L 11 KR 3012/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 13 KR 3752/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3012/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 27.05.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme (Reha).

Die 1956 geborene Klägerin, die keine Berufsausbildung absolvierte und zuletzt Arbeitslosengeld II bezog, befand sich vom 04.11.2010 bis 16.12.2010 zur medizinischen Reha in der S.-Klinik in A., Kostenträger war die Deutsche Rentenversicherung Bund. Aus der Reha wurde die Klägerin mit den Diagnosen rezidivierende depressive Störung (gegenwärtig mittelgradige Episode), anhaltende somatoforme Schmerzstörung, paranoide Persönlichkeitsstörung, nichtorganische Insomnie und Psoriasis-Arthropathie arbeitsunfähig entlassen. Leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (insbesondere wegen des verminderten Umstellungs- und Anpassungsvermögens) könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Aufgrund des nervenärztlichen Gutachtens des Arztes K. vom 20.06.2012 (psychische Dekompensation nach einem zahnärztlichen Eingriff im letzten Jahr, derzeit berufliche Leistungsfähigkeit quasi erloschen) bezieht die Klägerin seit 01.01.2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer.

Die behandelnde Hausärztin D. verordnete am 12.09.2012 (Bl 109 ff Verwaltungsakte) zur Verbesserung der psychischen Stabilität, dem Ausschleichen der Seroqueltherapie, Verbesserung der Beweglichkeit und Schmerzreduktion eine Reha, die die Klägerin am 12.09.2012 beantragte. Zunächst verwies die Beklagte die Klägerin auf eine akutstationäre Behandlung, die vorgesehen sei (Bescheid vom 27.09.2012), gewährte dann aber auf den Widerspruch der Klägerin nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg mit Bescheid vom 23.10.2012 eine Reha in der Klinik A. S. M. B. S ... Dort befand sich die Klägerin vom 05.11.2012 bis 06.11.2012.

Mit Bescheid vom 14.12.2012 bewilligte die Beklagte eine weitere Reha in der Schmerzklinik a. A. in B. M., wo sich die Klägerin vom 27.12.2012 bis 10.01.2013 befand.

Am 18.01.2013 sprach die Klägerin erneut bei der Beklagten vor und überreichte verschiedene Unterlagen. In einer Stellungnahme vom 14.02.2013 vertrat der MDK die Auffassung, dass auf-grund der vorgelegten Unterlagen die Notwendigkeit einer erneuten stationären Rehabilitations-maßnahme nicht nachvollzogen werden könne. Über die ablehnende Haltung des MDK informierte die Beklagte die Klägerin telefonisch am 28.02.2013. Damit war die Klägerin nicht einverstanden.

Nach Stellungnahme des MDK, Herr N., vom 19.03.2013, der zwingende Gründe für einen erneuten Rehaversuch nicht sah, führte die Beklagte mit Bescheid vom 27.03.2013 aus, eine weitere Reha könne nicht bewilligt werden (Bl 70 f Verwaltungsakte).

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, die Klinik a. A. sei nicht die richtige für die Behandlung ihrer Beschwerden gewesen, und beantragte am 30.04.2013 nochmals die Gewährung einer Reha (Bl 51, 54, 65 Verwaltungsakte).

Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der Schmerzklinik a. A. vom 25.01.2013 (Bl 23 Verwaltungsakte) bei und veranlasste die erneute Stellungnahme des MDK. Dr. M. verwies in seiner Stellungnahme vom 10.05.2013 (Bl 47 Verwaltungsakte) darauf, dass, wenn eine ambulante Behandlung nicht durchführbar sei, auch die Notwendigkeit einer akutstationären Behandlung zu prüfen sei, aber für die Durchführung einer Reha keine zwingenden medizinischen Gründe sprechen würden.

Vom 16.10.2013 bis 29.10.2013 befand sich die Klägerin in akutpsychiatrischer Behandlung in der S.-Klinik in A ... Die Behandlung wurde wegen einer Magenerkrankung abgebrochen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2013 (Bl 1 Verwaltungsakte) wies die Beklagte nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des MDK (Bl 20 Verwaltungsakte) den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.02.2013 zurück. Der MDK habe nicht feststellen können, dass ambulante Behandlung nicht ausreichend sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 20.11.2013 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zur Begründung vorgebracht, verschiedene Ärzte befürworteten die Durchführung einer Reha. Die Reha A. S. M. habe bereits am zweiten Tag wegen schwerwiegender allergischer Reaktionen beendet werden müssen, bei der Klinik a. A. habe es sich um eine reine Schmerzklinik gehandelt, in der psychosomatische Behandlungen nicht möglich gewesen wären. Dort sei jedoch eine weitere stationäre psychotherapeutische Reha empfohlen worden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die Stellungnahme des Obermedizinalrats F. vom 28.09.2012 vorgelegt, der keine ausreichenden Behandlungserfolgsaussichten gesehen hat.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandeln-den Ärzte (Bl 42 ff SG-Akte). Die Neurologin Dr. B. hat unter dem 24.03.2014 über sechs Vorstellungen bis 19.09.2013 berichtet und den Verdacht auf tardive Dyskinesien nach Neuroleptika-Einnahme diagnostiziert. Es sei diesbezüglich keine Therapieeinleitung erfolgt, da die Klägerin medikamentösen Behandlungsversuchen gegenüber ablehnend eingestellt sei. Eine Behandlung anderweitiger Erkrankungen sei nicht erfolgt. Eine Reha könne grundsätzlich geeignet sein, den psychischen Zustand positiv zu beeinflussen, da die ambulante Führung der Klägerin in jeder Hinsicht schwierig sei. Die Neurologin Dr. A. hat am 07.04.2014 ausgeführt, die Klägerin sei zuletzt am 24.06.2013 vorstellig gewesen. In der Vergangenheit seien verschiedene Möglichkeiten der ambulanten Therapie eingehend ausprobiert worden, die die Gesundheit nicht stabilisiert hätten. Deshalb sei eine Reha erforderlich. Die Hausärztin D. hat am 24.04.2014 über die regelmäßigen Behandlungen der Klägerin berichtet und Arztbriefe vorgelegt; die Frage der Reha solle fachärztlich geklärt werden.

Die Klägerin hat zu den Berichten einen ergänzenden Bericht der Dr. B. sowie des Prof. Dr. W. vorgelegt und zum Abbruch der Behandlung in der S.-Klinik erklärt, dort sei ihr wegen der Magenerkrankung eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus angeboten worden. Dies habe sie abgelehnt und ambulant eine Sonographie durchführen lassen. Aufgrund des Stresses und Mobbings durch Mitpatienten habe sich ihr psychischer Zustand verschlechtert. Psycho-therapeutisch sei sie in der Klinik schlechter versorgt gewesen als zu Hause.

Das SG hat die Akte der Deutschen Rentenversicherung Bund beigezogen.

Auf den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer orthopädisch ausgerichteten Reha hat die Beklagte den MDK befragt. Herr R. ist in seinem Gutachten vom 18.08.2014 (Bl 212 SG-Akte) nach persönlicher Untersuchung der Klägerin zum Ergebnis gekommen, ein Bedarf für die Reha sei vorhanden, allerdings die Behandlung schwer zu trennen zwischen muskuloskeletaler und psychosomatischer Reha. Da sich ein deutliches chronifiziertes Schmerzsyndrom, eine chronifizierte Angst-Panikstörung und eine durchgängig depressive Verstimmung erkennen lasse, sei die Notwendigkeit einer Intensivierung der psychiatrischen Behandlung erforderlich. Dem Grunde nach bestehe Rehabilitationsbedarf, die Rehabilitationsfähigkeit sei allerdings nicht sicher zu bestätigen.

Vom 05.10.2014 bis 15.10.2014 befand sich die Klägerin in einer orthopädisch ausgerichteten Reha in der Kurklinik E. auf Kosten der Beklagten. Im Entlassungsbericht vom 31.10.2014 schildert Dr. R. heftige Konflikte der Klägerin mit der Verwaltung des Hauses schon bei Anreise. Aufgrund psychischer Dekompensation sei die Behandlung am 15.10.2014 abgebrochen worden.

Bezüglich eines Antrags auf eine erneute orthopädische Reha hat Herr R. vom MDK mit Stellungnahme vom 23.12.2014 erklärt, eine erneute rein muskuloskeletale Reha könne nicht empfohlen werden, da keine ausreichend günstige Rehabilitationsprognose zu beschreiben sei.

Das SG hat weiteren Beweis erhoben durch die Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens. Dr. L. hat im Gutachten vom 16.03.2015 (Bl 235 SG-Akte) eine dysfunktionelle Myoarthro-pathie, Dyskinesie der Zungenschlundmuskulatur, ein schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit Ausstrahlung, anamnestisch Restless Legs, eine unklare sensible Hemisymptomatik links und eine Persönlichkeitsstörung mit rezidivierender Depressivität und Angst diagnostiziert. Eine Reha sei unter keinen Umständen sinnvoll und aussichtsreich, da die Klägerin nicht rehafähig sei. Eine längerfristige ambulante Behandlung sei notwendig.

Die Klägerin hat hierzu vorgebracht, Dr. L. gründe seine Schlussfolgerung teilweise auf fehlerhafte, teilweise verkürzte Darstellung der Beschwerden und des Krankheitsverlaufs der Klägerin und hierzu vorgetragen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 27.05.2015 die Klage ab-gewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme (unabhängig davon, ob diese psychosomatisch oder orthopädisch ausgerichtet sei). Denn ihr fehle die Rehabilitationsfähigkeit. Versicherte seien rehabilitationsfähig, wenn sie aufgrund ihrer somatischen und psychischen Verfassung die für die Durchführung und Mitwirkung bei der Leistung zur medizinischen Rehabilitation notwendige Belastbarkeit und Motivation oder Motivierbarkeit besäßen. Auch wenn die Klägerin in der Vergangenheit zahlreiche Maßnahmen bis zum Ende erfolgreich abgeschlossen habe, habe sich mittlerweile ein Zustand ergeben, der keine ausreichende Belastbarkeit mehr für die Durchführung einer Reha ergebe. Dies sei begründet in der kombinierten Persönlichkeitsstörung der Klägerin, weshalb sich zuletzt bei multiplen Krankenhausaufenthalten (auch Rehabilitationsaufenthalte) wiederholt Probleme im Behandlungssetting, im Umgang mit den einzelnen Therapeuten oder mit Mitpatienten ergeben haben. Die Untersuchung bei Dr. L. habe dies bestätigt. Die Klägerin sei, wie der Gutachter nachvollziehbar dargelegt habe, nur eingeschränkt kooperativ, wenig flexibel und verfüge über eine eingeschränkte Introspektionsfähigkeit wie auch eine eingeschränkte Befähigung zur kooperativen verbalen Konfliktlösung. In Belastungssituationen und Einengungssituationen somatisiere sie bzw erlebe sie im Ansatz vorhandene Beschwerden verstärkt. Insgesamt bestehe daher die Notwendigkeit ambulanter Behandlung, ggf auch um die Rehabilitationsfähigkeit überhaupt erst herzustellen.

Gegen den ihrer Bevollmächtigten am 08.06.2015 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat die Klägerin am 06.07.2015 beim SG Berufung eingelegt, welche dem Landessozialgericht Baden-Württemberg am 20.07.2015 vorgelegt worden ist. Es werde gebetsmühlenartig an ihrer Rehabilitationsfähigkeit und ihrer Motivation gezweifelt. Dies könne weder bewiesen werden noch sei es zutreffend. Die verschiedenen Abbrüche von Reha-Maßnahmen über Krankenhausaufenthalten seien medizinisch begründet gewesen. Ihre behandelnden Ärzte hätten mehrfach die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme befürwortet.

Die Klägerin hat Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Dies hat der Senat mit Beschluss vom 14.08.2015 abgelehnt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 27.05.2015 und die Bescheide der Beklagten vom 28.02.2013 und 27.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.10.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und auf die Ausführungen des SG Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Gerichtsakten erster Instanz und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Deutschen Rentenversicherung Bund Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Der Gerichtsbescheid des SG vom 27.05.2015 ist nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme (unabhängig davon, ob diese psychosomatisch oder orthopädisch ausgerichtet sei). Denn ihr fehlt die Rehabilitationsfähigkeit.

Die Beklagte ist zuständiger Rehabilitationsträger.

Rehabilitationsträger ist der gem § 14 Abs 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) erstangegangene oder der im Wege der Weiterleitung zweitangegangene Rehabilitationsträger. Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs 4 SGB V. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf gemäß § 14 Abs 2 S 1 SGB IX unverzüglich fest. Die Zuständigkeit nach § 14 Abs 1 und 2 SGB IX ist gegenüber dem behinderten Menschen eine ausschließliche Zuständigkeit. § 14 SGB IX zielt darauf ab, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern die Zuständigkeit schnell und dauerhaft zu klären. Der zuständige Träger hat deshalb den Anspruch des Leistungsberechtigten an Hand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind (sog "aufgedrängte Zuständigkeit", BSG 26.06.2007, B 1 KR 36/06 R, SozR 4-2500 § 40 Nr 4; 26.10.2004, B 7 AL 16/04 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 1).

Da die Klägerin die Reha bei der Beklagten beantragt hat, ist diese zuständiger Rehabilitationsträger. Die in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen finden sich nur im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), nicht auch im Rentenversicherungsrecht nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Denn eine Reha nach Rentenversicherungsrecht ist gemäß § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI ausgeschlossen, da die Klägerin eine Leistung, hier eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer, bezieht, die regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt wird.

Versicherte haben nach § 11 Abs 2 S 1 SGB V Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Re-habilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Reicht eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse gemäß § 40 Abs 1 S 1 SGB V aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen. Reichen auch ambulante Rehabilitationsleistungen nicht aus, erbringt die Krankenkasse gemäß § 40 Abs 2 S 2 SGB V stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a SGB IX zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. Die Krankenkasse bestimmt gemäß § 40 Abs 3 S 1 SGB V nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der stationären Rehabilitation sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen.

Darüber hinaus können Leistungen nach § 40 Abs 3 Satz 4 SGB V nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. "Dringend erforderlich" bedeutet dabei, dass ohne die vorzeitige Wiederholung einer Reha mit erheblichen gesundheitlichen Schäden oder Nachteilen zu rechnen ist.

Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Anspruchs nach Krankenversicherungsrecht wird deutlich, dass die genannten Vorschriften ein Stufenverhältnis der verschiedenen Maßnahmen der Krankenbehandlung vorsehen, das bereits aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V folgt, wonach die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Daraus folgt, dass eine stationäre Reha mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung nur dann in Betracht kommt, wenn weder eine ambulante Krankenbehandlung, eine ambulante Reha in einer wohnortnahen Einrichtung noch eine ambulante Reha in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, ausreichend sind.

Der Anspruch auf Reha setzt daneben Behandlungsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und eine positive Rehabilitationsprognose voraus. Dies wird durch die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Rehabilitations-Richtlinie) vom 16.03.2004 (BAnz Nr 63, S 6769) in der Fassung vom 17.04.2014 (BAnz AT 26.06.2014 B4) konkretisiert. Nach § 9 Rehabilitations-Richtlinie sind Versicherte rehabilitationsfähig, wenn sie aufgrund ihrer somatischen und psychischen Verfassung die für die Durchführung und Mitwirkung bei der Leistung zur medizinischen Rehabilitation notwendige Belastbarkeit und Motivation oder Motivierbarkeit besitzen. Die Rehabilitationsprognose ist gemäß § 10 Rehabilitations-Richtlinie eine medizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage für den Erfolg der Leistung zur medizinischen Rehabilitation auf der Basis der Erkrankung oder Behinderung, des bisherigen Verlaufs, des Kompensationspotentials oder der Rückbildungsfähigkeit unter Beachtung und Förderung individueller positiver Kontextfaktoren über die Erreichbarkeit eines festgelegten Rehabilitationsziels durch eine geeignete Leistung zur medizinischen Rehabilitation in einem notwendigen Zeitraum.

Gemessen an diesen Grundsätzen fehlt es bei der Klägerin zur Überzeugung Senats sowohl an einer Rehabilitationsfähigkeit als auch an einer positiven Rehabilitationsprognose. Der Senat schließt sich der eingehend und zutreffend begründeten Auffassung des SG an.

Auch der Senat schöpft seine Überzeugung aus dem Gutachten des Dr. L. vom 16.03.2015. Danach leidet die Klägerin an einer dysfunktionellen Myoarthropathie, einer Dyskinesie der Zungenschlundmuskulatur, einem schmerzhaften Wirbelsäulensyndrom mit Ausstrahlung, anamnestisch Restless-Legs-Syndrom, einer unklaren sensiblen Hemisymptomatik links und einer Persönlichkeitsstörung mit rezidivierender Depressivität und Angst. Auch wenn die Klägerin in der Vergangenheit zahlreiche Maßnahmen bis zum Ende erfolgreich abgeschlossen hat, hat sich mittlerweile, wie der Sachverständige eingehend dargelegt hat, ein Zustand ergeben, der keine ausreichende Belastbarkeit mehr für die Durchführung einer Rehabilitation ergibt. Dies ist begründet in der kombinierten Persönlichkeitsstörung der Klägerin, weshalb sich zuletzt bei multiplen Krankenhausaufenthalten (auch Rehabilitationsaufenthalte) wiederholt Probleme im Behandlungssetting, im Umgang mit einzelnen Therapeuten oder mit Mitpatienten ergeben haben. So schildert der Entlassungsgericht der Klinik a. A., dass aktive und passive Behand-lungen als beschwerdeverstärkend erlebt worden seien (Bl 28 Verwaltungsakte).

Die Untersuchung bei Dr. L. hat dies bestätigt. Die Klägerin ist der Ansicht, allein am besten zu wissen, was ihr gut tut, sie führt Untersuchungen nur widerwillig aus, ist nur eingeschränkt kooperativ und ist ständig unzufrieden. Sie verfügt nur über eine eingeschränkte Introspektions-fähigkeit wie auch eine eingeschränkte Befähigung zur kooperativen verbalen Konfliktlösung. In Belastungssituationen und Einengungssituationen somatisiert sie bzw erlebt sie im Ansatz vorhandene Beschwerden verstärkt. Insgesamt ergibt sich daher die Notwendigkeit einer ambulanter Behandlung, ggf auch um Rehabilitationsfähigkeit herzustellen. Diese Schlussfolgerungen Dr. L. werden bestätigt durch die für den Senat ebenfalls überzeugenden Ausführungen des MDK vom 19.03.2013 (Bl 71 Verwaltungsakte), der, gestützt auf den Entlassungsbericht der Klinik a. A., dargelegt hat, dass aufgrund des vorliegenden psychiatrischen Krankheitsbilds zunächst eine regelmäßige ambulante Behandlung erforderlich ist.

Andere stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahmen anderer Rehabilitationsträger (§§ 6, 6a SGB IX) kommen wegen der fehlenden Rehabilitationsfähigkeit von vorneherein nicht in Betracht, sodass auch eine Beiladung anderer Träger nicht notwendig war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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