Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 1530/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3849/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) und der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs (Merkzeichens) "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Der 1957 geborene Kläger unterhält seinen ständigen Aufenthalt im Inland. Zuletzt hat er vor acht Jahren im Werkschutz gearbeitet, bezieht eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung und wohnt seit der Trennung von seiner Ehefrau vor vier Jahren bei seiner Lebensgefährtin in Nidda (Hessen), wo er ein Haus besitzt. Er hat guten Kontakt zu seinen Töchtern, zu Nachbarn und alten Kumpels wie Arbeitskollegen. Zuhause repariert er noch Sachen und versorgt vier Hasen (Anamnese Dr. Sch.).
In einem vorherigen Streitverfahren (S 3 SB 3384/08) beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) verglichen sich die Beteiligten am 17. Juni 2011 zu Protokoll des Gerichts auf einen GdB von 40 ab dem 15. Februar 2008. Dem lagen die Gerichtsgutachten von Dr. C. vom 20. April 2010, von Dr. Sch. vom 17. Januar 2010 und der Chirurgin Z. vom 2. Februar 2011 zu Grunde. In Auswertung dieser Gutachten hatte der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten unter dem 20. Juli 2011 Einzel-GdB-Werte von 40 für "Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten und Nervenwurzelreizerscheinungen" sowie von je 10 für einen Diabetes mellitus, eine Nephropathie und einen Bluthochdruck vorgeschlagen. Der Beklagte führte den Vergleich mit Bescheid vom 20. Juli 2011 aus.
Aufgrund des mit dem Vergleich gestellten Verschlimmerungsantrages (vgl. den schriftlichen Neufeststellungsantrag vom 1. Juli 2011) befragte der Beklagte den klägerischen Hausarzt und Internisten Dr. S ... Dieser teilte am 5. August 2011 unter Vorlage zahlreicher ärztlicher Unterlagen mit, dass der Kläger an einem sogenannten Failed-back-Syndrom (Postdisektomie-Syndrom, Beschwerden, die sich nach einer Bandscheiben- oder Wirbeloperation nicht bessern), verbunden mit einer zunehmenden Gangstörung und chronischen Schmerzen, leide, wobei die chronifizierte somatisierte Schmerzstörung ganz im Vordergrund stehe. Versorgungsärztlich wurde hierauf am 22. August 2011 vorgeschlagen, neben dem fortbestehenden Einzel-GdB von 40 für das Wirbelsäulenleiden einen Einzel-GdB von 20 für ein chronisches Schmerzsyndrom und eine depressive Verstimmung anzunehmen und einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen. Gestützt hierauf stelle der Beklagte mit Bescheid vom 13. September 2011 einen GdB von 50 seit dem 1. Juli 2011 fest.
Am 11. Oktober 2011 beantragte der Kläger die Neufestsetzung des GdB sowie - erstmals - die Feststellung des Merkzeichens "G". Dr. S. bestätigte in seinem Befundbericht vom 31. Oktober 2011 die bisherige Diagnose und eine zunehmende Gangstörung. Der Kläger sei mit Oberarm-Gehstützen kurzstreckig gehfähig, eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege aber derzeit noch nicht vor. Gestützt hierauf und auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Sch. lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 1. Dezember 2011 ab.
Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger Atteste der Dipl.-Psychologin H. vom 11. Januar 2012 sowie des Orthopäden Dr. A. vom 15. Dezember 2011 vor. Die beiden Behandler unterstützten das Begehren auf Erteilung des Merkzeichens "G" in Anbetracht stärkster Schmerzen. Der Beklagte wies jedoch den Widerspruch nach Einholung und gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2012 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 23. April 2012 erneut Klage beim SG erhoben. Er hat vorgetragen, er sei aufgrund orthopädischer und neurologischer Beschwerden sowie eines chronischen Schmerz¬¬syndroms kaum in der Lage, sich selbstständig fortzubewegen. Ein Gehen sei ihm nur mit Hilfe zweier Unterarmgehstützen, einer Peronäus-Schiene links und einer Rückenstützbandage möglich. Der gesamte untere Körperbereich weise ein Taubheitsgefühl auf. Die Extremitäten zeigten bei Belastung ein nicht unerhebliches Zittern.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG bei Dr. S. die dort vorliegenden Befundunterlagen beigezogen und durch den Orthopäden Dr. B. am 2. Mai 2013 von Amts wegen ein Gutachten erstellen lassen. Der Sachverständige hat bekundet, er könne - wie schon Dr. S. nicht - bei dem Kläger keine eindeutige klinische Progredienz in den letzten Monaten objektivieren. Dies gelte auch insgesamt für die vom Kläger dargebrachten Beschwerden. Bedenken an der Objektivität der klägerischen Klagen hätten schon die Gutachter Dr. C., Dr. Sch. und Z. aus dem vorherigen Gerichtsverfahren geäußert. So sei bei dem Kläger sowohl eine gut ausgeprägte seitengleiche Muskulatur der Beine als auch der Fußsohlenbeschwielung dokumentiert. Des Weiteren habe bereits Frau Z. erhebliche Inkonsistenzen zwischen dem bei der Untersuchung vom Kläger gezeigten Gangbild und dem von ihr nach Abschluss der Untersuchung beobachteten beschrieben. Auch jetzt habe sich die Untersuchung des Klägers als "sehr schwierig" gestaltet, z. B. bei der Prüfung der Knieprüfung, da der Kläger "massiv muskulär stark gegen gespannt" habe. Dr. Sch. habe das Gangbild des Klägers als "bizarr" bezeichnet. Bei der Prüfung der Einzelkraftgrade am linken Fuß sei die entsprechende Muskulatur "gar nicht innerviert" gewesen. Insgesamt ergebe sich kein Anhalt für eine manifeste Peronäus-Parese links. Auch die Röntgenaufnahmen des Klägers zeigten geringe Schäden, nämlich einen reizlos inliegenden Fixateur ohne jegliche Saumbildung oder Lockerungszeichen, bei ansonsten für die Altersgruppe äußerst geringen degenerativen Fehlbildungen. Die nunmehr demonstrierte Bewegungsunfähigkeit in beiden Hüftgelenken - bei praktisch freier Beweglichkeit vor drei Monaten - sei ebenfalls nicht erklärbar.
Das SG hat die Klage nach vorangegangener Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 29. Juli 2013 abgewiesen. Zur Höhe des GdB hat es ausgeführt, Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule, die nach der Nr. 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) einen GdB von 50 rechtfertigten, womit der Gesamt-GdB zu erhöhen wäre, seien nicht nachweisbar. Diese Annahme setze Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen voraus (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwere Skoliose ab ca. 70° nach Cobb). Ein diesem Schweregrad entsprechender Wirbelsäulenbefund liege jedoch nicht vor. Dies ergebe sich unter anderem aus den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. B ... Auch die Klage auf Feststellung des Merkzeichens G sei abzuweisen. Es stehe fest, dass sich die Voraussetzung dieses Merkzeichens nicht nachweisen ließen. Dr. B. habe auch insoweit auf die erheblichen Inkonsistenzen und die teilweise fehlende Objektivierbarkeit der vom Kläger vorgetragenen und dargestellten Beeinträchtigungen hingewiesen. Auch Dr. C. habe in Kenntnis dessen, dass der Kläger über längere Wegstrecken einen Rollstuhl benutze, dennoch ausgeführt, dass eine schwere funktionelle Einschränkung in einem Wirbelsäulenabschnitt funktionell nicht objektiviert werden könne und sich aus der operativen Versteifung des präsakralen Segments allein nicht ableiten lasse. Der Sachverständige Dr. B. habe nunmehr ergänzend dargelegt, dass die angefertigten Röntgenbilder keinerlei Hinweise für einen organischen Schaden, der die jetzigen Befunde, insbesondere die Schmerzsituation erklären könne, ergäben.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, den das SG in vollständiger Form am 30. Juli 2013 zur Post gegeben hat, hat der Kläger am 2. September 2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Er trägt vor, ihm sei der Gerichtsbescheid des SG am 5. August 2013 zugegangen. Hierzu hat er eine Kopie des Empfangsbekenntnisses und den Sendebericht des Telefaxgeräts seines Prozessbevollmächtigten vom 19. August 2013 vorgelegt. Er meint, die Feststellungen und Schlussfolgerungen der Gutachten träfen nicht zu. Er habe sehr wohl an den Begutachtungen mitgewirkt, soweit ihm dies möglich gewesen sei. Er sei trotz regelmäßiger Therapien nicht gehfähig. Er benötige zum Gehen zwei Unterarmgehstützen. Es sei nicht damit zu rechnen, dass er jemals wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne.
Der Kläger beantragt, zum Teil sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juli 2013 und den Bescheid vom 1. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 13. September 2011 abzuändern, einen Grad der Behinderung von mehr als 50 sowie die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtsfehlerfrei.
Der frühere Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich zu seinem Gehvermögen und seinen therapeutischen Bemühungen angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 8. Mai 2014 verwiesen.
Nach Bekanntwerden des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. August 2015 (B 9 SB 1/14 R), wonach auch psychische Störungen unter Umständen die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" begründen könnten, hat der Senat von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 16. Dezember 2015 bei Dr. Sch. eingeholt. Der Sachverständige hat bekundet, bei der körperlichen Untersuchung, bei der die bislang geklagten Einschränkungen weiterhin demonstriert worden seien, hätten sich - wie schon in dem Gutachten in dem vorherigen Streitverfahren - Hinweise auf ein Aggravationsverhalten ergeben (S. 20 Gutachten). Nach wie vor ließen sich somatische Ursachen für diese Beschwerden nicht feststellen. So könne eine Lähmung des linken Fußes nicht mit der notwendigen Objektivität bestätigt werden. Sein Gangbild sei mit einer neurogen bedingten Gangstörung nicht vereinbar. Im psychopathologischen Befund habe sich keine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung gezeigt, eine tiefgehende oder vitale depressive Stimmungslage liege nicht vor. Neurophysiologisch bilde sich die geklagte Fußheber- bzw. Fußsenkerlähmung nicht ab, eigentlich müsse eine vollkommende Lähmung vorliegen, es habe sich aber kein relevanter bzw. manifester krankhafter Befund gezeigt. Insgesamtbeständen keine sicheren Hinweisen für eine Erkrankung auf neurologischem Fachgebiet. Ansonsten hat der Sachverständige eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren diagnostiziert, die Voraussetzungen einer somatoformen Schmerzstörung jedoch nicht gesehen. Der Kläger werde unter anderem mit dem Opioid-Analgetikum Targin behandelt. Der GdB für das seelische Leiden sei zutreffend mit 20 bewertet, der Gesamt-GdB betrage weiterhin 50. Aus rein neurologischer, psychiatrischer und internistischer Sicht sei der Kläger in der Lage, die üblichen Wegstrecken des Ortsverkehrs zu Fuß zurückzulegen. Dies umfasse Strecken von bis zu 2 km in etwa 30 min. Insbesondere gebe es aus psychiatrischer und psychotherapeutischer Sicht keinen Anhalt für eine psychische Störung, die sich spezifisch auf das Gehvermögen auswirke. Im Übrigen sei die Wegefähigkeit aus rein orthopädischer Sicht zu beurteilen. Insoweit werde auf die bisherigen Gutachten verwiesen. Dr. Sch. hat seinem Gutachten noch den Entlassungsbericht des Klinikums Mittelbaden vom 20. August 2015 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 13. bis 20. August 2015 beigefügt. Hiernach war am 14. August 2015 eine dynamische Hüftschraube links entfernt und der Bohrkanal aufgefüllt worden. Der Kläger sei postoperativ an Unterarmgehstützen unter Vollbelastung auch des linken Beins mobilisiert worden. Er habe sodann entgegen ärztlichem Rat am 20. August 2015 die Klinik verlassen. Nach dem ebenfalls vorgelegten Bericht der Park-Klinik über den stationären Aufenthalt vom 28. August bis 2. Oktober 2015 hat sich ein guter Verlauf gezeigt. Nach vollständiger Metallentfernung hätte der starke Schmerz deutlich gebessert werden können und sei bei der Entlassung nicht mehr vorhanden gewesen.
Der Kläger hat sich zuletzt mit Schriftsatz vom 6. Januar 2016 und der Beklagte unter dem 11. Januar 2016 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Dem Senat haben die Unterlagen des Beklagten vorgelegen. Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf deren Inhalt sowie auf die Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers im Einvernehmen mit beiden Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger keine Geld-, Dienst- oder Sachleistungen, sondern behördliche Feststellungen begehrt.
Sie ist auch im Übrigen zulässig. Der Kläger hat die einmonatige Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG gewahrt. Nach der Kopie des Empfangsbekenntnisses, die der Kläger im Berufungsverfahren vorgelegt hat, ist der angegriffene Gerichtsbescheid seinem Prozessbevollmächtigten am 5. August 2013 zugestellt worden. Als Nachweis der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis an einen Rechtsanwalt, gleich ob die Zustellung im Original oder bereits selbst in Telekopie erfolgt ist (vgl. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 174 Abs. 1 oder Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]), genügt nach § 174 Abs. 4 Satz 2 SGG die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses durch Telekopie. Diese Rücksendung ist ausweislich des Sendeberichts, den der Kläger ebenfalls vorgelegt hat, am 19. August 2013 erfolgt. Danach lief die Berufungsfrist nicht vor dem 5. September 2013 ab. Die Berufung ist schon am 2. September 2013 erhoben worden.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen des Klägers (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG), gerichtet auf Verurteilung zu behördlichen Feststellungen (§ 131 Abs. 2 Satz 1 SGG), als unbegründet abgewiesen.
Der Kläger kann nicht die Feststellung eines höheren GdB als des zuerkannten von 50 verlangen.
Grundlage für den Klageanspruch ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand eines behinderten Menschen auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des - teilweise - aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4), hier des Bescheides vom 13. September 2011.
In materieller Hinsicht richtet sich der Anspruch des Klägers nach § 69 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10-er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e).
Liegen - wie im Falle des Klägers - mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei dem Kläger seit Erlass des insoweit maßgeblichen Bescheides vom 13. September 2011, mit dem zuletzt ein GdB von 50 festgestellt worden ist, bis jetzt keine gesundheitlichen Verschlechterungen eingetreten sind, die eine Erhöhung bedingen könnten.
Das Wirbelsäulenleiden des Klägers (Funktionssystem "Rumpf") mit Auswirkungen in die Beine (Fußheberschwäche links) bedingt weiterhin keinen höheren GdB als den bislang zuerkannten Wert von 40. Wie das SG zutreffend herausgearbeitet hat, ist dies bereits der höchste Wert für mittelgradige bis schwere Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (VG, Teil B Nr. 18.9). Ein GdB von 50 oder mehr kommt nur bei besonders schweren Auswirkungen in Betracht, z. B. bei einer Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, einer anhaltenden Ruhigstellung durch eine Rumpforthese, die drei Wirbelsäulen-Abschnitte umfasst, oder bei einer schweren Skoliose mit einem Krümmungswinkel ab ca. 70° nach Cobb. Eine solche Einbuße besteht bei dem Kläger nicht. Bei dieser Beurteilung stützt sich der Senat ebenso wie das SG auf die überzeugenden und nachvollziehbaren Messergebnisse und sonstigen Feststellungen des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. B. vom 2. Mai 2013, die Dr. Sch. in dem aktuelleren Sachverständigengutachten vom 16. Dezember 2015, soweit dies von neurologischer Seite aus möglich war, bestätigt hat. Danach demonstriert der Kläger zwar erhebliche Bewegungseinschränkungen an der Halswirbelsäule und lässt Bewegungen der Lendenwirbelsäule überhaupt nicht zu, weil er dort behauptet, bereits bei leichten Bewegungen ebenso wie bei Berührungen unmittelbar starke Schmerzen zu verspüren. Diese Bewegungseinschränkungen sind jedoch nicht in dem Maße objektivierbar, wie es für eine vollständige richterliche Überzeugungsbildung (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) notwendig wäre. Dr. B. hat nach Auswertung der medizinischen Unterlagen dargelegt, dass organische Ursachen für die Bewegungseinschränkungen nicht vorliegen. So haben die Röntgenaufnahmen aus dem Frühjahr 2013, die Dr. B. angefertigt hat, eine reizlos einliegende Fixatur ohne Saumbildung, ohne Lockerungszeichen und mit einer für die Altersgruppe des Klägers äußerst geringen degenerativen Veränderung der Wirbelsäule gezeigt. Die anerkannte Fußheberschwäche ließ sich zuletzt bei Dr. Sch. neurophysiologisch nicht abbilden, demzufolge zeigte sich kein relevanter bzw. manifester Befund. Auch an den Hüftgelenken, an denen der Kläger ebenfalls eine fast vollständige Aufhebung der Beweglichkeit demonstriert hatte, bestand röntgenologisch ein altersentsprechender Normalbefund. Dr. B. hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Entlassungsbericht der Park-Klinik über den wenige Wochen zuvor stattgefundenen Aufenthalt des Klägers deutlich geringere Bewegungseinschränkungen und z. B. an den Hüftgelenken eine nahezu freie Beweglichkeit beschrieben hatte. Dass für die geklagten Bewegungseinschränkungen des Klägers keine organischen Ursachen, insbesondere keine Schäden an der Wirbelsäule verantwortlich sein können, hatten auch die Gutachter in dem vorherigen Verfahren bereits bemerkt. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen kann der zurzeit zuerkannte GdB von 40 allenfalls unter Einbeziehung des angenommenen chronischen Schmerzsyndroms gerechtfertigt werden, das der Kläger vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule (und an den Hüften und im rechten Kniegelenk) verspürt und das z. B. mit Targin behandelt werden. Die berichtete Teilnahme des Klägers am sozialen Leben (dazu siehe unten) unterstreicht eindrucksvoll, dass der Kläger durch seine berichteten Schmerzen nicht nennenswert beeinträchtigt ist, insbesondere der mit einer solchen Erkrankung verbundene Rückzug nicht zu verzeichnen ist.
Da die Fußheberschwäche des Klägers, soweit sie vorliegt, durch die Bewertung der Beeinträchtigungen an der Wirbelsäule erfasst ist, kommt ein eigenständiger, weiterer Teil-GdB für das Funktionssystem "Beine" nicht in Betracht.
Auch der GdB von 20 für die psychische Erkrankung des Klägers (vgl. VG, Teil B Nr. 3.7) ist nach wie vor angemessen. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die zu einem höheren GdB führen könnte, liegt auch zur Überzeugung des Senats nicht vor. Diese Einschätzung entspricht den von Dr. Sch. erhobenen Befunden. Dieser Sachverständige hat überzeugend herausgearbeitet, dass die bei dem Kläger bestehende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10: F45.41) die psychische und soziale Ebene im Leben des Klägers wenig tangiert. Die affektive Resonanzfähigkeit war zwar eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. Im Übrigen hat sich bei der Untersuchung des Klägers nur eine niedergeschlagene Stimmung gezeigt. Einbußen kognitiver Art lagen nicht vor. Der Kläger hat nach seinen Angaben bei Dr. Sch. eine neue Beziehung aufbauen können, einen strukturierten Tagesablauf, er fährt morgens zur Therapie und macht nachmittags mit seiner Lebensgefährtin Ausflüge. Er hat viele Kontakte im Familien- und Freundeskreis, auch mit Nachbarn, beschäftigt sich mit seinen Haustieren (Hasen), liest und schaute wissenschaftliche Sendungen. Zu diesem Befund passt, dass sich der Kläger selbst nicht als psychisch eingeschränkt empfindet. Nennenswerte Beeinträchtigungen bestehen daher lediglich auf der physischen Leidensebene, also in den Schmerzempfindungen. Insoweit findet auch eine adäquate Behandlung mit Targin und in der Park-Klinik (Fango, Massage, Elektrotherapie und Wassergymnastik) statt.
Selbst wenn das Schmerzempfinden des Klägers inzwischen ein Ausmaß erreicht hätte, das einen GdB höher als 20 bedingen könnte, so würde dies an dem Gesamt-GdB von 50 nichts ändern. Wie ausgeführt, ist auch die Bewertung des Wirbelsäulenleidens mit einem GdB von 40 nur unter vollständiger Berücksichtigung der Schmerzen gerechtfertigt, soweit man diese als somatisch verursacht einstuft. Wenn dagegen die Schmerzen des Klägers psychogen bedingt sind, wäre der GdB für den Bewegungsapparat, insbesondere die Wirbelsäule, entsprechend geringer anzusetzen. In jedem Falle überlappen sich die Auswirkungen der beiden Krankheitsbereiche erheblich.
Auch die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" liegen nicht vor.
Auch die Feststellung von Merkzeichen richtet sich nach den Vorschriften des SGB IX, zuletzt geändert durch Art. 1a des am 15. Januar 2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7. Januar 2015 (BGBl. II S. 15).
Auf Antrag des behinderten Menschen treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX) und stellen auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Zu diesen Merkmalen gehört die erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr. Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 145 Abs. 1 SGB IX). In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Der seit 1. Januar 2009 an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10. Dezember 2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleichs entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für den nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleich G unwirksam, da es insoweit zum Erlasszeitpunkt an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung gefehlt hat. Eine solche Ermächtigung hat sich weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30. Juni 2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 1. Juli 2011, noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX gefunden (Urteil des Senats vom 9. Juni 2011 - L 6 SB 6. - juris; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4).
Diesem Mangel hat der Gesetzgeber mit o.g. Gesetz vom 7. Januar 2015 abgeholfen und mit § 70 Abs. 2 SGB IX eine neue Verordnungsermächtigung unmittelbar im SGB IX eingefügt. Danach wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend und nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Da die VersMedV vom 10. Dezember 2008 einschließlich ihrer Anlage zu § 2 VersMedV nicht auf der Grundlage dieser erst seit 15. Januar 2015 gültigen Verordnungsermächtigung erlassen worden ist, ist nach wie vor deren Anwendung hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Merkzeichens G nicht möglich. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber durch den ebenfalls mit Gesetz vom 07.01.2015 neu eingefügten § 159 Abs. 7 SGB IX Rechnung getragen. Danach gelten, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Hierdurch konnte zwar nicht die bezüglich der in den VG enthaltenen Regelungen zu den Merkzeichen G, B, aG und Gl teilunwirksame VersMedV neu erlassen bzw. als Verordnung für anwendbar erklärt werden, da es insoweit schon an der Zuständigkeit des Gesetzgebers hinsichtlich einer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu erlassenden Verordnung fehlt. Mit noch hinreichend bestimmten Gesetzeswortlaut (vgl. zum rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 3. September 2014 - 1 BvR 3. - zit. n. juris) hat der Gesetzgeber jedoch mit der in § 159 Abs. 7 SGB IX getroffenen Regelung zum Ausdruck gebracht, dass er sich den insoweit maßgeblichen Verordnungstext in der Anlage zu § 2 VersMedV, mithin die unter VG, Teil D Nr. 1 bis 4 getroffenen Bestimmungen, zu eigen macht und bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX insoweit die VG Gesetzescharakter haben (vgl. BT-Drucks. 1. S. 5; vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 1/14 R - Juris, Rz. 16).
Danach gilt, dass es bei der Prüfung der Frage, ob die in § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Voraussetzungen vorliegen, nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles ankommt, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d. h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (VG, Teil D Nr. 1b). Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Die übrigen Fallgruppen der VG zum Merkzeichen "G" (innere Leiden, Seh- und andere Sinnesbeeinträchtigungen, geistige Behinderungen) kommen für den Kläger ersichtlich nicht in Betracht. Dagegen können nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11. August 2015, a.a.O., Juris Rn. 21) auch solche schwerbehinderten Menschen Anspruch auf den Nachteilsausgleich "G" haben, die nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen als den in den VG, Teil D Nr. 1 Buchst d bis f genannten Regelfällen dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion gleichzustellen ist; dies gilt auch für psychosomatische oder psychische Behinderungen und Krankheitsbilder, wie umfassende Schmerzsyndrome oder Fibromyalgie-Syndrome und die damit einhergehende Schmerzproblematik.
Dass die körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers Einschränkungen des Gehvermögens, wie es das Merkzeichen "G" verlangt, nicht begründen, ergibt sich aus den bereits dargestellten Befunden des Sachverständigen Dr. B. und der Gutachter aus dem vorherigen Streitverfahren. Gründe für die erheblichen Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Hüftgelenke liegen danach nicht vor. Diese Einschätzung hat Dr. Sch. in seinem jüngsten Gutachten zunächst auf neurologischem Gebiet bestätigt. Insoweit, so dieser Sachverständige, ist überhaupt keine Erkrankung zu verifizieren. Insbesondere kann eine Lähmung des rechten Fußes nicht bestätigt werden, ebenso hat der Sachverständige die vorbekannte Fußheber- bzw. Fußsenkerschwäche nicht (vollständig) objektivieren können. Diese Einschätzung hat Dr. Sch. überzeugend auf die Messung der motorischen Leitgeschwindigkeit des Nervus peroneus rechts gestützt, die zwar grenzwertig niedrig, aber noch messbar war. Die Leitgeschwindigkeiten der übrigen motorischen Nerven in die Beine waren unauffällig.
Auch auf psychiatrischem Gebiet konnte Dr. Sch. keine Gründe für eine relevante Einschränkung des Gehvermögens erkennen. Die Schmerzerkrankung hat er nicht für so gravierend gehalten, dass Wegstrecken im Ortsverkehr nicht mehr zu Fuß zurückgelegt werden könnten. Diese Einschätzung war für den Senat angesichts der nicht nennenswerten Beeinträchtigung durch die Schmerzerkrankung gut nachvollziehbar, zumal die zahlreichen Aktivitäten des Klägers mit ein- bzw. zweimal monatlichen Besuch bei der Therapeutin in Baden-Baden sowie wochentäglich in Bad Nauheim in der Park-Klinik allein mit Auto und dann zu Fuß von ihm bewältigt werden können. Das wäre, wenn das bei der Begutachtung gezeigte Bewegungsmuster tatsächlich vorliegen würde, nicht vorstellbar. Vielmehr ist die Wegefähigkeit im Falle des Klägers, so auch Dr. Sch., allein auf orthopädischer Ebene zu beurteilen. Ferner hat der Sachverständige darauf verwiesen, dass der Kläger bei der Entlassung aus dem Klinikum Mittelbaden im August 2015 - wiederum - beide Beine voll belasten konnte und an Unterarmgehstützen mobilisiert worden war. Das gleiche Phänomen - wenig Einschränkungen wenige Monate vor der gutachterlichen Untersuchung - hatte schon Dr. B. in Bezug auf den Entlassungsbericht der Park-Klinik festgestellt.
Vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass objektiv Umstände vorliegen, die das Gehvermögen des Klägers nennenswert einschränken. Ob Aggravation oder gar Simulation vorliegt, kann dabei offen bleiben. Da die materielle Beweislast für die geklagten Funktionseinbußen bei dem Kläger liegt, muss die wirkliche Ursache der geklagten Bewegungseinschränkung nicht festgestellt werden, es reicht aus, dass eine körperliche oder psychische Ursache dafür nicht bestätigt werden kann.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) und der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs (Merkzeichens) "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Der 1957 geborene Kläger unterhält seinen ständigen Aufenthalt im Inland. Zuletzt hat er vor acht Jahren im Werkschutz gearbeitet, bezieht eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung und wohnt seit der Trennung von seiner Ehefrau vor vier Jahren bei seiner Lebensgefährtin in Nidda (Hessen), wo er ein Haus besitzt. Er hat guten Kontakt zu seinen Töchtern, zu Nachbarn und alten Kumpels wie Arbeitskollegen. Zuhause repariert er noch Sachen und versorgt vier Hasen (Anamnese Dr. Sch.).
In einem vorherigen Streitverfahren (S 3 SB 3384/08) beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) verglichen sich die Beteiligten am 17. Juni 2011 zu Protokoll des Gerichts auf einen GdB von 40 ab dem 15. Februar 2008. Dem lagen die Gerichtsgutachten von Dr. C. vom 20. April 2010, von Dr. Sch. vom 17. Januar 2010 und der Chirurgin Z. vom 2. Februar 2011 zu Grunde. In Auswertung dieser Gutachten hatte der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten unter dem 20. Juli 2011 Einzel-GdB-Werte von 40 für "Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten und Nervenwurzelreizerscheinungen" sowie von je 10 für einen Diabetes mellitus, eine Nephropathie und einen Bluthochdruck vorgeschlagen. Der Beklagte führte den Vergleich mit Bescheid vom 20. Juli 2011 aus.
Aufgrund des mit dem Vergleich gestellten Verschlimmerungsantrages (vgl. den schriftlichen Neufeststellungsantrag vom 1. Juli 2011) befragte der Beklagte den klägerischen Hausarzt und Internisten Dr. S ... Dieser teilte am 5. August 2011 unter Vorlage zahlreicher ärztlicher Unterlagen mit, dass der Kläger an einem sogenannten Failed-back-Syndrom (Postdisektomie-Syndrom, Beschwerden, die sich nach einer Bandscheiben- oder Wirbeloperation nicht bessern), verbunden mit einer zunehmenden Gangstörung und chronischen Schmerzen, leide, wobei die chronifizierte somatisierte Schmerzstörung ganz im Vordergrund stehe. Versorgungsärztlich wurde hierauf am 22. August 2011 vorgeschlagen, neben dem fortbestehenden Einzel-GdB von 40 für das Wirbelsäulenleiden einen Einzel-GdB von 20 für ein chronisches Schmerzsyndrom und eine depressive Verstimmung anzunehmen und einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen. Gestützt hierauf stelle der Beklagte mit Bescheid vom 13. September 2011 einen GdB von 50 seit dem 1. Juli 2011 fest.
Am 11. Oktober 2011 beantragte der Kläger die Neufestsetzung des GdB sowie - erstmals - die Feststellung des Merkzeichens "G". Dr. S. bestätigte in seinem Befundbericht vom 31. Oktober 2011 die bisherige Diagnose und eine zunehmende Gangstörung. Der Kläger sei mit Oberarm-Gehstützen kurzstreckig gehfähig, eine außergewöhnliche Gehbehinderung liege aber derzeit noch nicht vor. Gestützt hierauf und auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Sch. lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 1. Dezember 2011 ab.
Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger Atteste der Dipl.-Psychologin H. vom 11. Januar 2012 sowie des Orthopäden Dr. A. vom 15. Dezember 2011 vor. Die beiden Behandler unterstützten das Begehren auf Erteilung des Merkzeichens "G" in Anbetracht stärkster Schmerzen. Der Beklagte wies jedoch den Widerspruch nach Einholung und gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2012 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 23. April 2012 erneut Klage beim SG erhoben. Er hat vorgetragen, er sei aufgrund orthopädischer und neurologischer Beschwerden sowie eines chronischen Schmerz¬¬syndroms kaum in der Lage, sich selbstständig fortzubewegen. Ein Gehen sei ihm nur mit Hilfe zweier Unterarmgehstützen, einer Peronäus-Schiene links und einer Rückenstützbandage möglich. Der gesamte untere Körperbereich weise ein Taubheitsgefühl auf. Die Extremitäten zeigten bei Belastung ein nicht unerhebliches Zittern.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG bei Dr. S. die dort vorliegenden Befundunterlagen beigezogen und durch den Orthopäden Dr. B. am 2. Mai 2013 von Amts wegen ein Gutachten erstellen lassen. Der Sachverständige hat bekundet, er könne - wie schon Dr. S. nicht - bei dem Kläger keine eindeutige klinische Progredienz in den letzten Monaten objektivieren. Dies gelte auch insgesamt für die vom Kläger dargebrachten Beschwerden. Bedenken an der Objektivität der klägerischen Klagen hätten schon die Gutachter Dr. C., Dr. Sch. und Z. aus dem vorherigen Gerichtsverfahren geäußert. So sei bei dem Kläger sowohl eine gut ausgeprägte seitengleiche Muskulatur der Beine als auch der Fußsohlenbeschwielung dokumentiert. Des Weiteren habe bereits Frau Z. erhebliche Inkonsistenzen zwischen dem bei der Untersuchung vom Kläger gezeigten Gangbild und dem von ihr nach Abschluss der Untersuchung beobachteten beschrieben. Auch jetzt habe sich die Untersuchung des Klägers als "sehr schwierig" gestaltet, z. B. bei der Prüfung der Knieprüfung, da der Kläger "massiv muskulär stark gegen gespannt" habe. Dr. Sch. habe das Gangbild des Klägers als "bizarr" bezeichnet. Bei der Prüfung der Einzelkraftgrade am linken Fuß sei die entsprechende Muskulatur "gar nicht innerviert" gewesen. Insgesamt ergebe sich kein Anhalt für eine manifeste Peronäus-Parese links. Auch die Röntgenaufnahmen des Klägers zeigten geringe Schäden, nämlich einen reizlos inliegenden Fixateur ohne jegliche Saumbildung oder Lockerungszeichen, bei ansonsten für die Altersgruppe äußerst geringen degenerativen Fehlbildungen. Die nunmehr demonstrierte Bewegungsunfähigkeit in beiden Hüftgelenken - bei praktisch freier Beweglichkeit vor drei Monaten - sei ebenfalls nicht erklärbar.
Das SG hat die Klage nach vorangegangener Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 29. Juli 2013 abgewiesen. Zur Höhe des GdB hat es ausgeführt, Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule, die nach der Nr. 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) einen GdB von 50 rechtfertigten, womit der Gesamt-GdB zu erhöhen wäre, seien nicht nachweisbar. Diese Annahme setze Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen voraus (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwere Skoliose ab ca. 70° nach Cobb). Ein diesem Schweregrad entsprechender Wirbelsäulenbefund liege jedoch nicht vor. Dies ergebe sich unter anderem aus den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. B ... Auch die Klage auf Feststellung des Merkzeichens G sei abzuweisen. Es stehe fest, dass sich die Voraussetzung dieses Merkzeichens nicht nachweisen ließen. Dr. B. habe auch insoweit auf die erheblichen Inkonsistenzen und die teilweise fehlende Objektivierbarkeit der vom Kläger vorgetragenen und dargestellten Beeinträchtigungen hingewiesen. Auch Dr. C. habe in Kenntnis dessen, dass der Kläger über längere Wegstrecken einen Rollstuhl benutze, dennoch ausgeführt, dass eine schwere funktionelle Einschränkung in einem Wirbelsäulenabschnitt funktionell nicht objektiviert werden könne und sich aus der operativen Versteifung des präsakralen Segments allein nicht ableiten lasse. Der Sachverständige Dr. B. habe nunmehr ergänzend dargelegt, dass die angefertigten Röntgenbilder keinerlei Hinweise für einen organischen Schaden, der die jetzigen Befunde, insbesondere die Schmerzsituation erklären könne, ergäben.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, den das SG in vollständiger Form am 30. Juli 2013 zur Post gegeben hat, hat der Kläger am 2. September 2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Er trägt vor, ihm sei der Gerichtsbescheid des SG am 5. August 2013 zugegangen. Hierzu hat er eine Kopie des Empfangsbekenntnisses und den Sendebericht des Telefaxgeräts seines Prozessbevollmächtigten vom 19. August 2013 vorgelegt. Er meint, die Feststellungen und Schlussfolgerungen der Gutachten träfen nicht zu. Er habe sehr wohl an den Begutachtungen mitgewirkt, soweit ihm dies möglich gewesen sei. Er sei trotz regelmäßiger Therapien nicht gehfähig. Er benötige zum Gehen zwei Unterarmgehstützen. Es sei nicht damit zu rechnen, dass er jemals wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne.
Der Kläger beantragt, zum Teil sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juli 2013 und den Bescheid vom 1. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 13. September 2011 abzuändern, einen Grad der Behinderung von mehr als 50 sowie die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtsfehlerfrei.
Der frühere Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich zu seinem Gehvermögen und seinen therapeutischen Bemühungen angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 8. Mai 2014 verwiesen.
Nach Bekanntwerden des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. August 2015 (B 9 SB 1/14 R), wonach auch psychische Störungen unter Umständen die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" begründen könnten, hat der Senat von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 16. Dezember 2015 bei Dr. Sch. eingeholt. Der Sachverständige hat bekundet, bei der körperlichen Untersuchung, bei der die bislang geklagten Einschränkungen weiterhin demonstriert worden seien, hätten sich - wie schon in dem Gutachten in dem vorherigen Streitverfahren - Hinweise auf ein Aggravationsverhalten ergeben (S. 20 Gutachten). Nach wie vor ließen sich somatische Ursachen für diese Beschwerden nicht feststellen. So könne eine Lähmung des linken Fußes nicht mit der notwendigen Objektivität bestätigt werden. Sein Gangbild sei mit einer neurogen bedingten Gangstörung nicht vereinbar. Im psychopathologischen Befund habe sich keine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung gezeigt, eine tiefgehende oder vitale depressive Stimmungslage liege nicht vor. Neurophysiologisch bilde sich die geklagte Fußheber- bzw. Fußsenkerlähmung nicht ab, eigentlich müsse eine vollkommende Lähmung vorliegen, es habe sich aber kein relevanter bzw. manifester krankhafter Befund gezeigt. Insgesamtbeständen keine sicheren Hinweisen für eine Erkrankung auf neurologischem Fachgebiet. Ansonsten hat der Sachverständige eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren diagnostiziert, die Voraussetzungen einer somatoformen Schmerzstörung jedoch nicht gesehen. Der Kläger werde unter anderem mit dem Opioid-Analgetikum Targin behandelt. Der GdB für das seelische Leiden sei zutreffend mit 20 bewertet, der Gesamt-GdB betrage weiterhin 50. Aus rein neurologischer, psychiatrischer und internistischer Sicht sei der Kläger in der Lage, die üblichen Wegstrecken des Ortsverkehrs zu Fuß zurückzulegen. Dies umfasse Strecken von bis zu 2 km in etwa 30 min. Insbesondere gebe es aus psychiatrischer und psychotherapeutischer Sicht keinen Anhalt für eine psychische Störung, die sich spezifisch auf das Gehvermögen auswirke. Im Übrigen sei die Wegefähigkeit aus rein orthopädischer Sicht zu beurteilen. Insoweit werde auf die bisherigen Gutachten verwiesen. Dr. Sch. hat seinem Gutachten noch den Entlassungsbericht des Klinikums Mittelbaden vom 20. August 2015 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 13. bis 20. August 2015 beigefügt. Hiernach war am 14. August 2015 eine dynamische Hüftschraube links entfernt und der Bohrkanal aufgefüllt worden. Der Kläger sei postoperativ an Unterarmgehstützen unter Vollbelastung auch des linken Beins mobilisiert worden. Er habe sodann entgegen ärztlichem Rat am 20. August 2015 die Klinik verlassen. Nach dem ebenfalls vorgelegten Bericht der Park-Klinik über den stationären Aufenthalt vom 28. August bis 2. Oktober 2015 hat sich ein guter Verlauf gezeigt. Nach vollständiger Metallentfernung hätte der starke Schmerz deutlich gebessert werden können und sei bei der Entlassung nicht mehr vorhanden gewesen.
Der Kläger hat sich zuletzt mit Schriftsatz vom 6. Januar 2016 und der Beklagte unter dem 11. Januar 2016 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Dem Senat haben die Unterlagen des Beklagten vorgelegen. Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf deren Inhalt sowie auf die Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers im Einvernehmen mit beiden Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da der Kläger keine Geld-, Dienst- oder Sachleistungen, sondern behördliche Feststellungen begehrt.
Sie ist auch im Übrigen zulässig. Der Kläger hat die einmonatige Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG gewahrt. Nach der Kopie des Empfangsbekenntnisses, die der Kläger im Berufungsverfahren vorgelegt hat, ist der angegriffene Gerichtsbescheid seinem Prozessbevollmächtigten am 5. August 2013 zugestellt worden. Als Nachweis der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis an einen Rechtsanwalt, gleich ob die Zustellung im Original oder bereits selbst in Telekopie erfolgt ist (vgl. § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 174 Abs. 1 oder Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]), genügt nach § 174 Abs. 4 Satz 2 SGG die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses durch Telekopie. Diese Rücksendung ist ausweislich des Sendeberichts, den der Kläger ebenfalls vorgelegt hat, am 19. August 2013 erfolgt. Danach lief die Berufungsfrist nicht vor dem 5. September 2013 ab. Die Berufung ist schon am 2. September 2013 erhoben worden.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen des Klägers (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG), gerichtet auf Verurteilung zu behördlichen Feststellungen (§ 131 Abs. 2 Satz 1 SGG), als unbegründet abgewiesen.
Der Kläger kann nicht die Feststellung eines höheren GdB als des zuerkannten von 50 verlangen.
Grundlage für den Klageanspruch ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand eines behinderten Menschen auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des - teilweise - aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4), hier des Bescheides vom 13. September 2011.
In materieller Hinsicht richtet sich der Anspruch des Klägers nach § 69 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10-er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e).
Liegen - wie im Falle des Klägers - mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei dem Kläger seit Erlass des insoweit maßgeblichen Bescheides vom 13. September 2011, mit dem zuletzt ein GdB von 50 festgestellt worden ist, bis jetzt keine gesundheitlichen Verschlechterungen eingetreten sind, die eine Erhöhung bedingen könnten.
Das Wirbelsäulenleiden des Klägers (Funktionssystem "Rumpf") mit Auswirkungen in die Beine (Fußheberschwäche links) bedingt weiterhin keinen höheren GdB als den bislang zuerkannten Wert von 40. Wie das SG zutreffend herausgearbeitet hat, ist dies bereits der höchste Wert für mittelgradige bis schwere Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (VG, Teil B Nr. 18.9). Ein GdB von 50 oder mehr kommt nur bei besonders schweren Auswirkungen in Betracht, z. B. bei einer Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, einer anhaltenden Ruhigstellung durch eine Rumpforthese, die drei Wirbelsäulen-Abschnitte umfasst, oder bei einer schweren Skoliose mit einem Krümmungswinkel ab ca. 70° nach Cobb. Eine solche Einbuße besteht bei dem Kläger nicht. Bei dieser Beurteilung stützt sich der Senat ebenso wie das SG auf die überzeugenden und nachvollziehbaren Messergebnisse und sonstigen Feststellungen des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. B. vom 2. Mai 2013, die Dr. Sch. in dem aktuelleren Sachverständigengutachten vom 16. Dezember 2015, soweit dies von neurologischer Seite aus möglich war, bestätigt hat. Danach demonstriert der Kläger zwar erhebliche Bewegungseinschränkungen an der Halswirbelsäule und lässt Bewegungen der Lendenwirbelsäule überhaupt nicht zu, weil er dort behauptet, bereits bei leichten Bewegungen ebenso wie bei Berührungen unmittelbar starke Schmerzen zu verspüren. Diese Bewegungseinschränkungen sind jedoch nicht in dem Maße objektivierbar, wie es für eine vollständige richterliche Überzeugungsbildung (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) notwendig wäre. Dr. B. hat nach Auswertung der medizinischen Unterlagen dargelegt, dass organische Ursachen für die Bewegungseinschränkungen nicht vorliegen. So haben die Röntgenaufnahmen aus dem Frühjahr 2013, die Dr. B. angefertigt hat, eine reizlos einliegende Fixatur ohne Saumbildung, ohne Lockerungszeichen und mit einer für die Altersgruppe des Klägers äußerst geringen degenerativen Veränderung der Wirbelsäule gezeigt. Die anerkannte Fußheberschwäche ließ sich zuletzt bei Dr. Sch. neurophysiologisch nicht abbilden, demzufolge zeigte sich kein relevanter bzw. manifester Befund. Auch an den Hüftgelenken, an denen der Kläger ebenfalls eine fast vollständige Aufhebung der Beweglichkeit demonstriert hatte, bestand röntgenologisch ein altersentsprechender Normalbefund. Dr. B. hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Entlassungsbericht der Park-Klinik über den wenige Wochen zuvor stattgefundenen Aufenthalt des Klägers deutlich geringere Bewegungseinschränkungen und z. B. an den Hüftgelenken eine nahezu freie Beweglichkeit beschrieben hatte. Dass für die geklagten Bewegungseinschränkungen des Klägers keine organischen Ursachen, insbesondere keine Schäden an der Wirbelsäule verantwortlich sein können, hatten auch die Gutachter in dem vorherigen Verfahren bereits bemerkt. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen kann der zurzeit zuerkannte GdB von 40 allenfalls unter Einbeziehung des angenommenen chronischen Schmerzsyndroms gerechtfertigt werden, das der Kläger vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule (und an den Hüften und im rechten Kniegelenk) verspürt und das z. B. mit Targin behandelt werden. Die berichtete Teilnahme des Klägers am sozialen Leben (dazu siehe unten) unterstreicht eindrucksvoll, dass der Kläger durch seine berichteten Schmerzen nicht nennenswert beeinträchtigt ist, insbesondere der mit einer solchen Erkrankung verbundene Rückzug nicht zu verzeichnen ist.
Da die Fußheberschwäche des Klägers, soweit sie vorliegt, durch die Bewertung der Beeinträchtigungen an der Wirbelsäule erfasst ist, kommt ein eigenständiger, weiterer Teil-GdB für das Funktionssystem "Beine" nicht in Betracht.
Auch der GdB von 20 für die psychische Erkrankung des Klägers (vgl. VG, Teil B Nr. 3.7) ist nach wie vor angemessen. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die zu einem höheren GdB führen könnte, liegt auch zur Überzeugung des Senats nicht vor. Diese Einschätzung entspricht den von Dr. Sch. erhobenen Befunden. Dieser Sachverständige hat überzeugend herausgearbeitet, dass die bei dem Kläger bestehende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10: F45.41) die psychische und soziale Ebene im Leben des Klägers wenig tangiert. Die affektive Resonanzfähigkeit war zwar eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. Im Übrigen hat sich bei der Untersuchung des Klägers nur eine niedergeschlagene Stimmung gezeigt. Einbußen kognitiver Art lagen nicht vor. Der Kläger hat nach seinen Angaben bei Dr. Sch. eine neue Beziehung aufbauen können, einen strukturierten Tagesablauf, er fährt morgens zur Therapie und macht nachmittags mit seiner Lebensgefährtin Ausflüge. Er hat viele Kontakte im Familien- und Freundeskreis, auch mit Nachbarn, beschäftigt sich mit seinen Haustieren (Hasen), liest und schaute wissenschaftliche Sendungen. Zu diesem Befund passt, dass sich der Kläger selbst nicht als psychisch eingeschränkt empfindet. Nennenswerte Beeinträchtigungen bestehen daher lediglich auf der physischen Leidensebene, also in den Schmerzempfindungen. Insoweit findet auch eine adäquate Behandlung mit Targin und in der Park-Klinik (Fango, Massage, Elektrotherapie und Wassergymnastik) statt.
Selbst wenn das Schmerzempfinden des Klägers inzwischen ein Ausmaß erreicht hätte, das einen GdB höher als 20 bedingen könnte, so würde dies an dem Gesamt-GdB von 50 nichts ändern. Wie ausgeführt, ist auch die Bewertung des Wirbelsäulenleidens mit einem GdB von 40 nur unter vollständiger Berücksichtigung der Schmerzen gerechtfertigt, soweit man diese als somatisch verursacht einstuft. Wenn dagegen die Schmerzen des Klägers psychogen bedingt sind, wäre der GdB für den Bewegungsapparat, insbesondere die Wirbelsäule, entsprechend geringer anzusetzen. In jedem Falle überlappen sich die Auswirkungen der beiden Krankheitsbereiche erheblich.
Auch die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" liegen nicht vor.
Auch die Feststellung von Merkzeichen richtet sich nach den Vorschriften des SGB IX, zuletzt geändert durch Art. 1a des am 15. Januar 2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7. Januar 2015 (BGBl. II S. 15).
Auf Antrag des behinderten Menschen treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX) und stellen auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Zu diesen Merkmalen gehört die erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr. Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 145 Abs. 1 SGB IX). In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Der seit 1. Januar 2009 an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10. Dezember 2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleichs entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für den nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleich G unwirksam, da es insoweit zum Erlasszeitpunkt an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung gefehlt hat. Eine solche Ermächtigung hat sich weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30. Juni 2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 1. Juli 2011, noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX gefunden (Urteil des Senats vom 9. Juni 2011 - L 6 SB 6. - juris; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4).
Diesem Mangel hat der Gesetzgeber mit o.g. Gesetz vom 7. Januar 2015 abgeholfen und mit § 70 Abs. 2 SGB IX eine neue Verordnungsermächtigung unmittelbar im SGB IX eingefügt. Danach wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend und nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Da die VersMedV vom 10. Dezember 2008 einschließlich ihrer Anlage zu § 2 VersMedV nicht auf der Grundlage dieser erst seit 15. Januar 2015 gültigen Verordnungsermächtigung erlassen worden ist, ist nach wie vor deren Anwendung hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Merkzeichens G nicht möglich. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber durch den ebenfalls mit Gesetz vom 07.01.2015 neu eingefügten § 159 Abs. 7 SGB IX Rechnung getragen. Danach gelten, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Hierdurch konnte zwar nicht die bezüglich der in den VG enthaltenen Regelungen zu den Merkzeichen G, B, aG und Gl teilunwirksame VersMedV neu erlassen bzw. als Verordnung für anwendbar erklärt werden, da es insoweit schon an der Zuständigkeit des Gesetzgebers hinsichtlich einer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu erlassenden Verordnung fehlt. Mit noch hinreichend bestimmten Gesetzeswortlaut (vgl. zum rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 3. September 2014 - 1 BvR 3. - zit. n. juris) hat der Gesetzgeber jedoch mit der in § 159 Abs. 7 SGB IX getroffenen Regelung zum Ausdruck gebracht, dass er sich den insoweit maßgeblichen Verordnungstext in der Anlage zu § 2 VersMedV, mithin die unter VG, Teil D Nr. 1 bis 4 getroffenen Bestimmungen, zu eigen macht und bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX insoweit die VG Gesetzescharakter haben (vgl. BT-Drucks. 1. S. 5; vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 1/14 R - Juris, Rz. 16).
Danach gilt, dass es bei der Prüfung der Frage, ob die in § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Voraussetzungen vorliegen, nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles ankommt, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d. h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (VG, Teil D Nr. 1b). Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Die übrigen Fallgruppen der VG zum Merkzeichen "G" (innere Leiden, Seh- und andere Sinnesbeeinträchtigungen, geistige Behinderungen) kommen für den Kläger ersichtlich nicht in Betracht. Dagegen können nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11. August 2015, a.a.O., Juris Rn. 21) auch solche schwerbehinderten Menschen Anspruch auf den Nachteilsausgleich "G" haben, die nach Prüfung des einzelnen Falles aufgrund anderer Erkrankungen als den in den VG, Teil D Nr. 1 Buchst d bis f genannten Regelfällen dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis mit gleich schweren Auswirkungen auf die Gehfunktion gleichzustellen ist; dies gilt auch für psychosomatische oder psychische Behinderungen und Krankheitsbilder, wie umfassende Schmerzsyndrome oder Fibromyalgie-Syndrome und die damit einhergehende Schmerzproblematik.
Dass die körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers Einschränkungen des Gehvermögens, wie es das Merkzeichen "G" verlangt, nicht begründen, ergibt sich aus den bereits dargestellten Befunden des Sachverständigen Dr. B. und der Gutachter aus dem vorherigen Streitverfahren. Gründe für die erheblichen Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Hüftgelenke liegen danach nicht vor. Diese Einschätzung hat Dr. Sch. in seinem jüngsten Gutachten zunächst auf neurologischem Gebiet bestätigt. Insoweit, so dieser Sachverständige, ist überhaupt keine Erkrankung zu verifizieren. Insbesondere kann eine Lähmung des rechten Fußes nicht bestätigt werden, ebenso hat der Sachverständige die vorbekannte Fußheber- bzw. Fußsenkerschwäche nicht (vollständig) objektivieren können. Diese Einschätzung hat Dr. Sch. überzeugend auf die Messung der motorischen Leitgeschwindigkeit des Nervus peroneus rechts gestützt, die zwar grenzwertig niedrig, aber noch messbar war. Die Leitgeschwindigkeiten der übrigen motorischen Nerven in die Beine waren unauffällig.
Auch auf psychiatrischem Gebiet konnte Dr. Sch. keine Gründe für eine relevante Einschränkung des Gehvermögens erkennen. Die Schmerzerkrankung hat er nicht für so gravierend gehalten, dass Wegstrecken im Ortsverkehr nicht mehr zu Fuß zurückgelegt werden könnten. Diese Einschätzung war für den Senat angesichts der nicht nennenswerten Beeinträchtigung durch die Schmerzerkrankung gut nachvollziehbar, zumal die zahlreichen Aktivitäten des Klägers mit ein- bzw. zweimal monatlichen Besuch bei der Therapeutin in Baden-Baden sowie wochentäglich in Bad Nauheim in der Park-Klinik allein mit Auto und dann zu Fuß von ihm bewältigt werden können. Das wäre, wenn das bei der Begutachtung gezeigte Bewegungsmuster tatsächlich vorliegen würde, nicht vorstellbar. Vielmehr ist die Wegefähigkeit im Falle des Klägers, so auch Dr. Sch., allein auf orthopädischer Ebene zu beurteilen. Ferner hat der Sachverständige darauf verwiesen, dass der Kläger bei der Entlassung aus dem Klinikum Mittelbaden im August 2015 - wiederum - beide Beine voll belasten konnte und an Unterarmgehstützen mobilisiert worden war. Das gleiche Phänomen - wenig Einschränkungen wenige Monate vor der gutachterlichen Untersuchung - hatte schon Dr. B. in Bezug auf den Entlassungsbericht der Park-Klinik festgestellt.
Vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass objektiv Umstände vorliegen, die das Gehvermögen des Klägers nennenswert einschränken. Ob Aggravation oder gar Simulation vorliegt, kann dabei offen bleiben. Da die materielle Beweislast für die geklagten Funktionseinbußen bei dem Kläger liegt, muss die wirkliche Ursache der geklagten Bewegungseinschränkung nicht festgestellt werden, es reicht aus, dass eine körperliche oder psychische Ursache dafür nicht bestätigt werden kann.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved