Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 3768/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4102/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15.07.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld (Krg) über den 23.04.2014 hinaus.
Der 1973 geborene Kläger war aufgrund seiner Beschäftigung als stellvertretender Filialleiter in einem Supermarkt pflichtversichertes Mitglied bei der Beklagten. Ab 18.09.2013 war der Kläger arbeitsunfähig wegen Anpassungsstörungen (F43.2), so dass er zunächst Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber erhielt und ab 30.10.2013 Krg. Auf Anfrage der Beklagten übersandte der Hausarzt B. einen Befundbericht vom 13.12.2013, in dem er Arbeitsfähigkeit voraussichtlich ab 31.12.2013 mitteilte und angab, bei der Überwindung der Arbeitsunfähigkeit (AU) gebe es andere Probleme, ein Arbeitsplatzwechsel sei notwendig. In der Folgezeit stellte Herr B. Auszahlscheine mit den Diagnosen F43.2 und Panikstörung (F41.0) aus.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Nachdem dieser in seiner Stellungnahme vom 22.01.2014 mitgeteilt hatte, aktuell ergäbe sich keine AU, da der Allgemeinmediziner B. Arbeitsfähigkeit ab 31.12.2013 angegeben habe, beendete die Beklagte mit Bescheid vom 22.01.2014 die Gewährung von Krg zum 24.01.2014. Der Kläger legte Widerspruch ein und verwies auf ein Attest seines Hausarztes B. vom 28.01.2014, wonach sich schon bei der Vorstellung, er müsse wieder zur Arbeit, erneute Beschwerden eingestellt hätten mit maximalem Blutdruckanstieg, Herzklopfen und Schlafstörungen. Dr. P. vom MDK regte die Beiziehung eines aktuellen Befundberichts des behandelnden Psychiaters an. Die Beklagte hob daraufhin den Bescheid vom 22.01.2014 auf. Die Sachbearbeiterin der Beklagten führte am 07.02.2014 ein Telefonat mit dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Suchtmedizin Dr. Bö., der ausweislich der Aktennotiz vom gleichen Tag mitgeteilt hatte, er werde die Arztanfrage nicht beantworten, da der Kläger zuletzt am 27.01.2014 bei ihm gewesen sei, er ihn nicht arbeitsunfähig geschrieben habe und ihn auch für arbeitsfähig halte. Im beigezogenen Befundbericht vom 10.02.2014 führte Dr. Bö. zum Befund aus: "Wacher, allseits orientierter Patient, moros verstimmt wegen der derzeitigen Situation. Keine Hinweise auf depressives Erleben, keine Hinweise auf Suizidalität." Bei Beurteilung und Therapie gab Dr. Bö. an, eine weitere Krankschreibung sei aus seiner Sicht nicht möglich. Der Patient habe zwar ein regelrechtes Vermeidungsverhalten entwickelt, jedoch sei ihm auch von Seiten des Arbeitgebers eine Wiedereingliederung angeboten worden. Er habe ihm geraten, diesen Weg wenigstens zu versuchen. Der Hausarzt B. gab nach einem Telefonat mit der Beklagten im Auszahlschein vom 12.02.2014 als letzten Tag der AU den 14.02.2014 an.
Mit Bescheid vom 11.02.2014 beendete die Beklagte die Gewährung von Krg mit dem 14.02.2014. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Der Hausarzt B. stellte unter dem 14.02.2014 eine AU-Bescheinigung aus mit der Diagnose Thorax-Schmerz, organisch nicht erklärbar. Weitere AU-Bescheinigungen mit dieser Diagnose wurden für die Zeit bis einschließlich 25.03.2014 ausgestellt. Im Befundbericht vom 25.03.2014 teilte Herr B. die Diagnose Thorax-Schmerzen mit, zusätzlich bestehe eine Panikstörung. Der Kläger nahm seinen Widerspruch nach Akteneinsicht zurück.
Der Kläger legte weitere Auszahlscheine vom 08.04.2014 und 23.04.2014 ausgestellt vom Hausarzt B. vor mit den Diagnosen F41.0 und F43.2. Es sei weiter Krg zu bezahlen, da die Voraussetzungen für eine Entgeltfortzahlung nicht vorlägen. Am 25.04.2014 führte ein Sachbearbeiter der Beklagten ausweislich einer Aktennotiz zunächst ein Telefonat mit Dr. Bö., der mitgeteilt habe, der Kläger sei arbeitsfähig. Es handele sich um einen Arbeitsplatzkonflikt, der nicht durch eine AU-Attestierung zu lösen sei. Der Hausarzt B. teilte in seinem Telefonat dem Sachbearbeiter mit, in seiner Not habe er den Kläger arbeitsunfähig geschrieben. Nach Rücksprache mit Dr. Bö. teile er dessen Ansicht, dass eine weitere AU nicht begründet sei. Der Kläger trete in der Praxis sehr fordernd auf. Mit Schreiben vom 07.05.2014 teilte die Beklagte dem früheren Bevollmächtigten des Klägers mit, AU habe lediglich bis 14.02.2014 bestanden. Die fälschlicherweise vorgenommene Krg-Zahlung für den Zeitraum 29.03.2014 bis 23.04.2014 begründe keine Anerkennung weiterer AU.
Am 12.06.2014 legte der Kläger einen Auszahlschein vom 10.06.2014 vor, ausgestellt vom C. G., mit welchem ein Krankenhausaufenthalt ab 26.05.2014 bestätigt und AU bis auf weiteres bejaht wurde.
Mit Bescheid vom 26.06.2014 gewährte die Beklagte Krg für die Zeit vom 15.02.2014 bis 29.03.2014 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Über den 23.04.2014 hinaus werde kein Krg mehr bezahlt, da unabhängig von der Einschätzung des MDK auch eine notwendige AU-Bescheinigung fehle. Die Mitgliedschaft aufgrund der Beschäftigung sei durch den Arbeitgeber zu beenden. Nach Hinweis der Beklagten meldete der Arbeitgeber den Kläger zum 22.05.2014 aus dem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ab.
Die teilstationäre Behandlung im C. G. endete am 08.08.2014. Der Kläger legte in der Folgezeit weitere Auszahlscheine vor.
Der Kläger legte vorsorglich gegen den Bescheid vom 26.06.2014 Widerspruch ein und machte geltend, die AU sei durch die Auszahlscheine vom 08.04. und 23.04.2014 festgestellt und bescheinigt. Ab dem 26.05.2014 habe die teilstationäre Behandlung stattgefunden. Der Kläger sei durchgehend arbeitsunfähig gewesen, was auch im Entlassungsbericht des C.es vom 08.08.2014 bestätigt werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der MDK habe AU verneint, deshalb bestehe kein Anspruch auf Krg über den 23.04.2014 hinaus. Zudem habe weder ein Facharzt noch der Hausarzt gegen die Beendigung der AU zum 23.04.2014 ärztlichen Widerspruch entsprechend der AU-Richtlinien erhoben. Daher habe der Anspruch auf Krg gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geruht, solange AU nicht nachgewiesen werde. Nachdem der Anspruch auf Krg mit dem 23.04.2014 geendet habe, habe auch das Versicherungsverhältnis zum 22.05.2014 geendet. Eine nachfolgende freiwillige Versicherung beinhalte keinen Anspruch auf Krg, so dass eine spätere AU keinen Krg-Anspruch mehr begründe.
Hiergegen richtet sich die am 25.11.2014 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage. Der Kläger sei über den 23.04.2014 hinaus erheblich psychisch erkrankt und deshalb arbeitsunfähig gewesen. Er habe an unkontrollierbaren Panikattacken und Depressionen gelitten. Die Abmeldung des Klägers durch den Arbeitgeber sei unwirksam, da das Arbeitsverhältnis weiterhin ungekündigt fortbestehe.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Dr. Bö. hat mit Schreiben vom 02.02.2014 mitgeteilt, er habe den Kläger am 29.01.2014 nicht mehr krankgeschrieben und dies mit dem Hausarzt so besprochen. Ab diesem Zeitpunkt sei der Patient aus nervenärztlicher Sicht arbeitsfähig gewesen. In der Folge habe es nur noch kurze Kontakte am 10.03. und 28.04.2014 gegeben. Letztlich habe er den Patienten auf dessen Drängen in die Tagesklinik eingewiesen. Hausarzt B. hat unter dem 04.02.2015 ausgeführt, der Kläger sei ab 24.04.2014 als Verkäufer arbeitsfähig gewesen. Dass er zu seinem alten Arbeitsplatz nicht zurückgekehrt sei, sei kein gesundheitliches Problem gewesen, bei einem anderen Arbeitgeber hätte er gearbeitet. In dem beigefügten Auszug aus den Karteikarten wird unter dem 23.04.2014 ua festgehalten: "bisschen besser, faul, geht nicht spazieren, selber gemessene RR-Werte ... nie sehr hoch, nimmt kein Antidepressivum, braucht noch manchmal Novaminsulfin". Unter dem 07.05.2014 ist in den Karteikarten ausgeführt: "im Juni Tagesklinik ..., Knieschmerz, Auszahlschein geht nicht, letzter Tag AU 24.04". Unter dem 12.05.2014 ist eingetragen: "verhandelt mit Anwalt, soll Arbeitsverhältnis auflösen und Bescheinigung einer Kündigung aus gesundheitlichen Gründen." PD Dr. H. von der Klinik C. hat mit Schreiben vom 05.02.2015 die Diagnosen mitgeteilt: Agoraphobie mit Panikstörung, mittelgradige depressive Episode, kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen. Eine Aussage zur Frage der Arbeitsfähigkeit könne er erst ab dem Zeitpunkt der teilstationären Behandlung ab 26.05.2014 machen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme sei der Kläger als nicht arbeitsfähig eingeschätzt worden. Im Behandlungsverlauf habe sich eine leichte Besserung der depressiven Symptomatik gezeigt, der Kläger sei am 08.08.2014 arbeitsunfähig entlassen worden. Er gehe davon aus, dass der Kläger bereits mehrere Wochen vor der Aufnahme in die Tagesklinik durchgängig arbeitsunfähig krank gewesen sei. Die neue Hausärztin des Klägers Dr. St. hat unter dem 26.02.2015 mitgeteilt, bei ihr sei der Kläger erst ab 17.07.2014 in Behandlung gewesen. Nach ihrer Auffassung habe Arbeitsfähigkeit nach dem 23.04.2014 nicht bestanden.
Mit Urteil vom 15.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger nicht habe nachweisen können, dass über den 23.04.2014 hinaus bis zu seiner Aufnahme zur teilstationären Behandlung ab 26.05.2014 AU vorgelegen habe. Darüber hinaus fehle es ab 07.05.2014 an einer ordnungsgemäßen ärztlichen Feststellung der AU im Sinne der §§ 46, 49 SGB V. Der Kläger habe seit September 2013 an einer Anpassungsstörung und Panikstörung gelitten. Bereits im Befundbericht vom 10.02.2014 habe Dr. Bö. den Hausarzt darauf hingewiesen, dass aus nervenärztlicher Sicht keine AU mehr vorgelegen habe, sondern ein reines Vermeidungsverhalten des Klägers. Er habe den Kläger aufgefordert, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Der Hausarzt B. habe zwar am 23.04.2014 dem Kläger nochmals einen Auszahlschein ausgestellt, allerdings habe er gegenüber der Beklagten angegeben, der Kläger habe insoweit eine fordernde Haltung eingenommen und er habe in seiner Not den Auszahlschein ausgestellt. In seiner sachverständigen Zeugenaussage habe er ausgeführt, dass der Kläger als Verkäufer arbeitsfähig gewesen sei. Dass er zu seinem alten Arbeitsplatz nicht zurückgekehrt sei, sei kein gesundheitliches Problem gewesen. Aus dem Entlassungsbericht des C.s G. sei zu entnehmen, dass im Mai 2013 wegen einer Lohnkürzung ein arbeitsgerichtlicher Rechtsstreit vom Kläger gegen seinen Arbeitgeber geführt worden sei und sich danach der Arbeitsplatzkonflikt verstärkt habe. Darüber hinaus habe er sich bei einer Beförderungsmöglichkeit im Herbst 2013 übergangen gefühlt. Sowohl Dr. Bö. als auch der Hausarzt B. seien der Auffassung gewesen, dass der Kläger jedenfalls über den 23.04.2014 hinaus nicht mehr arbeitsunfähig gewesen sei. Aus den Ausführungen der Ärzte des C.es könne ebenfalls nicht darauf geschlossen werden, dass AU über den 23.04.2014 hinaus vorgelegen habe, denn diese Ärzte hätten den Kläger tatsächlich erst ab 26.05.2014 untersucht und behandelt. Jedenfalls ab 07.05.2014 mangele es auch an einer ärztlichen Feststellung einer AU. Der Kläger habe den Auszahlschein vom 23.04.2014 eingereicht. Am 07.05.2014 sei er erneut bei seinem Hausarzt gewesen, um einen neuen Auszahlschein zu holen. Bei diesem Termin habe der Hausarzt die Ausstellung eines Auszahlscheines verweigert. Der Kläger habe daher zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass ihm der Hausarzt AU nicht mehr bescheinige und somit die Voraussetzungen für einen Krg-Anspruch nicht gegeben seien. Er könne sich daher auch nicht darauf berufen, dass der Auszahlschein vom 23.04.2014 keinen Endzeitpunkt enthalte. Ab dem 07.05.2014 fehle es neben dem Vorliegen von AU auch an einer wirksamen ärztlichen Feststellung der AU im Sinne des § 46 Satz 1 Nr 1 SGB V. Auch für die Zeit ab 26.05.2014, der teilstationären Behandlung, stehe dem Kläger kein Anspruch auf Krg zu, denn er sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen. Nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V bestehe Versicherungspflicht für Arbeitnehmer, wenn die Beschäftigung gegen Entgelt erfolge. Gemäß § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV gelte eine Beschäftigung gegen Entgelte als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauere, jedoch nicht länger als einen Monat. Das Ende des Fiktionstatbestandes sei damit der 22.05.2014, mithin der Zeitpunkt, zu welchem der Arbeitgeber den Kläger auch abgemeldet habe. Ein Anspruch bestehe auch nicht über den 23.04.2014 hinaus nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V, da dem Kläger ab diesem Zeitpunkt kein Anspruch auf Krg zustehe und er auch kein Krg bezogen habe. Auch nach § 19 SGB V bestehe kein nachgehender Anspruch, denn der Zeitraum des § 19 Abs 2 SGB V decke sich hier mit dem Zeitraum des fiktiven Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs 3 SGB IV und sei bei Eintritt der neuen Arbeitsunfähigkeit am 26.05.2014 bereits abgelaufen gewesen.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 20.08.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 22.09.2015 (Montag) eingelegte Berufung des Klägers. Das SG habe sich ausschließlich auf die schriftlich eingeholten Atteste der Ärzte Dr. Bö. und B. verlassen, es hätte diese jedoch als Zeugen persönlich hören müssen. Der Kläger hätte dann die Möglichkeit gehabt, die Zeugen mit Vorhaltungen zu konfrontieren. Auch die notwendige teilstationäre Behandlung sei ab 26.05.2014 im Zustand der AU angetreten worden. Eine solche Behandlung sei nicht ohne entsprechenden Vorlauf möglich, so dass die Aussage, für April und Mai sei nicht von AU auszugehen, eine nicht haltbare Unterstellung des Erstgerichts darstelle. Sowohl der Hausarzt als auch der Psychiater hätten offensichtlich Kontakt mit der Beklagten und dem dortigen Sachbearbeiter gehabt. Nicht auszuschließen sei, dass der ungewöhnliche Fall der direkten Kontaktaufnahme zwischen Krankenkasse und dem behandelnden Arzt auf Seiten des Arztes dazu geführt habe, die Auffassung der Beklagten zu übernehmen und von der eigentlichen ärztlichen Überzeugung abzuweichen. Soweit das SG argumentiere, der Auszahlschein vom 23.04.2014 hätte jedenfalls ab 07.05.2014 keine Gültigkeit mehr gehabt, wäre es naheliegend gewesen, dem Kläger Krg zumindest bis zum 07.05.2014 zuzusprechen. Vollkommen außer Acht gelassen werde, dass der Kläger offensichtlich mit seinen beiden behandelnden Ärzten eine erhebliche inhaltliche Meinungsverschiedenheit über das Ausmaß der bestehenden Erkrankung gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15.07.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 26.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 23.04.2014 hinaus Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte schließe sich den vom SG eingeholten Zeugenaussagen bzw den daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen ausdrücklich an. Es sei nicht nachvollziehbar, was der Kläger damit zum Ausdruck bringen wolle, dass die Zeugen hätten persönlich vorgeladen werden sollen, damit der Kläger ihnen hätte Vorhaltungen machen können. Soweit der Kläger ausführe, dass keine medikamentöse Behandlung sondern eine Gesprächstherapie angezeigt gewesen sei, begründe dies keine Arbeitsunfähigkeit, zudem sei eine derartige Behandlung nach dem Datenbestand der Beklagten nicht erfolgt. Soweit der Kläger erhebliche Meinungsverschiedenheiten mit seinen Ärzten angebe, werde er akzeptieren müssen, dass ein subjektives Empfinden und eine objektive fachliche Beurteilung voneinander abweichen könnten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 26.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Krg über den 23.04.2014 hinaus. Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 Nr 2 SGB V). Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (BSG 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7).
Die Voraussetzungen eines Krg-Anspruchs, also nicht nur die AU, sondern auch die ärztliche Feststellung der AU, müssen bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krg-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12). Zudem muss der Versicherte die AU und deren Fortdauer grundsätzlich rechtzeitig ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V melden (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1).
Die ärztliche Feststellung der AU ist keine reine Formalität, sondern Voraussetzung der Entstehung des Anspruchs auf Krg. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender AU sollen beim Krankengeld Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten. Als Regelfall geht das Gesetz davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigte Versicherte selbst die notwendigen Schritte unternimmt, um die mögliche AU feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Mit Blick darauf muss die AU nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat. Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der AU grundsätzlich rechtzeitig vor Ablauf der Befristung der bisherigen Attestierung ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wenn er das Erlöschen oder Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden will. Sowohl bei der ärztlichen Feststellung als auch der Meldung der AU handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Feststellung oder Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Regelmäßig ist danach die Regelung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V strikt zu handhaben (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04, BSGE 95, 219, SozR 4-2500 § 46 Nr 1; vgl auch BSG 10.05.2012, B 1 KR 20/11 R, (juris)). Die Obliegenheit zur rechtzeitigen Meldung entfällt selbst dann nicht, wenn das Ende der Frist auf einen Sonntag fällt oder der Arzt den Versicherten nicht oder unzutreffend rechtlich beraten hat (BSG 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 6; für die ab 23.07.2015 geltende Rechtslage vgl § 46 Satz 2 idF vom 16.07.2015, BGBl I 1211).
Das bei Entstehen eines Anspruchs auf Krg bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krg hat (BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007 B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14). Der Kläger war beim erstmaligen Entstehen des Krg-Anspruchs gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V mit Anspruch auf Krg bei der Beklagten versichert. Die durch das Beschäftigungsverhältnis begründete Mitgliedschaft des Klägers blieb gemäß § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bis zum 23.04.2014 erhalten, da der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt Krg bezog.
Bei Versicherten, die im Zeitpunkt der Beurteilung der AU in einem Arbeitsverhältnis stehen und einen Arbeitsplatz inne haben, liegt AU vor, wenn diese Versicherten die an ihren Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen können. Die Krankenkasse darf diese Versicherten, solange das Arbeitsverhältnis besteht, nicht auf Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber verweisen, die sie gesundheitlich noch ausüben könnten. Dem krankenversicherten Arbeitnehmer soll durch die Krg-Gewährung gerade die Möglichkeit offengehalten werden, nach Beseitigung des Leistungshindernisses seine bisherige Arbeit wieder aufzunehmen (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19 mwN). Maßgebender Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ist daher die Tätigkeit als stellvertretender Filialleiter im Supermarkt.
Für diese konkrete Tätigkeit ist schon ab Februar 2014 nicht nachgewiesen, dass tatsächlich AU bestand. Der Neurologe und Psychiater Dr. Bö. hat sich schon Ende Januar 2014 auf den Standpunkt gestellt, dass aus nervenärztlicher Sicht Arbeitsfähigkeit bestehe, er hat dem Kläger geraten, eine Wiedereingliederung bei seinem Arbeitgeber zumindest zu versuchen und hielt dies offensichtlich trotz des Vermeidungsverhaltens, das der Kläger entwickelt hatte, für zumutbar. Auch der im Befundbericht vom 10.02.2014 mitgeteilte psychische Befund lässt gravierendere Einschränkungen nicht erkennen. Da maßgebend die psychischen Beeinträchtigungen sind angesichts der festgestellten Erkrankungen Panikstörung und Anpassungsstörung, kommt der Einschätzung des Facharztes ein besonderes Gewicht zu. Auch der Hausarzt Herr B. hat sich indes dieser Beurteilung angeschlossen. Er ist zunächst von Arbeitsfähigkeit ab 31.12.2013 ausgegangen, hat dann allerdings weiter AU bescheinigt mit dem Ende 14.02.2014 und sodann nochmals zunächst wegen unklarer Thorax-Schmerzen und dann wieder wegen der Diagnosen F41.0 und F43.2 AU angenommen. Der letzte Auszahlschein datiert vom 23.04.2014. Danach hat auch Herr B. keine AU mehr angenommen. Ob im Zeitraum davor noch AU vorlag, spielt für den Rechtsstreit keine Rolle, da die Beklagte bis 23.04.2014 Krg gezahlt hat. Über diesen Zeitraum hinaus ist jedoch nicht nachgewiesen, dass eine AU aus gesundheitlichen Gründen vorlag. Zwar lag ein Arbeitsplatzkonflikt vor, die gesundheitlichen Einschränkungen selbst sind jedoch nicht in einem Ausmaß nachgewiesen, dass von krankheitsbedingter AU ausgegangen werden kann. Nichts anderes ergibt sich aus den Einschätzungen der behandelnden Ärzte des C.es G., denn diese haben den Kläger erst am 26.05.2014 erstmals gesehen und können daher aus eigener Anschauung keine Angaben zu seinem gesundheitlichen Zustand Ende April machen. Gleiches gilt für die ab Juli 2014 behandelnde Hausärztin Dr. St ... Insoweit ist auch anzumerken, dass der psychische Befund des Klägers für die Zeit ab Ende Mai 2014 deutlich gravierendere Einschränkungen enthält (vgl Entlassungsbericht C. vom 08.08.2014), als er sich zuvor im Rahmen der ambulanten Behandlung dargestellt hatte. Dies spricht für eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung.
Ob es für die Zeit nach dem 23.04.2014 zudem an einer ärztlichen Feststellung der AU fehlt, weil Auszahlscheine grundsätzlich (aber entgegen der st Rspr des BSG) rückwirkend für die Vergangenheit ausgestellt werden, kann offen bleiben. Ab dem 07.05.2014 fehlt es in jedem Fall an einer solchen Feststellung. An diesem Tag hat der Kläger seinen Hausarzt B. erneut aufgesucht, zu diesem Termin hat dieser ausdrücklich die erneute Ausstellung eines Auszahlscheines abgelehnt. Selbst wenn an diesem Tag eine ärztliche Fehlbeurteilung vorgelegen hätte, könnte sich der Kläger nur dann darauf berufen, wenn er innerhalb der Frist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V bei der Beklagten die aus seiner Sicht erfolgte Fehlbeurteilung durch den Arzt gemeldet hätte (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, BSGE 95, 219). Dies ist hier jedoch nicht geschehen. Erst zu Beginn der teilstationären Behandlung am 26.05.2014 ist erneut AU festgestellt worden. Eine Rückwirkung des Auszahlscheins vom 26.05.2014 für die Zeit bis zum 23.04.2014 kommt nicht in Betracht. Dies gilt umso mehr angesichts der allen Beteiligten bekannten Beendigung der AU durch den Hausarzt zum 23.04.2014. Die rückwirkende Feststellung von AU durch den Vertragsarzt ist entgegen §&8201;5 III 2 AU-RL nicht zulässig; §&8201;46 S 1 Nr&8201;2 SGB V stellt gerade nicht auf den Zeitpunkt des "wirklichen" oder vom Arzt attestierten Beginns der AU, sondern (bis 22.7.2015) auf den Tag ab, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung folgt (BSG 26.6.2007, B 1 KR 37/06 R, SozR 4–2500 §&8201;46 Nr&8201;2 = NZS 2008, 315 mwN) und seit 23.7.2015 auf den Tag der ärztlichen Feststellung.
Für die Zeit nach dem 26.05.2014 war der Kläger nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert. Die Versicherung als Beschäftigter wurde über den Krg-Bezug gemäß § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bis zum 23.04.2014 wegen des Bezugs von Krg fortgeführt. Auch ein nachgehender Versicherungsschutz nach § 19 Abs 2 SGB V oder die Fiktion eines Beschäftigungsverhältnisses über § 7 Abs 3 SGB IV hätten spätestens am 22.05.2014 und damit vor Feststellung der erneuten AU geendet. Die nachfolgend bestehende freiwillige Krankenversicherung des Klägers umfasst keinen Anspruch auf Krg. Zwar können auch freiwillig Versicherte, die nicht hauptberuflich selbständig tätig sind, einen Anspruch auf KrG haben (aA Gerlach in Hauck/Haines SGB V, K §&8201;44 Rn&8201;41.42, der die grds Anspruchsberechtigung der freiwillig Versicherten nach §&8201;44 Abs 1 SGB V als Redaktionsversehen des Gesetzgebers wertet). Voraussetzung ist jedoch, dass sie bei Entstehen des Anspruchs auf Krg aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, das der Beitragsberechnung unterlag. Diese Einschränkung rechtfertigt sich aus der Entgeltersatzfunktion des Krg (vgl auch § 47 SGB V). Anspruch auf Krg haben demnach zB freiwillig Versicherte mit einem Einkommen über der Jahresarbeitsentgeltgrenze (KassKomm/Brandts SGB V §&8201;44 Rn&8201;24 ff u 67; Sonnhoff in jurisPK SGB V 3.&8201;Aufl 2016, §&8201;44 Rn&8201;19 u 42 f). Ein solcher Fall lag beim Kläger nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld (Krg) über den 23.04.2014 hinaus.
Der 1973 geborene Kläger war aufgrund seiner Beschäftigung als stellvertretender Filialleiter in einem Supermarkt pflichtversichertes Mitglied bei der Beklagten. Ab 18.09.2013 war der Kläger arbeitsunfähig wegen Anpassungsstörungen (F43.2), so dass er zunächst Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber erhielt und ab 30.10.2013 Krg. Auf Anfrage der Beklagten übersandte der Hausarzt B. einen Befundbericht vom 13.12.2013, in dem er Arbeitsfähigkeit voraussichtlich ab 31.12.2013 mitteilte und angab, bei der Überwindung der Arbeitsunfähigkeit (AU) gebe es andere Probleme, ein Arbeitsplatzwechsel sei notwendig. In der Folgezeit stellte Herr B. Auszahlscheine mit den Diagnosen F43.2 und Panikstörung (F41.0) aus.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Nachdem dieser in seiner Stellungnahme vom 22.01.2014 mitgeteilt hatte, aktuell ergäbe sich keine AU, da der Allgemeinmediziner B. Arbeitsfähigkeit ab 31.12.2013 angegeben habe, beendete die Beklagte mit Bescheid vom 22.01.2014 die Gewährung von Krg zum 24.01.2014. Der Kläger legte Widerspruch ein und verwies auf ein Attest seines Hausarztes B. vom 28.01.2014, wonach sich schon bei der Vorstellung, er müsse wieder zur Arbeit, erneute Beschwerden eingestellt hätten mit maximalem Blutdruckanstieg, Herzklopfen und Schlafstörungen. Dr. P. vom MDK regte die Beiziehung eines aktuellen Befundberichts des behandelnden Psychiaters an. Die Beklagte hob daraufhin den Bescheid vom 22.01.2014 auf. Die Sachbearbeiterin der Beklagten führte am 07.02.2014 ein Telefonat mit dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Suchtmedizin Dr. Bö., der ausweislich der Aktennotiz vom gleichen Tag mitgeteilt hatte, er werde die Arztanfrage nicht beantworten, da der Kläger zuletzt am 27.01.2014 bei ihm gewesen sei, er ihn nicht arbeitsunfähig geschrieben habe und ihn auch für arbeitsfähig halte. Im beigezogenen Befundbericht vom 10.02.2014 führte Dr. Bö. zum Befund aus: "Wacher, allseits orientierter Patient, moros verstimmt wegen der derzeitigen Situation. Keine Hinweise auf depressives Erleben, keine Hinweise auf Suizidalität." Bei Beurteilung und Therapie gab Dr. Bö. an, eine weitere Krankschreibung sei aus seiner Sicht nicht möglich. Der Patient habe zwar ein regelrechtes Vermeidungsverhalten entwickelt, jedoch sei ihm auch von Seiten des Arbeitgebers eine Wiedereingliederung angeboten worden. Er habe ihm geraten, diesen Weg wenigstens zu versuchen. Der Hausarzt B. gab nach einem Telefonat mit der Beklagten im Auszahlschein vom 12.02.2014 als letzten Tag der AU den 14.02.2014 an.
Mit Bescheid vom 11.02.2014 beendete die Beklagte die Gewährung von Krg mit dem 14.02.2014. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Der Hausarzt B. stellte unter dem 14.02.2014 eine AU-Bescheinigung aus mit der Diagnose Thorax-Schmerz, organisch nicht erklärbar. Weitere AU-Bescheinigungen mit dieser Diagnose wurden für die Zeit bis einschließlich 25.03.2014 ausgestellt. Im Befundbericht vom 25.03.2014 teilte Herr B. die Diagnose Thorax-Schmerzen mit, zusätzlich bestehe eine Panikstörung. Der Kläger nahm seinen Widerspruch nach Akteneinsicht zurück.
Der Kläger legte weitere Auszahlscheine vom 08.04.2014 und 23.04.2014 ausgestellt vom Hausarzt B. vor mit den Diagnosen F41.0 und F43.2. Es sei weiter Krg zu bezahlen, da die Voraussetzungen für eine Entgeltfortzahlung nicht vorlägen. Am 25.04.2014 führte ein Sachbearbeiter der Beklagten ausweislich einer Aktennotiz zunächst ein Telefonat mit Dr. Bö., der mitgeteilt habe, der Kläger sei arbeitsfähig. Es handele sich um einen Arbeitsplatzkonflikt, der nicht durch eine AU-Attestierung zu lösen sei. Der Hausarzt B. teilte in seinem Telefonat dem Sachbearbeiter mit, in seiner Not habe er den Kläger arbeitsunfähig geschrieben. Nach Rücksprache mit Dr. Bö. teile er dessen Ansicht, dass eine weitere AU nicht begründet sei. Der Kläger trete in der Praxis sehr fordernd auf. Mit Schreiben vom 07.05.2014 teilte die Beklagte dem früheren Bevollmächtigten des Klägers mit, AU habe lediglich bis 14.02.2014 bestanden. Die fälschlicherweise vorgenommene Krg-Zahlung für den Zeitraum 29.03.2014 bis 23.04.2014 begründe keine Anerkennung weiterer AU.
Am 12.06.2014 legte der Kläger einen Auszahlschein vom 10.06.2014 vor, ausgestellt vom C. G., mit welchem ein Krankenhausaufenthalt ab 26.05.2014 bestätigt und AU bis auf weiteres bejaht wurde.
Mit Bescheid vom 26.06.2014 gewährte die Beklagte Krg für die Zeit vom 15.02.2014 bis 29.03.2014 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Über den 23.04.2014 hinaus werde kein Krg mehr bezahlt, da unabhängig von der Einschätzung des MDK auch eine notwendige AU-Bescheinigung fehle. Die Mitgliedschaft aufgrund der Beschäftigung sei durch den Arbeitgeber zu beenden. Nach Hinweis der Beklagten meldete der Arbeitgeber den Kläger zum 22.05.2014 aus dem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ab.
Die teilstationäre Behandlung im C. G. endete am 08.08.2014. Der Kläger legte in der Folgezeit weitere Auszahlscheine vor.
Der Kläger legte vorsorglich gegen den Bescheid vom 26.06.2014 Widerspruch ein und machte geltend, die AU sei durch die Auszahlscheine vom 08.04. und 23.04.2014 festgestellt und bescheinigt. Ab dem 26.05.2014 habe die teilstationäre Behandlung stattgefunden. Der Kläger sei durchgehend arbeitsunfähig gewesen, was auch im Entlassungsbericht des C.es vom 08.08.2014 bestätigt werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der MDK habe AU verneint, deshalb bestehe kein Anspruch auf Krg über den 23.04.2014 hinaus. Zudem habe weder ein Facharzt noch der Hausarzt gegen die Beendigung der AU zum 23.04.2014 ärztlichen Widerspruch entsprechend der AU-Richtlinien erhoben. Daher habe der Anspruch auf Krg gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geruht, solange AU nicht nachgewiesen werde. Nachdem der Anspruch auf Krg mit dem 23.04.2014 geendet habe, habe auch das Versicherungsverhältnis zum 22.05.2014 geendet. Eine nachfolgende freiwillige Versicherung beinhalte keinen Anspruch auf Krg, so dass eine spätere AU keinen Krg-Anspruch mehr begründe.
Hiergegen richtet sich die am 25.11.2014 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage. Der Kläger sei über den 23.04.2014 hinaus erheblich psychisch erkrankt und deshalb arbeitsunfähig gewesen. Er habe an unkontrollierbaren Panikattacken und Depressionen gelitten. Die Abmeldung des Klägers durch den Arbeitgeber sei unwirksam, da das Arbeitsverhältnis weiterhin ungekündigt fortbestehe.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Dr. Bö. hat mit Schreiben vom 02.02.2014 mitgeteilt, er habe den Kläger am 29.01.2014 nicht mehr krankgeschrieben und dies mit dem Hausarzt so besprochen. Ab diesem Zeitpunkt sei der Patient aus nervenärztlicher Sicht arbeitsfähig gewesen. In der Folge habe es nur noch kurze Kontakte am 10.03. und 28.04.2014 gegeben. Letztlich habe er den Patienten auf dessen Drängen in die Tagesklinik eingewiesen. Hausarzt B. hat unter dem 04.02.2015 ausgeführt, der Kläger sei ab 24.04.2014 als Verkäufer arbeitsfähig gewesen. Dass er zu seinem alten Arbeitsplatz nicht zurückgekehrt sei, sei kein gesundheitliches Problem gewesen, bei einem anderen Arbeitgeber hätte er gearbeitet. In dem beigefügten Auszug aus den Karteikarten wird unter dem 23.04.2014 ua festgehalten: "bisschen besser, faul, geht nicht spazieren, selber gemessene RR-Werte ... nie sehr hoch, nimmt kein Antidepressivum, braucht noch manchmal Novaminsulfin". Unter dem 07.05.2014 ist in den Karteikarten ausgeführt: "im Juni Tagesklinik ..., Knieschmerz, Auszahlschein geht nicht, letzter Tag AU 24.04". Unter dem 12.05.2014 ist eingetragen: "verhandelt mit Anwalt, soll Arbeitsverhältnis auflösen und Bescheinigung einer Kündigung aus gesundheitlichen Gründen." PD Dr. H. von der Klinik C. hat mit Schreiben vom 05.02.2015 die Diagnosen mitgeteilt: Agoraphobie mit Panikstörung, mittelgradige depressive Episode, kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen. Eine Aussage zur Frage der Arbeitsfähigkeit könne er erst ab dem Zeitpunkt der teilstationären Behandlung ab 26.05.2014 machen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme sei der Kläger als nicht arbeitsfähig eingeschätzt worden. Im Behandlungsverlauf habe sich eine leichte Besserung der depressiven Symptomatik gezeigt, der Kläger sei am 08.08.2014 arbeitsunfähig entlassen worden. Er gehe davon aus, dass der Kläger bereits mehrere Wochen vor der Aufnahme in die Tagesklinik durchgängig arbeitsunfähig krank gewesen sei. Die neue Hausärztin des Klägers Dr. St. hat unter dem 26.02.2015 mitgeteilt, bei ihr sei der Kläger erst ab 17.07.2014 in Behandlung gewesen. Nach ihrer Auffassung habe Arbeitsfähigkeit nach dem 23.04.2014 nicht bestanden.
Mit Urteil vom 15.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger nicht habe nachweisen können, dass über den 23.04.2014 hinaus bis zu seiner Aufnahme zur teilstationären Behandlung ab 26.05.2014 AU vorgelegen habe. Darüber hinaus fehle es ab 07.05.2014 an einer ordnungsgemäßen ärztlichen Feststellung der AU im Sinne der §§ 46, 49 SGB V. Der Kläger habe seit September 2013 an einer Anpassungsstörung und Panikstörung gelitten. Bereits im Befundbericht vom 10.02.2014 habe Dr. Bö. den Hausarzt darauf hingewiesen, dass aus nervenärztlicher Sicht keine AU mehr vorgelegen habe, sondern ein reines Vermeidungsverhalten des Klägers. Er habe den Kläger aufgefordert, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Der Hausarzt B. habe zwar am 23.04.2014 dem Kläger nochmals einen Auszahlschein ausgestellt, allerdings habe er gegenüber der Beklagten angegeben, der Kläger habe insoweit eine fordernde Haltung eingenommen und er habe in seiner Not den Auszahlschein ausgestellt. In seiner sachverständigen Zeugenaussage habe er ausgeführt, dass der Kläger als Verkäufer arbeitsfähig gewesen sei. Dass er zu seinem alten Arbeitsplatz nicht zurückgekehrt sei, sei kein gesundheitliches Problem gewesen. Aus dem Entlassungsbericht des C.s G. sei zu entnehmen, dass im Mai 2013 wegen einer Lohnkürzung ein arbeitsgerichtlicher Rechtsstreit vom Kläger gegen seinen Arbeitgeber geführt worden sei und sich danach der Arbeitsplatzkonflikt verstärkt habe. Darüber hinaus habe er sich bei einer Beförderungsmöglichkeit im Herbst 2013 übergangen gefühlt. Sowohl Dr. Bö. als auch der Hausarzt B. seien der Auffassung gewesen, dass der Kläger jedenfalls über den 23.04.2014 hinaus nicht mehr arbeitsunfähig gewesen sei. Aus den Ausführungen der Ärzte des C.es könne ebenfalls nicht darauf geschlossen werden, dass AU über den 23.04.2014 hinaus vorgelegen habe, denn diese Ärzte hätten den Kläger tatsächlich erst ab 26.05.2014 untersucht und behandelt. Jedenfalls ab 07.05.2014 mangele es auch an einer ärztlichen Feststellung einer AU. Der Kläger habe den Auszahlschein vom 23.04.2014 eingereicht. Am 07.05.2014 sei er erneut bei seinem Hausarzt gewesen, um einen neuen Auszahlschein zu holen. Bei diesem Termin habe der Hausarzt die Ausstellung eines Auszahlscheines verweigert. Der Kläger habe daher zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass ihm der Hausarzt AU nicht mehr bescheinige und somit die Voraussetzungen für einen Krg-Anspruch nicht gegeben seien. Er könne sich daher auch nicht darauf berufen, dass der Auszahlschein vom 23.04.2014 keinen Endzeitpunkt enthalte. Ab dem 07.05.2014 fehle es neben dem Vorliegen von AU auch an einer wirksamen ärztlichen Feststellung der AU im Sinne des § 46 Satz 1 Nr 1 SGB V. Auch für die Zeit ab 26.05.2014, der teilstationären Behandlung, stehe dem Kläger kein Anspruch auf Krg zu, denn er sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen. Nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V bestehe Versicherungspflicht für Arbeitnehmer, wenn die Beschäftigung gegen Entgelt erfolge. Gemäß § 7 Abs 3 Satz 1 SGB IV gelte eine Beschäftigung gegen Entgelte als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauere, jedoch nicht länger als einen Monat. Das Ende des Fiktionstatbestandes sei damit der 22.05.2014, mithin der Zeitpunkt, zu welchem der Arbeitgeber den Kläger auch abgemeldet habe. Ein Anspruch bestehe auch nicht über den 23.04.2014 hinaus nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V, da dem Kläger ab diesem Zeitpunkt kein Anspruch auf Krg zustehe und er auch kein Krg bezogen habe. Auch nach § 19 SGB V bestehe kein nachgehender Anspruch, denn der Zeitraum des § 19 Abs 2 SGB V decke sich hier mit dem Zeitraum des fiktiven Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 7 Abs 3 SGB IV und sei bei Eintritt der neuen Arbeitsunfähigkeit am 26.05.2014 bereits abgelaufen gewesen.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 20.08.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 22.09.2015 (Montag) eingelegte Berufung des Klägers. Das SG habe sich ausschließlich auf die schriftlich eingeholten Atteste der Ärzte Dr. Bö. und B. verlassen, es hätte diese jedoch als Zeugen persönlich hören müssen. Der Kläger hätte dann die Möglichkeit gehabt, die Zeugen mit Vorhaltungen zu konfrontieren. Auch die notwendige teilstationäre Behandlung sei ab 26.05.2014 im Zustand der AU angetreten worden. Eine solche Behandlung sei nicht ohne entsprechenden Vorlauf möglich, so dass die Aussage, für April und Mai sei nicht von AU auszugehen, eine nicht haltbare Unterstellung des Erstgerichts darstelle. Sowohl der Hausarzt als auch der Psychiater hätten offensichtlich Kontakt mit der Beklagten und dem dortigen Sachbearbeiter gehabt. Nicht auszuschließen sei, dass der ungewöhnliche Fall der direkten Kontaktaufnahme zwischen Krankenkasse und dem behandelnden Arzt auf Seiten des Arztes dazu geführt habe, die Auffassung der Beklagten zu übernehmen und von der eigentlichen ärztlichen Überzeugung abzuweichen. Soweit das SG argumentiere, der Auszahlschein vom 23.04.2014 hätte jedenfalls ab 07.05.2014 keine Gültigkeit mehr gehabt, wäre es naheliegend gewesen, dem Kläger Krg zumindest bis zum 07.05.2014 zuzusprechen. Vollkommen außer Acht gelassen werde, dass der Kläger offensichtlich mit seinen beiden behandelnden Ärzten eine erhebliche inhaltliche Meinungsverschiedenheit über das Ausmaß der bestehenden Erkrankung gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15.07.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 26.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 23.04.2014 hinaus Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte schließe sich den vom SG eingeholten Zeugenaussagen bzw den daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen ausdrücklich an. Es sei nicht nachvollziehbar, was der Kläger damit zum Ausdruck bringen wolle, dass die Zeugen hätten persönlich vorgeladen werden sollen, damit der Kläger ihnen hätte Vorhaltungen machen können. Soweit der Kläger ausführe, dass keine medikamentöse Behandlung sondern eine Gesprächstherapie angezeigt gewesen sei, begründe dies keine Arbeitsunfähigkeit, zudem sei eine derartige Behandlung nach dem Datenbestand der Beklagten nicht erfolgt. Soweit der Kläger erhebliche Meinungsverschiedenheiten mit seinen Ärzten angebe, werde er akzeptieren müssen, dass ein subjektives Empfinden und eine objektive fachliche Beurteilung voneinander abweichen könnten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 26.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Krg über den 23.04.2014 hinaus. Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 Nr 2 SGB V). Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (BSG 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7).
Die Voraussetzungen eines Krg-Anspruchs, also nicht nur die AU, sondern auch die ärztliche Feststellung der AU, müssen bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krg-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12). Zudem muss der Versicherte die AU und deren Fortdauer grundsätzlich rechtzeitig ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V melden (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1).
Die ärztliche Feststellung der AU ist keine reine Formalität, sondern Voraussetzung der Entstehung des Anspruchs auf Krg. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender AU sollen beim Krankengeld Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten. Als Regelfall geht das Gesetz davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigte Versicherte selbst die notwendigen Schritte unternimmt, um die mögliche AU feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Mit Blick darauf muss die AU nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat. Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der AU grundsätzlich rechtzeitig vor Ablauf der Befristung der bisherigen Attestierung ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wenn er das Erlöschen oder Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden will. Sowohl bei der ärztlichen Feststellung als auch der Meldung der AU handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Feststellung oder Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Regelmäßig ist danach die Regelung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V strikt zu handhaben (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04, BSGE 95, 219, SozR 4-2500 § 46 Nr 1; vgl auch BSG 10.05.2012, B 1 KR 20/11 R, (juris)). Die Obliegenheit zur rechtzeitigen Meldung entfällt selbst dann nicht, wenn das Ende der Frist auf einen Sonntag fällt oder der Arzt den Versicherten nicht oder unzutreffend rechtlich beraten hat (BSG 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 6; für die ab 23.07.2015 geltende Rechtslage vgl § 46 Satz 2 idF vom 16.07.2015, BGBl I 1211).
Das bei Entstehen eines Anspruchs auf Krg bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krg hat (BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007 B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14). Der Kläger war beim erstmaligen Entstehen des Krg-Anspruchs gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V mit Anspruch auf Krg bei der Beklagten versichert. Die durch das Beschäftigungsverhältnis begründete Mitgliedschaft des Klägers blieb gemäß § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bis zum 23.04.2014 erhalten, da der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt Krg bezog.
Bei Versicherten, die im Zeitpunkt der Beurteilung der AU in einem Arbeitsverhältnis stehen und einen Arbeitsplatz inne haben, liegt AU vor, wenn diese Versicherten die an ihren Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen können. Die Krankenkasse darf diese Versicherten, solange das Arbeitsverhältnis besteht, nicht auf Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber verweisen, die sie gesundheitlich noch ausüben könnten. Dem krankenversicherten Arbeitnehmer soll durch die Krg-Gewährung gerade die Möglichkeit offengehalten werden, nach Beseitigung des Leistungshindernisses seine bisherige Arbeit wieder aufzunehmen (BSG 07.12.2004, B 1 KR 5/03 R, BSGE 94, 19 mwN). Maßgebender Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ist daher die Tätigkeit als stellvertretender Filialleiter im Supermarkt.
Für diese konkrete Tätigkeit ist schon ab Februar 2014 nicht nachgewiesen, dass tatsächlich AU bestand. Der Neurologe und Psychiater Dr. Bö. hat sich schon Ende Januar 2014 auf den Standpunkt gestellt, dass aus nervenärztlicher Sicht Arbeitsfähigkeit bestehe, er hat dem Kläger geraten, eine Wiedereingliederung bei seinem Arbeitgeber zumindest zu versuchen und hielt dies offensichtlich trotz des Vermeidungsverhaltens, das der Kläger entwickelt hatte, für zumutbar. Auch der im Befundbericht vom 10.02.2014 mitgeteilte psychische Befund lässt gravierendere Einschränkungen nicht erkennen. Da maßgebend die psychischen Beeinträchtigungen sind angesichts der festgestellten Erkrankungen Panikstörung und Anpassungsstörung, kommt der Einschätzung des Facharztes ein besonderes Gewicht zu. Auch der Hausarzt Herr B. hat sich indes dieser Beurteilung angeschlossen. Er ist zunächst von Arbeitsfähigkeit ab 31.12.2013 ausgegangen, hat dann allerdings weiter AU bescheinigt mit dem Ende 14.02.2014 und sodann nochmals zunächst wegen unklarer Thorax-Schmerzen und dann wieder wegen der Diagnosen F41.0 und F43.2 AU angenommen. Der letzte Auszahlschein datiert vom 23.04.2014. Danach hat auch Herr B. keine AU mehr angenommen. Ob im Zeitraum davor noch AU vorlag, spielt für den Rechtsstreit keine Rolle, da die Beklagte bis 23.04.2014 Krg gezahlt hat. Über diesen Zeitraum hinaus ist jedoch nicht nachgewiesen, dass eine AU aus gesundheitlichen Gründen vorlag. Zwar lag ein Arbeitsplatzkonflikt vor, die gesundheitlichen Einschränkungen selbst sind jedoch nicht in einem Ausmaß nachgewiesen, dass von krankheitsbedingter AU ausgegangen werden kann. Nichts anderes ergibt sich aus den Einschätzungen der behandelnden Ärzte des C.es G., denn diese haben den Kläger erst am 26.05.2014 erstmals gesehen und können daher aus eigener Anschauung keine Angaben zu seinem gesundheitlichen Zustand Ende April machen. Gleiches gilt für die ab Juli 2014 behandelnde Hausärztin Dr. St ... Insoweit ist auch anzumerken, dass der psychische Befund des Klägers für die Zeit ab Ende Mai 2014 deutlich gravierendere Einschränkungen enthält (vgl Entlassungsbericht C. vom 08.08.2014), als er sich zuvor im Rahmen der ambulanten Behandlung dargestellt hatte. Dies spricht für eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung.
Ob es für die Zeit nach dem 23.04.2014 zudem an einer ärztlichen Feststellung der AU fehlt, weil Auszahlscheine grundsätzlich (aber entgegen der st Rspr des BSG) rückwirkend für die Vergangenheit ausgestellt werden, kann offen bleiben. Ab dem 07.05.2014 fehlt es in jedem Fall an einer solchen Feststellung. An diesem Tag hat der Kläger seinen Hausarzt B. erneut aufgesucht, zu diesem Termin hat dieser ausdrücklich die erneute Ausstellung eines Auszahlscheines abgelehnt. Selbst wenn an diesem Tag eine ärztliche Fehlbeurteilung vorgelegen hätte, könnte sich der Kläger nur dann darauf berufen, wenn er innerhalb der Frist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V bei der Beklagten die aus seiner Sicht erfolgte Fehlbeurteilung durch den Arzt gemeldet hätte (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, BSGE 95, 219). Dies ist hier jedoch nicht geschehen. Erst zu Beginn der teilstationären Behandlung am 26.05.2014 ist erneut AU festgestellt worden. Eine Rückwirkung des Auszahlscheins vom 26.05.2014 für die Zeit bis zum 23.04.2014 kommt nicht in Betracht. Dies gilt umso mehr angesichts der allen Beteiligten bekannten Beendigung der AU durch den Hausarzt zum 23.04.2014. Die rückwirkende Feststellung von AU durch den Vertragsarzt ist entgegen §&8201;5 III 2 AU-RL nicht zulässig; §&8201;46 S 1 Nr&8201;2 SGB V stellt gerade nicht auf den Zeitpunkt des "wirklichen" oder vom Arzt attestierten Beginns der AU, sondern (bis 22.7.2015) auf den Tag ab, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung folgt (BSG 26.6.2007, B 1 KR 37/06 R, SozR 4–2500 §&8201;46 Nr&8201;2 = NZS 2008, 315 mwN) und seit 23.7.2015 auf den Tag der ärztlichen Feststellung.
Für die Zeit nach dem 26.05.2014 war der Kläger nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert. Die Versicherung als Beschäftigter wurde über den Krg-Bezug gemäß § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bis zum 23.04.2014 wegen des Bezugs von Krg fortgeführt. Auch ein nachgehender Versicherungsschutz nach § 19 Abs 2 SGB V oder die Fiktion eines Beschäftigungsverhältnisses über § 7 Abs 3 SGB IV hätten spätestens am 22.05.2014 und damit vor Feststellung der erneuten AU geendet. Die nachfolgend bestehende freiwillige Krankenversicherung des Klägers umfasst keinen Anspruch auf Krg. Zwar können auch freiwillig Versicherte, die nicht hauptberuflich selbständig tätig sind, einen Anspruch auf KrG haben (aA Gerlach in Hauck/Haines SGB V, K §&8201;44 Rn&8201;41.42, der die grds Anspruchsberechtigung der freiwillig Versicherten nach §&8201;44 Abs 1 SGB V als Redaktionsversehen des Gesetzgebers wertet). Voraussetzung ist jedoch, dass sie bei Entstehen des Anspruchs auf Krg aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, das der Beitragsberechnung unterlag. Diese Einschränkung rechtfertigt sich aus der Entgeltersatzfunktion des Krg (vgl auch § 47 SGB V). Anspruch auf Krg haben demnach zB freiwillig Versicherte mit einem Einkommen über der Jahresarbeitsentgeltgrenze (KassKomm/Brandts SGB V §&8201;44 Rn&8201;24 ff u 67; Sonnhoff in jurisPK SGB V 3.&8201;Aufl 2016, §&8201;44 Rn&8201;19 u 42 f). Ein solcher Fall lag beim Kläger nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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