraumen zurückzuführen. Hierbei sei berücksichtigt worden, dass nach Abschluss der letzten Wehrübung noch annähernd zwei Jahrzehnte vergangen seien bis eine ärztliche Dokumentation erfolgte. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb direkt nach dem traumatischen Ereignis ein Tinnitus angegeben worden sei, bei späteren Untersuchungen hingegen nicht mehr. Die Kammer sei davon überzeugt, dass einem Zeitsoldaten bei der Bundeswehr die Bedeutung der medizinischen Dokumentation seiner Gesundheitsstörungen bei der Entlassungsuntersuchung im Hinblick auf später auftretende Folgeerkrankungen bekannt sei. Es erscheine deshalb wenig nachvollziehbar, dass nicht auf eine entsprechende Berücksichtigung bestanden worden sei. Zweifel an einer ordnungsgemäßen Befunderhebung durch Dr. Ph. und Prof. Dr. B. bestünden nicht.
Gegen die den Bevollmächtigten des Klägers am 8. Mai 2015 zugestellte Entscheidung hat dieser am 27. Mai 2015 Berufung eingelegt.
Er trägt im Wesentlichen vor, aus welchem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz das SG schließe, dass ein Zeitsoldat bei der Untersuchung anlässlich seiner Entlassung aus der Bundeswehr darauf achte, welche Dinge dokumentiert würden, erschließe sich ihm nicht. Dies sei weder dargelegt worden noch nachvollziehbar. Nach dem Bericht von Dr. St. habe es sich angeblich um einen zeitweiligen Tinnitus gehandelt. Dem Dokument sei jedoch nicht zu entnehmen, weshalb er zu diesem Ergebnis gekommen sei. Ohnehin bezöge sich diese Aussage wohl nur auf den Untersuchungszeitpunkt und nicht auf die Zeit danach. Zu berücksichtigen sei zudem, dass es sich bei einem Tinnitus um keine Krankheit, sondern lediglich ein Symptom handele. Bereits der Umstand, dass in den HNO-ärztlichen Berichten von Anfang und Mitte Juni 1977 von einer solchen Gesundheitsstörung gesprochen worden sei, deute in diagnostischer Form darauf hin, dass die Ohrgeräusche auch ein Jahr später noch vorgelegen hätten; insbesondere auch deshalb, da der Tinnitus noch jüngst diagnostiziert worden sei. Die Untersuchungen im Juni 1977 seien nicht direkt nach traumatischen Ereignissen vorgenommen worden. Er sei erst wieder ab Juli bis September 1977, nach Ablauf der Abkommandierung nach B. weiteren Lärmeinwirkungen ausgesetzt gewesen. Letztendlich habe die Sachverständige Prof. Dr. B. klar und deutlich ausgeführt, dass von einem durchgehend vorhandenen Tinnitus auszugehen sei und er diesen wegen der Verdrängungsmöglichkeiten nicht immer bei ärztlichen Untersuchungen angeführt habe. Er habe wegen des Tinnitus nie Tabletten eingenommen, ihm seien Spritzen verabreicht worden. Die Messung, die Dr. Ph. zur Bestimmung der Ohrgeräusche vorgenommen habe, sei nicht geeignet gewesen, den zutreffenden Wert zu ermitteln.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 10. Dezember 2014 und teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 9. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2011 die Beklagte zu verpflichten, einen Tinnitus aurium (ICD-10 H93.1) beidseits als Folge einer Wehrdienstbeschädigung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, das Urteil des SG weise weder Sach- noch Rechtsfehler auf, weshalb das Begehren des Klägers nicht zum Erfolg führen könne.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und erstinstanzlich vorgetragen, ein Kausalzusammenhang zwischen den vom Kläger angeführten Ohrgeräuschen beidseits und wehrdienstlichen Einflüssen lasse sich nicht wahrscheinlich machen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (3 Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) des Klägers ist unbegründet. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung im Bescheid vom 9. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 2011 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Das SG hat daher die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VS 2/09 R -, SozR 4-3200 § 88 Nr. 4, Rz. 32; Urteil des Senats vom 19. Dezember 2013 - L 6 VS 2041/13 -, juris, Rz. 23) erhobene Klage zu Recht abgewiesen.
Die Beklagte ist nach der Änderung des § 88 Abs. 1 Satz 1 SVG, wonach die Soldatenversorgung nunmehr von Behörden der Bundeswehrverwaltung durchgeführt wird (BGBl I Nr. 61, S. 3054), seit dem 1. Januar 2015 für die Ausführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständig. Insoweit kommt es nicht auf die nach früherer Rechtslage zu treffende Zuständigkeitsabgrenzung zwischen der Bundeswehrverwaltung und den damals noch für die Ausführung des BVG zuständigen Behörden nach § 88 SVG alte Fassung an, also ob es um die Feststellung von Folgen einer Wehrdienstbeschädigung geht, die bereits während des Wehrdienstes vorgelegen haben oder die erst nach dessen Ende aufgetreten sind (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, juris, Rz. 32; zur früheren Rechtslage BSG, a. a. O., Rz. 33 ff.). Maßgeblich für die vom Kläger erhobene Klage ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats.
Die Sachentscheidungsvoraussetzungen der Klage liegen vor, insbesondere ist der Kläger klagebefugt. Nach § 54 Abs. 1 SGG kann mit der Anfechtungsklage, die vorliegend mit einer Verpflichtungsklage kombiniert worden ist, die Aufhebung eines Verwaltungsaktes oder seine Abänderung begehrt werden (Satz 1). Sie ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein (Satz 2). Insoweit reicht es hingegen aus, dass eine Verletzung in eigenen Rechten möglich ist und der Kläger die Beseitigung einer in seine Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme anstrebt, von der er behauptet, sie sei nicht rechtmäßig (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SB 2/06 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 5, Rz. 18). An der Klagebefugnis fehlt es nur, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 19/01 R -, BSGE 90, 127 (130)), weil hinsichtlich des Klagebegehrens eine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung nicht vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 33/07 R -, SozR 4-1500 § 77 Nr. 1, Rz. 13). Solange der zuständige Verwaltungsträger nicht etwa über einen Anspruch auf Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung entschieden hat, kann der Versicherte, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde (§ 88 SGG), kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung haben. Nach Auslegung des Bescheides vom 9. Februar 2011 hat die Beklagte indes festgestellt, dass - außer abgeklungenen Ohrgeräuschen rechts als Folge einer Wehrdienstbeschädigung - ein bestehender Tinnitus aurium nicht hierauf zurückzuführen ist. Dabei ist Maßstab der Auslegung der "Empfängerhorizont" verständiger Beteiligter, die die Zusammenhänge berücksichtigen, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2008 - B 5a/5 R 20/06 R -, BSGE 100, 1, (2 m. w. N.)). Gemessen daran hat die Beklagte diese negative Feststellung getroffen. Denn der Kläger hat im Erstantrag nach dem SGB IX vom 24. November 2009 angeführt, unter anderem an einem Tinnitus zu leiden, wofür er eine Wehrdienstbeschädigung als Ursache ansehe. Auch deswegen hat er mit Antrag vom 8. Dezember 2009 die Gewährung von Beschädigtenversorgung beansprucht. In einem ihm von der Beklagen übersandten Erklärungsvordruck hat er Mitte Mai 2010 angegeben, er klage aktuell über einen Tinnitus, und diesem eine ärztliche Bescheinigung des ihn behandelnden Arztes für HNO-Heilkunde Dr. Ph. beigefügt, wonach eine solche Erkrankung im Oktober 2004 objektiviert worden sei. Bei dieser Sachlage konnte ein verständiger Beteiligter den Ausgangsbescheid nur so verstehen, dass damit auch geregelt worden ist, dass, außer den von den Ärzten für HNO-Heilkunde Dr. St. und W. jeweils im Juni 1977 in ihren Berichten erwähnten zeitweiligen Ohrgeräuschen beziehungsweise dem Tinnitus rechts, ein sonstiger, später nachgewiesener Tinnitus aurium nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung ist.
Für eine zulässige Klage fehlt es auch nicht an einem abgeschlossenen Vorverfahren (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). Den nicht begründeten und somit als gegen alle, einen jeweiligen Anspruch des Klägers verneinende Verwaltungsentscheidungen gerichtet anzusehenden Widerspruch hat die Beklagte nicht nur mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Ausgleich gemäß § 85 SVG, der ebenfalls Regelungsgegenstand der Ausgangsbescheides gewesen ist, nicht gewährt werden kann. Daran schließt die Formulierung an, dass, da der Widerspruch trotz Aufforderung nicht begründet worden ist, die Versorgungsangelegenheit nach Lage der Akten nochmals überprüft worden ist. Dabei sei festgestellt worden, dass der angefochtene Bescheid keinen Anlass zur Beanstandung gebe. Ein verständiger Beteiligter konnte hierin einzig eine umfassende Überprüfung der mittels des Ausgangsbescheides getroffenen Regelungen durch die Widerspruchsbehörde sehen, also auch in Bezug auf die negative Feststellung, dass ein Tinnitus aurium nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung ist.
Die Klage ist hingegen unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Tinnitus aurium beidseits als Folge einer Wehrdienstbeschädigung.
Dieser Anspruch richtet sich nach § 81, § 85 SVG (vgl. Urteil des Senats vom 19. Dezember 2013 - L 6 VS 2041/13 -, juris, Rz. 26). Gemäß § 85 Abs. 1 SVG erhalten Soldaten wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Abs. 1 und § 31 BVG. Nach § 81 Abs. 1 SVG ist eine Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Durch diese gesetzlichen Bestimmungen ist nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum für die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreigliedrige Kausalkette vorgegeben: Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung geführt haben, die wiederum die geltend gemachte Schädigungsfolge bedingt haben muss. Dabei müssen sich die drei Glieder selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen lassen, während für den ursächlichen Zusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 3/13 R -, SozR 4-3200 § 81 Nr. 6, Rz. 14 m. w. N.), wie dies § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung normiert. Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, SozR 4-7945 § 3 Nr. 1, Rz. 17). Ein Gesundheitsschaden muss darüber hinaus nicht nur sicher feststehen. Er muss auch durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18 zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben spricht nach der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen schädigenden Lärmeinwirkungen durch Panzermotoren sowie bei Schieß- und Sprengübungen im Laufe des vom Kläger abgeleisteten Wehrdienstes, einschließlich der Wehrübungen, und einem Tinnitus aurium (ICD-10 H93.1). Während der Bundeswehrzeit ist ein Tinnitus aurium nicht objektiviert worden. Dr. St. hatte nach der von ihm Anfang Juni 1977 durchgeführten Untersuchung lediglich einen zeitweiligen Tinnitus beschrieben, weswegen er zweimal täglich eine Tablette Bellergal retard für zehn Tage verordnete, ohne allerdings eine Erkrankung zu diagnostizieren. Die Diagnosestellung beschränkte sich auf eine beidseits knalltraumatisch bedingte Innenohrschädigung und den Verdacht auf eine chronische Tonsillitis. Der Arzt für HNO-Heilkunde W. führte zwar nach einer Untersuchung Mitte Juni 1977 einen Tinnitus rechts unter den von ihm gestellten Diagnosen auf. Er bezog sich hingegen auf den von Dr. St. erhobenen Befund, der praktisch unverändert vorlag. Daher kann der Senat, mangels weiterer, von dem Arzt für HNO-Heilkunde W. erhobenen Befunde, die von diesem gestellte Diagnose nicht nachvollziehen. Soweit die Sachverständige Prof. Dr. B. davon ausgegangen ist, dass offenbar schon 1977 ein durchaus wechselseitiger, intermittierender Tinnitus in beiden Ohren vorgelegen habe, der rechts stärker ausgeprägt gewesen sei als links, stützt sie sich ausschließlich auf die für einen Nachweis unzureichenden Berichte der Ärzte für HNO-Heilkunde Dr. St. und W., weshalb für den Senat nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass für die Zeit des Wehrdienstes des Klägers ein Tinnitus aurium objektiviert worden ist. Soweit Prof. Dr. B. darauf hingewiesen hat, dass die Bestimmung von Ohrgeräuschen in Frequenz und Lautstärke nicht einfach ist und sowohl von der Untersuchungstechnik als auch der Erfahrung der untersuchenden Person abhängt, hat sich für den Senat kein Hinweis dafür ergeben, dass die Ärzte für HNO-Heilkunde Dr. St. und W. diesen Standard beziehungsweise diese Anforderung nicht beachtet oder erfüllt hätten. Erstmals erfolgte der Nachweis eines Tinnitus aurium beim Kläger durch Dr. Ph. nach dessen Untersuchung im Oktober 2004, auch wenn er diese Gesundheitsstörung nicht nach einem der gängigen Diagnosesysteme verschlüsselt hat. Er bestimmte die vom Kläger geklagten Ohrgeräusche rechts bei 3 kHz mit 75 dB und links bei 4 kHz mit 80 dB. Damit liegen selbst unter Berücksichtigung der letzten Wehrübung Anfang April 1986 und des Nachweises eines Tinnitus aurium im Oktober 2004 mehr als achtzehn Jahre zwischen der letztmöglichen wehrdienstbedingten Lärmeinwirkung und dieser hierauf vom Kläger zurückgeführten Gesundheitsstörung. Bereits dieser große zeitliche Abstand ohne Brückensymptome spricht gegen einen Ursachenzusammenhang (vgl. Anlage zu § 2 VersMedV, Teil C, Nr. 3 c). Aus den in der Zwischenzeit Mitte September 1986 und Anfang November 1988 erstellten Tonaudiogrammen ergibt sich kein Hinweis auf einen Tinnitus. Gegen einen Zusammenhang spricht weiter, dass bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. B. Mitte Juni 2013 die Ohrgeräusche im Gehörtest rechtsseitig bei 10 kHz und linksseitig bei 4 kHz objektiviert worden sind. Somit ist im Zeitraum von Oktober 2004 bis Juni 2013 eine Veränderung der empfundenen Tonhöhe des rechtsseitigen Ohrgeräusches von 3 auf 10 kHz eingetreten. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, die von Dr. Ph. vorgenommene Messung sei nicht geeignet gewesen, den tatsächlichen Wert zu ermitteln. Ein Hinweis, dass es bei der durch diesen Facharzt vorgenommenen Befunderhebung zu Messfehlern gekommen ist, lässt sich indes dessen Schreiben von November 2010, dem auch das Tonaudiogram von Oktober 2004 beigefügt war, nicht entnehmen. Vielmehr ging Dr. Ph. davon aus, dass der Wert zu bestimmen war. Eine derartig ausgeprägte Veränderung dient als Einzelbefund zwar nicht als Nachweis für einen fehlenden Zusammenhang, worauf Prof. Dr. B. nachvollziehbar hinweist. Gleichwohl ist er, ob der Steigerung, wie die Beklagte, gestützt auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W., überzeugend angeführt hat, sowie einer Frequenz deutlich oberhalb 3 kHz und im oberen Bereich (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 350) untypisch für einen lärmtraumatisch verursachten Tinnitus aurium, wie er beim Kläger nach Einschätzung von Prof. Dr. B. vorliegen soll. Eine Traumatisierung des Innenohres durch Knall, Explosion oder eine andere Lärmquelle setzt, wie Dr. W. schlüssig ausgeführt hat, eine Schädigung der Innenohrsinneszellen in einem ganz bestimmten Anteil der Hörschnecke voraus. Diese Schädigung führt zu einem Ohrgeräusch, dass unbeeinflussbar und somit dauernd in etwa gleicher Stärke wahrnehmbar ist. Wechselt die Intensität oder verändert sich der tonale Eindruck des Ohrgeräusches, wie beim Kläger, ist ein Schaden der Innenohrsinneszellen und damit eine knalltraumatische oder andere lärmbedingte Ursache eher auszuschließen. Nach der bereits erwähnten unfallmedizinischen Literatur, die sich im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung ebenfalls mit Ursachenzusammenhängen befasst, sind lärmbedingte Ohrgeräusche indes in der Regel frequenzstabil (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.).
Mit einer von den wehrdienstlichen Verhältnissen unabhängigen Krankheitsentwicklung in Einklang steht, wie Dr. N. in seinem Gutachten von Januar 2011, welches im Wege des Urkundenbeweises verwertet worden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung - ZPO), überzeugend ausgeführt hat, dass sich auch nach dem Ende der Bundeswehrzeit, also ohne wehrdienstbedingte Lärmeinwirkungen, in den Tonaudiogrammen von Anfang Oktober 2004 und Ende Oktober 2009 gegenüber demjenigen von Anfang November 1988 eine Hörverschlechterung über alle Frequenzen zeigt; im Tonaudiogramm vom 7. Oktober 2004 auch in den tieferen und mittleren Frequenzen. Da sich knalltraumatische Innenohrschäden nach Sistieren der Lärmeinwirkung nicht verschlechtern können, was die Sachverständige Prof. Dr. B. bestätigt hat, insbesondere nicht in den schädigungsfreien tiefen und mittleren Frequenzen, wie von Dr. N. weiter nachvollziehbar dargelegt worden ist, ist diese Hörverschlechterung nicht mit Wahrscheinlichkeit auf Knalltraumen während der Bundeswehrzeit zurückzuführen, zumal bis 1988 keine Progredienz eingetreten war. Auch die Hörverbesserung gegenüber dem Tonaudiogramm von Anfang Oktober 2004, wie sie in denjenigen von Ende Oktober 2009 sowie von Ende April und Anfang Mai 2010 zum Ausdruck gekommen ist, und das schwankende Hörvermögen weisen auf lärmunabhängige Einflüsse hin; ebenso wie die daraus ersichtliche Progredienz im mittleren Frequenzbereich. Hierauf weist Dr. N. überzeugend hin. Selbst Prof. Dr. B. hat eingeräumt, dass für eine gewisse lärmunabhängige Progredienz die Angaben des Klägers sprechen, dass er in der letzten Zeit vor ihrer Untersuchung schlechter gehört hat.
Daher ist es bestenfalls möglich, hingegen nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger wegen einer Wehrdienstbeschädigung auf mindestens einem seiner Ohren an einem Tinnitus aurium leidet.
Die zur Anerkennung des Tinnitus aurium als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit ist nicht deshalb verneint worden, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht. Folglich kam eine so genannte "Kann-Versorgung" im Sinne des § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995 - 9 RV 17/94 -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 13) ohnehin nicht in Betracht.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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