Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 2252/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1521/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. März 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
( I )
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs der außergewöhnlichen Gehbehinderung ("aG") streitig.
Bei dem im Jahr 1938 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt A. (VA) zuletzt mit Bescheid vom 11.7.2003 in Ausführung eines vom Beklagten im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG; S 12 SB 2166/02) abgegebenen Anerkenntnisses einen GdB von 60 ab dem 13.12.2001 fest. Es berücksichtigte hierbei "Schlaganfallfolgen, inkomplette Halbseitenlähmung links" mit einem Einzel-GdB von 50, ein "hirnorganisches Psychosyndrom, Hirnleistungsschwäche, Schwindel" mit einem solchen von 30 und eine "Gebrauchseinschränkung der Beine bei degenerativen Gelenkveränderungen" mit einem solchen von 10. Das VA entschied ferner, dass die Voraussetzungen für die Feststellung der Nachteilsausgleiche "G" und "B" über den 12.12.2001 hinaus festgestellt bleiben.
Am 13.9.2013 beantragte der Kläger beim Landratsamt B. (LRA) die Erhöhung des festgestellten GdB und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG". Hierzu führte er u.a. einen Re-Insult mit beinbetonter Hemiparese und eine Dreigefäßerkrankung an. Das LRA forderte daraufhin den vorläufigen Entlassungsbericht der Klinik G. vom 8.10.2013 über eine dort vom 26. - 31.7.2013 und vom 7.8. - 8.10.2013 vom Kläger durchlaufene Heilbehandlung sowie das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI des MdK Baden-Württemberg vom 20.11.2013 an und führte die Unterlagen sowie vom Kläger vorgelegte Arztbriefe einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Dr. C. führte in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 14.1.2014 aus, die Halbseitenlähmung habe sich nach einem erneuten Schlaganfall verschlimmert. Der Kläger könne jedoch mit einem Rollator noch 300 Meter gehen. Dr. C. bewertete die Schlaganfallfolgen mit inkompletter Halbseitenlähmung links einschließlich zusätzlich zu berücksichtigender Schluckstörungen nunmehr mit einem Einzel-GdB von 70. Ferner berücksichtigte er zusätzlich eine "koronare Herzkrankheit, abgelaufener Herzinfarkt, koronarer Bypass, Stent-Implantation sowie Bluthochdruck" mit einem Einzel-GdB von 20 und einen "unwillkürlicher Harnabgang" mit einem solchen von 10. Den Gesamt-GdB schätzte Dr. C. mit 80 ein, die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" verneinte er.
Gestützt hierauf stellte das LRA mit Bescheid vom 4.2.2014 den GdB des Klägers ab dem 13.9.2013 mit 80 fest. Es entschied ferner, dass die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" nicht festgestellt werden können. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte nach einer abermaligen versorgungsärztlichen Überprüfung mit Widerspruchsbescheid vom 20.6.2014 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 4.7.2014 Klage zum SG erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgebracht, infolge seiner multiplen Erkrankungen sei er nicht nur in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt, er sei auch psychisch erheblich beeinträchtigt, er werde wegen der depressiven Symptomatik medikamentös behandelt. Insg. rechtfertigten die Beeinträchtigungen einen GdB von 100. Auch könne er sich nicht mehr frei fortbewegen, er sei auf die Nutzung eines Rollstuhls bzw. eines Rollators angewiesen, weswegen er die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" in seiner Person erfülle. Hierzu hat er konkretisierend ausgeführt, auch mit dem Rollator Schwierigkeiten beim Gehen zu haben, da sein linker Fuß wie ein Magnet am Boden bleibe. Er könne - mit Unterbrechungen - nur wenige Schritte gehen, etwa zum 50 Meter entfernten Haus seines Sohnes.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. D. vom 11.12.2014 vorgelegt.
Das SG hat den behandelnden Facharzt für Innere Medizin/Geriatrie Dr. E. schriftlich als sachverständigen Zeugen einvernommen. In seiner Stellungnahme vom 24.9.2014 hat dieser ausgeführt, der Kläger habe anlässlich der letzten Konsultation am 15.7.2014 die Gehstrecke mit Rollator auf max. 50 Meter quantifiziert. Dies korreliere damit, dass der Kläger die Praxis mit dem PKW erreiche und der Weg vom Parkdeck zum Aufzug ca. 50 Meter betrage. Dem Kläger sei nach seiner Einschätzung ein Gehen ohne Rollator zwar eingeschränkt möglich, wegen einer angstbedingten erhöhten Sturzgefahr sei ihm dies jedoch nicht anzuraten.
Mir Urteil vom 12.3.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, eine Verschlimmerung der funktionellen Einschränkungen über einen GdB von 80 hinaus läge nicht vor. Hierbei seien die Schlaganfallfolgen mit einem Einzel-GdB von 70 zu berücksichtigen. Beim Kläger bestünde insofern ein unsicherer Gang sowie eine eingeschränkte Funktion und Kraftminderung des linken Armes und Beines, die eine weitergehende Bewertung der Funktionsbeeinträchtigung nicht zuließen. Die weiteren funktionellen Einschränkungen seien vom Beklagten zutreffend bewertet worden. Insgesamt rechtfertige der Krankheitszustand des Klägers keinen höheren GdB als 80. Die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" lägen in der Person des Klägers, so das SG weiter, nicht vor. Zwar habe der behandelnde Arzt eine Wegstrecke von max. 50 Meter bekundet, den Ausführungen lasse sich jedoch nicht entnehmen, dass die Fortbewegung bereits nach den ersten Schritten auf das Schwerste eingeschränkt sei. Dies folge auch nicht aus der mitgeteilten Sturzgefährdung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könnten weder Orientierungsstörungen noch zeitweise Anfälle einen Anspruch auf den Nachteilsausgleich "aG" begründen. Diese gelte gleichermaßen für die beim Kläger bestehende Sturzgefahr, da diese nicht derart ausgeprägt sei, dass im innerstädtischen Fußgängerverkehr regelmäßig die Nutzung eines Rollstuhls geboten sei.
Gegen das am 19.3.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.4.2015 Berufung eingelegt. Er bringt hierzu vor, der GdB von 80 berücksichtige die bei ihm bestehenden Einschränkungen nicht vollständig. Er habe jedwede Lebensfreude verloren und nehme nicht mehr an kulturellen oder sonstigen Freizeitaktivitäten teil. Auch könne er sich, anders als es das SG angenommen habe, nicht mehr frei fortbewegen. Er sei vom ersten Schritt außerhalb eines Kraftfahrzeuges auf die ständige Nutzung eines Rollstuhls bzw. eines Rolltors angewiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. März 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2014 zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf die aus seiner Sicht zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Das SG habe den medizinischen Sachverhalt zutreffend gewürdigt.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 15.10.2015 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden. Den Beteiligten wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu zu äußern.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
( II )
Die form - und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, führt jedoch für diesen nicht zum Erfolg.
Der Senat konnte die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden nicht vorgebracht und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Weder sind die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren GdB als 80 zu bewerten, noch sind in seiner Person die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" festzustellen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 11.7.2003 - vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. BSG, Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.6.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung des am 15.1.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7.1.2015 (BGBl. II S. 15) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab dem 15.1.2015 geltenden Fassung, dass, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 1.1.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen, die auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG erlassen wurde.
In Anlegung der dortigen Maßstäbe ist der Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers mit einer Erhöhung des GdB von 70 auf 80 angemessen und ausreichend Rechnung getragen; die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen können nicht mit einem höheren GdB als 80 bewertet werden.
Die beim Kläger bestehenden Schlaganfallfolgen, eine inkomplette Halbseitenlähmung links sowie Schluckstörungen, sind hierbei mit einem Einzel-GdB von 70 zu bewerten. Nach Nr. 3.1.2 (S. 37) der VG werden leichte Restlähmungen und Tonustörungen der Gliedmaßen mit einem GdB von 30 bewertet. Bei ausgeprägteren Teillähmungen und vollständigen Lähmungen ist der GdB aus Vergleichen mit dem GdB bei Gliedmaßenverlusten, peripheren Lähmungen und anderen Funktionseinbußen der Gliedmaßen abzuleiten. Nach dem Entlassungsbericht der Klinik G. vom 23.12.2013 bestanden beim Kläger zur Zeit der dortigen Entlassung ein unsicherer Gang und ein Defizit der Hantierfunktion. Eine zentrale faciale Parese des Mundastes war nur noch dezent vorhanden, lediglich die Verlangsamung des Schluckaktes war noch auffällig. Diese war jedoch durch ein adäquates Essverhalten kompensierbar. Die Hantierfunktion zeigte noch Defizite im Bereich der reziproken Innervation und der Ausdauer, die Funktion des linken Armes war jedoch soweit ausgebaut, dass der Kläger im Alltag eigenständig war. In Ansehung dieser Befunde sind die Schlaganfallfolgen, da auch der von Dr. E. vorgelegte Bericht über eine Vorstellung des Klägers in der neurologischen Ambulanz des Universitätsklinikums Heidelberg am 2.6.2014 keine weitergehenden Beeinträchtigungen benennt, mit einem Einzel-GdB von 70 ausreichend bewertet.
Nach Nr. 3.1.2. (S. 36) der VG sind Hirnschäden mit psychischen Störungen in leichter Ausprägung mit einem Einzel-GdB von 30 - 40, solche mit mittelgradigen Ausprägungen mit einem solchen von 50 - 60 und solche mit schweren Ausprägungen mit einem solchen von 70 - 100 zu bewerten. Da im psychischen Befund des Entlassungsbericht keine Einschränkung einer psychischen Dimension benannt ist, der Kläger vielmehr allseits voll orientiert und im Antrieb situationsadäquat war, ein geordnetes formales Denken aufgewiesen hat und keine gröberen kognitiv-mnestischen Defizite zeigte, er nach dem Inhalt der von ihm im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Erklärung über die Entbindung der ihn behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht auch nicht in fachspezifischer Behandlung steht, woraus ersichtlich wird, dass kein maßgeblicher Leidendruck besteht, liegt beim Kläger lediglich eine psychische Störung in leichter Ausprägung vor, die mit einem Einzel-GdB von 30 einzustellen ist.
Die beim Kläger ferner bestehende Funktionsbeeinträchtigung im Funktionssystem Herz-Kreislauf (vgl. A 2 [S.20] der VG) kann nicht mit einem höheren GdB als 20 bewertet werden, da maßgebliche kardiale Leistungsbeeinträchtigungen nicht bestehen.
Befunde, die eine höhere Berücksichtigung der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen ( Diabetes mellitus, Gebrauchseinschränkung beider Beine, unwillkürlicher Harnabgang) begründen könnten, sind nicht aktenkundig.
In Zusammenschau der beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 80, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind maßgeblich durch die Schlaganfallfolgen geprägt und werden durch die psychischen und internistischen Beeinträchtigung nur maßvoll von 70 auf insg. 80 verstärkt.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass in seiner Person die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" festzustellen sind.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "aG" ist § 69 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 1 Abs. 4 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.7.1991, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 7.6.2012 (BGBl. I S. 1275). Danach ist der Nachteilsausgleich "aG" festzustellen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert i.S.d § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist. Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26.1.2001, in der ab dem 18.11.2014 gültigen Fassung vom 17.11.2014. Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.
Der Kläger gehört - unstreitig - nicht zu dem ausdrücklich genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten. Er kann dem genannten Personenkreis auch nicht gleichgestellt werden, da seine Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist oder er sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der VwV-StVO genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann.
Zwischenzeitlichen Bedenken daran, dass der Verordnungsgebers zum Erlass von Vorgaben für die Beurteilung von Nachteilsausgleichen in der zum 1.1.2009 in Kraft getretenen VersMedV mit den in ihrer Anlage 2 normierten VG nicht ermächtigt war (vgl. u.a. Urteil des Senats vom 28.5.2013 - L 3 SB 5383/12 -; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 9.6.2011 - L 6 SB 6140/09 - und vom 24.9.2010 - L 8 SB 4533/09 - jew. veröffentlicht in juris) hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 7.1.2015 (BGBl. II S. 15) Rechnung getragen und in § 70 Abs. 2 SGB IX eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage geschaffen. Diese erlaubt es dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales seit 15.1.2015 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Für eine Übergangszeit bis zum Erlass einer neuen Rechtsverordnung verbleibt es nach der Rspr. des BSG (Urteil vom 11.8.2015 - B 9 SB 2714 R - veröffentlicht in juris) insoweit bei der bisherigen Rechtslage (vgl. § 159 Abs. 7 SGB IX; hierzu BT-Drucks 18/2953 und 18/3190 S 5), wonach trotz der Bedenken an der Ermächtigung des Verordnungsgebers die Konkretisierungen der VG zu den medizinischen Voraussetzungen von Nachteilsausgleichen verbindlich sind, da die VG antizipierte Sachverständigengutachten darstellen, die wegen ihrer normähnlichen Wirkungen wie untergesetzliche Normen anzuwenden sind (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - veröffentlicht in juris) Im Übrigen übernehmen die VG in Teil D Nr. 3 Buchst b) vollständig die Vorgaben der VwV-StVO zum Nachteilsausgleich "aG" und verweisen in Nr. 3 Buchst a) insoweit ausdrücklich auf das StVG, welches als Ermächtigungsgrundlage für die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "aG" weiterhin bestehen bleibt.
Unter Berücksichtigung der hiernach anzulegenden Grundsätze ist der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger außergewöhnlich gehbehindert ist. Ausgangspunkt für die Gleichstellung nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO ist das den Betroffenen verbliebene Restgehvermögen. Dieses ist jedoch nicht anhand eines bestimmten Wegstreckenkriteriums zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R - veröffentlicht in juris). Weder stellen die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften auf die möglichen Wegstrecken ab, noch rechtfertigt der straßenverkehrsrechtliche Zweck des Nachteilsausgleichs "aG", die stark eingeschränkte Gehfähigkeit durch Verkürzung der Wege infolge der gewährten Parkerleichterungen auszugleichen (vgl. BSG, Urteil vom 6.11.1985 - 9a RVs 7/83 - veröffentlicht in juris), die Heranziehung einer noch möglichen Wegstrecke (vgl. BSG, Urteil vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 5/06 R - ; Urteil vom 29.3.2007 - B 9a SB 5/05 R - und - B 9a SB 1/06 R - jew. veröffentlicht in juris).
Ein Betroffener ist vielmehr dann gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 11.3.1998 - B 9 SB 1/97 R - veröffentlicht in juris). Auch soweit diese großen körperlichen Anstrengungen festzustellen sind, kann nicht allein auf eine Größe wie die schmerzfrei zurücklegbare Wegstrecke abgestellt werden. Unabhängig von der Schwierigkeit, eine solche Wegstrecke objektiv fehlerfrei und verwertbar festzustellen, ist die Tatsache, dass ein Betroffener nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" reichen überdies nicht irgendwelche Erschöpfungszustände aus. Sie müssen in ihrer Intensität vielmehr gleichwertig mit den Erschöpfungszuständen sein, die Schwerbehinderte der in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Gruppen erleiden. Gradmesser hierfür kann die Intensität der Schmerzen beziehungsweise der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich unter anderem aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Schwerbehinderte nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den durch die Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar. Ob die danach erforderlichen großen körperlichen Anstrengungen beim Gehen vorliegen, ist Gegenstand tatrichterlicher Würdigung, die sich auf alle verfügbaren Beweismittel, wie Befundberichte der behandelnden Ärzte, Sachverständigengutachten oder einen dem Gericht persönlich vermittelten Eindruck, stützen kann. Gerade bei multimorbiden Schwerbehinderten liegt auf der Hand, dass allein das Abstellen auf ein starres Kriterium keine sachgerechte Beurteilung ermöglicht, weil es eine Gesamtschau aller relevanten Umstände eher verhindert (BSG, Urteil vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 5/06 R -, vom 29.3.2007 - B 9a SB 5/05 R - und - B 9a SB 1/06 R - jew. veröffentlicht in juris).
In Anlegung dieser Kriterien ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Kläger außergewöhnlich gehbehindert ist. Zwar wird der diesbezügliche Vortrag des Klägers, er könne nur noch 50 Meter laufen, durch den erstinstanzlich gehörten behandelnden Arzt Dr. E. bestätigt, indes geht hieraus nicht hervor, dass dies nur mit ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe erfolgen kann. Vielmehr wird im Gutachten zur Pflegebedürftigkeit des MdK Baden-Württemberg vom 20.11.2013 lediglich beschrieben, dass das linke Bein beim Gehen nachgezogen wird. Ein Hilfebedarf bei der Verrichtung des Gehens wird jedoch verneint. Auch begründet Dr. E. die Annahme einer Einschränkung der Gehfähigkeit zuvorderst mit einer angstbedingten erhöhten Sturzgefahr. Da jedoch aus den vorliegenden Unterlagen oder dem klägerischen Vortrag bereits nicht ersichtlich ist, dass sich diese Angst realisiert hat und überdies, worauf das SG bereits zutreffend hingewiesen hat, Gefährdungen dieser Art bei zahllosen Behinderten mit Gangunsicherheiten bestehen und daher eine Gleichstellung im oben beschrieben Sinne nicht rechtfertigen (BSG, Urteil vom 29.1.1992 - 9a RVs 4/90 - veröffentlicht in juris), ist der Kläger zur Überzeugung des Senats nicht außergewöhnlich gehbehindert.
Der Bescheid vom 4.2.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.6.2014 ist hiernach rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG vom 12.3.2015 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
( I )
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs der außergewöhnlichen Gehbehinderung ("aG") streitig.
Bei dem im Jahr 1938 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt A. (VA) zuletzt mit Bescheid vom 11.7.2003 in Ausführung eines vom Beklagten im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG; S 12 SB 2166/02) abgegebenen Anerkenntnisses einen GdB von 60 ab dem 13.12.2001 fest. Es berücksichtigte hierbei "Schlaganfallfolgen, inkomplette Halbseitenlähmung links" mit einem Einzel-GdB von 50, ein "hirnorganisches Psychosyndrom, Hirnleistungsschwäche, Schwindel" mit einem solchen von 30 und eine "Gebrauchseinschränkung der Beine bei degenerativen Gelenkveränderungen" mit einem solchen von 10. Das VA entschied ferner, dass die Voraussetzungen für die Feststellung der Nachteilsausgleiche "G" und "B" über den 12.12.2001 hinaus festgestellt bleiben.
Am 13.9.2013 beantragte der Kläger beim Landratsamt B. (LRA) die Erhöhung des festgestellten GdB und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG". Hierzu führte er u.a. einen Re-Insult mit beinbetonter Hemiparese und eine Dreigefäßerkrankung an. Das LRA forderte daraufhin den vorläufigen Entlassungsbericht der Klinik G. vom 8.10.2013 über eine dort vom 26. - 31.7.2013 und vom 7.8. - 8.10.2013 vom Kläger durchlaufene Heilbehandlung sowie das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI des MdK Baden-Württemberg vom 20.11.2013 an und führte die Unterlagen sowie vom Kläger vorgelegte Arztbriefe einer versorgungsärztlichen Überprüfung zu. Dr. C. führte in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 14.1.2014 aus, die Halbseitenlähmung habe sich nach einem erneuten Schlaganfall verschlimmert. Der Kläger könne jedoch mit einem Rollator noch 300 Meter gehen. Dr. C. bewertete die Schlaganfallfolgen mit inkompletter Halbseitenlähmung links einschließlich zusätzlich zu berücksichtigender Schluckstörungen nunmehr mit einem Einzel-GdB von 70. Ferner berücksichtigte er zusätzlich eine "koronare Herzkrankheit, abgelaufener Herzinfarkt, koronarer Bypass, Stent-Implantation sowie Bluthochdruck" mit einem Einzel-GdB von 20 und einen "unwillkürlicher Harnabgang" mit einem solchen von 10. Den Gesamt-GdB schätzte Dr. C. mit 80 ein, die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" verneinte er.
Gestützt hierauf stellte das LRA mit Bescheid vom 4.2.2014 den GdB des Klägers ab dem 13.9.2013 mit 80 fest. Es entschied ferner, dass die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" nicht festgestellt werden können. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte nach einer abermaligen versorgungsärztlichen Überprüfung mit Widerspruchsbescheid vom 20.6.2014 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 4.7.2014 Klage zum SG erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgebracht, infolge seiner multiplen Erkrankungen sei er nicht nur in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt, er sei auch psychisch erheblich beeinträchtigt, er werde wegen der depressiven Symptomatik medikamentös behandelt. Insg. rechtfertigten die Beeinträchtigungen einen GdB von 100. Auch könne er sich nicht mehr frei fortbewegen, er sei auf die Nutzung eines Rollstuhls bzw. eines Rollators angewiesen, weswegen er die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" in seiner Person erfülle. Hierzu hat er konkretisierend ausgeführt, auch mit dem Rollator Schwierigkeiten beim Gehen zu haben, da sein linker Fuß wie ein Magnet am Boden bleibe. Er könne - mit Unterbrechungen - nur wenige Schritte gehen, etwa zum 50 Meter entfernten Haus seines Sohnes.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. D. vom 11.12.2014 vorgelegt.
Das SG hat den behandelnden Facharzt für Innere Medizin/Geriatrie Dr. E. schriftlich als sachverständigen Zeugen einvernommen. In seiner Stellungnahme vom 24.9.2014 hat dieser ausgeführt, der Kläger habe anlässlich der letzten Konsultation am 15.7.2014 die Gehstrecke mit Rollator auf max. 50 Meter quantifiziert. Dies korreliere damit, dass der Kläger die Praxis mit dem PKW erreiche und der Weg vom Parkdeck zum Aufzug ca. 50 Meter betrage. Dem Kläger sei nach seiner Einschätzung ein Gehen ohne Rollator zwar eingeschränkt möglich, wegen einer angstbedingten erhöhten Sturzgefahr sei ihm dies jedoch nicht anzuraten.
Mir Urteil vom 12.3.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, eine Verschlimmerung der funktionellen Einschränkungen über einen GdB von 80 hinaus läge nicht vor. Hierbei seien die Schlaganfallfolgen mit einem Einzel-GdB von 70 zu berücksichtigen. Beim Kläger bestünde insofern ein unsicherer Gang sowie eine eingeschränkte Funktion und Kraftminderung des linken Armes und Beines, die eine weitergehende Bewertung der Funktionsbeeinträchtigung nicht zuließen. Die weiteren funktionellen Einschränkungen seien vom Beklagten zutreffend bewertet worden. Insgesamt rechtfertige der Krankheitszustand des Klägers keinen höheren GdB als 80. Die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" lägen in der Person des Klägers, so das SG weiter, nicht vor. Zwar habe der behandelnde Arzt eine Wegstrecke von max. 50 Meter bekundet, den Ausführungen lasse sich jedoch nicht entnehmen, dass die Fortbewegung bereits nach den ersten Schritten auf das Schwerste eingeschränkt sei. Dies folge auch nicht aus der mitgeteilten Sturzgefährdung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könnten weder Orientierungsstörungen noch zeitweise Anfälle einen Anspruch auf den Nachteilsausgleich "aG" begründen. Diese gelte gleichermaßen für die beim Kläger bestehende Sturzgefahr, da diese nicht derart ausgeprägt sei, dass im innerstädtischen Fußgängerverkehr regelmäßig die Nutzung eines Rollstuhls geboten sei.
Gegen das am 19.3.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.4.2015 Berufung eingelegt. Er bringt hierzu vor, der GdB von 80 berücksichtige die bei ihm bestehenden Einschränkungen nicht vollständig. Er habe jedwede Lebensfreude verloren und nehme nicht mehr an kulturellen oder sonstigen Freizeitaktivitäten teil. Auch könne er sich, anders als es das SG angenommen habe, nicht mehr frei fortbewegen. Er sei vom ersten Schritt außerhalb eines Kraftfahrzeuges auf die ständige Nutzung eines Rollstuhls bzw. eines Rolltors angewiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. März 2015 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2014 zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf die aus seiner Sicht zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Das SG habe den medizinischen Sachverhalt zutreffend gewürdigt.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 15.10.2015 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden. Den Beteiligten wurde Gelegenheit eingeräumt, sich hierzu zu äußern.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
( II )
Die form - und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, führt jedoch für diesen nicht zum Erfolg.
Der Senat konnte die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden nicht vorgebracht und sind dem Senat auch anderweitig nicht ersichtlich.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Weder sind die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren GdB als 80 zu bewerten, noch sind in seiner Person die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" festzustellen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - vorliegend dem vom 11.7.2003 - vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine wesentliche Änderung ist im gegebenen Zusammenhang im Hinblick auf die Feststellung des GdB anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung des Behinderungszustandes eine Herabsetzung oder Erhöhung des festgestellten (Gesamt-) GdB um wenigstens 10 ergibt (u.a. BSG, Urteil vom 22.10.1986 - 9a RVs 55/85 - veröffentlicht in juris). Die Änderung der Bezeichnung der Funktionsbeeinträchtigungen oder das Hinzutreten weiterer Funktionsbeeinträchtigungen ohne Auswirkung auf den GdB stellen hingegen keine wesentliche Änderung in diesem Sinne dar (BSG, Urteil vom 24.6.1998 - B 9 SB 18/97 R - veröffentlicht in juris). Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der gegenwärtigen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit dem verbindlich festgestellten objektiven Behinderungszustand zum Zeitpunkt des Erlasses des zuletzt bindend gewordenen Bescheides zu ermitteln. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.9.2000 - B 9 SB 3/00 R - veröffentlicht in juris).
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX). Nach § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung des am 15.1.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7.1.2015 (BGBl. II S. 15) ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab dem 15.1.2015 geltenden Fassung, dass, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 1.1.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die jeweilige Seitenangabe bezieht sich auf das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebene Printexemplar) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) heranzuziehen, die auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG erlassen wurde.
In Anlegung der dortigen Maßstäbe ist der Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers mit einer Erhöhung des GdB von 70 auf 80 angemessen und ausreichend Rechnung getragen; die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen können nicht mit einem höheren GdB als 80 bewertet werden.
Die beim Kläger bestehenden Schlaganfallfolgen, eine inkomplette Halbseitenlähmung links sowie Schluckstörungen, sind hierbei mit einem Einzel-GdB von 70 zu bewerten. Nach Nr. 3.1.2 (S. 37) der VG werden leichte Restlähmungen und Tonustörungen der Gliedmaßen mit einem GdB von 30 bewertet. Bei ausgeprägteren Teillähmungen und vollständigen Lähmungen ist der GdB aus Vergleichen mit dem GdB bei Gliedmaßenverlusten, peripheren Lähmungen und anderen Funktionseinbußen der Gliedmaßen abzuleiten. Nach dem Entlassungsbericht der Klinik G. vom 23.12.2013 bestanden beim Kläger zur Zeit der dortigen Entlassung ein unsicherer Gang und ein Defizit der Hantierfunktion. Eine zentrale faciale Parese des Mundastes war nur noch dezent vorhanden, lediglich die Verlangsamung des Schluckaktes war noch auffällig. Diese war jedoch durch ein adäquates Essverhalten kompensierbar. Die Hantierfunktion zeigte noch Defizite im Bereich der reziproken Innervation und der Ausdauer, die Funktion des linken Armes war jedoch soweit ausgebaut, dass der Kläger im Alltag eigenständig war. In Ansehung dieser Befunde sind die Schlaganfallfolgen, da auch der von Dr. E. vorgelegte Bericht über eine Vorstellung des Klägers in der neurologischen Ambulanz des Universitätsklinikums Heidelberg am 2.6.2014 keine weitergehenden Beeinträchtigungen benennt, mit einem Einzel-GdB von 70 ausreichend bewertet.
Nach Nr. 3.1.2. (S. 36) der VG sind Hirnschäden mit psychischen Störungen in leichter Ausprägung mit einem Einzel-GdB von 30 - 40, solche mit mittelgradigen Ausprägungen mit einem solchen von 50 - 60 und solche mit schweren Ausprägungen mit einem solchen von 70 - 100 zu bewerten. Da im psychischen Befund des Entlassungsbericht keine Einschränkung einer psychischen Dimension benannt ist, der Kläger vielmehr allseits voll orientiert und im Antrieb situationsadäquat war, ein geordnetes formales Denken aufgewiesen hat und keine gröberen kognitiv-mnestischen Defizite zeigte, er nach dem Inhalt der von ihm im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Erklärung über die Entbindung der ihn behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht auch nicht in fachspezifischer Behandlung steht, woraus ersichtlich wird, dass kein maßgeblicher Leidendruck besteht, liegt beim Kläger lediglich eine psychische Störung in leichter Ausprägung vor, die mit einem Einzel-GdB von 30 einzustellen ist.
Die beim Kläger ferner bestehende Funktionsbeeinträchtigung im Funktionssystem Herz-Kreislauf (vgl. A 2 [S.20] der VG) kann nicht mit einem höheren GdB als 20 bewertet werden, da maßgebliche kardiale Leistungsbeeinträchtigungen nicht bestehen.
Befunde, die eine höhere Berücksichtigung der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen ( Diabetes mellitus, Gebrauchseinschränkung beider Beine, unwillkürlicher Harnabgang) begründen könnten, sind nicht aktenkundig.
In Zusammenschau der beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen ist zur Überzeugung des Senats ein GdB von mehr als 80, wie klägerseits begehrt, nicht festzustellen. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist, bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft, der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen sind maßgeblich durch die Schlaganfallfolgen geprägt und werden durch die psychischen und internistischen Beeinträchtigung nur maßvoll von 70 auf insg. 80 verstärkt.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass in seiner Person die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" festzustellen sind.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "aG" ist § 69 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 1 Abs. 4 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.7.1991, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 7.6.2012 (BGBl. I S. 1275). Danach ist der Nachteilsausgleich "aG" festzustellen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert i.S.d § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist. Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26.1.2001, in der ab dem 18.11.2014 gültigen Fassung vom 17.11.2014. Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.
Der Kläger gehört - unstreitig - nicht zu dem ausdrücklich genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten. Er kann dem genannten Personenkreis auch nicht gleichgestellt werden, da seine Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist oder er sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der VwV-StVO genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann.
Zwischenzeitlichen Bedenken daran, dass der Verordnungsgebers zum Erlass von Vorgaben für die Beurteilung von Nachteilsausgleichen in der zum 1.1.2009 in Kraft getretenen VersMedV mit den in ihrer Anlage 2 normierten VG nicht ermächtigt war (vgl. u.a. Urteil des Senats vom 28.5.2013 - L 3 SB 5383/12 -; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 9.6.2011 - L 6 SB 6140/09 - und vom 24.9.2010 - L 8 SB 4533/09 - jew. veröffentlicht in juris) hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 7.1.2015 (BGBl. II S. 15) Rechnung getragen und in § 70 Abs. 2 SGB IX eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage geschaffen. Diese erlaubt es dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales seit 15.1.2015 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Für eine Übergangszeit bis zum Erlass einer neuen Rechtsverordnung verbleibt es nach der Rspr. des BSG (Urteil vom 11.8.2015 - B 9 SB 2714 R - veröffentlicht in juris) insoweit bei der bisherigen Rechtslage (vgl. § 159 Abs. 7 SGB IX; hierzu BT-Drucks 18/2953 und 18/3190 S 5), wonach trotz der Bedenken an der Ermächtigung des Verordnungsgebers die Konkretisierungen der VG zu den medizinischen Voraussetzungen von Nachteilsausgleichen verbindlich sind, da die VG antizipierte Sachverständigengutachten darstellen, die wegen ihrer normähnlichen Wirkungen wie untergesetzliche Normen anzuwenden sind (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - veröffentlicht in juris) Im Übrigen übernehmen die VG in Teil D Nr. 3 Buchst b) vollständig die Vorgaben der VwV-StVO zum Nachteilsausgleich "aG" und verweisen in Nr. 3 Buchst a) insoweit ausdrücklich auf das StVG, welches als Ermächtigungsgrundlage für die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "aG" weiterhin bestehen bleibt.
Unter Berücksichtigung der hiernach anzulegenden Grundsätze ist der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger außergewöhnlich gehbehindert ist. Ausgangspunkt für die Gleichstellung nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO ist das den Betroffenen verbliebene Restgehvermögen. Dieses ist jedoch nicht anhand eines bestimmten Wegstreckenkriteriums zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R - veröffentlicht in juris). Weder stellen die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften auf die möglichen Wegstrecken ab, noch rechtfertigt der straßenverkehrsrechtliche Zweck des Nachteilsausgleichs "aG", die stark eingeschränkte Gehfähigkeit durch Verkürzung der Wege infolge der gewährten Parkerleichterungen auszugleichen (vgl. BSG, Urteil vom 6.11.1985 - 9a RVs 7/83 - veröffentlicht in juris), die Heranziehung einer noch möglichen Wegstrecke (vgl. BSG, Urteil vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 5/06 R - ; Urteil vom 29.3.2007 - B 9a SB 5/05 R - und - B 9a SB 1/06 R - jew. veröffentlicht in juris).
Ein Betroffener ist vielmehr dann gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 11.3.1998 - B 9 SB 1/97 R - veröffentlicht in juris). Auch soweit diese großen körperlichen Anstrengungen festzustellen sind, kann nicht allein auf eine Größe wie die schmerzfrei zurücklegbare Wegstrecke abgestellt werden. Unabhängig von der Schwierigkeit, eine solche Wegstrecke objektiv fehlerfrei und verwertbar festzustellen, ist die Tatsache, dass ein Betroffener nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" reichen überdies nicht irgendwelche Erschöpfungszustände aus. Sie müssen in ihrer Intensität vielmehr gleichwertig mit den Erschöpfungszuständen sein, die Schwerbehinderte der in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Gruppen erleiden. Gradmesser hierfür kann die Intensität der Schmerzen beziehungsweise der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich unter anderem aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Schwerbehinderte nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den durch die Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar. Ob die danach erforderlichen großen körperlichen Anstrengungen beim Gehen vorliegen, ist Gegenstand tatrichterlicher Würdigung, die sich auf alle verfügbaren Beweismittel, wie Befundberichte der behandelnden Ärzte, Sachverständigengutachten oder einen dem Gericht persönlich vermittelten Eindruck, stützen kann. Gerade bei multimorbiden Schwerbehinderten liegt auf der Hand, dass allein das Abstellen auf ein starres Kriterium keine sachgerechte Beurteilung ermöglicht, weil es eine Gesamtschau aller relevanten Umstände eher verhindert (BSG, Urteil vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 5/06 R -, vom 29.3.2007 - B 9a SB 5/05 R - und - B 9a SB 1/06 R - jew. veröffentlicht in juris).
In Anlegung dieser Kriterien ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Kläger außergewöhnlich gehbehindert ist. Zwar wird der diesbezügliche Vortrag des Klägers, er könne nur noch 50 Meter laufen, durch den erstinstanzlich gehörten behandelnden Arzt Dr. E. bestätigt, indes geht hieraus nicht hervor, dass dies nur mit ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannten Gruppen von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe erfolgen kann. Vielmehr wird im Gutachten zur Pflegebedürftigkeit des MdK Baden-Württemberg vom 20.11.2013 lediglich beschrieben, dass das linke Bein beim Gehen nachgezogen wird. Ein Hilfebedarf bei der Verrichtung des Gehens wird jedoch verneint. Auch begründet Dr. E. die Annahme einer Einschränkung der Gehfähigkeit zuvorderst mit einer angstbedingten erhöhten Sturzgefahr. Da jedoch aus den vorliegenden Unterlagen oder dem klägerischen Vortrag bereits nicht ersichtlich ist, dass sich diese Angst realisiert hat und überdies, worauf das SG bereits zutreffend hingewiesen hat, Gefährdungen dieser Art bei zahllosen Behinderten mit Gangunsicherheiten bestehen und daher eine Gleichstellung im oben beschrieben Sinne nicht rechtfertigen (BSG, Urteil vom 29.1.1992 - 9a RVs 4/90 - veröffentlicht in juris), ist der Kläger zur Überzeugung des Senats nicht außergewöhnlich gehbehindert.
Der Bescheid vom 4.2.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.6.2014 ist hiernach rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG vom 12.3.2015 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved