Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 3634/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 123/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.12.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Vollstreckung von Beitragsforderungen der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in Berlin. Ihre Zuständigkeit erstreckt sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (§ 1 Abs 2 Satz 2 der Satzung der Antragsgegnerin). Der Antragsteller ist als selbständiger Gastwirt tätig und seit Jahren freiwilliges Mitglied der Antragsgegnerin bzw ihrer Rechtsvorgängerin. Die Antragsgegnerin bzw ihre Rechtsvorgängerin stellte mit zahlreichen Bescheiden die Höhe der zu zahlenden Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung fest und forderte überdies auch Säumniszuschläge für rückständige Beiträge. Soweit Beiträge für bestimmte Zeiträume nach dem Höchstsatz erhoben wurden, berief sich die Antragsgegnerin darauf, dass der Antragsteller trotz zahlreicher Mahnungen keine Einkommensteuerbescheide vorgelegt hatte.
Im August 2013 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erlass von Säumniszuschlägen nach dem Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung. Mit Bescheid vom 14.10.2014 gab die Antragsgegnerin diesem Antrag insofern statt, als sie dem Antragsteller noch nicht gezahlte Säumniszuschläge für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 30.06.2013 in Höhe der Differenz zwischen den bis zum 30.06.2013 geltenden erhöhten Säumniszuschlag in Höhe in 5 vH und dem regulären Säumniszuschlag in Höhe von 1 vH erließ. Nach diesem Bescheid belief sich der Rückstand des Antragstellers immer noch auf 42.060,40 EUR. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Antragstellers wies der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2015 als unbegründet zurück.
Am 09.11.2015 hat der Antragsteller Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben (S 6 KR 3633/15) und Antrag auf "Aussetzung der Vollstreckung" gestellt (S 6 KR 3634/15 ER). Die Klage ist noch beim SG anhängig. Mit Beschluss vom 01.12.2015 hat das SG "die Anträge" abgelehnt. In den Gründe der Entscheidung hat das SG ausgeführt, die Auslegung des klägerischen Begehrens ergebe, dass er im Wege des Eilrechtsschutzes zum einen die aufschiebende Wirkung der am 09.11.2015 gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2015 erhobenen Klage und zum anderen die Aussetzung der Vollstreckung begehre. Beide Anträge seien unbegründet. Unter Zugrundelegung der bestandskräftig gewordenen Bescheide schulde der Antragsteller der Antragsgegnerin einen Betrag in Höhe von 77.215,40 EUR (Beiträge, Säumniszuschläge, Mahngebühren und Vollstreckungsauslagen) für den Zeitraum von Januar 2007 bis August 2014. Abzüglich der mit Bescheid vom 14.10.2015 erlassenen Säumniszuschläge in Höhe von 35.155 EUR betreffend den Zeitraum von Januar 2007 bis Juni 2013 errechne sich der mit Bescheid vom 14.10.2014 geltend gemachte Betrag in Höhe von 42.060,40 EUR. Der Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten des Antragsteller mittels Empfangsbekenntnis am 04.12.2015 zugestellt worden.
Mit einem am 04.01.2016 beim SG eingegangenen Fax hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Vom SG sei verkannt worden, dass die angegriffenen Bescheide der Antragsgegnerin wohl in sich unschlüssig seien, mithin die öffentliche Vermutung der Richtigkeit nicht für sich in Anspruch nehmen könnten. Die Antragsgegnerin habe immer wieder zu verschiedenen Zeiten und durch verschiedene Sachbearbeiter bei unübersichtlich vielen verschiedenen Aktenzeichen die unterschiedlichsten vermeintlichen Berechnungen angebracht. Es fehle an einer nachvollziehbaren Abrechnung. Auch hätte man mit dem Antragsteller persönlich in Kontakt treten müssen, um die Divergenzen abzugleichen. Die Sache sei aus Gründen unübersichtlich geworden, die der Antragsteller nicht zu vertreten habe. Es gehe nunmehr darum, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zuführen möchte. Was dies für den Antragsteller bedeute, wisse jeder am Verkehr Teilnehmende. Die eidesstattliche Versicherung sollte vermieden werden können, da ja nach der Vorkorrespondenz durchaus erwartet werden dürfe, dass man sich einige. Dies sollte bei Festlegung eines einvernehmlich zu gestaltenden Gesamtbetrages zu akzeptablen Raten möglich sei, nachdem die "Delle" des Antragstellers aus den Vorjahren zur Neige zu gehen scheine.
Nach einem Hinweisschreiben des Senatsvorsitzenden vom 01.02.2016 stellt der Antragsteller vorsorglich (auch) den Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
Die Antragsgegnerin hält die Entscheidung des SG für überzeugend und verweist auf ihre Ausführungen im Antragsverfahren. Es seien bereits Vollstreckungsmaßnahmen angelaufen. Nach bereits erfolgter, fruchtloser Pfändung sei der Antragsteller als Schuldner von rückständigen Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung nunmehr aufgefordert, eine Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO abzugeben. Dies sei aufgrund der nicht mehr geringen Forderungshöhe geboten und habe für den Antragsteller keine unbillige Härte zur Folge.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.10.2014 ist bereits unzulässig.
Das Gericht der Hauptsache kann nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Mit Bescheid vom 14.10.2014 hat die Antragsgegnerin einem Antrag des Antragstellers auf Erlass von Säumniszuschlägen teilweise stattgegeben. Dieser Bescheid enthält schon keine vollziehbare Regelung, deren Vollziehung oder Wirksamkeit aufgeschoben werden könnte. Der Hinweis in dem Bescheid über den derzeitigen Rückstand dient erkennbar der Information und enthält keine erneute Beitragsfestsetzung. Es handelt sich insoweit um eine Wissenserklärung und keine verbindliche Regelung.
2. Für einen Anspruch auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG mit dem Ziel, Beiträge bzw Säumniszuschläge in größerem Umfang als bisher geschehen zu erlassen, ist weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung auf § 256a SGB V gestützt. Aus dem Beschwerdevorbringen ist nicht ersichtlich, inwiefern sich aus dieser Vorschrift ein Anspruch auf einen weitergehenden Erlass von Beiträgen oder Säumniszuschlägen ergeben könnte.
3. Auch der vorsorglich gestellte Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht begründet. Dabei geht der Senat davon aus, dass dieser Antrag nicht erst im Beschwerdeverfahren gestellt wurde. Eine am Rechtsschutzziel orientierte Auslegung des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens ergibt, dass der Antragsteller dies von Anfang an ebenfalls erreichen wollte.
Die Antragsgegnerin ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zur Vollstreckung ihrer Beitragsforderung stehen ihr zwei Wege zur Verfügung (BSG 15.02.1989, 12 RK 3/88 in SozR 1300 § 44 Nr. 36): Sie kann entweder gemäß § 66 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung (ZPO) oder gemäß § 66 Abs 1 Satz 1 SGB X nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG) vorgehen. Die Vollstreckung nimmt je nach Art des eingeschlagenen Weges einen unterschiedlichen Verfahrensgang. Bei der Vollstreckung nach der ZPO können zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen oder gegen bereits erfolgte Maßnahmen die Rechtsbehelfe ergriffen werden, die das Zwangsvollstreckungsrecht der ZPO vorsieht. Über sie ist nach den Verfahrensgrundsätzen des Zivilprozesses und in dessen Instanzenzug zu entscheiden (LSG Baden-Württemberg 20.05.2010, L 10 LW 5533/07, juris; BGH 25.10.2007, I ZB 19/07, MDR 2008, 712; AG Hannover 09.09.2010, 701 M 15918/10, juris). Nach den Angaben der Beteiligten vollstreckt die Antragsgegnerin nach den Vorschriften der ZPO. Sie erstrebt eine Vermögensauskunft des Antragstellers nach § 802c ZPO, nicht nach § 5 Abs 2 VwVG iVm § 284 der Abgabenordnung. Damit ist eine Zuständigkeit der Sozialgerichte für den Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht gegeben.
Soweit die Rechtsprechung in Ausnahmefällen einen Anspruch nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung für Sachverhalte offensichtlich rechtswidriger Beitragsbescheide anerkannt hat (vgl Thüringer LSG 10.06.2015, L 6 KR 430/15 B ER; LSG Berlin-Brandenburg 13.11.2013, L 9 KR 254/13 B ER), sind diese Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verweisen.
Für freiwillige Mitglieder wird die Beitragsbemessung seit 2009 nach § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt; sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)). Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig tätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 93 des Dritten Buches oder eine entsprechende Leistung nach § 16b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs 4 Satz 2 SGB V). Dabei können Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden, § 240 Abs 4 Satz 6 SGB V. Aus der gesetzlichen Regelung folgt, dass für die Beitragsbemessung bei nicht vorgelegten Nachweisen als Höchstbeitrag der dreißigste Teil der jeweils gültigen Beitragsbemessungsgrenze nach § 223 SGB V in Ansatz zu bringen ist (KassKomm/Peters, § 240 SGB V Rn 28).
Beitragsbescheide müssen die Beiträge selbstständig Erwerbstätiger in der Regel endgültig festsetzen und dürfen sich zur Bestimmung der maßgeblichen Einnahmen auf die bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens vorhandenen neuesten Steuerunterlagen stützen (BSG 01.08.2007, B 12 KR 34/07 B, juris). Bei der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit lässt die Rechtsprechung auch einen vorläufigen Beitragsbescheid zu, den die Krankenkasse bei Vorlage des ersten Einkommenssteuerbescheides ändern darf (vgl BSG 22.03.2006, B 12 KR 14/05 R, BSGE 96, 119, SozR 4 – 2500 § 240 Nr 5). Waren die Beiträge bei Beginn der Tätigkeit durch einstweiligen Bescheid geregelt worden, so waren geringere Einnahmen für die endgültige Beitragsfestsetzung auch dann rückwirkend zu berücksichtigen, wenn die sie nachweisenden Steuerbescheide erst im Widerspruchsverfahren vorgelegt wurden (BSG 11.03.2009, B 12 KR 30/07 R, SozR 4 – 2500 § 240 Nr 10). Werden allerdings vom Selbstständigen mögliche Nachweise zu seinen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorgelegt, gilt nach Maßgabe des § 240 Absatz 1 Satz 2 SGB V die Beitragsbemessungsgrenze als beitragspflichtige Einnahme, was zu Höchstbeträgen führt. Im Übrigen kommt nach einer endgültigen Festsetzung eine Veränderung der Beitragsbemessung nur zum 1. Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats, also nur für die Zukunft in Betracht, § 240 Abs 4 Satz 6 SGB V (vgl Peters, aaO, § 240 Rn 56 f). Bei hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen freiwilligen Mitgliedern einer gesetzlichen Krankenkasse darf eine Anpassung der Beitragshöhe an ein niedrigeres Einkommen erst und nur zum Beginn des auf die Vorlage des letzten (maßgeblichen) Einkommensteuerbescheids folgenden Monats vorgenommen werden (vgl BSG 02.09.2009, B 12 KR 21/08 R, BSGE 104, 153, SozR 4-2500 § 240 Nr 12).
Die Höhe der festgesetzten Säumniszuschläge ist ebenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig. Rechtsgrundlage hierfür ist § 24 SGB IV.
Der Antragsteller hat im Übrigen keine Umstände geltend gemacht hat, die eine unbillige Härte, die mit den guten Sitten nicht vereinbar wäre, begründen würde (Rechtsgedanke des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG bzw des § 756a ZPO). Allein die mit der Zahlung auf eine rechtmäßige Beitragsforderung für den Kläger verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (vgl Senatsbeschluss vom 04.09.2013, L 11 R 2315/13 ER-B). Aus demselben Grund begründet auch die Höhe einer Beitragsforderung allein keine unbillige Härte (zum Ganzen Beschluss des Senats vom 30.07.2015, L 11 KR 3149/15 ER, juris). Auch die vom Antragsteller beklagte Unübersichtlichkeit des Vorgangs stellt keine unbillige Härte dar. Im Übrigen war dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.10.2014 eine detaillierte Aufstellung über die noch vorhandenen Rückstände beigefügt (Bl 18/33 der Akte S 6 KR 3634/15 ER).
Ob das von der Antragsgegnerin verfügte Ruhen des Anspruchs im Hinblick auf eine möglicherweise bestehende Ratenzahlungsvereinbarung weiterhin Bestand hat, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Vollstreckung von Beitragsforderungen der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in Berlin. Ihre Zuständigkeit erstreckt sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (§ 1 Abs 2 Satz 2 der Satzung der Antragsgegnerin). Der Antragsteller ist als selbständiger Gastwirt tätig und seit Jahren freiwilliges Mitglied der Antragsgegnerin bzw ihrer Rechtsvorgängerin. Die Antragsgegnerin bzw ihre Rechtsvorgängerin stellte mit zahlreichen Bescheiden die Höhe der zu zahlenden Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung fest und forderte überdies auch Säumniszuschläge für rückständige Beiträge. Soweit Beiträge für bestimmte Zeiträume nach dem Höchstsatz erhoben wurden, berief sich die Antragsgegnerin darauf, dass der Antragsteller trotz zahlreicher Mahnungen keine Einkommensteuerbescheide vorgelegt hatte.
Im August 2013 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erlass von Säumniszuschlägen nach dem Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung. Mit Bescheid vom 14.10.2014 gab die Antragsgegnerin diesem Antrag insofern statt, als sie dem Antragsteller noch nicht gezahlte Säumniszuschläge für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 30.06.2013 in Höhe der Differenz zwischen den bis zum 30.06.2013 geltenden erhöhten Säumniszuschlag in Höhe in 5 vH und dem regulären Säumniszuschlag in Höhe von 1 vH erließ. Nach diesem Bescheid belief sich der Rückstand des Antragstellers immer noch auf 42.060,40 EUR. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Antragstellers wies der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2015 als unbegründet zurück.
Am 09.11.2015 hat der Antragsteller Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben (S 6 KR 3633/15) und Antrag auf "Aussetzung der Vollstreckung" gestellt (S 6 KR 3634/15 ER). Die Klage ist noch beim SG anhängig. Mit Beschluss vom 01.12.2015 hat das SG "die Anträge" abgelehnt. In den Gründe der Entscheidung hat das SG ausgeführt, die Auslegung des klägerischen Begehrens ergebe, dass er im Wege des Eilrechtsschutzes zum einen die aufschiebende Wirkung der am 09.11.2015 gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2015 erhobenen Klage und zum anderen die Aussetzung der Vollstreckung begehre. Beide Anträge seien unbegründet. Unter Zugrundelegung der bestandskräftig gewordenen Bescheide schulde der Antragsteller der Antragsgegnerin einen Betrag in Höhe von 77.215,40 EUR (Beiträge, Säumniszuschläge, Mahngebühren und Vollstreckungsauslagen) für den Zeitraum von Januar 2007 bis August 2014. Abzüglich der mit Bescheid vom 14.10.2015 erlassenen Säumniszuschläge in Höhe von 35.155 EUR betreffend den Zeitraum von Januar 2007 bis Juni 2013 errechne sich der mit Bescheid vom 14.10.2014 geltend gemachte Betrag in Höhe von 42.060,40 EUR. Der Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten des Antragsteller mittels Empfangsbekenntnis am 04.12.2015 zugestellt worden.
Mit einem am 04.01.2016 beim SG eingegangenen Fax hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Vom SG sei verkannt worden, dass die angegriffenen Bescheide der Antragsgegnerin wohl in sich unschlüssig seien, mithin die öffentliche Vermutung der Richtigkeit nicht für sich in Anspruch nehmen könnten. Die Antragsgegnerin habe immer wieder zu verschiedenen Zeiten und durch verschiedene Sachbearbeiter bei unübersichtlich vielen verschiedenen Aktenzeichen die unterschiedlichsten vermeintlichen Berechnungen angebracht. Es fehle an einer nachvollziehbaren Abrechnung. Auch hätte man mit dem Antragsteller persönlich in Kontakt treten müssen, um die Divergenzen abzugleichen. Die Sache sei aus Gründen unübersichtlich geworden, die der Antragsteller nicht zu vertreten habe. Es gehe nunmehr darum, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zuführen möchte. Was dies für den Antragsteller bedeute, wisse jeder am Verkehr Teilnehmende. Die eidesstattliche Versicherung sollte vermieden werden können, da ja nach der Vorkorrespondenz durchaus erwartet werden dürfe, dass man sich einige. Dies sollte bei Festlegung eines einvernehmlich zu gestaltenden Gesamtbetrages zu akzeptablen Raten möglich sei, nachdem die "Delle" des Antragstellers aus den Vorjahren zur Neige zu gehen scheine.
Nach einem Hinweisschreiben des Senatsvorsitzenden vom 01.02.2016 stellt der Antragsteller vorsorglich (auch) den Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
Die Antragsgegnerin hält die Entscheidung des SG für überzeugend und verweist auf ihre Ausführungen im Antragsverfahren. Es seien bereits Vollstreckungsmaßnahmen angelaufen. Nach bereits erfolgter, fruchtloser Pfändung sei der Antragsteller als Schuldner von rückständigen Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung nunmehr aufgefordert, eine Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO abzugeben. Dies sei aufgrund der nicht mehr geringen Forderungshöhe geboten und habe für den Antragsteller keine unbillige Härte zur Folge.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.10.2014 ist bereits unzulässig.
Das Gericht der Hauptsache kann nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86a Abs 2 Nr 1 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Mit Bescheid vom 14.10.2014 hat die Antragsgegnerin einem Antrag des Antragstellers auf Erlass von Säumniszuschlägen teilweise stattgegeben. Dieser Bescheid enthält schon keine vollziehbare Regelung, deren Vollziehung oder Wirksamkeit aufgeschoben werden könnte. Der Hinweis in dem Bescheid über den derzeitigen Rückstand dient erkennbar der Information und enthält keine erneute Beitragsfestsetzung. Es handelt sich insoweit um eine Wissenserklärung und keine verbindliche Regelung.
2. Für einen Anspruch auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG mit dem Ziel, Beiträge bzw Säumniszuschläge in größerem Umfang als bisher geschehen zu erlassen, ist weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung auf § 256a SGB V gestützt. Aus dem Beschwerdevorbringen ist nicht ersichtlich, inwiefern sich aus dieser Vorschrift ein Anspruch auf einen weitergehenden Erlass von Beiträgen oder Säumniszuschlägen ergeben könnte.
3. Auch der vorsorglich gestellte Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht begründet. Dabei geht der Senat davon aus, dass dieser Antrag nicht erst im Beschwerdeverfahren gestellt wurde. Eine am Rechtsschutzziel orientierte Auslegung des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens ergibt, dass der Antragsteller dies von Anfang an ebenfalls erreichen wollte.
Die Antragsgegnerin ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zur Vollstreckung ihrer Beitragsforderung stehen ihr zwei Wege zur Verfügung (BSG 15.02.1989, 12 RK 3/88 in SozR 1300 § 44 Nr. 36): Sie kann entweder gemäß § 66 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in entsprechender Anwendung der Zivilprozessordnung (ZPO) oder gemäß § 66 Abs 1 Satz 1 SGB X nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG) vorgehen. Die Vollstreckung nimmt je nach Art des eingeschlagenen Weges einen unterschiedlichen Verfahrensgang. Bei der Vollstreckung nach der ZPO können zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen oder gegen bereits erfolgte Maßnahmen die Rechtsbehelfe ergriffen werden, die das Zwangsvollstreckungsrecht der ZPO vorsieht. Über sie ist nach den Verfahrensgrundsätzen des Zivilprozesses und in dessen Instanzenzug zu entscheiden (LSG Baden-Württemberg 20.05.2010, L 10 LW 5533/07, juris; BGH 25.10.2007, I ZB 19/07, MDR 2008, 712; AG Hannover 09.09.2010, 701 M 15918/10, juris). Nach den Angaben der Beteiligten vollstreckt die Antragsgegnerin nach den Vorschriften der ZPO. Sie erstrebt eine Vermögensauskunft des Antragstellers nach § 802c ZPO, nicht nach § 5 Abs 2 VwVG iVm § 284 der Abgabenordnung. Damit ist eine Zuständigkeit der Sozialgerichte für den Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht gegeben.
Soweit die Rechtsprechung in Ausnahmefällen einen Anspruch nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung für Sachverhalte offensichtlich rechtswidriger Beitragsbescheide anerkannt hat (vgl Thüringer LSG 10.06.2015, L 6 KR 430/15 B ER; LSG Berlin-Brandenburg 13.11.2013, L 9 KR 254/13 B ER), sind diese Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verweisen.
Für freiwillige Mitglieder wird die Beitragsbemessung seit 2009 nach § 240 Abs 1 Satz 1 SGB V einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt; sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze. Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)). Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbstständig tätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 93 des Dritten Buches oder eine entsprechende Leistung nach § 16b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs 4 Satz 2 SGB V). Dabei können Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden, § 240 Abs 4 Satz 6 SGB V. Aus der gesetzlichen Regelung folgt, dass für die Beitragsbemessung bei nicht vorgelegten Nachweisen als Höchstbeitrag der dreißigste Teil der jeweils gültigen Beitragsbemessungsgrenze nach § 223 SGB V in Ansatz zu bringen ist (KassKomm/Peters, § 240 SGB V Rn 28).
Beitragsbescheide müssen die Beiträge selbstständig Erwerbstätiger in der Regel endgültig festsetzen und dürfen sich zur Bestimmung der maßgeblichen Einnahmen auf die bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens vorhandenen neuesten Steuerunterlagen stützen (BSG 01.08.2007, B 12 KR 34/07 B, juris). Bei der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit lässt die Rechtsprechung auch einen vorläufigen Beitragsbescheid zu, den die Krankenkasse bei Vorlage des ersten Einkommenssteuerbescheides ändern darf (vgl BSG 22.03.2006, B 12 KR 14/05 R, BSGE 96, 119, SozR 4 – 2500 § 240 Nr 5). Waren die Beiträge bei Beginn der Tätigkeit durch einstweiligen Bescheid geregelt worden, so waren geringere Einnahmen für die endgültige Beitragsfestsetzung auch dann rückwirkend zu berücksichtigen, wenn die sie nachweisenden Steuerbescheide erst im Widerspruchsverfahren vorgelegt wurden (BSG 11.03.2009, B 12 KR 30/07 R, SozR 4 – 2500 § 240 Nr 10). Werden allerdings vom Selbstständigen mögliche Nachweise zu seinen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorgelegt, gilt nach Maßgabe des § 240 Absatz 1 Satz 2 SGB V die Beitragsbemessungsgrenze als beitragspflichtige Einnahme, was zu Höchstbeträgen führt. Im Übrigen kommt nach einer endgültigen Festsetzung eine Veränderung der Beitragsbemessung nur zum 1. Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats, also nur für die Zukunft in Betracht, § 240 Abs 4 Satz 6 SGB V (vgl Peters, aaO, § 240 Rn 56 f). Bei hauptberuflich selbstständig erwerbstätigen freiwilligen Mitgliedern einer gesetzlichen Krankenkasse darf eine Anpassung der Beitragshöhe an ein niedrigeres Einkommen erst und nur zum Beginn des auf die Vorlage des letzten (maßgeblichen) Einkommensteuerbescheids folgenden Monats vorgenommen werden (vgl BSG 02.09.2009, B 12 KR 21/08 R, BSGE 104, 153, SozR 4-2500 § 240 Nr 12).
Die Höhe der festgesetzten Säumniszuschläge ist ebenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig. Rechtsgrundlage hierfür ist § 24 SGB IV.
Der Antragsteller hat im Übrigen keine Umstände geltend gemacht hat, die eine unbillige Härte, die mit den guten Sitten nicht vereinbar wäre, begründen würde (Rechtsgedanke des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG bzw des § 756a ZPO). Allein die mit der Zahlung auf eine rechtmäßige Beitragsforderung für den Kläger verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (vgl Senatsbeschluss vom 04.09.2013, L 11 R 2315/13 ER-B). Aus demselben Grund begründet auch die Höhe einer Beitragsforderung allein keine unbillige Härte (zum Ganzen Beschluss des Senats vom 30.07.2015, L 11 KR 3149/15 ER, juris). Auch die vom Antragsteller beklagte Unübersichtlichkeit des Vorgangs stellt keine unbillige Härte dar. Im Übrigen war dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.10.2014 eine detaillierte Aufstellung über die noch vorhandenen Rückstände beigefügt (Bl 18/33 der Akte S 6 KR 3634/15 ER).
Ob das von der Antragsgegnerin verfügte Ruhen des Anspruchs im Hinblick auf eine möglicherweise bestehende Ratenzahlungsvereinbarung weiterhin Bestand hat, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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