L 10 U 2051/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 4689/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2051/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.04.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Verletztenrente. Streitig ist das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).

Der am 1965 geborene Kläger stürzte am 17.07.2009 bei seiner bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als angestellter Dachdecker von einem ca. fünf Meter hohen Dach. Dabei erlitt der Kläger u. a. Rippenfrakturen und eine Lungenkontusion links, jeweils folgenlos ausgeheilt, Querfortsatzfrakturen der Lendenwirbelkörper (LWK) 1 bis 4 links sowie eine Fraktur des rechten Schulterblattes und der rechten Schulterpfanne. Nach osteosynthetischer Versorgung der rechten Schulter kam es im weiteren Verlauf zu einer Nekrose des Humeruskopfes, die zum Einsatz einer Humeruskopfprothese rechts führte. Hinsichtlich - so die Angaben des Kläger - seit dem unfallbedingten stationären Aufenthalt bestehender Sensibilitätsstörungen im Bereich des linken Fußrückens diagnostizierte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie B. pseudoradikuläre Bein-Fußbeschwerden links, am ehesten ausgelöst durch Muskel-Haltungsprobleme im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS), ohne bleibendes neurologisches oder elektrophysiologisches Defizit. Bildgebende Verfahren einschließlich Magnetresonanztomographien (MRT) ergaben keinen Hinweis auf eine traumatische Ursache dieser Beschwerden. Nachdem der Kläger von seinem Arbeitgeber als Bauleiter mit organisatorischen Aufgaben betraut worden war, trat zum 08.06.2010 Arbeitsfähigkeit ein (Bl. 279 VA).

Im Zuge der Abklärung verbliebener Unfallfolgen und deren Auswirkungen holte die Beklagte ein neurologisches Gutachten beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie B. ein, der in Bezug auf die Beschwerden im Bereich des linken Fußes (Berührungs- und Schmerzempfindlichkeit) von einem sensiblen Wurzelreizsyndrom L5/S1 links mit neuralgieformen Beschwerden, ohne elektrophysiologisches Defizit, bei Verdacht auf Bandscheibenprotrusion in Höhe L4/5 links ausging und die unfallbedingte MdE mit 5 v. H. bewertete. Prof. Dr. G. , Ärztlicher Direktor der B. Unfallklinik L. , fand eine aktiv deutlich eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes (Vorwärtsanhebung nur bis 45 Grad, Seitwärtsanhebung nur bis 40 Grad, Einschränkungen der Rotation) und schätzte die MdE hierfür mit 30 v. H., unter Berücksichtigung der vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie B. angenommenen Unfallfolgen insgesamt auf 30 v. H. ein. Hierauf gestützt bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 04.10.2010 Verletztenrente als vorläufige Entschädigung ab dem 08.06.2010 nach einer MdE um 30 v. H. In der Begründung führte sie im Einzelnen die bei der Bewertung der MdE berücksichtigten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf, u. a. das vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie B. beschriebene sensible Wurzelreizsyndrom L5/S1. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bl. 314 f. VA Bezug genommen. Während des Widerspruchsverfahrens bestätigte Prof. Dr. S. in seiner beratungsärztlichen neurologischen Stellungnahme eine MdE um 30 v. H. und verneinte insbesondere einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der Überempfindlichkeit am linken Fußrücken sowie Beschwerden auf Grund der Wirbelkörperquerfortsatzbrüche. Ausgehend von einer formellen Anerkennung von Unfallfolgen, insbesondere des sensiblen Wurzelreizsyndroms L5/S1, nahm die Beklagte mit Bescheid vom 05.09.2011 den Bescheid vom 04.10.2010 teilweise nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück und stellte fest, dass ein sensibles Wurzelreizsyndrom L5/S1 nicht Folge des Arbeitsunfalles vom 17.07.2009 ist. Den Widerspruch wies sie mit dem Kläger am 13.10.2011 zugegangenem Widerspruchsbescheid vom 11.10.2011 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 14.11.2011, einem Montag, Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Unmittelbar zuvor hatte die Beklagte ein Gutachten bei Dr. R. , Chefarzt der Chirurgischen Klinik der St. V. -Kliniken K. , veranlasst, der - jeweils links - nicht knöchern konsolidierte Querfortsatzbrüche der LWK 3 und 4, im Bereich LWK 1 regelrecht und bei LWK 2 disloziert angebaut, beschrieb, die ausgeprägten Bewegungseinschränkungen im Bereich des rechten Schultergelenkes bestätigte, ebenso Missempfindungen im Bereich des linken Fußes und Unterschenkels und die MdE mit 30 v. H. einschätzte. Hierauf gestützt hat die Beklagte mit Bescheid vom 21.05.2012 anstelle der bisherigen Rente als vorläufige Entschädigung eine Rente auf unbestimmte Zeit in gleicher Höhe bewilligt.

Das Sozialgericht hat ein neurochirurgisches Gutachten beim Direktor der Neurochirurgischen Klinik des Städtischen Klinikum K. Prof. Dr. S. eingeholt. Der Sachverständige hat in Bezug auf die Beschwerden im Bereich des linken Beines einen Verdacht auf eine chronische Neuropathie L5 links geäußert, das Trauma als hinreichend schwer zur Verursachung eines radikulären Reizsyndroms mit persistierender Neuropathie angesehen, jedoch eine lumbale Nervenwurzelaffektion oder -läsion klinisch, bildmorphologisch oder elektrophysiologisch als nicht nachgewiesen erachtet. Eine durch das Trauma verursachte und fortbestehende Neuralgie der Nervenwurzel L5 links sei denkbar und glaubwürdig, die MdE hierfür betrage 10 v. H.

Mit Urteil vom 03.04.2013 hat das Sozialgericht die auf eine Rente nach einer MdE um 40 v. H. gerichtete Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Beurteilung der MdE ist es den Gutachten von Dr. G. und Dr. R. gefolgt, die die funktionelle Einschränkung der rechten Schulter zutreffend mit 30 v. H. angesetzt hätten. Dies entspreche der unfallmedizinischen Literatur (Bezug auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 523), wonach eine höhere MdE als 30 v. H. nur bei einer kompletten Versteifung von Schultergelenk und Schultergürtel anzusetzen sei. Hieran ändere sich auch nichts, weil beim Kläger eine Oberarmkopfprothese eingesetzt worden sei, die nach der genannten Literatur bei guter Funktion mit einer MdE um 20 v. H. bewertet werde. Denn bei funktionellen Einschränkungen habe eine Gesamtbewertung zu erfolgen. Die folgenlos ausgeheilten Rippenfrakturen bedingten ebenso wenig eine MdE wie die Querfortsatzbrüche des ersten bis vierten LWK, obwohl diese teilweise nicht fest verheilt seien. Weitere Gesundheitsstörungen seien nicht zu berücksichtigen, insbesondere nicht ein sensibles Wurzelreizsyndrom L5/S1 und eine Sensibilisierung im Bereich des linken Fußrückens, weil es sich hierbei nicht um Unfallfolgen handle. So habe ein neurologisches Defizit zur Erklärung der vom Kläger beklagten Beschwerden weder in der klinischen noch in der elektrophysiologischen Untersuchung nachgewiesen werden können. Auch lasse sich kein Bezug zu der beim Unfall erlittenen Verletzung des ersten bis vierten LWK herstellen. Zwar halte Prof. Dr. S. eine traumatische Verletzungsfolge für denkbar, dies genüge aber nicht für die Anerkennung als Unfallfolge. Zum einen bedürfe es des Nachweises einer Gesundheitsschädigung im Vollbeweis, zum anderen genüge es nicht, dass für die Entstehung der Gesundheitsstörung keine konkurrierende Ursache neben dem Unfall erkennbar sei. Vielmehr müsse der Kausalzusammenhang positiv begründet werden. Ohnehin sei für das Wurzelreizsyndrom keine relevante MdE einzustellen. Dr. G. habe diese Störung unter Berücksichtigung der vom Arzt für Neurologie und Psychiatrie B. berichteten Einzel-MdE um 5 v. H. als die Gesamt-MdE nicht erhöhend berücksichtigt. Soweit Prof. Dr. S. hiervon abweichend eine Einzel-MdE um 10 v. H. annehme, sei ihm nicht zu folgen. Die vom Kläger berichteten Beschwerden würden nur vereinzelt auftreten und zu keiner funktionellen Einschränkung führen, die eine MdE um mehr als 5 v. H. rechtfertige.

Gegen das ihm am 12.04.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.05.2013 Berufung eingelegt. Er verweist insbesondere darauf, dass die Beschwerden im Bereich des linken Beines erst seit dem Unfall bestünden und ein ursächlicher Zusammenhang auch auf eine unfallbedingte Wurzelreizung zurückgeführt werden könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.04.2013 aufzuheben und den Bescheid vom 04.10.2010 in der Fassung des Bescheides vom 05.09.2011, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2012 sowie den Bescheid vom 21.05.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17.07.2009 eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v. H. ab dem 08.06.2010 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat ein radiologisches Gutachten bei Prof. Dr. W. , Universitätsklinikum H. , ein neurologisches Gutachten bei Prof. Dr. M. , Neurologische Klinik des Universitätsklinikums H. , und - auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - ein orthopädisches Gutachten bei Dr. v. S. , Chefarzt der Abteilung Orthopädie in der V. -Klinik Bad R. , eingeholt. Prof. Dr. W. hat lediglich altersentsprechende degenerative Veränderungen im Bereich der LWS ohne Hinweis auf eine traumatische Genese beschrieben und in Bezug auf die Querfortsatzfrakturen keinen Anhalt für eine Affektion von Spinalnerven gefunden. Prof. Dr. M. hat mangels neurologischem, elektrophysiologischem oder auch nur radiologischem Korrelat einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Beschwerden des Klägers im Bereich des linken Beines und dem Arbeitsunfall verneint, aber eine bisher nicht bekannte Teilschädigung des Nervus suprascapularis diagnostiziert und auf den Arbeitsunfall zurückgeführt; die MdE hierfür sei mit der chirurgischen MdE zu verrechnen. Dr. v. S. hat die vom Kläger angegebene Beschwerdesymptomatik nicht auf den Unfall zurückgeführt, sondern - alternativ - auf die unfallunabhängigen Bandscheibenprotrusionen oder die von ihm beschriebene, im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls bereits bestehende Nearthrosebildung L5 über S1 unter Einbeziehung des Iliosakralgelenkes.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist zum einen der Bescheid vom 04.10.2010, mit dem die Beklagte dem Kläger ab dem 08.06.2010 Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. als vorläufige Entschädigung bewilligte, und zum anderen der Bescheid vom 05.09.2011, mit dem sie unter der Annahme einer formellen Anerkennung von Unfallfolgen diesen Bescheid in Bezug auf ein Wurzelreizsyndrom L5/S1 teilweise zurücknahm und insoweit das Gegenteil feststellte, also das Vorliegen einer Unfallfolge verneinte, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2011. Darüber hinaus ist Gegenstand des Rechtsstreits (vgl. § 96 Abs. 1 SGG) der während des Klageverfahrens ergangene Bescheid vom 21.05.2012, mit dem die Beklagte den früheren Bescheid vom 04.10.2010 insoweit ersetzt hat, als anstelle der Rente als vorläufige Entschädigung nunmehr Rente auf unbestimmte Zeit in gleicher Höhe weiterbewilligt wurde.

Diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Insbesondere steht dem Kläger keine höhere Verletztenrente zu.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass selbst für den Fall des Vorliegens einer formellen Anerkennung von Unfallfolgen im Bescheid vom 04.10.2010, insbesondere in Bezug auf das dort im Rahmen der Bewertung der MdE berücksichtigte sensible Wurzelreizsyndrom L5/S1, der Bescheid vom 05.09.2011 über die teilweise Rücknahme des Bescheides vom 04.10.2010 insoweit und die negative Feststellung des Wurzelreizsyndroms L5/S1 als unfallunabhängig, rechtmäßig ist, weil selbst im Falle formeller Anerkennung dieser Störung diese Regelung nach § 45 SGB X mit dem Bescheid vom 05.09.2011 mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden durfte. Es ist dabei zu Recht davon ausgegangen, dass ein derartiges Wurzelreizsyndrom L5/S1 nicht Folge des Arbeitsunfalles ist. Dabei hat es einen ursächlichen Zusammenhang der vom Kläger geschilderten Beschwerdesymptomatik im Bereich des linken Beines mit dem Arbeitsunfall abgelehnt, weil ein derartiger ursächlicher Zusammenhang allenfalls denkbar, damit jedoch gerade nicht wahrscheinlich ist. Vor diesem Hintergrund hat es sich zu Recht der Auffassung des Arztes für Neurologie und Psychiatrie B. und des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. nicht angeschlossen. Darüber hinaus hat das Sozialgericht unter Darstellung der rechtlichen Grundlage für die hier begehrte Verletztenrente und der Bemessung der MdE (§ 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -) sowie der Grundsätze der Kausalitätsbeurteilung in der gesetzlichen Unfallversicherung zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger keine höhere Verletztenrente zusteht. Es hat auf der Grundlage der von der Beklagten eingeholten Gutachten zutreffend dargelegt, dass die beim Kläger vorhandenen Unfallfolgen im Bereich der rechten Schulter mit einer MdE um 30 v. H. zutreffend bewertet sind und beim Kläger keine weiteren, funktionsrelevanten Unfallfolgen vorliegen, aber selbst unter Berücksichtigung der (diagnostisch als Wurzelreizsyndrom L5/S1 erfassten) Beschwerden am linken Bein die Annahme einer höheren MdE nicht gerechtfertigt ist. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Auch die im Berufungsverfahren durchgeführte weitere Sachaufklärung hat kein für den Kläger günstiges Ergebnis erbracht. Insbesondere sind die Beschwerden des Klägers am linken Bein nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen.

Prof. Dr. W. hat in Auswertung der während des Verwaltungsverfahrens angefertigten MRT mehrere geringgradige Bandscheibenprotrusionen im Bereich der LWS mit Betonung in Höhe der LWK 4/5, allerdings nicht über das alterstypische Maß hinausgehend und ohne Hinweis auf eine traumatische Genese, sowie dislozierte Brüche der Querfortsätze der LWK 2 bis 4, im Bereich LWK 1 konsolidiert, jedoch ohne Einengung des Spinalkanals und ohne Anhalt für eine Affektion der Spinalnerven, beschrieben. Damit lässt sich eine traumatische Ursache für die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden im Bereich des linken Beines auf Grund der bildgebenden Verfahren nicht ableiten.

Prof. Dr. M. hat die vom Kläger angegebenen Schmerzen und Gefühlsstörungen mit anamnestisch beschriebener zeitweiser Fußheberschwäche weder klinisch noch elektrophysiologisch oder - entsprechend dem Gutachten von Prof. Dr. W. - radiologisch einem entsprechenden Korrelat zuordnen können. Folgerichtig hat er keine unmittelbare Ursache dieser Störungen angegeben, weil ein struktureller Nervenschaden nicht vorliege, auch wenn grundsätzlich im Rahmen des Traumas und der Fraktur der Querfortsätze eine Reizung der Nervenwurzeln am lumbalen Rückenmarksaustritt möglich sei, zum Beispiel durch ein absinkendes Hämatom, eine direkte Kompression durch Knochenfragmente oder Bandscheibenvorfälle oder durch eine bindegewebige ummauernde Verwachsung im Rahmen der Wundheilung. Da jedoch ein klinisches, radiologisches oder elektrophysiologisches Korrelat hierzu nicht habe festgestellt werden können, sei ein Zusammenhang nicht belegbar. Möglich sei eine Vielzahl physischer und psychischer Ursachen für die fortbestehende Symptomatik. Das Spektrum reiche von unterhalb der Detektionsschwelle der zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden liegenden anatomisch-funktionellen Schädigungen über pseudonervale bzw. -radikuläre Beschwerdeausprägung bei Schäden an Knochen, Bändern oder Gelenken bis hin zur innerseelischen Perpetuierung der Beschwerden.

Auch auf Grund dieses Gutachtens ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den Beschwerden im Bereich des linken Beines nicht als wahrscheinlich anzusehen. Die von Prof. Dr. M. als eine mögliche Ursache der Beschwerden am linken Bein auch angeführten Schäden im Bereich der LWS hat Prof. Dr. W. - allerdings nicht unfallbedingt - im Bereich der Wirbelsäule in Form von Bandscheibenprotrusionen, aber auch - unfallbedingt - in Form der Querfortsatzfrakturen der LWK beschrieben. Hieraus lässt sich aber lediglich die Möglichkeit einer Ursache der Beschwerden ableiten. Indessen genügt dies nicht für die Bejahung des ursächlichen Zusammenhangs. Denn hierfür bedarf es einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006 B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, auch zum Nachfolgenden). Eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt nur vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalles mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Vielmehr muss der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden. Nichts anderes gilt für den Vortrag des Klägers, die Beschwerden im Bereich des linken Beines seien nicht zwangsläufig nur auf einen Bandscheibenvorfall oder eine Bandscheibenprotrusion zurückzuführen, sondern möglicherweise auch auf eine unfallbedingte Wurzelreizung. Gerade auf eine solche - bloße - Möglichkeit hat Prof. Dr. M. ebenfalls hingewiesen (u.a. absinkendes Hämatom, Kompression durch Knochenfragmente, Verwachsung im Rahmen der Wundheilung), allerdings trotz umfassender Untersuchung hierfür keinerlei Bestätigung gefunden, die die Annahme von Wahrscheinlichkeit zulassen würde. Denn als mögliche Ursache kommen gleichermaßen jedenfalls die unfallunabhängigen Bandscheibenprotrusionen in Betracht.

Dr. v. S. hat neben den Querfortsatzfrakturen der LWK ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit nachgewiesenen Bandscheibenprotrusionen L1/2, L4/5 und L5/S1 mit intermittierenden Nervenwurzelreizerscheinungen, eine zum Unfallzeitpunkt bereits vorhanden gewesene Nearthrosebildung L5 über S1 im Bereich des linken Iliosakralgelenkes und ein subjektiv angegebenes und beklagtes Taubheitsgefühl mit Dysästhesien am linken Fußrist diagnostiziert. Als strukturelle Ursache der Beschwerden kämen die vorhandenen degenerativen Veränderungen sowohl in Form der Nearthrosebildung als auch in Form von Verschleißerscheinungen der kleinen Wirbelgelenke und Bandscheibenprotrusionen in Betracht. Das angeschuldigte Ereignis begründe einen rein zeitlichen Zusammenhang. Die Querfortsatzbrüche seien zwar nur in Höhe LWK 1 und 2 konsolidiert, die abgebrochenen Spitzen der LWK 3 und 5 lägen jedoch in den Weichteilen ohne Kontakt zu den ehemaligen Wirbelkörpern ein. Die Bandscheibenprotrusionen seien nicht unfallbedingt, ebenso wenig die vorbestehende Nearthrosebildung. Für die klinisch führende und vor allem klinisch beklagte und hauptsächlich zur Einschränkung führende Taubheit bzw. Dysästhesie am linken Fußrücken seien jedoch allenfalls die Bandscheibenprotrusionen relevant, diese jedoch nicht unfallbedingt. Unabhängig von der Kausalfrage seien die Beschwerden im Bereich des linken Beines mit 5 v. H. richtig und zutreffend beurteilt. Die unfallbedingte MdE betrage 30 v. H., dies unter Einschluss der folgenlos ausgeheilten Rippenfrakturen, der teilweise pseudarthrotisch ausgeheilten Querfortsatzfrakturen und der ebenfalls folgenlos ausgeheilten Lungenkontusion. Auch dieses Gutachten stützt somit das Begehren des Klägers auf eine höhere MdE nicht.

Unabhängig hiervon würden - auch hierauf hat das Sozialgericht zutreffend hingewiesen - die Beschwerden im Bereich des linken Beines die Gesamt-MdE nicht erhöhen. Insoweit hat Prof. Dr. M. - unabhängig von der Kausalitätsfrage - für die Beschwerden seitens des linken Beines keine MdE angenommen. Soweit der Arzt für Neurologie und Psychiatrie B. hierfür eine MdE um 5 v. H. auswies, was Dr. v. S. in seinem orthopädischem Gutachten - unabhängig von der Kausalitätsfrage - bestätigt hat, führt dies zu keiner Erhöhung der Gesamt-MdE, wie sich aus der Beurteilung von Prof. Dr. G. in seinem Gutachten für die Beklagte ergibt. Auch dies hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt, ebenso dass und warum der MdE-Einschätzung von Dr. S. insoweit nicht zu folgen ist. Schließlich sah auch Dr. R. keinen Anlass, auf Grund der Beschwerden im linken Bein die durch die Schulterverletzung geprägt MdE zu erhöhen.

Auch soweit Prof. Dr. M. auf Grund seiner Untersuchung eine bisher nicht bekannte Teilschädigung des Nervus suprascapularis diagnostiziert und auf den Arbeitsunfall zurückgeführt hat, ergeben sich keine Änderungen in Bezug auf die MdE. Denn diese Gesundheitsstörung ist im Rahmen der Betrachtung der funktionellen Einbußen der rechten Schulter bereits durch die unfallchirurgische Beurteilung berücksichtigt. Entsprechend hat Prof. Dr. M. die Teil-MdE für die beschriebene Nervenschädigung (10 v. H.) als mit der unfallchirurgischen Bewertung zu verrechnend bezeichnet.

Entgegen der vom Kläger auch zuletzt vertretenen Auffassung ist die Gesamt-MdE mit 30 v. H. zutreffend ermittelt. Soweit er auf neurologische und unfallchirurgische Funktionseinschränkungen der Schulter hinweist, ergibt sich keine andere Beurteilung, weil - wie bereits dargelegt - die neurologische Teil-MdE mit der chirurgischen Teil-MdE zu verrechnen ist. Soweit er auf die nicht vollständig ausgeheilten Querfortsatzfrakturen der LWK verweist, ergeben sich hieraus keine funktionellen Einschränkungen. Bereits Prof. Dr. G. beschrieb im Bereich der LWS eine uneingeschränkte Beweglichkeit und einen Finger-Boden-Abstand von fünf Zentimetern. Auch Dr. R. dokumentierte keine Bewegungseinschränkungen, sondern vollständige und schmerzfreie Bewegungsausmaße im Bereich der gesamten Wirbelsäule. Dies hat schließlich Dr. v. S. in seinem Gutachten bestätigt. Im Hinblick auf die Querfortsatzfrakturen hat er ausdrücklich dargelegt, dass diese lediglich bei Hartstrahlunterwassermassage mit intermittierendem Druckgefühl einhergehen, ansonsten jedoch nicht mit belastungsabhängigen Schmerzen verbunden sind.

Auch soweit der Kläger im Klageverfahren unter Bezug auf die vom Sozialgericht dargelegte unfallmedizinische Literatur ausgeführt hat, dass eine Oberarmkopfprothese bei guter Funktion eine MdE um 20 v. H. rechtfertige, er aber mit seinen funktionellen Einschränkungen mit einer MdE um 30 v. H. zu niedrig bemessen sei, trifft dies nicht zu. Denn nach der schon vom Sozialgericht herangezogenen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Seite 523) wird zwar eine Oberarmkopfprothese bei guter Funktion mit einer MdE um 20 v. H. bewertet, im Falle von "Bewegungseinschränkung Kraftminderung" aber eine MdE um 30 v. H. angesetzt. Gerade diese MdE von 30 v. H. ist dem Kläger zuerkannt. Eine MdE um 40 v. H., wie sie der Kläger begehrt, ist nach der beschriebenen unfallmedizinischen Literatur nur für eine Versteifung von Schultergelenk und Schultergürtel vorgesehen. Hierzu hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass eine derartige Situation beim Kläger gerade nicht vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved