L 8 SB 3222/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 SB 4558/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3222/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.02.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der gesundheitlichen Merkmale für die Feststellung des Nachteilsausgleichs (Merkzeichens) "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) streitig.

Bei dem 1937 geborenen Kläger, der zeitweise in Spanien lebt, wurden mit Bescheid vom 07.10.1992 (Bl. 145 VerwAkte) der Grad der Behinderung (GdB) mit 100 sowie das Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) und mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.1993 (Bl. 166 VerwAkte) das Merkzeichen "B" (Berechtigung für eine ständige Begleitung) festgestellt. Mehrere Anträge des Klägers auf Feststellung des Merkzeichens "aG" blieben erfolglos, zuletzt mit Bescheid vom 11.09.2007 (Bl 276 VerwAkte) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.01.2008 (Bl. 288 VerwAkte).

Am 27.05.2008 beantragte der Kläger beim Landratsamt B. - Versorgungsamt in Stuttgart - (LRA) unter Vorlage des Befundberichtes der Dr. K. erneut die Feststellung des Merkzeichens "aG". Das LRA holte die gutachtliche Stellungnahme seines ärztlichen Dienstes, Dr. L. , vom 15.06.2008 ein, in der wegen einer Gebrauchseinschränkung beider Beine, Polyarthrose und chronischem Schmerzsyndroms (GdB 50), einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Osteoporose und muskulären Verspannungen (GdB 30), einer Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Fingerpolyarthrose und Karpaltunnensyndrom (GdB 30), einer Lungenfunktionseinschränkung und Allergie (GdB 30), einer Nierenfunktionseinschränkung, Nierensteinleiden und chronischen Entzündung der Prostata (GdB 30), einer Herzleistungsminderung und Bluthochdruck (GdB 20) sowie einer funktionellen Störungen des Dickdarms (GdB 10) der GdB weiterhin mit 100 vorgeschlagen und eine außergewöhnliche Gehbehinderung des Klägers verneint wurden. Mit Bescheid vom 17.06.2008 entsprach das LRA dem Antrag des Klägers auf Feststellung des Merkzeichens "aG" nicht.

Der Kläger legte am 07.07.2008 gegen den Bescheid vom 17.06.2008 Widerspruch ein. Er führte zur Begründung aus, vorgelegte Berichte belegten eine Unfähigkeit der Funktion der Beine bzw. die Instabilität der Gelenke. Hinzu komme eine starke Schmerzentwicklung durch Knochenhautentzündungen und Knochenhautablösungen in den Beinen. Durch den von ihm eingereichten Lungenfacharztbericht werde eine Verschlimmerung der Erkrankung der Atmungsorgane mit einer Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades belegt. Weiter bestehe eine schwere Osteoporose. Es komme zu häufigen Stürzen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lägen vor. Das LRA holte die Befundberichte von Dr. K. (ohne Datum) und Dr. Ge. vom 14.04.2009 ein. Weiter nahm das LRA medizinische Unterlagen zu den Akten (Berichte Dr. E. vom 03.04.2008 und Dr. Ge. vom 07.04.2009). Entsprechend einer weiteren gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes, Dr. M. -T. , vom 27.04.2009 wurde vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2009 zurückgewiesen. Die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" lasse sich nicht begründen.

Hiergegen erhob der Kläger am 03.07.2009 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG), mit dem Ziel, ihm das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen. Er wiederholte zur Begründung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend führte er aus, die fachärztlichen Bewertungen fänden keinen Einfluss auf eine positive Entscheidung. Eine mehrfach beantragte Klärung von Differenzen sei bis heute nicht vorgenommen worden. Durch Facharztberichte sei bestätigt, dass eine außergewöhnliche Gehbehinderung vorliege.

Das SG hörte vom Kläger benannte behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin Dr. Ge. teilte in seiner Stellungnahme vom 12.08.2009 unter Vorlage von medizinischen Befundunterlagen den Behandlungsverlauf und die Diagnosen mit und verneinte die Voraussetzungen für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 13.08.2009 unter Vorlage von medizinischen Befundunterlagen den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mit. Er erachtete eine außergewöhnliche Gehbehinderung für gegeben.

Das SG holte (von Amts wegen) das unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten des Dr. N. sowie das Gutachten des Internisten, Diabetologen und Kardiologen Dr. Gr. jeweils vom 17.05.2010 ein. Dr. N. gelangte in seinem Gutachten zu den Bewertungen, an Behinderungen lägen beim Kläger Bandscheibenschäden, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine Wirbelsäulenfehlhaltung mit Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Kalksalzminderung (GdB 30), degenerative Veränderungen mit Funktionsbehinderung der Schultergelenke beidseits (GdB 10), eine Fingerpolyarthrose mit Funktionsbehinderung der Hände beidseits (GdB 10), degenerative Verschleißveränderungen mit Funktionsbehinderung der Kniegelenke und der Hüftgelenke (GdB 20 bis 30), sowie fachfremd, eine Lungenfunktionseinschränkung und Allergie (GdB 50), Bluthochdruck (GdB 10) sowie eine seelische Störung und Schmerzsyndrom (GdB 20 bis 30) vor. Er schätzte den Gesamt-GdB auf 80. Auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet sei die demonstrierte Geheinschränkung nicht erklärbar. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt. Er könne sich praktisch von den ersten Schritten an nicht dauernd mit fremder Hilfe oder dauernd nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Fahrzeuges bewegen. Ein sogenannter Katalogfall bestehe nicht. Eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades liege nicht vor. Dr. Gr. gelangte in seinem Gutachten zu den Hauptdiagnosen einer restriktiveren Lungenventilationsstörung, gut reversibel unter Medikation (GdB 50) sowie (nach Aktenlage) einer Knochenkalksalzminderung. Nach dem für die bronchopulmonale Belastbarkeit maßgebenden Sekundenkapazität seien leichte Tätigkeiten/Belastungen von 60 bis 80 Watt ohne weiteres möglich. Eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades liege nicht vor. Für einen arteriellen Bluthochdruck ohne Hinweise auf eine Herzleistungsminderung schätzte Dr. Gr. den GdB auf 10 ein. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung, aufgrund derer sich der Kläger dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen könne, sei auf internistischem Gebiet nicht gegeben.

Der Kläger erhob gegen die Gutachten Einwendungen und trug unter Vorlage medizinischer Unterlagen weiter zur Sache vor. Er führte aus, die sehr negativ gehaltenen Gutachten entsprächen nicht den Realitäten seines Gesundheitszustandes. Seine schwere Lungenerkrankung und die Herzerkrankung beeinflussten sich bei körperlicher Belastung und führten daher nicht nur zu Atemnotattacken, sondern auch zu Herzattacken. Erschreckend sei, mit welcher Not und Vehemenz das Landesversorgungsamt nach Ablehnungsgründen suche.

Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 01.09.2009, 17.06.2010 und 20.04.2011 der Klage entgegen.

Mit Urteil vom 25.02.2013 wies das SG gestützt auf die eingeholten Gutachten die Klage ab. Die Auswirkungen auf die Gehfähigkeit des Klägers der auf orthopädischem und internistischem Gebiet bestehenden Erkrankungen seien nicht derart schwer ausgeprägt, dass sich der Kläger von den ersten Schritten an nur unter großer Anstrengung oder nur mit fremder Hilfe außerhalb eines Kraftfahrzeuges bewegen könne. Das Urteil wurde dem Kläger am 10.05.2013 an seinem Wohnort in Spanien zugestellt.

Gegen das Urteil hat der Kläger am 06.08.2013 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung unter Vorlage medizinischer Unterlagen und unter Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen ausgeführt, die von ihm eingereichten Arzt- und Facharztberichte sowie Aussagen im Gutachten seien nicht ausreichend gewürdigt und die von ihm vorgenommenen Richtigstellungen seien weiterhin fälschlich bei der negativen Urteilsbegründung verwendet worden. Die Ansicht des Versorgungsarztes Dr. W. stünde im Widerspruch zu Diagnosen und Bewertungen der Fachärzte für Orthopädie. Bedauerlich und unverständlich sei, dass das SG der Einschätzung seines behandelnden Arztes Dr. B. in seiner sachverständigen Zeugenaussage nicht gefolgt sei. Umfangreiche und schwere Degenerationen der HWS und Wirbelsäulenveränderungen seien in die Urteilsfindung nicht einbezogen worden. Aussagen im orthopädischen Gutachten seien vom SG nicht hinreichend bewertet worden. Wegen von Dr. Gr. bei der Begutachtung eigenmächtig und unberechtigt vorgenommenen Manipulation, durch Absenkung der für die Lungenerkrankung von ihm ermittelten Werte auf den unteren Bereich des Ermessensspielraums werde die Aussetzung dieser Bewertung beantragt. Die von Dr. K. mitgeteilten Werte seien für die Beurteilung heranzuziehen. Durch neue Untersuchungsergebnisse seien die Zweifel des Dr. W. an einer ausgeprägten Funktionseinschränkung ausgeräumt. Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger außerdem mitgeteilt, er habe seinen Wohnsitz in Deutschland. Er halte sich lediglich aus gesundheitlichen Gründen zeitweise in Spanien auf.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.02.2013 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.06.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "aG" festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Weder auf orthopädischem noch auf internistischem Gebiet bestünden Erkrankungen mit besonderer Auswirkung auf die Gehfähigkeit des Klägers.

Der Senat hat von Amts wegen von Prof. Dr. K. das orthopädische Gutachten vom 25.06.2015 (mit röntgenfachärztlichem Gutachten von Prof. Dr. Gei. vom 12.02.2014) und von Prof. Dr. Se. das internistische Gutachten vom 10.09.2014 eingeholt. Prof. Dr. Se. diagnostizierte in seinem Gutachten eine instabile Angina pectoris bei koronarer mikrovaskulärer Dysfunktion (GdB 30), eine koronare Eingefäßerkrankung mit RIVP-Verschluss bei Z.n. NSTEMI der Hinterwand (GdB 20), eine Belastungsdyspnoe NYHA III bei diastolischer Funktionsstörung und arterieller Hypertonie (GdB 50), ein persistierendes Vorhofflimmern (GdB 30), eine restriktive Ventilationsstörung sowie kardiovaskuläre Risikofaktoren. Es sei von einer Leistungseinschränkung bereits bei alltäglicher leichter Belastung auszugehen (insgesamt GdB 70). Die aus den kardiologischen Erkrankungen resultierenden Behinderungen seien nicht derart schwer ausgeprägt, dass sich der Kläger von den ersten Schritten an nur unter großer Anstrengung oder mit fremder Hilfe außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen könne. Leitsymptome seiner Krankheitsbilder seien eine Belastungsdyspnoe sowie eine Angina pectoris bei koronarer Herzkrankheit. Entscheidend in die Mitbeurteilung spiele der echokardiografisch erhobene Befund ein, der beschreibt, dass keine relevante Funktionseinschränkung des Herzens vorliegt. Prof. Dr. K. gelangte in seinem Gutachten zu den Diagnosen einer Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule bei degenerativen Veränderungen (GdB 30), ein BWS-Kyphose (GdB 10), einer diskreten Bewegungseinschränkung beider Schultern (GdB 10), einer Polyarthrose der Hände mit Bewegungseinschränkung der Langfinger und unvollständigem Faustschluss (GdB 0), einer Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke für die Innenrotation bei mäßiger Coxarthrose beidseits (GdB 20), einer Bewegungseinschränkung beider Kniegelenke bei medial betonter Gonarthrose und mäßiger Retropatellararthrose beidseits (GdB 40). Hinsichtlich der Hüft- und Kniegelenke bestehe nur eine geringgradige Gehbehinderung. Auf orthopädisch Gebiet ergebe sich in Zusammenschau der Befunde hinsichtlich einer Gehbehinderung keine Gleichstellung mit einem Querschnittsgelähmten, Doppeloberschenkelamputierten oder einem Oberschenkelamputierten, der nicht dauerhaft in der Lage sei, eine Prothese zu tragen. Prof. Dr. K. bewertete den Gesamt-GdB unter Einbeziehung der internistischen Diagnosen mit 80. Weiter hat der Senat den Entlassungsbrief des Prof. Dr. St. - R.-B.-Krankenhaus S. - vom 10.05.2015 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 24.04.2015 bis 06.05.2015 beigezogen.

Der Kläger hat gegen das Gutachten des Prof. Dr. K. Einwendungen erhoben (Schriftsatz vom 18.07.2015). Hierzu hat der Senat die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. K. vom 10.08.2015 eingeholt, in der er zu den Einwendungen des Klägers Stellung genommen und an seinen Einschätzungen im Gutachten vom 25.06.2015 festgehalten hat. Außerdem hat der Kläger Einwendungen gegen das Gutachten des Prof. Dr. Se. erhoben und den Befundbericht der Dr. K. vom 18.07.2013 vorgelegt (Schriftsatz vom 02.08.2015).

Mit richterlicher Verfügung vom 22.10.2015 ist der Kläger unter Fristsetzung auf sein Antragsrecht nach § 109 SGG sowie (wiederholt vom 16.11.2015 und 26.11.2015) auf die beabsichtigte Möglichkeit einer Entscheidung über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss hingewiesen worden. Der Kläger hat sich hierzu mit Schriftsätzen vom 08.11.2015 und 22.11.2015 weiter geäußert. Dem Kläger ist auf seine Nachfrage am 04.12.2015 telefonisch mitgeteilt worden, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigt sind und ihm im Hinblick auf die Vorlage einer vom Kläger persönlich (wegen einer stationären Behandlung vom 24.04.2015 bis 06.05.2015) von Prof. Dr. Se. erbetenen Stellungnahme zum Gutachten zur Vorlage eine Fristverlängerung bis 31.12.2015 eingeräumt worden. Auf schriftliche Anfrage des Prof. Dr. Se. vom 15.12.2015 an den Senat ist Prof. Dr. Se. mitgeteilt worden, dass der Senat eine ergänzende Stellungnahme zum Gutachten vom 10.09.2014 nicht für erforderlich erachte (Senatsschreiben vom 22.12.2015).

Mit Schriftsatz vom 04.01.2013 hat der Kläger die Einholung einer Stellungnahme und einer sich daraus ergebenden Neubewertung der Beweisfragen zum Gutachten von Prof. Dr. Se. auf eigene Kosten beantragt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf drei Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren bedarf keiner Zustimmung der Beteiligten. Die Beteiligten sind mit richterlichen Verfügungen vom 22.10.2015 und zuletzt wiederholend vom 26.11.2015 unter Fristsetzung bis 31.12.2015 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren Stellung zu nehmen. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erachtet der Senat eine mündliche Verhandlung vor dem Senat für nicht erforderlich. Der Verfahrensweise nach § 153 Abs. 4 SGG steht nicht entgegen, dass der Kläger nach seiner dem SG am 30.12.2011 zugegangenen Einverständniserklärung mit einer Entscheidung seiner Klage ohne mündliche Verhandlung weiter zur Sache vorgetragen hat (Schriftsatz vom 23.04.2012). Denn er hat mit Schriftsatz vom 27.11.2012 beim SG angefragt, wann mit einem (positiven) Urteil zu rechnen sei und zum Ausdruck gebracht, mit einem baldigen Urteil zu rechnen, wodurch er an dem erklärten Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung festgehalten hat, weshalb das SG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, wie erfolgt, entscheiden konnte. Einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG steht auch nicht entgegen, dass der Kläger zuletzt mit Schriftsatz vom 03.01.2016 beantragt hat, dass der Senat auf Kosten des Klägers von Prof. Dr. Se. eine ergänzende Stellungnahme einholt. Dem Kläger ist im Hinblick auf die Vorlage einer von ihm persönlich mit Schreiben vom 18.07.2015 und 04.12.2015 von Prof. Dr. Se. wegen einer stationären Behandlung vom 24.04.2015 bis 06.05.2015 erbetenen Stellungnahme zum Gutachten eine Fristverlängerung bis 31.12.2015 eingeräumt worden, die der Kläger hat verstreichen lassen. Damit musste der Kläger - auch ohne erneuten Hinweis - davon ausgehen, dass der Senat nach dem 31.12.2015 wie mehrfach angekündigt über die Berufung durch Beschluss entscheiden wird.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 17.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs (Merkzeichen) "aG".

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "aG" ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) i.V.m. §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 02.12.2006 (BGBl. I S. 2742). Danach ist das Merkzeichen "aG" festzustellen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist.

Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26.01.2001 (BAnz S. 1419, berichtigt S. 5206). Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung insbesondere solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.

Der Kläger gehört unstreitig nicht zu dem ausdrücklich genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten.

Der Kläger kann dem genannten Personenkreis auch nicht gleichgestellt werden, da seine Gehfähigkeit nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der VwV genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann. Dies steht für den Senat aufgrund der zu den Akten gelangten (zahlreichen) ärztlichen Unterlagen und der vom SG und Senat durchgeführten Ermittlungen fest.

Bis zum 31.12.2008 waren die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3 3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3 3870 § 4 Nr. 1). Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten.

Bislang konnte sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichen "aG" nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht auf die VG (Teil D Ziff. 3) berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthielten nach Auffassung des Senats weder § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis 30.06.2011 bzw. § 30 Abs. 16 BVG in der ab 01.07.2011 gültigen Fassung, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche war bislang auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich aG (und G) waren damit nach ständiger Rechtsprechung des Senats mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 - und vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -, beide veröff. in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de; so auch der ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständige 6. Senat des LSG Baden Württemberg, vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 L 6 SB 2556/09, unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 L 3 SB 523/12 unveröffentlicht). Rechtsgrundlage waren daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu nach ständiger Rechtsprechung zulässig anzuwendenden Verwaltungsvorschriften.

Ein Betroffener ist danach gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 23). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschrift nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3-3250 § 69 Nr. 1 und Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R-, juris).

Maßgebend ist nur die Beeinträchtigung des Gehvermögens. Gesundheitsstörungen, die das Gehvermögen nicht oder nur peripher einschränken, sind nicht geeignet, eine außergewöhnliche Gehbehinderung zu begründen. Dies folgt unmittelbar aus den aufgeführten schwerwiegenden Gehbehinderungen der in Abschnitt II Nr. 1 der VwV StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO genannten Personen, mit denen eine Gleichstellung zu prüfen ist. Für die vorzunehmende Beurteilung sind folglich nur die Funktionsbeeinträchtigungen von Belang, die sich auf das Gehvermögen selbst auswirken (Urteil des erkennenden Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 -, veröffentlicht in juris und Internet: www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Zwischenzeitlich hat jedoch der Gesetzgeber mit Wirkung zum 15.01.2015 in § 70 Abs. 2 SGB IX eine Verordnungsermächtigung eingeführt und in § 159 Abs. 7 SGB IX eine Übergangsregelung getroffen (eingefügt durch Art. 1a des am 15.01.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 07.01.2015; BGBl. II S. 15).

§ 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung vom 07.01.2015 lautet nunmehr: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Von der Verordnungsermächtigung ist bislang kein Gebrauch gemacht worden.

Nach der ebenfalls am 15.01.2015 in Kraft getretenen Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX in der Fassung vom 07.01.2015 gelten, soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 erlassen ist, die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend.

Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX ab dem 15.01.2015 wirksam und mit hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "aG" geschaffen. Die so geschaffene Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "aG" entfaltet jedoch keine Rückwirkung, sondern ist erst ab dem Datum des Inkrafttretens am 15.01.2015 wirksam (Urteil des Senats vom 22.05.2015, L 8 SB 70/13 -, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Folglich stellt der Senat für die Zeit bis zum 31.12.2008 auf die AHP, bis 14.01.2015 auf die von der Rechtsprechung für die Feststellung des Merkzeichens "aG" entwickelten Kriterien und für die Zeit ab dem 15.01.2015 auf die in den VG geregelten Kriterien ab.

Vorliegend führt ein Abstellen auf die AHP bzw. die VG oder die für die Feststellung des Merkzeichens "aG" entwickelten Rechtsprechungskriterien jedoch zu keinen anderem Ergebnis für den Kläger im streitigen Zeitraum, auch nicht zeitweise. Denn bei Anlegung der dargestellten Maßstäbe kann der Kläger im gesamten streitigen Zeitraum seit April 2008 dem oben genannten Personenkreis nicht gleichgestellt werden.

Dass das Gehvermögen des Klägers nach den dargestellten Grundsätzen außergewöhnlich herabgesetzt ist, kann nicht festgestellt werden. Allein der Umstand, dass der Kläger zur Untersuchung durch die Gutachter Prof. Dr. Se. und Prof. Dr. K. in einem Rollstuhl sitzend erschienen ist, rechtfertigt für sich noch nicht die Feststellung des Vorliegens einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Denn dass der Kläger ständig auf den Rollstuhl angewiesen ist, ist nach den durchgeführten Ermittlungen des SG und des Senats sowie den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht belegt.

Nach dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. K. vom 25.06.2015 bewirken die beim Kläger auf orthopädischem Gebiet bestehenden Behinderungen eine nur geringgradige Gehbehinderung. Nach den Beschreibungen im Gutachten bestehen normale Bewegungsmaße der Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule ohne Schmerzäußerung und ohne Klopf-/Druckschmerz. Wesentliche Endfaltbarkeitsstörungen der Brust- oder Lendenwirbelsäule hat Prof. Dr. K. nicht feststellen können. Lediglich das Aufrichten aus der Rückenlage gelingt dem Kläger nicht, was jedoch auf die Gehfähigkeit keine Auswirkungen hat. Der Finger-Boden-Abstand wird mit 38 cm bei verbesserndem Fingerspitzen-Fuß-Abstand im Sitzen auf 10 cm beschrieben. Eine kyphotische Fehlhaltung der BWS hat keinen Einfluss auf das Gehvermögen des Klägers. Entsprechendes gilt nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. K. in seinem Gutachten und seiner ergänzenden Stellungnahme auch für degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule. Eine bedeutsame Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule mit Auswirkung auf die Gehfähigkeit des Klägers lässt sich damit dem Gutachten des Prof. Dr. K. nicht entnehmen. Hiervon geht auch Prof. Dr. K. aus. Dem entsprechen im Wesentlichen auch die von Dr. N. in seinem dem SG erstatteten Gutachten vom 17.05.2010 beschriebenen Befunde der Lendenwirbelsäule, die eine bedeutsame Funktionsbehinderung mit Auswirkung auf die Gehfähigkeit des Klägers ebenfalls nicht erkennen lassen. Auch Dr. N. geht in seinem Gutachten davon aus, dass sich die Veränderungen der Wirbelsäule des Klägers nicht erkennbar "besonders" auf die Gehfähigkeit des Klägers auswirken. Auch hinsichtlich der unteren Extremitäten des Klägers bestehen allenfalls leichtgradige Funktionsbehinderungen. Nach dem im Messblatt für die unteren Gliedmaßen (nach der Neutral - 0 - Methode) von Prof. Dr. K. beschriebenen Bewegungsmaßen bestehen bedeutsame Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke beidseits (Streckungen/Beugung: 5-0-130° beidseits), der Kniegelenke (Streckungen/Beugung: rechts 0-5-100°, links 0-0-110°), der oberen Sprunggelenke (Heben/Senken des Fußes: 20-0-30° beidseits) sowie der unteren Sprunggelenke und der Zehen (jeweils 1/1 beidseits) nicht. Bewegungseinschränkungen die nach den AHP Teil A 26.18 bzw. VG Teil B 18.13 einen Einzel-GdB von wenigstens 20 rechtfertigen sind damit beim Kläger nicht festzustellen. Auch sonst zu berücksichtigende Funktionseinschränkungen liegen nach dem Gutachten des Prof. Dr. K. nicht vor. Insbesondere besteht ein achsengerechter Aufbau der unteren Extremität ohne trophische Störungen und ohne Paresen. Auch eine von Prof. Dr. K. beschriebene diskrete Bewegungseinschränkung für die Innenrotation der Hüftgelenke in Streckung sowie 90° Beugung, ein diskreter Druckschmerz im Bereich des medialen Gelenksspaltes beider Kniegelenke ist als lediglich leichte Behinderung zu werten, die nach den AHP bzw. VG keinen Einzel-GdB rechtfertigt. Auch sonst beschreibt Prof. Dr. K. in seinem Gutachten keine die Funktion der unteren Extremität bedeutsam behindernde Gesundheitsstörung (kein intraartikulärer Erguss, keine Überwärmung, keine Rötung bei allenfalls diskret rechtsseitiger Verplumpung der Kniegelenke mit diskrete gelockerter Anführung des Innenbandes beidseits bei stabilem Anschlag und ohne Hinweis auf Bandverletzungen). Entsprechendes gilt für das diskrete Streckdefizit von 5° des rechten Kniegelenkes. Soweit der Kläger einwendet, eine diagnostizierte Spinalkanal- und Foraminastenose der Halswirbelsäule sei für Taubheits- und Lähmungserscheinungen in den Gliedmaßen verantwortlich, hat Prof. Dr. K. in seiner ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten vom 10.08.2015 nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass die degenerativen Halswirbelsäulenveränderungen keinen Einfluss auf die Kraftentfaltung der unteren Extremitäten und damit auch keinen Einfluss auf das Gehvermögen des Klägers haben. Den von Prof. Dr. K. erhobenen Befunden entsprechen auch die von Dr. N. in seinem dem SG erstatteten Gutachten beschriebenen Befunde der unteren Extremitäten des Klägers. Auch Dr. N. beschreibt eine bedeutsame Bewegungseinschränkung der Hüft-, der Knie- und der Sprunggelenke des Klägers nicht (Hüftgelenke: Streckungen/Beugung 5-0-100° beidseits; Kniegelenke: Streckungen/Beugung 0-0-120° beidseits; obere Sprunggelenke 20-0-40° beidseits; unteren Sprunggelenke 1/1). Entzündungszeichen bzw. Reizerscheinungen (Kapselschwellung, Überwärmungen, Ergüsse) oder Bandinstabilitäten beschreibt auch Dr. N. in seinem Gutachten hinsichtlich der unteren Extremitäten des Klägers nicht. Motorische oder sensible Ausfälle der (oberen und) unteren Extremitäten des Klägers liegen nach dem Gutachten von Prof. Dr. K. nicht vor. Solche Ausfälle hat auch Dr. N. in seinem Gutachten nicht beschrieben. Insbesondere Einschränkungen der groben Kraft, der Muskeleigenreflexe, Sensibilitätsstörungen, oder Paresen hat auch Dr. N. bei der Untersuchung des Klägers nicht feststellen können, wie er in seinem Gutachten beschrieben hat. Auch nach den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen sind beim Kläger auf neurologisch-orthopädischem Gebiet keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionseinschränkungen festzustellen, die nach den AHP, den VG oder auf der Grundlage der oben dargestellten Rechtsprechung des Senats die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung im streitigen Zeitraum rechtfertigen.

Herzschäden (mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz), die die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" rechtfertigen, bestehen beim Kläger nicht. Zwar bestehen beim Kläger eine instabile Angina pectoris bei koronarer mikrovaskulärer Dysfunktion, eine koronare Eingefäßerkrankung mit RIVP-Verschluss, eine Belastungsdyspnoe NYHA III bei diastolische Funktionsstörung und arterieller Hypertonie, ein persistierendes Vorhofflimmern sowie kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Prof. Dr. Se. in seinem Gutachten vom 10.09.2014 beim Kläger diagnostiziert hat. Nach der Bewertung von Prof. Dr. Se. sind die aus diesen Erkrankungen resultierenden Behinderungen des Klägers jedoch nicht derart schwer ausgeprägt, dass sich der Kläger von den ersten Schritten an nur unter großer oder mit fremder Hilfe außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Zwar war der Kläger bei der Vorstellung zum Untersuchungstermin im Rahmen der Begutachtung in einem schwachen Allgemeinzustand mit eindeutigen Zeichen kardialer Dekompensation, weshalb eine stationäre Behandlung des Klägers vom 07.02.2014 bis 15.02.2014 erfolgte. Unter einer bei der stationären Behandlung eingeleiteten medikamentösen Therapie trat nach den Beschreibungen des Prof. Dr. Se. eine entscheidende Besserung der klinischen Beschwerdesymptomatik ein. Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Se. liegt beim Kläger nach dem echokardiografisch erhobenen Befund keine relevante Funktionseinschränkung des Herzens vor, die Ejektionsfraktion ist hochnormal und regionale Wandbewegungsstörungen des Herzens oder Klappenvitien bestehen nicht. Damit kann die koronare Erkrankung des Klägers nicht als so schwer eingestuft werden, dass sie die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung rechtfertigt, wovon auch Prof. Dr. Se. im Gutachten ausgeht. Dieser nachvollziehbaren und überzeugenden Bewertung schließt sich der Senat an. Auch Dr. Gr. beschreibt in seinem dem SG erstatteten Gutachten keine relevante Einschränkung der Herzfunktion des Klägers. Das Bestehen einer Herzerkrankung hat Dr. Gr. (noch nicht) feststellen können. Insbesondere hat Dr. Gr. bei der Untersuchung des Klägers bei echokardiographisch minimal reduzierter LV-Funktion keine Zeichen für eine Herzinsuffizienz finden können. Entsprechendes gilt auch für den vom Senat beigezogenen Entlassungsbrief des R. -B.-Krankenhaus, Prof. Dr. St. , vom 10.05.2015 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 24.04.2015 bis 06.05.2015, dem sich eine schwere Einschränkung der Herzleistung ebenfalls nicht entnehmen lässt. Funktionseinschränkungen, die nach den AHP, den VG oder auf der Grundlage der oben dargestellten Rechtsprechung des Senats die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung rechtfertigen, lassen sich auch den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen. Soweit Prof. Dr. Se. hinsichtlich der kardiologischen Diagnosen von einem Einzel-GdB von 70 ausgeht, vermag sich der Senat dieser GdB-Bewertung allerdings nicht anzuschließen. Nach VG Teil B 9 ist für die Bemessung des GdB bei Herz- und Kreislauferkrankungen weniger die Art der Krankheit als die Leistungseinbuße maßgeblich. Dies gilt nach Teil B 9.1.2 auch nach operativen und anderen therapeutischen Eingriffen am Herzen; auch hier ist der GdB von der bleibenden Leistungsbeeinträchtigung abhängig. Bei der Beurteilung des GdB ist vom klinischen Bild und von den Funktionsbeeinträchtigungen im Alltag auszugehen. Ergometerdaten ergänzen das klinische Bild. Dass beim Kläger wegen seiner Herzerkrankung eine Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung vorliegt, die die Ausschöpfung des nach den nach den VG Teil B 9.1.1 dafür vorgegebenen GdB-Rahmens (50 bis 70) rechtfertigt, kann dem Gutachten des Prof. Dr. Se. nicht nachvollziehbar entnommen werden, wobei Prof. Dr. Se. den Einzel-GdB von 70 zudem aus den von ihm gestellten Diagnosen ableitet, was nicht den GdB-Bewertungsvorgaben der AHP bzw. VG entspricht.

Soweit der Kläger unter Bezug auf einen Bericht des Prof. Dr. St. vom 05.05.2015 geltend macht, eine von Prof. Dr. Se. in seinem Gutachten nicht berücksichtigte chronische schwere Niereninsuffizienz im Stadium 3 nach KDOQI habe Auswirkungen auf den Gesamtorganismus, im Vordergrund des klinischen Bildes könne auch eine Hypertonie mit cardiovaskulären Symptomen stehen, ist nicht ersichtlich, dass es durch die diagnostizierte Niereninsuffizienz (Entlassungsbrief R.-B.-Krankenhaus vom 10.05.2015) zu einer relevanten Verschlechterung des Gehvermögens des Klägers gekommen ist. Im Entlassungsbrief des R.-B.-Krankenhauses wird eine schwere Einschränkung der Herzleistung des Klägers nicht beschrieben. Die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Herzleistung durch eine chronische Niereninsuffizienz, wie sie der Kläger geltend macht, kann nicht zur Grundlage der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Merkzeichens gemacht werden. Die stationäre Behandlung des Klägers im R.-B.-Krankenhaus vom 24.04.2015 bis 06.05.2015 erfolgte zudem nicht wegen der Herzerkrankung, sondern wegen des Verdachtes auf eine gastrointestinale Blutung bei Hb-Abfall, weswegen der Kläger stationär behandelt worden ist und am 06.05.2015 bei stabilen Hb-Werten in verbesserndem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden konnte. Dass es zu einer dauerhaften Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers gekommen ist, kann danach zudem nicht festgestellt werden.

Eine funktionell relevante Einschränkung der Lungenfunktion (schweren Grades) besteht beim Kläger nicht. Zwar besteht beim Kläger nach dem dem SG erstatteten Gutachten des Dr. Gr. eine restriktive Lungenventilationsstörung, wie er in seinem Gutachten nachvollziehbar beschrieben hat. Danach zeigte die Lungenfunktionsprüfung des Klägers teilweise eine hochgradig reduzierte Lungenfunktion, die sich jedoch nach der Inhalation von zwei Hüben Berotec 100 ® in eine leichte Form wandelte. Hiergegen kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, dass die Untersuchung hierdurch manipuliert und das Ergebnis nicht zu berücksichtigen sei. Vielmehr kann insbesondere aufgrund der guten medikamentösen Beeinflussbarkeit der Lungenfunktionsstörung des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades vorliegt. Hiervon geht auch Dr. Gr. in seinem Gutachten aus, dem sich der Senat anschließt. Die Ansicht des Klägers liefe darauf hinaus, dass noch nicht ausreichend behandelte und damit als akut zu wertende Gesundheitsstörungen zum Gradmesser des GdB bzw. zur Prüfung des Vorliegens von gesundheitlichen Merkmalen zur Feststellung von Merkzeichen gemacht werden, was aber dem Erfordernis widerspricht, dass nur dauerhafte Gesundheitsstörungen als Grundlage der Feststellung des GdB oder des Vorliegens der Voraussetzungen für ein Merkzeichen herangezogen werden können. Damit kann beim Kläger allenfalls von einer dauernden Einschränkung der Lungenfunktion mittleren Grades ausgegangen werden. Hiervon geht auch Dr. Gr. in seinem Gutachten aus, dem sich der Senat anschließt. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung des Klägers allein wegen der Lungenfunktionseinschränkung kann damit nicht festgestellt werden. Dem entspricht auch die Bewertung des Dr. Gr. in seinem Gutachten. Dass zwischenzeitlich eine wesentliche Verschlimmerung seiner Lungenfunktion eingetreten ist, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist nach dem vom Kläger vorgelegten Befundbericht der Dr. K. vom 18.07.2013 (nach Angaben des Klägers vermutlich vom 23.08.2013) von einer im Vergleich zum Jahr 2008 weniger ausgeprägten restriktiven Ventilationsstörung auszugehen, was gegen eine bedeutsame Verschlimmerung der Lungenfunktionsstörung des Klägers spricht.

Sonstige Gesundheitsstörungen, die die Gehfähigkeit des Klägers bedeutsam einschränken, bestehen nicht.

Die sich auf die Gehfähigkeit des Klägers einschränkend auswirkenden Gesundheitsstörungen auf internistischem und orthopädischem Gebiet rechtfertigen auch in der Gesamtschau nicht die Feststellung des Merkzeichens "aG". Dabei verkennt der Senat nicht, dass die auf internistischem Gebiet bestehenden Gesundheitsstörungen (Herzleistungsminderung und Lungenfunktionsstörung) gegenseitig verstärkend die Gehfähigkeit des Klägers beeinträchtigen. Dass der Kläger in der Gesamtschau außergewöhnlich gehbehindert ist, kann jedoch nicht festgestellt werden. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. K. vom 25.06.2015 bestehen beim Kläger keine sichtbaren Muskelatrophien der (oberen und) unteren Extremitäten, keine trophischen Störungen, sowie eine seitengleiche Beschwielung der Fußsohlen. Damit finden sich beim Kläger keine Schonungszeichen, die darauf hindeuten, dass er dauerhaft auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen ist. Weiter ist der Senat aufgrund dieser Befunde überzeugt, dass sich der Kläger auch ohne fremde Hilfe und ohne große Anstrengung fortbewegen kann. Davon gehen auch Dr. N. , Dr. Gr. , Prof. Dr. K. und Prof. Dr. Se. in ihren im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten übereinstimmend aus.

Die Einwendungen des Klägers rechtfertigen keine ihm günstigere Bewertung. Die von ihm im Verlauf des Rechtsstreites - aus seiner Sicht - beschriebenen Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit und seines Gehvermögens finden nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Ermittlungen sowie nach den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen kein objektiv medizinisches Korrelat. Vielmehr ist, wie ausgeführt, nach den objektiven medizinischen Befunden davon auszugehen, dass eine - dauerhafte - außergewöhnliche Gehbehinderung des Klägers nicht besteht.

Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die vom SG sowie dem Senat durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des Vorliegens der gesundheitlichen Merkmale für die Feststellung des Merkzeichens "aG". Gesichtspunkte, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müsste, bestehen nicht. Insbesondere musste sich der Senat nicht gedrängt fühlen, von Prof. Dr. Se. eine ergänzende Stellungnahme zu seinem Gutachten einzuholen, wie der Kläger für erforderlich hält. Neue medizinische Unterlagen, die die Einholung einer ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. Se. zu seinem Gutachten angezeigt erscheinen lassen, liegen entgegen der Ansicht des Klägers nicht vor. Im Vergleich zum Gutachten des Dr. Se. , in dem er von einer leichten Nierenfunktionsstörung beim Kläger ausgeht, lässt sich zwar dem vom Senat beigezogenen Entlassungsbrief R.-B.-Krankenhaus vom 10.05.2015 entnehmen, dass beim Kläger zwischenzeitlich das Vorliegen einer Niereninsuffizienz im Stadium 3 nach KDOQI festgestellt wurde. Dem Entlassungsbrief lässt sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die Niereninsuffizienz im Stadium 3 nach KDOQI zu einer Verschlechterung der Herzfunktion (oder der Lungenfunktion) geführt hat, die es nunmehr rechtfertigen könnte, beim Kläger eine außergewöhnliche Gehbehinderung festzustellen, wie bereits oben ausgeführt worden ist. Die vom Kläger für notwendig erachtete ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. Se. zielt damit auf Nachforschungen "ins Blaue hinein". Nachforschungen "ins Blaue hinein" sind durch die Amtsermittlungspflicht jedoch nicht geboten (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 03.04.2003 - B 13 RJ 39/02 R, SozR 4-1300 § 31 Nr. 1; BSG Urteil vom 05.04. 2001, SozR 3-2600 § 43 Nr. 25; BSG, Urteil vom 07.05.1998 - B 11 AL 81/97 R, veröffentlicht in juris).

Zur Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. Se. ist der Senat auch nicht nach § 109 SGG gehalten. Einen ausdrücklichen Antrag nach § 109 SGG hat der Kläger nicht gestellt. Selbst wenn sein Vorbringen im Schriftsatz vom 04.01.2016, eingegangen beim LSG am 11.01.2016, als konkludente Antragstellung ausgelegt wird, von Prof. Dr. Se. nach § 109 SGG eine ergänzende Stellungnahme zu seinem Gutachten einzuholen, bräuchte der Senat diesem Antrag nicht nachzukommen. Denn nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger ist bereits mit richterlicher Verfügung vom 22.10.2015 auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 109 SGG mit Frist bis 30.11.2015, verlängert bis 31.12.2015, hingewiesen worden. Ihm ist außerdem am 04.12.2015 telefonisch mitgeteilt worden, dass durch den Senat keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigt sind. Der erst am 11.01.2016 beim LSG eingegangene Antrag des Klägers ist damit erst nach Ablauf der zuletzt bis 31.12.2015 verlängerten Frist eingegangen und damit vom Kläger grob nachlässig verspätet gestellt worden. Weiter würde sich die Erledigung des Rechtsstreites verzögern. Der Senat macht daher von seinem Ermessen dahingehend Gebrauch, den Antrag auf Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. Se. nach § 109 Abs. 2 SGG wegen Verzögerung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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