L 2 R 2367/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 651/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 2367/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1957 geborene Klägerin absolvierte nach ihrem Hauptschulabschluss eine Ausbildung als Verkäuferin und Einzelhandelskauffrau im Lebensmittelbereich (1972 bis 1975). Sie war danach 15 Jahre in diesem Beruf tätig. Zuletzt arbeitete sie als Bürokraft vom 1. November 2009 bis 31. Dezember 2010 bei der P. e.K ... Die Kündigung erfolgte aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers.

Am 25. Februar 2005 hatte die Klägerin erstmalig bei der Beklagten, der damaligen LVA Baden-Württemberg, jetzt Deutsche Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg, die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte die Beklagte den Antrag gestützt auf die damals eingeholten Verwaltungsgutachten ab. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2006 zurückgewiesen.

Am 17. August 2011 beantragte die Klägerin erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten.

Die Beklagte holte daraufhin bei dem Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. G. das Gutachten vom 16. September 2011 ein sowie ergänzend das weitere Gutachten bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. vom 19. September 2011. Beide Gutachter schätzten das Leistungsvermögen der Klägerin dahingehend ein, dass sie noch in der Lage sei, sowohl bezüglich ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Bürokraft als auch bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt eine leichte körperliche Tätigkeit unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen vollschichtig, also sechs Stunden und mehr arbeitstäglich bei fünf Tagen in der Woche auszuüben.

Mit Bescheid vom 30. September 2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Zur Begründung führte sie u.a. aus, bei der Klägerin bestünden noch folgende Krankheiten bzw. Behinderungen: Gebrauchsbeeinträchtigung des linken Armes und der linken Hand nach Handgelenksarthrose links am 4. März 2011 wegen Radiocarpalarthrose nach multiplen operativen Voreingriffen bei ursprünglicher Handgelenksdistorsion am 28. Januar 2002 und erneuter Handgelenksdistorsion am 11. November 2002, Anpassungsstörungen mit Zukunftsängsten, chronischem Schmerzsyndrom, degenerativen Kniebinnenschäden rechts, Zustand nach zweimaliger arthroskopischer Kniegelenkstoilette rechts 1/1990 und 1/1992. Die Klägerin sei jedoch trotz dieser Erkrankungen und Behinderungen noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. Sie sei auch nicht berufsunfähig, da sie in ihrem bisherigen Beruf als Bürokraft mindestens sechs Stunden täglich noch erwerbstätig sein könne.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass sie aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht mehr in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Sie befände sich außerdem auch in ambulanter Schmerztherapie. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 23. Februar 2012 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben. Zur Begründung hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihre gesundheitlichen Einschränkungen nicht hinreichend berücksichtigt worden seien.

Das SG hat zunächst die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Die Ärztin für Sportmedizin Dr. St. hat in ihrer Auskunft vom 25. April 2012 der Leistungseinschätzung der Verwaltungsgutachter Dr. G. und Dr. L. zum Leistungsvermögen zugestimmt. Der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Chirotherapie Dr. D. hat in seiner Auskunft vom 26. April 2012 ausgeführt, dass die für die Beurteilung maßgeblichen Leiden zwar auf dem chirurgischen Gebiet liegen würden, ungeachtet dessen sich auch eine erhebliche psychische Veränderung bei der Klägerin jedoch ergeben hätte. Angaben zum Leistungsvermögen hat er keine gemacht. Die Diplompsychologin K. hat in ihrer Auskunft vom 26. April 2012 mitgeteilt, dass die Klägerin in regelmäßiger Behandlung bei ihr stehe. Angaben zum Leistungsvermögen hat sie nicht gemacht. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. hat in seiner Auskunft vom 23. April 2012 die Auffassung vertreten, die Klägerin sei aufgrund der langjährigen psychischen Erkrankung mit deutlich reduzierter Belastbarkeit nicht mehr in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. hat schließlich in ihrer Auskunft vom 6. August 2012 das Leistungsvermögen der Klägerin mit noch höchstens vier Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingeschätzt.

Das SG hat ferner die Auskunft des Arbeitgebers, der Firma P. e.K. vom 2. Juli 2012 eingeholt, ausweislich dessen die Klägerin 2009/2010 dort beschäftigt gewesen sei und anfangs zunächst in der Telefonie und später als Bürohilfe im P.ausgang, hauptsächlich Kuvertieren von Briefen, beschäftigt gewesen sei. Körperliche und geistige Anforderungen seien im geringen Maße erforderlich gewesen, eine gesonderte Ausbildung sei nicht erforderlich gewesen. Das Einlernen habe nicht mehr als zwei Tage in Anspruch genommen. Es sei bekannt gewesen, dass die Klägerin orthopädische Beschwerden habe, dies habe das Arbeitstempo nur leicht beeinflusst und habe für den Betriebsablauf kein Problem dargestellt.

Das SG hat sodann im Weiteren bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Klinische Geriartrie, Physikalische Therapie, Rehabilitationswesen, Sozialmedizin, Spezielle Schmerztherapie und Sportmedizin Prof. Dr. R. das Gutachten vom 31. Januar 2013 (nach ambulanter Untersuchung am 12. November 2012) eingeholt. Prof. Dr. R. hat als Diagnosen eine leichtgradige, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymia sowie eine leichte Schädigung des Nervus radialis links gestellt. Im Übrigen hat er eine Versteifung des linken Handgelenks (Arthrodese) und einen degenerativen Knieinnenschaden beschrieben. Das Leistungsvermögen hat Prof. Dr. R. dahingehend eingeschätzt, dass seiner Auffassung nach die Klägerin noch in der Lage sei, ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Bürokraft mindestens sechs Stunden pro Tag auszuüben, wie auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch eine leichte körperliche Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu beachten seien entsprechende qualitative Einschränkungen, so seien keine Arbeiten mit Zwangshaltungen, keine Akkord- oder Fließbandarbeit zu verrichten und es sollten auch keine Lasten mehr mit einem Gewicht über 10 kg getragen werden. Die Tätigkeiten sollten vorzugsweise im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ausgeführt werden. Es seien auch ständige Zwangshaltungen wie z.B. häufiges Bücken oder kniende Tätigkeiten zu vermeiden. Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten seien angesichts der eingeschränkten Fähigkeit, sich mit der linken Hand festzuhalten, ebenfalls nicht mehr leidensgerecht. Es sollten auch Arbeiten unter der Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe vermieden werden, während Tätigkeiten im Freien unter günstigen Witterungsbedingungen bzw. bei Verwendung einer geeigneten Schutzkleidung nicht grundsätzlich auszuschließen seien. Arbeiten an Büromaschinen könnten aus neurologisch-psychiatrischer Sicht mit der linken Hand nur noch gelegentlich und nicht unter Zeitdruck verrichtet werden. Insofern kämen überwiegende oder ständige Arbeiten an Computern bzw. das längere Eingeben von Texten nicht mehr in Frage. Auch Publikumsverkehr sei noch zumutbar. Eine besondere geistige Beanspruchung mit höherer oder hoher Verantwortung könne der Klägerin angesichts des nur geringfügig gestörten psychischen Befundes ebenfalls noch auferlegt werden.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Klägerin unter Beachtung der maßgeblichen nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) zu beachtenden Voraussetzungen noch in der Lage sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Das SG hat sich hierbei insbesondere auf das Gutachten von Prof. Dr.R. gestützt, der lediglich eine leichtgradige, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymia sowie eine leichte Schädigung des Nervus radialis links beschrieben hat, die lediglich qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens zur Folge hatten. Der Klägerin sei es jedoch unter Beachtung der benannten qualitativen Einschränkungen noch möglich, leichte körperliche Arbeiten vollschichtig auszuüben. Vorzugsweise solle die Tätigkeit im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ausgeführt werden. Allerdings sei auch Tätigkeit im ständigen Sitzen durchaus möglich, sodass die Klägerin auch ihre zuletzt verrichtete Tätigkeit als Bürokraft, die zu über 90% im Sitzen erfolgt sei, nach wie vor ausüben könne. Unter Berücksichtigung auch der bei der Klägerin noch bestehenden vorhandenen sozialen Ressourcen, so gehe sie gerne der Gartenarbeit nach, im Sommer halte sie sich fast täglich dort auf, während ihrer letzten Urlaubsreise habe sie mit ihrem Ehemann Spaziergänge von einer bis anderthalb Stunden Dauer unternommen, auch versorge sie ihre auf der gleichen Etage wohnende Schwiegermutter. Die Klägerin leide zwar an einer Dysthymia, fühle sich müde und depressiv, grübele und beklage sich, sei jedoch noch fähig, mit den wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens zurechtzukommen. Sie sei daher noch in der Lage, ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Bürokraft mindestens sechs Stunden pro Tag auszuüben. Nicht gefolgt werden könne der Einschätzung von Dr. P., der davon ausgegangen sei, dass die Klägerin aufgrund der langjährigen psychischen Erkrankung zu berenten sei. Ebenso wenig könne der Einschätzung von Dr. E.s gefolgt werden. Das Gericht stimme vielmehr Dr. D. zu, der in seiner Auskunft die Befürchtung geäußert habe, dass die Klägerin die "Flucht in die Krankheit" ergriffen habe. Schließlich seien auch die Gesundheitsstörungen der Klägerin, die auf anderen als auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liegen würden, ohne ersichtliche Auswirkungen auf das rentenrechtlich relevante berufliche Leistungsvermögen. Das SG hat sich hier insbesondere auf das im Verwaltungsverfahren erstellte Gutachten von Dr. G. vom 16. September 2011 sowie die Einschätzung der behandelnden Ärzte Dr. St. und Dr. D. gestützt. Schließlich hat das SG auch einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verneint. Da die Klägerin noch in der Lage sei, ihren bisherigen Beruf als Bürokraft sechs Stunden am Tag zu verrichten, sei sie nicht berufsunfähig.

Die Klägerin hat gegen den ihrem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 28. Mai 2015 zugestellten Gerichtsbescheid am 3. Juni 2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Klägerbevollmächtigte u.a. geltend, der Gutachter Prof. Dr. R. habe u.a. zum Untersuchungszeitpunkt keine Anpassungsstörung mehr diagnostiziert, sondern eine Dysthymia sowie eine Versteifung des linken Handgelenkes und ein anhaltendes somatoformes Schmerzsyndrom. Insoweit sei von einer Verschlechterung des Krankheitsbildes auszugehen. Dies bestätigten im Übrigen auch die behandelnden Ärzte Dr. P. und Dr. E.s. Auch benötige die Klägerin bezüglich etwa ihrer häuslichen Arbeit wie auch der Gartenarbeit vermehrt die Hilfe ihres Partners und ihrer Mutter. Aufgrund der Schmerzen und ihrer Beschäftigung mit ihrem Unfall habe sie sich von ihren Freunden zurückgezogen, was zu Konflikten geführt habe, da sie früher häufig im Freundeskreis geholfen habe. Ein in einem Entlassbericht der Psychosomatischen Fachklinik beschriebenes selbstverletzendes Verhalten könnte im Zusammenhang mit einem P.traumatischen Ereignis im Jahre 1982 (die Klägerin sei von hinten im Bereich des Hauptbahnhofes Stuttgart angegriffen und am Hals gewürgt worden) stehen. Bei lange zurückliegenden Traumatisierungen werde eine P.traumatische Belastungsstörung, die häufig mit einer somatoformen Schmerzstörung in Verbindung stehe, übersehen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Mai 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1. August 2011 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG auf der Grundlage der vorliegenden ärztlichen Unterlagen für zutreffend.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. das Gutachten vom 20. November 2015 eingeholt. Dr. A. hat darin als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung, leichte chronifizierte Episode (ICD 10 F 33.0 G), somatoforme Schmerzstörung (F 45.41 G) und Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom (F 62.8 G) gestellt. In der jetzigen Untersuchungssituation zeige sich einerseits ein affektives Zustandsbild, was eher einer leichtgradigen depressiven Störung zuzuordnen sei. Dies äußere sich in einer traurig erlebten Stimmungslage, einem etwas eher gesteigerten Antrieb wie auch negativen Denkeinengungen. Ferner sei eine somatoforme Schmerzstörung im Sinne einer Verarbeitungsstörung zu dokumentieren und zu beschreiben. In dem Zusammenhang habe sich zwischenzeitlich eine Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom eingestellt, die Klägerin erlebe sich hierbei nervös, unruhig und leicht reizbar. Krankheitsbedingt habe sich diesbezüglich ein weitreichender sozialer Rückzug eingestellt, letztlich habe die Klägerin nur noch zu ihrem Ehemann regelmäßig Kontakt, der sich diesbezüglich überlastet erlebe. Unter Berücksichtigung des jetzigen Untersuchungsergebnisses dokumentierten sich qualitative Leistungseinschränkungen bezüglich Gemeinschaftsfähigkeit, Umstellungsfähigkeit, Konfliktbewältigungsfähigkeit, Belastbarkeit unter Zeitvorgaben und der Umstellungs- und der Anpassungsfähigkeit. Diese seien zwischenzeitlich so weitreichend, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Briefträgerin wie auch eine sonstige leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch drei bis vier Stunden täglich verrichtbar sei. Die affektive Störung werde adäquat psychiatrisch und psychotherapeutisch behandelt, hierunter sei eine Entlastung eingetreten, sodass ein leichtes depressives chronisches Zustandsbild zu dokumentieren sei. Insbesondere jedoch die Aspekte der Persönlichkeitsänderungen zeigten sich einer Progredienz unterworfen, sodass von einer Befundverschlechterung in den vergangenen beiden Jahren auszugehen sei.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten unter Berufung auf die sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. E. vom 11. Dezember 2015. Dr. E. verweist darauf, dass der von Dr. A. erhobene psychopathologische Befund der von ihm gestellten Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung leichter Ausprägung entspreche. Die von Dr. A. gestellten Diagnosen rechtfertigten jedoch allenfalls qualitative, jedoch keine quantitative Leistungseinschränkungen. Auch die behandelnde Ärztin der Klägerin Dr. E., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, stelle in ihrer gutachterlichen Zeugenaussage vom August 2012 lediglich die Diagnose einer Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik sowie Schmerzsyndrom. Auch der behandelnde Nervenarzt Dr. P. habe in seiner gutachterlichen Zeugenauskunft vom 23. April 2012 lediglich die Diagnose einer depressiv gefärbten Anpassungsstörung sowie einer somatisierten Depression gestellt. Von daher könne der von Dr. A. vertretenen Leistungseinschätzung nicht gefolgt werden und sei weiterhin von einem vollschichtigen Leistungsvermögen auszugehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung verneint.

1. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).

Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen der Beklagten bei der Klägerin vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit. Die Klägerin ist jedoch nicht im Sinne der obigen gesetzlichen Regelung erwerbsgemindert.

Zur Überzeugung des Senates ist die Klägerin auf der Grundlage der hier im Urkundenbeweis zu verwertenden Verwaltungsgutachten von Dr. G. und Dr. L., der im SG-Verfahren eingeholten Arztauskünfte der behandelnden Ärzte wie auch des dort eingeholten nervenärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. R. und des hier im Berufungsverfahren noch auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachtens von Dr. A. letztlich noch in der Lage, leichten körperlichen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen ebenso vollschichtig nachzugehen wie auch ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Bürokraft.

Die bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden Beeinträchtigungen, wie sie bereits von Dr. G. beschrieben worden sind, nämlich die Gebrauchsbeeinträchtigung des linken Armes und der linken Hand nach Handgelenksarthrose links im März 2011 wegen einer Radiocarpalarthrose nach multiplen operativen Voreingriffen bei ursprünglicher Handgelenksdistorsion im Januar 2002 und erneuter Handgelenksdistorsion im November 2002 sowie die daneben bestehenden degenerativen Kniebinnenschäden rechts mit Zustand nach zweimaliger arthroskopischer Kniegelenkstoilette rechts im Januar 1990 und Januar 1992 bedingen bei der Klägerin qualitative Leistungseinschränkungen der Gestalt, dass sie nur noch leichte Arbeit ausüben kann und hierbei langes Stehen und häufiges Bücken sowie Knien und Hocken vermeiden sollte, ebenso nur noch Lasten bis maximal fünf bis zehn kg Gewicht gehoben und getragen werden können. Auch sollten die Arbeiten nicht in Form von Nachtschicht bzw. unter erhöhtem Zeitdruck ausgeführt werden. Dieser Leistungseinschätzung hat sich auch die behandelnde Sportmedizinerin Dr. St. in ihrer Auskunft vom 25. April 2011 angeschlossen und ebenso der behandelnde Chirurg und Unfallchirurg Dr. D., der den Einschätzungen von Dr. G. und Dr. L. zum Leistungsvermögen ebenfalls im Ergebnis zugestimmt hat.

Auch die bei der Klägerin auf nervenärztlichem Gebiet bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen nicht zu einer Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens, sondern haben ebenfalls nur qualitative Einschränkungen zur Folge. Diese Feststellung stützt der Senat in erster Linie auf das Gutachten von Prof. Dr. R., aber auch, soweit es die Befunde und Bewertungen dieser Befunde betrifft, auf das Gutachten von Dr. A ... Prof. Dr. R. hat bei der Klägerin auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet noch eine leichtgradige, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymia sowie eine leichte Schädigung des Nervus radialis links als Diagnosen gestellt, die neben den schon oben benannten orthopädischen Einschränkungen auf orthopädischem Gebiet noch insoweit zu weiteren Einschränkungen führen, dass u.a. Arbeiten an Büromaschinen nur noch gelegentlich und nicht unter Zeitdruck verrichtet werden können und insofern überwiegendes oder ständiges Arbeiten am Computer bzw. das längere Eingeben von Texten nicht mehr in Frage kommen. Wohingegen Tätigkeiten in Früh- und Spätschicht noch möglich sind, Nachtschichten hingegen zu vermeiden sind. Auch ist nach Einschätzung von Prof. Dr. R. der Klägerin Publikumsverkehr weiterhin zumutbar, weshalb sie u.a. auch als Telefonistin eingesetzt werden kann. Die von Prof. Dr. R. festgestellten psychischen Beschwerden sind nur geringfügiger Natur, weshalb die Klägerin auch noch Aufgaben mit höherer oder hoher Verantwortung seiner Auffassung nach ebenso wie das Überwachen komplexer und laufender Maschinen übernehmen kann. Während Prof. Dr. R. noch den Tagesablauf und den Bereich der Hobbys dahingehend beschrieben hat, dass die Klägerin gerne einer Gartenarbeit nachgehe, im Sommer sich fast täglich dort aufhalte und auch ihre letzte Urlaubsreise mit ihrem Ehemann Spaziergänge von einer bis anderthalb Stunden Dauer unternommen habe, stellt sich zwar der bei Dr. A. erhobene Tagesablauf eingeschränkter dar. Dr. A. hat auch im Unterschied zu Prof. Dr. R., der bei der Klägerin lediglich eine Dysthymia (also eine depressive Verstimmung) beschrieben hat, bei der die Klägerin noch fähig sei, mit den wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens zurechtzukommen, stattdessen eine leichtgradige depressive Störung als Diagnose gestellt. Aber auch diese führt genauso wenig wie die von Prof. Dr. R. noch diagnostizierte Dysthymia zu einer Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens. So hat Dr. A. die Klägerin als im Kontakt zugewandt beschrieben, sie habe offen über ihre Lebensumstände und Beschwerdeerlebnisweisen berichtet. Ihre körperliche Beschwerdeerlebnisweisen seien fokussiert, die Reflektion psychischer Beschwerden erscheine hingegen erschwert. Psychopathologisch war die Klägerin nach den Feststellungen von Dr. A. ebenfalls bewusstseinsklar, wach und voll orientiert. Ihre Stimmungslage wirkte vordergründig ausgeglichen, themenbezogen herabgedrückt, der Antrieb eher etwas gesteigert. Auch Konzentration und Aufmerksamkeit zeigten im Rahmen der Denkstörungen bezüglich Fokussierbarkeit und Durchhaltefähigkeit eine geringfügige Beeinträchtigung. Hinweise auf akute Suizidgefährdung ließen sich nicht eruieren. In ähnlicher Weise hat bereits Prof. Dr. R. die Klägerin beschrieben, wonach sie pünktlich erschienen sei, korrekt gekleidet. Das Aus- und Ankleiden sei langsam erfolgt, aber nicht von Schmerzäußerungen begleitet. Während der Exploration wirkte die Klägerin bei Prof. Dr. R. ruhig und konzentriert, auf an sie gerichtete Fragen hat sie rasch und bereitwillig Auskunft gegeben. Die Klägerin war bewusstseinsklar, zu allen Qualitäten, also zum Ort, zur Person, zur Zeit und situativ voll orientiert. Die Antriebslage wirkte bei Prof. Dr. R. geringgradig vermindert, äußerlich erkennbare Zeichen für eine innere Unruhe fanden sich nicht. Bei der Stimmungslage wirkte die Klägerin überwiegend subdepressiv, beim Besprechen angenehmer Themen kam es jedoch zu einer Stimmungsaufhellung, die affektive Modulationsfähigkeit war geringfügig eingeschränkt. Die Auffassungsgabe, Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeitsdauer waren nicht beeinträchtigt. Die mnestischen Funktionen sind in Bezug auf das Kurz- und das Langzeitgedächtnis uneingeschränkt. Der formale Gedankengang war geringgradig verlangsamt, Gedankeninhaltlich kreiste die Klägerin um ihre Schmerzen.

Insgesamt ist damit festzuhalten, dass ausgehend von den von Prof. Dr. R. erhobenen Befunden sich auch im Hinblick auf die von Dr. A. beschriebenen Befunde für den Senat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei der Klägerin mittlerweile eine so schwerwiegende psychische Erkrankung besteht, aufgrund derer sie auch quantitativ in ihrem Leistungsvermögen eingeschränkt ist. Insoweit kann der Senat deshalb der von Dr. A. abgegebenen Leistungseinschätzung, wobei er von einem Leistungsvermögen von nur noch drei bis vier Stunden täglich ausgegangen ist, nicht folgen, sondern besteht zur Überzeugung des Senates bei der Klägerin unter Beachtung der bereits oben beschriebenen qualitativen Einschränkungen auf orthopädischem wie auch nervenärztlichem Gebiet noch im Übrigen ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Darüber hinaus kann die Klägerin aber unter Berücksichtigung dessen auch die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bürokraft zur Überzeugung des Senates nach wie vor unter Berücksichtigung auch dieser qualitativen Einschränkungen und im Hinblick auf die Art der Tätigkeit, wie sie sich aus der Arbeitgeberauskunft ergeben hatte, ausüben.

Damit liegen die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller oder auch teilweiser Erwerbsminderung nicht vor.

2. Bei der Klägerin besteht auch kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Gem. § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und 2. berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind gem. § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (Satz 3). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Da die Klägerin, wie bereits oben ausgeführt, im Hinblick auf das bei ihr noch bestehende Leistungsvermögen auch die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bürokraft ausüben kann, fehlt es schon aus diesem Grund an den Voraussetzungen für die Annahme einer Berufsunfähigkeit.

Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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