L 9 R 4357/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 R 1850/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4357/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30. September 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die dem Kläger gewährte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit mit dem ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0 oder mit einem verminderten Zugangsfaktor von 0,928 zu berechnen ist.

Auf dessen Antrag vom 20.06.2012 gewährte die Beklagte dem 1949 geborenen Kläger mit Bescheid vom 26.09.2012 eine Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 01.10.2012. Laut Anlage 6 des Bescheides wurde der Zugangsfaktor von 1,0 um 0,081 auf 0,919 vermindert. Der Rentenberechnung wurden statt 41,0364 lediglich 37,7125 persönliche Entgeltpunkte zugrunde gelegt.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2013 zurück. Dem Rentenantrag sei in vollem Umfang entsprochen worden. Auch nach nochmaliger Prüfung sei davon auszugehen, dass die Rente zutreffend berechnet worden sei; für 27 Kalendermonate der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente vom 01.10.2012 bis 31.12.2014 sei ein Rentenabschlag von 8,1 v.H. vorzunehmen.

Hiergegen hat der Kläger am 22.04.2013 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, die vorgenommenen versicherungsmathematischen Abschlägen seien nicht verfassungsgemäß und verstießen gegen europarechtliche Regelungen.

Mit Bescheid vom 27.03.2014 hat die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab dem 01.10.2012 statt der Altersrente für langjährig Versicherte eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und nach Altersteilzeit gewährt. Der Bescheid vom 26.09.2012 wurde durch diesen Bescheid ersetzt; bei der nun gewährten Altersrente vermindere sich der zu berücksichtigende Rentenabschlag auf 7,2 v.H ... Nach der Anlage 6 des Bescheides wurde der Zugangsfaktor um 0,072 auf 0,928 gemindert; statt 41,0364 wurden 38,0818 persönliche Entgeltpunkte berücksichtigt.

Nach entsprechendem Hinweis hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.09.2014 abgewiesen. Der Bescheid vom 27.03.2014 habe den angefochtenen Bescheid vom 26.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2013 im Sinne des § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgeändert bzw. ersetzt. Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0. Die Beklagte habe den der Rentenberechnung des Klägers zugrunde zu legenden Zugangsfaktor zu Recht gemindert, da der Kläger die Rente vorzeitig, d. h. vor Vollendung des 65. Lebensjahrs in Anspruch genommen habe. Für 24 Monate sei der Zugangsfaktor um jeweils 0,003 zu mindern gewesen, so dass die Beklagte ihn mit 0,928 zutreffend berechnet habe. Bedenken im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit habe die Kammer nicht. Die Abschlagsregelungen bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente stellten eine zulässige gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) dar und verletzten auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Auch ein Verstoß gegen europarechtliche Regelungen sei nicht ersichtlich.

Gegen den am 02.10.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Klägervertreter am 20.10.2014 Berufung eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Die im Klageverfahren geäußerten europarechtlichen Bedenken seien durch das SG nicht berücksichtigt worden. Außerdem seien sämtliche Rentenbescheide, die einen geschmälerten Zugangsfaktor aufgrund der früheren Gesetzgebung enthielten, durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz verfassungswidrig geworden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe zwar die gesamten Abschlags- und Kürzungsgesetze abgesegnet. Es liege zwar ein Eingriff in eigentumsgeschützte Rentenanwartschaften im Rahmen des Art. 14 GG vor, Inhalt und Schranken würden aber durch den Gesetzgeber bestimmt. Zum 01.07.2014 sei durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz das Füllhorn staatlicher Gelder über eine andere Personengruppe Versicherter ausgeschüttet worden. Wenn der Gesetzgeber ein Wohltatengesetz für andere Personenkreise verabschiede, welches die Rentenversicherung im Jahr mindestens sechs Milliarden Euro koste und das auf Jahrzehnte, sei dies der Beweis, dass die Notlage nicht mehr gegeben sei. Damit werde der Eingriff in Art. 14 GG verfassungswidrig, wenn er über den 30.06.2014 hinaus aufrecht erhalten werde. Der Gesetzgeber wäre daher dazu gezwungen gewesen, verfassungsrechtlich unverzüglich diese Abschläge zurückzunehmen anstatt das Füllhorn über andere Personenkreise auszuschütten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30. September 2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 26. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids in der Fassung des Bescheids vom 27. März 2014 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. Oktober 2012 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verfassungsmäßigkeit der Abschläge in Altersrenten habe das BVerfG in der Vergangenheit bestätigt. Dass der Gesetzgeber mit dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz nicht alle Rentenabschläge aufgehoben, sondern nur einen begrenzten Personenkreis besonders langjährig Versicherter begünstigt habe, sei dem Umstand begrenzter Mittel geschuldet. Daher sei eine Abwägung hinsichtlich der Interessen der Rentnergeneration und der durch die erforderliche Finanzierung entstehenden Belastungen für die Beitragszahler vorzunehmen. Die Notwendigkeit zur Anhebung der Altersgrenzen mit der Folge von Abschlägen für eine vorzeitige Inanspruchnahme sei im Hinblick auf den zu erwartenden demographischen Wandel nach wie vor gegeben. Der Gesetzgeber habe die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht überschritten.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 17.02. und 19.02.2016 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 30.09.2014 ist nicht zu beanstanden. Gegenstand des Verfahrens ist allein der Bescheid vom 27.03.2014, der den angefochtenen Bescheid vom 26.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.03.2013 im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG vollständig ersetzt hat.

Die Höhe der dem Kläger ab dem 01.10.2012 gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit wurde mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 27.03.2014 zutreffend berechnet.

Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich gemäß § 63 Abs. 6, § 64 Nr. 1 bis 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Der Zugangsfaktor ist ein Berechnungselement der persönlichen Entgeltpunkte, dessen Höhe in § 77 SGB VI (hier in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung vom 20.04.2007) näher geregelt ist. Danach richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Der Zugangsfaktor ist gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 SGB VI für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, 1,0. Bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2a SGB VI).

Ausgehend von diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Beklagte bei der Berechnung der dem Kläger ab dem 01.10.2012 gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit, die dem Kläger dem Grunde nach zusteht, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, zu Recht nicht einen Zugangsfaktor von 1,0, sondern nur von 0,928 berücksichtigt. Denn der Kläger hat diese Altersrente vorzeitig in Anspruch genommen.

Nach § 237 SGB VI in der ab dem 01.04.2012 gültigen Fassung vom 20.12.2011 haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, die vor dem 01.01.1952 geboren sind, das 60. Lebensjahr vollendet haben und entweder bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben oder die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben, in den letzten zehn Jahren vor Beginn der der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben. Die Altersgrenze von 60 Jahren wird nach § 237 Abs. 3 SGB VI bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für Versicherte, die nach dem 31.12.1936 geboren sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente ist möglich. Die Anhebung der Altersgrenzen und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrenten bestimmen sich nach der Anlage 19 zum SGB VI. Danach wird für im Jahr 1949 Geborene die Altersgrenze bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit auf 65 Jahre angehoben; eine vorzeitige Inanspruchnahme ist ab Vollendung des 63. Lebensjahrs möglich.

Für den 1949 geborenen Kläger war eine abschlagsfreie Inanspruchnahme der Altersrente daher erst ab dem Monat nach Vollendung des 65. Lebensjahrs, d. h. ab 01.10.2014 möglich. Da der Kläger zum Zeitpunkt des Rentenbeginns (zur Auslegung des Begriffs "Rentenbeginn" im Sinne des Rentenzahlbeginns Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25.11.2008, B 5 RJ 15/04 R, Juris) erst das 63. Lebensjahr vollendet hatte, war der Zugangsfaktor für 24 Kalendermonate um jeweils 0,003 zu mindern und daher mit 0,928 anzunehmen. Den unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten Monatsbetrag der Rente sowie dessen einzelne Berechnungselemente hat die Beklagte zutreffend festgestellt. Nach eigener Prüfung macht der Senat sich die Berechnung im angefochtenen Bescheid vom 27.03.2014, gegen die durch den Kläger keine Einwände erhoben worden sind, zu eigen.

Die Vorschriften über die Bestimmung von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente und die Vertrauensschutzregelungen sind auch verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 u.a., BVerfG (Kammer), Nichtannahmebeschluss vom 05.02.2009, 1 BvR 1631/04; BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 77/08 R, Juris). Das BVerfG hat im Hinblick auf die Absenkung des Zugangsfaktors weder eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG noch des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt. Darüber hinaus hat es dargelegt, dass zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage eingeführt werden dürfen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Sachliche Gründe der Gesamtregelung hat das BVerfG ebenso bejaht wie die Zulässigkeit der Beschränkung rentenrechtlicher Anwartschaften als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (BVerfG vom 11.11.2008, a.a.O., m.w.N.). Insbesondere lag es im Gestaltungsermessen des Gesetzgebers, die Bestimmung des Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst a SGB VI nach den von ihm gewählten versicherungsmathematischen Berechnungen vorzunehmen. Dass der Gesetzgeber in seine Berechnung evident sachwidrige Faktoren eingestellt hätte, hat das BVerfG nicht erkannt (BVerfG vom 11.11.2008, a.a.O.). Ebenso hat es eine übermäßige Belastung der Bezieher vorzeitiger Altersrente im Sinne einer Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verneint. Der pauschale Vortrag des Klägers, die Regelung sei unverhältnismäßig, ist nicht geeignet, die zitierte Rechtsprechung von BSG und BVerfG substantiiert in Frage zu stellen. Nachdem die Vereinbarkeit von § 237 Abs. 3 i. V. m. § 77 Abs. 2 Satz 2 Satz 1 Nr. a SGB VI mit dem Grundgesetz durch das BVerfG bestätigt wurde, kann der Kläger hieraus keine weitergehenden Rechte herleiten (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O., Juris). Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Bestimmung von Abschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente ist entgegen dem klägerischen Vortrag auch nicht aufgrund des zum 01.07.2014 in Kraft getretenen Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.06.2014, BGBl. 2014, Teil I, Seite 787 ff.) eingetreten, und der Bescheid vom 27.03.2014 nicht "automatisch rechtswidrig" geworden. Zum 01.07.2014 wurde u. a. § 236b SGB VI eingeführt, wonach Versicherte, die vor dem 01.01.1964 geboren sind, frühestens Anspruch auf Altersrente für besonderes langjährig Versicherte haben, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben. Bei der ab 01.07.2014 bestehenden Möglichkeit, vom vollendeten 63. Lebensjahr an eine abschlagsfreie Altersrente in Anspruch zu nehmen, handelt es sich um eine Sonderregelung mit zeitlich begrenztem Anwendungsbereich. Die Regelung hat den Charakter einer Übergangsregelung (BT-Drs 18/909, S. 14 f, 22 "befristete Sonderregelung"). Der Senat hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber die zum 01.07.2014 gewährte Vergünstigung nicht auf Bestandsrentner ausgedehnt und keine Ausnahme von der für alle Altersrentner geltenden Regelung des § 34 Abs. 4 SGB VI vorgenommen hat. Eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zwischen Versicherten, die ab 01.07.2014 erstmals eine abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte beziehen, und Bestandrentnern, die die Anspruchsvoraussetzungen des § 236b SGB VI erfüllen, denen aber wegen der früheren Bewilligung oder des Bezugs einer Altersrente die Umwandlung dieser Altersrente in eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte wegen § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI verwehrt ist, liegt nicht vor. Unabhängig von der Frage, ob es sich um eine vergleichbare Gruppe von Normadressaten handelt oder der Rentenbezug ein sachliches Differenzierungsmerkmal darstellt, ist unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers die Begrenzung der Privilegierung des § 236b SGB VI auf die zur Zeit seines Inkrafttretens noch nicht im Altersrentenbezug befindlichen Versicherten nicht zu beanstanden. Dem Gesetzgebers steht es frei, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen ((BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, a.a.O., Urteil vom 07.07.1992, 1 BvL 51/86 u.a., Juris). Im Hinblick auf die Sicherstellung der Finanzierbarkeit und der Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung durfte der Gesetzgeber darauf verzichten, die bereits abgeschlossenen Rentenvorgänge der Bestandsrentner aufzugreifen und diese in die ohnehin nur zeitlich begrenzte Privilegierung einzubeziehen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2015, L 7 R 5354/14; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.08.2015, L 6 R 114/15, Juris, jeweils m.w.N.).

Der Senat teilt auch die europarechtlichen Bedenken des Klägers nicht. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Anspruch aus Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 1 des Protokolls Nr. 1 (Schutz des Eigentums) zur EMR vom 20.03.1952 ((Zusatzprotokoll zur EMRK), BGBl II 1956, 1880) herleiten will, hat er rechtliche Gesichtspunkte nicht vorgetragen und es sind auch neue nicht ersichtlich. Zu Rang und Reichweite der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle innerhalb der deutschen Rechtsordnung hat sich das BVerfG ausführlich geäußert (BVerfG, Urteil vom 04.05.2011, 2 BvR 2333/08 u.a., Juris). Danach stehen die EMRK und ihre Zusatzprotokolle im Rang eines Bundesgesetzes und damit unter dem Grundgesetz, sie sind jedoch auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes heranzuziehen. Nachdem die Vereinbarkeit von § 77 SGB VI mit dem Grundgesetz bereits vom BVerfG bestätigt wurde, kann der Kläger hieraus keine weitergehenden Rechte herleiten (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.07.2013, L 2 R 4780/12; Urteil vom 21.03.2014, L 4 R 2778/13, jeweils Juris).

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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