Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 3818/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3279/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Juli 2013 aufgehoben, soweit Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 30. November 2015 gewährt worden ist. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Juli 2013 sowie des Bescheids vom 28. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2011 verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2016 bis zum 30. April 2019 zu gewähren.
Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren; im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1962 geborene Kläger absolvierte in der Zeit von 1980 bis 1983 eine Ausbildung zum Zimmerer, die er mit Erfolg abschloss. Von 1983 bis 1998 war er im erlernten Beruf und von 1998 bis 2009 als Lagerist, zuletzt als Kommissionierer, versicherungspflichtig beschäftigt. Ab Juni 2009 bezog der Kläger Krankengeld, anschließend bis Oktober 2011 Arbeitslosengeld. Die Zeit vom 18.10.2011 bis 24.03.2014 ist als Zeit der Arbeitslosigkeit im Versicherungsverlauf erfasst (Vormerkungsbescheid vom 08.04.2014, Bl. 56 ff. der Senatsakte).
Aufgrund eines Antrags auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S., der in seinem Gutachten vom 05.05.2011 zu der Einschätzung gelangte, der Kläger leide unter einer leichtgradigen depressiven Verstimmung. In Zusammenschau der Aktenlage, der Anamnese und der jetzt erhobenen Untersuchungsbefunde habe nicht sicher die Diagnose einer oromandibulären Dystonie bzw. eines Blepharospasmus oder eines Meige-Syndroms gestellt bzw. nachvollzogen werden können. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht liege ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden als Lagerist und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vor; eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme werde nicht empfohlen.
Den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 23.05.2011 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2011 mit der Begründung ab, die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Hiergegen hat der Kläger am 14.11.2011 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und ausgeführt, er halte die Leistungseinschätzung des Dr. S. für unzutreffend. Er leide, wie sich aus dem Bericht des C.-Krankenhauses Bad M. vom 28.06.2011 ergebe, unter einer idiopathischen orofazialen Dystonie, einem Meige-Syndrom, z. B. im Rahmen einer segmentalen Dystonie und einem sekundären Parkinsonoid. Durch die Behandlung mit Tiapridex und Tetrabenazin habe sich zwar eine nahezu komplette Remission der cervikalen Dystonie ergeben, allerdings unter Inkaufnahme eines sekundären Parkinsonsyndroms. Persistierend sei demgegenüber die blepharospastische und periorale Komponente des Meige-Syndroms. Bisherige Therapieversuche, unter anderem eine Botox-Behandlung in Bad M., hätten nur eine unzureichende Besserung der dystonen Störung im Gesichtsbereich ergeben. Im Laufe der Erkrankung habe sich eine depressive Anpassungsstörung mit ängstlich geprägtem sozialem Rückzug entwickelt.
Das SG hat im Rahmen der Beweisaufnahme die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen und die Fachärztin für Neurologie und für Psychiatrie und Psychotherapie O. von Amts wegen sowie den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstattung von Gutachten beauftragt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin S. hat in seiner am 19.01.2012 beim SG eingegangenen Stellungnahme ausgeführt, er behandle den Kläger kontinuierlich mit einer Behandlungsfrequenz von ein bis zwei Konsultationen pro Woche. Dieser leide unter einem persistierenden Blepharospasmus, einer progredienten Schluckstörung mit Schlundkrämpfen, einer Gleichgewichts- und Gangstörung, rezidivierenden Bronchititen bei Aspiration wegen Schluckstörung und Atemnotanfällen bei Schlundkrämpfen mit Hyperventilationstetanien. Er habe eine Panikstörung entwickelt; hinzu kämen progrediente Myogelosen im Bereich der Halswirbelsäule wegen Krämpfen. Aufgrund dieser Erkrankungen sei der Kläger jedenfalls seit August 2010 nicht in der Lage, irgendeiner Tätigkeit nachzugehen. Zeitweilig sei die komplette Übernahme der Pflege durch die Ehefrau nötig gewesen; seit November 2011 sei eine Besserung eingetreten; der Kläger sei wieder in der Lage, eigenständig das Haus zu verlassen. Der Facharzt für Neurologie Dr. A. hat unter dem 20.01.2012 mitgeteilt, der Kläger habe bei der ersten Behandlung im Januar 2011 geklagt, seit drei Monaten die Augen nicht mehr richtig aufzubekommen. Außerdem sei eine massive Lichtempfindlichkeit und im weiteren Verlauf dann eine Ausweitung der dystonen Störung auf die Gesichtsmuskulatur und Stirnmuskulatur aufgetreten. Er habe den Kläger nach der Erstvorstellung stationär in die C.-Klinik Bad M. eingewiesen. Dort sei die Diagnose einer segmentalen Dystonie mit Blepharospasmus beider Augen und zervikaler Dystonie im Sinne eines beginnenden Meige-Syndroms gestellt worden. Im Laufe der Behandlung mit Botox in der C.-Klinik Bad M. sei eine mäßige Besserung des Blepharospasmus feststellbar gewesen. Zusätzlich sei es im Verlauf zu erheblichen Angstzuständen und Schlundkrämpfen mit ataktischer Inspiration gekommen. Der Kläger sei aufgrund dieser Diagnosen nicht in der Lage, einer Arbeit nachzugehen. Die Einschränkung bestehe zumindest seit Januar 2011. Dr. U., Leitender Oberarzt der Klinik für Neurologie, C.-Krankenhaus Bad M., hat in seiner Auskunft vom 23.01.2012 ausgeführt, der Kläger habe unter vielfältigen dystonen Bewegungsstörungen mit belastungs- und lichtabhängigem Zukneifen der Lider, zervikaler Bewegungsstörung mit schiefer Kopfhaltung nach links, Schulterhochstand rechts mit zervikalen Verspannungen und weiteren Symptomen gelitten. Zeitweise sei durch die Botox-Therapie eine Besserung eingetreten, welche jedoch nicht von Dauer gewesen sei. Eine sozialmedizinische Leistungsbewertung könne derzeit nicht vorgenommen werden, da der aktuelle Gesundheitszustand nicht bekannt sei.
Frau O. hat in ihrem Gutachten vom 25.06.2012 nach Untersuchung des Klägers am 27.03.2012 ausgeführt, aus neurologisch-psychiatrischer Sicht lägen ein mittlerweile gut behandeltes Meige-Syndrom mit funktioneller Überlagerung sowie eine abgelaufene Angst und eine depressive Reaktionen, die unter Medikation gut rückläufig sei, vor. Das im Rahmen der stationären Behandlungen festgestellte Parkinsonoid lasse sich inzwischen nicht mehr nachweisen. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in Wechselschicht auszuüben. Es sollten einfache, überschaubare Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr mit klaren Anweisungen sein. Arbeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Maschinen, mit Publikumsverkehr und geistiger Beanspruchung sollten nicht abverlangt werden. Aufgrund der vorhandenen Wirbelsäulenleiden sollte die Möglichkeit zu Haltungswechsel bestehen. Dr. M. hat den Kläger am 12.01.2013 untersucht und in seinem Gutachten vom 16.01.2013 die Diagnosen Meige-Syndroms, psychoreaktive Depression und Parkinsonoid mitgeteilt. Der Kläger sei gegenwärtig weder in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit noch in einer Verweisungstätigkeit ausreichend leistungsfähig. Er sei allenfalls noch in der Lage, Tätigkeiten unter drei Stunden zu verrichten. Aufgrund der vorliegenden Aktenlage, die allerdings zahlreiche Inkonsistenzen aufweise, müsse vom Vorliegen der Erkrankung spätestens seit Januar 2011 ausgegangen werden. Mit einer Besserung sei aufgrund des bisherigen Verlaufs nicht zu rechnen. Dr. M. hat auf einen vorläufigen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 30.11.2012 über einen dortigen stationären Aufenthalt vom 02.11.2012 bis 30.11.2012 Bezug genommen. Darin werden die Diagnosen eine idiopathischen orofazialen Dystonie, Meige-Syndrom, Anpassungsstörung und arterielle Hypertonie gestellt.
Mit Urteil vom 05.07.2013 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.11.2011 verurteilt, dem Kläger ab dem 01.12.2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Dauer von drei Jahren zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und entschieden, dass die Beklagte dem Kläger ein Drittel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung seien ab dem 01.12.2012 für die Dauer von drei Jahren erfüllt. Der Kläger sei ab der Aufnahme im Psychiatrischen Zentrum N. am 02.11.2012 voll erwerbsgemindert. Aufgrund der Gutachten von Dr. S. und Frau O. habe sich die Kammer nicht davon überzeugen können, dass der Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt erwerbsgemindert gewesen sei. Seit dem stationären Aufenthalt im Psychiatrischen Zentrum N. sei eine erhebliche soziale Rückzugstendenz aufgetreten, welche insoweit in Einklang mit dem beim Gutachter Dr. M. geschilderten fast vollständigen Verlust von Tagesstruktur, Alltagsaktivitäten, Interessen und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben stehe. Die Kammer verkenne nicht, dass in verschiedenen ärztlichen Unterlagen eine Aggravationstendenz geschildert werde, gehe jedoch nicht davon aus, dass vor dem Hintergrund zahlreicher Therapieversuche, teils unter Inkaufnahme erheblicher Nebenwirkungen, und den dokumentierten stationären Aufenthalten ein nur unerhebliches Beschwerdebild vorliege. Die Klinikaufenthalte sprächen zum einen für einen erheblichen Leidensdruck, zum anderen erscheine es eher unwahrscheinlich, dass es dem Kläger gelungen sei, die Betreuer im Rahmen der mehrwöchigen Aufenthalte zu täuschen. Die Kammer sei überzeugt davon, dass es vor dem Hintergrund der Bewegungsstörungen im Gesicht zu Rückzugstendenzen gekommen sei. Aus Sicht der an der Entscheidung beteiligten medizinischen Laien erscheine es auch nachvollziehbar, dass diese neurologischen Störungen zumindest subjektiv eine Stigmatisierung bewirken könnten, welche ebenfalls subjektiv eine soziale Interaktion unmöglich machten. Die Rente sei befristet zu gewähren gewesen. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Begutachtungen, welche teilweise davon ausgegangen seien, dass die beim Kläger bestehende Symptomatik überhaupt nicht in erheblicher Schwere bestehe, habe sich die Kammer nicht davon überzeugen können, dass eine Besserung unwahrscheinlich sei. Stattdessen erscheine es ratsam, die Symptomatik nach einiger Zeit erneut zu untersuchen. Nach Vorliegen des Antrags und der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hätten die Voraussetzungen für die Rentenbewilligung bei einem Leistungsfall im November 2012 ab dem 01.12.2012 vorgelegen.
Gegen das ihr am 17.07.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.08.2013 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, weder der Entlassungsbericht des psychiatrischen Zentrums N. vom 30.11.2012 noch das Gutachten von Dr. M. vom 16.01.2013, auf die sich das SG hauptsächlich stütze, seien schlüssig und nachvollziehbar. Zum jetzigen Zeitpunkt könne nicht von einem aufgehobenen Leistungsvermögen des Klägers ausgegangen werden. Aufgrund der Angabe, dass die Kammer davon überzeugt sei, dass der Kläger ab dem stationären Aufenthalt im Psychiatrischen Zentrum N. vom 02.11.2012 bis 30.11.2012 voll erwerbsgemindert sei, werde davon ausgegangen, dass das Gericht als Leistungsfall, der genau zu benennen sei, den 02.11.2012 (Aufnahme in die Klinik) annehme. Darüber hinaus führe das SG aus, dass die Rente auf drei Jahre befristet zu gewähren sei. Der Rentenbeginn, bei einem unterstellten Leistungsfall vom 02.11.2012, entspreche nicht der gesetzlichen Regelung. Da das SG davon ausgegangen sei, dass eine Besserung nicht unwahrscheinlich sei, hätte es als Rentenbeginn den 01.06.2013 feststellen müssen. Soweit auf den vorläufigen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 30.11.2012 und die dort angegebenen Rückzugstendenzen abgehoben werde, werde darauf hingewiesen, dass es dem Kläger durchaus gelungen sei, sich in das Stationssetting zu integrieren und Kontakt zu Mitpatienten zu knüpfen. Hinsichtlich des als auffallend beschriebenen ausgeprägten Vermeidungs- und Rückzugsverhaltens stelle sich die Frage, ob dies nicht im Zusammenhang mit dem Rentenbegehren stehe. Hinweise auf eine depressive Erkrankung hätten sich während des Klinikaufenthalts nicht gezeigt. Die Pflege und Versorgung der unterschiedlichen Zuchttiere sowie das Spazierengehen mit den Hunden sprächen gegen eine quantitative Leistungsminderung. Die Angabe, er sei noch nie im Urlaub gewesen, sei zumindest aufgrund der Tierzucht nachvollziehbar, da eine ständige Betreuung der Tiere erforderlich sei. Gerade durch die Tierzucht komme er aber mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt. Beispielhaft werde auf beigefügte Ausdrucke aus dem Internet verwiesen, die von einer regen Beteiligung am Vereinsleben und erhaltenen Kontakten zeugten. Die von Dr. A. berichtete sozial phobische Komponente mit Panikstörung außerhalb der häuslichen Umgebung erscheine daher fraglich. Ferner verweist sie auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vom 06.08.2013, vom 22.08.2014 und vom 10.12.2015 (Bl. 9/10, 73, 127/128 der Senatsakte) und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. vom 15.03.2016 (Bl. 141 der Senatsakte). Das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten von Prof. Dr. A. vom 19.10.2015 sei nicht überzeugend. Insbesondere sei das Ausmaß der Aggravation durch den Kläger nicht messbar, so dass, wenn auch ein relevantes psychisches Krankheitsbild vorliege, letztlich offen bleibe, in welchem Ausmaß der Kläger tatsächlich konkret beeinträchtigt sei. Diese Nichterweislichkeit des Ausmaßes seiner Beschwerden gehe zu Lasten des Klägers, der aus einem geltend gemachten eingeschränkten Leistungsvermögen einen Rentenanspruch für sich herleiten wolle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Juli 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat am 14.08.2013 gegen das ihm am 18.07.2013 zugestellte Urteil "Anschlussberufung" eingelegt und beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Juli 2013 zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Juli 2013 und den Bescheid vom 28. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. Mai 2011 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Das SG habe im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger voll erwerbsgemindert sei. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Beratungsärztin Dr. E. seien nicht durchgreifend. Der Leistungsfall sei bereits mit der Rentenantragstellung eingetreten, sodass es nicht auf die Einwendungen der Beklagten bezüglich des ausgeurteilten Rentenbeginns ankomme. Bereits Dr. S. habe Anzeichen des sozialen Rückzugs angegeben, was dafür spreche, dass die seitens des SG für relevant gehaltenen Rückzugstendenzen bereits wesentlich früher bestanden hätten als berücksichtigt. Auch Dr. A. habe in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 20.01.2012 von mittlerweile sozial phobischer Komponente mit Panikstörungen außerhalb der häuslichen Umgebung berichtet. Die von Dr. M. beschriebenen Abnutzungen im Bereich der Zähne seien bereits im Bericht des C.-Krankenhauses Bad M. vom 28.06.2011 dokumentiert, was für das bereits zeitlich lange Bestehen der von Dr. M. beschriebenen muskulären Spannungen im Bereich des Kiefers spreche. Ferner hat er einen Bericht des Universitätsklinikums W. vom 25.06.2012, den vorläufigen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 30.11.2012 und einen Bericht des C.-Krankenhauses Bad M. vom 04.10.2012 vorgelegt.
Der Senat hat den Facharzt für Neurologie, Klinische Geriatrie und Rehabilitationswesen Prof. Dr. A., Fachkliniken H., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Gutachter hat den Kläger am 13.10.2015 untersucht und in seinem Gutachten vom 19.10.2015 unter Berücksichtigung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl.-Psychologin Dr. B. ausgeführt, bei dem Kläger bestehe auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ein Meige-Syndrom mit im Vordergrund stehender oromandibulärer und pharyngealer Dystonie; darüber hinaus bestehe eine ausgeprägte kognitive Leistungsminderung, die neuropsychologischerseits nachgewiesen worden sei und sich in erheblichen Einschränkungen der Aufmerksamkeitsleistung und der Merkfähigkeit sowie der konzentrativen Belastbarkeit äußere. Ferner liege eine allerdings lediglich leichtgradige depressive Anpassungsstörung im Rahmen der Gesamtsituation mit einer subdepressiven Grundstimmung und einer etwas reduzierten affektiven Schwingungsfähigkeit vor. Aufgrund der ausgeprägten kognitiven Einschränkungen, deren Ursache nicht eindeutig zu klären sei, die jedoch sicherlich zu einem erheblichen Teil durch die hochdosierte Psychopharmakotherapie der dystonen Symptomatik verursacht sein dürften, sei der Kläger nicht in der Lage, regelmäßige Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert in irgendeinem Umfang auszuüben. Es sei davon auszugehen, dass der jetzt festgestellte Zustand seit dem Datum der Antragstellung bestehe. Allerdings seien bisher keinerlei dezidierte Untersuchungen der kognitiven Leistungsfähigkeit erfolgt, sodass diesbezüglich keine sichere Aussage zu treffen sei. Bei primären ideopathischen dystonen Syndromen gebe es zwar Fälle spontaner Rückbildung, diese seien allerdings eher selten. Inwieweit eine eventuell zu diskutierende Implantation eines Hirnstimulators eine Besserung der Symptomatik erreichen könne, sei letztlich nicht sicher vorhersehbar. Wiederholt seien in Vorbefunden eine scheinbare funktionelle Überlagerung oder psychische Überlagerung und Aggravationstendenzen berichtet worden. Dieser Einschätzung könne er sich nicht anschließen. An dieser Einschätzung hat der Gutachter auch in einer ergänzenden Stellungnahme vom 18.02.2016, welche aufgrund von Einwänden des sozialmedizinischen Dienstes des Beklagten durch Dr. E. eingeholt worden ist, festgehalten.
Die Berichterstatterin hat am 24.02.2015 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt; insoweit wird auf die Niederschrift über den Termin (Bl. 81/83 der Senatsakte) Bezug genommen).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die ebenfalls zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 01.12.2012 bis 30.11.2015 zu gewähren; der Kläger hat jedoch - ausgehend von einem Leistungsfall am 13.10.2015 - Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2016 bis zum 30.04.2019.
Der streitige Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung richtet sich nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand September 2015, § 43 SGB VI, Rdnr. 58 und 30 ff.).
Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente setzt beweisrechtlich voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 25/03 R, Juris Rdnr. 13), feststehen. Im Falle der Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteile vom 24.10.1957, 10 RV 945/55 und vom 20.01.1977, 8 RU 52/76, Juris) der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast, wonach die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache von demjenigen Beteiligten zu tragen sind, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Eine Beweislastentscheidung setzt voraus, dass zunächst alle verfügbaren Erkenntnisquellen und Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden sind und sich die entscheidungserheblichen Tatsachen gleichwohl nicht feststellen lassen (BSG, Urteil vom 24.05.2006, B 11 AL 7/05 R, Juris, Rdnr. 29, 32).
Gemessen an diesem Maßstab ist der Kläger jedenfalls ab dem 13.10.2015, dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. A. und Dipl.-Psychologin Dr. B., voll erwerbsgemindert. Die Leistungsfähigkeit des Klägers wird durch die Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht nur qualitativ, sondern auch in zeitlicher Hinsicht auf unter drei Stunden arbeitstäglich eingeschränkt. Für den Senat steht fest, dass der Kläger unter einem Meige-Syndrom mit im Vordergrund stehender oromandibulärer und pharyngealer Dystonie, einer ausgeprägten kognitiven Leistungsminderung sowie einer leichtgradigen depressiven Anpassungsstörung im Rahmen der Gesamtsituation mit einer subdepressiven Grundstimmung und etwas reduzierter affektiver Schwingungsfähigkeit leidet. In der Gesamtschau der erhobenen Befunde, insbesondere unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Beschwerdevalidierung mit dem Nachweis authentischer Beschwerden, sowie der Dokumentation einer erheblichen kognitiven Leistungsminderung und den vor allem bei Mundöffnung beobachteten massiven dystonen oromandibulären Bewegungsstörungen ist Prof. Dr. A. für den Senat überzeugend und nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger nicht in der Lage ist, regelmäßig einer Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen. Das Vorliegen eines Meige-Syndroms, das auch durch die Beklagte nicht mehr bestritten wird, wird durch den durch Prof. Dr. A. mitgeteilten neurologischen Befund bestätigt. So zeigten sich ganz vereinzelte krampfartige Lidschlussbewegungen, häufiger eine dystone Bewegung des Kinns nach unten und ein krampfartiges Verziehen der Mundmuskulatur; beim Öffnen des Mundes, was nicht weiter als ca. 2,5 cm möglich war, entwickelte sich rasche Rötung des Gesichts verbunden mit einer erheblichen Zunahme dystoner oromandibulärer Bewegungen. Bei einem Schluckversuch wurde der Kläger ebenfalls sofort wieder rot im Gesicht; er konnte erkennbar nur kleine Schlucke zu sich nehmen und schluckte diese mit einem sehr lauten Schluckgeräusch. Auch die psychiatrische Erkrankung lässt sich aus dem durch den Gutachter erhobenen psychopathologischer Befund ableiten. Der Kläger war zwar bewusstseinsklar und in allen Qualitäten voll orientiert, zugewandt und kooperativ, in der Grundstimmung aber subdepressiv bei ausreichend erhaltener Schwingungsfähigkeit. Antrieb und Psychomotorik waren nicht eingeschränkt, es zeigten sich keine Hinweise auf Störungen von Gedächtnis, Konzentration und Aufmerksamkeit. Die der Leistungseinschränkung zugrunde liegenden Befunde werden aber durch die Ergebnisse der testpsychologische Untersuchung, die durch die Dipl.-Psychologin Dr. B. durchgeführt worden ist, belegt. Der testpsychometrische Befund zeigte eine weit unterdurchschnittliche selektive Aufmerksamkeitsleistung. Die komplexere visuelle Aufmerksamkeit war aufgrund der durch den Kläger angegebenen visuellen Schwierigkeiten nicht messbar. Die sprachliche Lern- und Merkfähigkeit war insgesamt als unterdurchschnittlich zu bewerten, sehr wahrscheinlich infolge der allgemein reduzierten Aufmerksamkeit und spezifischer Störungen im Bereich der Einspeicherung. Die Leistung im Wiedererkennen war unterdurchschnittlich. Die visuelle Merkfähigkeit war unterdurchschnittlich; der Kläger konnte die komplexe Testvorlage nur mit ungenauen Einzelfiguren kopieren, was zeigt, dass die Einspeicherung als reduziert anzunehmen ist. Die Handlungsplanung war durchschnittlich gut.
Der Senat hat - anders als die Beklagte - auch keine Zweifel an der Authentizität der Beschwerden des Klägers. Bei der durch Dipl.-Psychologin Dr. B. durchgeführten Konsistenzprüfung und Beschwerdevalidierung ergaben sich keine Anzeichen für eine Antwortverzerrung im Sinne einer Beschwerdeübertreibung oder -ausweitung. Es wurden insgesamt vier Kennwerte zur wissenschaftlichen Beurteilung und Absicherung der Anstrengungsbereitschaft angewendet. Ein impliziter Parameter aus dem Bereich der Merkfähigkeit (VLMT) sowie ein Parameter zur Geschwindigkeit (SDMT), die in den Testergebnissen bereits erfasst sind, sprechen nicht für eine Verfälschung der Testergebnisse durch eine zu geringe Anstrengungsbereitschaft. Ein drittes, separates Testverfahren zur Aufdeckung gezielter negativer Antwortverzerrungen (Tombaugh, 1997) wurde unauffällig bearbeitet. Die allgemeine Beschwerdeschilderung wurde in einem Screening-Verfahren mit 11 Punkten als durchschnittlich im Vergleich mit alters- und bildungsgleichen Männern eingestuft. Die Gutachterin fand in den Testverfahren keine Hinweise auf eine Schilderung unplausibler psychischer und kognitiver Beschwerden. Auch das Verhalten des Klägers im Rahmen der testpsychologischen Untersuchung bestätigte die deutlich eingeschränkte konzentrative Ausdauer. So wurde die einstündige Untersuchung für eine Viertelstunde unterbrochen, in der der Kläger sich hinlegte und schlief. Aufgrund der wissenschaftlichen Beschwerdevalidierung ließen sich Aggravation oder Simulation der Beschwerden ausschließen. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass Anzeichen für Aggravation der Beschwerden durch die früheren Gutachter mitgeteilt worden waren. Die Einschätzung von Prof. Dr. A., wonach der Eindruck einer Aggravation am ehesten der Symptomverstärkung bei Aufregung geschuldet ist, ist aber schlüssig begründet. Entsprechende Zusammenhänge wurden bereits im Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 30.11.2012 berichtet. Der Kläger hatte angegeben, dass die Bewegungsstörung zunehme, wenn er mit Erwartungen oder Anforderungen Dritter konfrontiert werde, etwas leisten müsse, sowie sonst in sozialen Situationen. Im Verlauf der Einzelgespräche wurde auch eine deutliche Zunahme beobachtet, vor allem, wenn sich der Kläger mit Fragen seitens der Behandler konfrontiert sah.
Die durch den sozialmedizinischen Dienst vorgebrachten Einwände gegen das Gutachten hat Prof. Dr. A. für den Senat überzeugend entkräften können. So weist der Gutachter nachvollziehbar darauf hin, dass die Tatsache, dass im Rahmen seiner neurologisch-psychiatrischen Untersuchung die kognitiven Defizite nicht erkennbar waren, kein Beweis dafür ist, dass diese nicht vorhanden waren, da die vorliegende Form der kognitiven Leistungseinschränkung in einem Anamnesegespräch auch für einen erfahrenen Gutachter nicht zwingend erkennbar ist. Soweit Dr. E. auf die Diskrepanz einer Gesichtszunahme von 132 kg auf aktuell 142,5 kg bei angegebenen Schwierigkeiten hinsichtlich des Essens und Trinkens bei eingeschränkter Mundöffnung hinweist, führt der Gutachter nachvollziehbar aus, dass dies als Spekulation bezeichnet werden muss, da aufgrund des lange bestehenden Übergewichts und der Einnahme von Psychopharmaka keineswegs aufgrund von Schwierigkeiten beim Essen und Trinken eine Gewichtsabnahme folgen muss. Die durch Dr. E. bemängelte Inkonsistenz eines unauffälligen neurologischen Befunds hinsichtlich Koordination und Gang in Bezug auf einen Grad der Behinderung mit der Zuerkennung des Merkzeichens "G" wird durch Prof. Dr. A. bestätigt; der Gutachter weist aber zutreffend darauf hin, dass die Rechtmäßigkeit der Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht Gegenstand des Verfahrens und der durch ihn zu beantwortenden Beweisfragen ist. Auch für den Senat ist nicht nachvollziehbar, welchen Schluss Dr. E. aus dem Umstand, dass der Kläger trotz neurokognitiver Defizite noch kurze Strecken mit dem Auto fährt, ziehen will. Ihre Einschätzung, dass verantwortungsvolle Probanden bei neurokognitiven Defiziten und unter sedierender Psychopharmakotherapie in dem Beschluss bestärken würden, kein Fahrzeug zu führen, ist sicher zutreffend. Aus einem nicht verantwortungsbewussten Verhalten kann aber nicht geschlossen werden, dass keine Defizite vorliegen. Prof. Dr. A. weist auch insoweit überzeugend darauf hin, dass es keineswegs ungewöhnlich ist, dass Probanden mit neurokognitiven Defiziten ein Kraftfahrzeug führen, nicht zuletzt, weil sie sich ihrer neurokognitiven Defizite oft nicht bewusst sind.
Nachdem sich die Leistungseinschränkung wesentlich aus der kognitiven Störung ergibt, ist der - durch die Beklagte in Zweifel gezogene - soziale Rückzug aus Sicht des Senats nicht entscheidungserheblich. Unabhängig davon kann aus einem einmaligen Treffen mit Mitgliedern eines Kleintierzüchtervereins ebenso wenig wie aus dem Spenden von Essen für ein Vereinstreffen auf ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geschlossen werden. Eine aktive Vereinsmitgliedschaft weckt zwar Zweifel an einem vollständigen sozialen Rückzug, ist aber durch das Bild, das die Beklagte im Rahmen von Internetrecherchen gefunden hat, keinesfalls belegt. Die Spende für den Seniorentreff, den die Beklagte wiederholt angeführt hat, erfolgte, wie der Kläger glaubhaft versichert hat, durch dessen Vater.
Der Senat konnte sich von einem früheren Leistungsfall als dem Tag der Begutachtung durch Prof. Dr. A. nicht überzeugen. Zwar liegt die Grunderkrankung des Meige-Syndrom mit im Vordergrund stehender oromandibulärer und pharyngealer Dystonie ausweislich der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Berichte des Caritas-Krankenhauses Bad Mergentheim, der Uniklinik Würzburg und der Berichte des behandelnden Neurologen Dr. A. seit 2011 vor, die der Erwerbsminderung maßgebend zugrunde liegende ausgeprägte kognitive Einschränkung ist aber erstmals durch die testpsychologischen Untersuchungen der Dipl-Psychologin Dr. B. in ihrem leistungseinschränkenden Ausmaß dokumentiert. Eine psychometrische Testung fand - aufgrund fehlender Kooperation des Klägers - auch durch Frau O. nicht statt, auch Dr. M. führte entsprechende Untersuchungen nicht durch und schilderte im psychischen Befund noch eine lediglich leichte Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung. Die durch den sozialmedizinischen Dienst der Beklagten geäußerten Bedenken hinsichtlich des Gutachtens durch Dr. M. vom 16.01.2013 teilt der Senat. Dr. M. beschreibt Aufmerksamkeit und Konzentration als leicht reduziert, den Kläger als umstellungserschwert, psychomotorisch sehr unruhig, jedoch nicht antriebsgehemmt, auch nicht speziell depressiv antriebsgestört und letztlich nur themenbezogen über seinen Krankheitsverlauf berichtend, leicht traurig und weinerlich wirkend. An neurologisch-apparativen Untersuchungen erfolgt ein EEG/AEP ohne pathologischen Befund, ein Intelligenztest zeichnet eine durchschnittliche Intelligenz ab. Eine weitere psychometrische Testung wurde unterlassen. Dr. E. weist insoweit in ihrer Stellungnahme vom 25.04.2013 zutreffend darauf hin, dass das Gutachten von Dr. M. einer Plausibilitätsprüfung nicht standhält. Das beschriebene Parkinsonoid findet sich allein im leicht kleinschrittigen Gangbild, ohne dass die darüber hinaus mitgeteilten neurologischen Befunde das Krankheitsbild bestätigen würden. Inkonsistent sind die Angaben insbesondere insoweit, als einerseits eine psychoreaktive Depression diagnostiziert wird, andererseits ein relevanter psychischer Hintergrund negiert wird. Die durch den Gutachter angenommene Leistungseinschränkung ist daher auch nach Überzeugung des Senats nicht schlüssig begründet. Dass dem Kläger trotz der Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr zugemutet werden konnten, ergibt sich vielmehr aus den Gutachten von Frau O. vom 27.03.2012 und Dr. S. vom 02.05.2011. Nicht zu überzeugen vermochte sich der Senat insbesondere vom Eintritt der Erwerbsminderung bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme im Psychiatrischen Zentrum N. am 02.11.2012, den das SG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hatte. Eine dauerhafte Einschränkung des Leistungsvermögens lässt sich aus dem Bericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 30.11.2012 nicht ableiten. Im Vordergrund der Symptomatik bei Aufnahme am 02.11.2012 stand ein leicht- bis mittelgradig ausgeprägtes depressives Syndrom sowie ausgeprägte Rückzugstendenzen und ein Vermeidungsverhalten vor allem im Zusammenhang mit sozialen Situationen. Nach der Aufnahme zeigte sich der Kläger aber rasch entlastet, im Kontakt schwingungsfähig, hinsichtlich der Antriebslage und der Affektivität zeigten sich keine eindeutigen Hinweise mehr auf das Vorliegen einer depressiven Störung. Der Kläger konnte sich vielmehr in das Stationssetting integrieren und Kontakt zu Mitpatienten knüpfen. Die Entlassung erfolgte in affektiv leichtgradig stabilisiertem Zustand.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind bei dem Eintritt der Erwerbsminderung am 13.10.2015 erfüllt; der Kläger hat die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die besonderen Versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind - ausgehend von dem dem Senat vorliegenden Versicherungsverlauf vom 08.04.2014 - aufgrund der nach §§ 43 Abs. 4 Ziff. 1, Ziff. 3, 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI zu berücksichtigenden Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 18.10.2011 bis 24.03.2014 jedenfalls bis März 2016 erfüllt.
Diese Rente ist zeitlich zu befristen. Gemäß § 102 Abs. 2 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundsätzlich auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden, dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Unwahrscheinlich im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Von solchen Gründen kann erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht (BSG, Urteil vom 29.06.2006, B 13 RJ 31/05 R, Juris). Hier kommt nur eine befristete Rente in Betracht, da eine Besserung jedenfalls nicht unwahrscheinlich ist und nicht alle Behandlungsoptionen ausgeschöpft sind. Auch insoweit folgt der Senat dem Gutachten von Prof. Dr. A. Bei primären idiopathischen dystonen Syndromen gibt es seltene Fälle spontaner Rückbildung; die von Prof. Dr. A. angenommene Wahrscheinlichkeit von 10 % genügt nach Auffassung des Senats, um davon auszugehen, dass eine Besserung zumindest nicht unwahrscheinlich ist. Außerdem ist laut Prof. Dr. A. und Dr. E. (Stellungnahme vom 06.08.2013) zumindest die Implantation eines Hirnstimulators zur Besserung der Symptomatik zu diskutieren. Nachdem weitere Behandlungsmöglichkeiten offenstehen, ist eine Besserung nicht unwahrscheinlich und die Rente befristet zu gewähren. Die Befristung erfolgt nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn, wobei befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet werden. Ausgehend von einem Leistungsfall am 13.10.2015 und der Regelbefristung von drei Jahren war die Rente daher vom 01.05.2016 bis zum 30.04.2019 zu gewähren. Denn es sind aktuell keine Gesichtspunkte erkennbar, die es rechtfertigen könnten, auch bei der Verlängerung von der für den Regelfall vorgegebenen Befristungsdauer abzuweichen.
Ein Anspruch auf teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI besteht nicht, da der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist.
Damit war der Berufung der Beklagten stattzugeben, soweit das SG zur Rentengewährung für die Zeit vom 01.12.2012 bis zum 30.11.2015 verurteilt hat, und auf die Berufung des Klägers, die auf die unbefristete Rentengewährung ab dem 01.05.2011 gerichtet war, Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 30.04.2019 zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Leistungsfall erst im Berufungsverfahren eingetreten ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung und Berufungseinlegung gegeben hat.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren; im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.
Der 1962 geborene Kläger absolvierte in der Zeit von 1980 bis 1983 eine Ausbildung zum Zimmerer, die er mit Erfolg abschloss. Von 1983 bis 1998 war er im erlernten Beruf und von 1998 bis 2009 als Lagerist, zuletzt als Kommissionierer, versicherungspflichtig beschäftigt. Ab Juni 2009 bezog der Kläger Krankengeld, anschließend bis Oktober 2011 Arbeitslosengeld. Die Zeit vom 18.10.2011 bis 24.03.2014 ist als Zeit der Arbeitslosigkeit im Versicherungsverlauf erfasst (Vormerkungsbescheid vom 08.04.2014, Bl. 56 ff. der Senatsakte).
Aufgrund eines Antrags auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S., der in seinem Gutachten vom 05.05.2011 zu der Einschätzung gelangte, der Kläger leide unter einer leichtgradigen depressiven Verstimmung. In Zusammenschau der Aktenlage, der Anamnese und der jetzt erhobenen Untersuchungsbefunde habe nicht sicher die Diagnose einer oromandibulären Dystonie bzw. eines Blepharospasmus oder eines Meige-Syndroms gestellt bzw. nachvollzogen werden können. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht liege ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden als Lagerist und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vor; eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme werde nicht empfohlen.
Den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 23.05.2011 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2011 mit der Begründung ab, die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.
Hiergegen hat der Kläger am 14.11.2011 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und ausgeführt, er halte die Leistungseinschätzung des Dr. S. für unzutreffend. Er leide, wie sich aus dem Bericht des C.-Krankenhauses Bad M. vom 28.06.2011 ergebe, unter einer idiopathischen orofazialen Dystonie, einem Meige-Syndrom, z. B. im Rahmen einer segmentalen Dystonie und einem sekundären Parkinsonoid. Durch die Behandlung mit Tiapridex und Tetrabenazin habe sich zwar eine nahezu komplette Remission der cervikalen Dystonie ergeben, allerdings unter Inkaufnahme eines sekundären Parkinsonsyndroms. Persistierend sei demgegenüber die blepharospastische und periorale Komponente des Meige-Syndroms. Bisherige Therapieversuche, unter anderem eine Botox-Behandlung in Bad M., hätten nur eine unzureichende Besserung der dystonen Störung im Gesichtsbereich ergeben. Im Laufe der Erkrankung habe sich eine depressive Anpassungsstörung mit ängstlich geprägtem sozialem Rückzug entwickelt.
Das SG hat im Rahmen der Beweisaufnahme die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen und die Fachärztin für Neurologie und für Psychiatrie und Psychotherapie O. von Amts wegen sowie den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstattung von Gutachten beauftragt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin S. hat in seiner am 19.01.2012 beim SG eingegangenen Stellungnahme ausgeführt, er behandle den Kläger kontinuierlich mit einer Behandlungsfrequenz von ein bis zwei Konsultationen pro Woche. Dieser leide unter einem persistierenden Blepharospasmus, einer progredienten Schluckstörung mit Schlundkrämpfen, einer Gleichgewichts- und Gangstörung, rezidivierenden Bronchititen bei Aspiration wegen Schluckstörung und Atemnotanfällen bei Schlundkrämpfen mit Hyperventilationstetanien. Er habe eine Panikstörung entwickelt; hinzu kämen progrediente Myogelosen im Bereich der Halswirbelsäule wegen Krämpfen. Aufgrund dieser Erkrankungen sei der Kläger jedenfalls seit August 2010 nicht in der Lage, irgendeiner Tätigkeit nachzugehen. Zeitweilig sei die komplette Übernahme der Pflege durch die Ehefrau nötig gewesen; seit November 2011 sei eine Besserung eingetreten; der Kläger sei wieder in der Lage, eigenständig das Haus zu verlassen. Der Facharzt für Neurologie Dr. A. hat unter dem 20.01.2012 mitgeteilt, der Kläger habe bei der ersten Behandlung im Januar 2011 geklagt, seit drei Monaten die Augen nicht mehr richtig aufzubekommen. Außerdem sei eine massive Lichtempfindlichkeit und im weiteren Verlauf dann eine Ausweitung der dystonen Störung auf die Gesichtsmuskulatur und Stirnmuskulatur aufgetreten. Er habe den Kläger nach der Erstvorstellung stationär in die C.-Klinik Bad M. eingewiesen. Dort sei die Diagnose einer segmentalen Dystonie mit Blepharospasmus beider Augen und zervikaler Dystonie im Sinne eines beginnenden Meige-Syndroms gestellt worden. Im Laufe der Behandlung mit Botox in der C.-Klinik Bad M. sei eine mäßige Besserung des Blepharospasmus feststellbar gewesen. Zusätzlich sei es im Verlauf zu erheblichen Angstzuständen und Schlundkrämpfen mit ataktischer Inspiration gekommen. Der Kläger sei aufgrund dieser Diagnosen nicht in der Lage, einer Arbeit nachzugehen. Die Einschränkung bestehe zumindest seit Januar 2011. Dr. U., Leitender Oberarzt der Klinik für Neurologie, C.-Krankenhaus Bad M., hat in seiner Auskunft vom 23.01.2012 ausgeführt, der Kläger habe unter vielfältigen dystonen Bewegungsstörungen mit belastungs- und lichtabhängigem Zukneifen der Lider, zervikaler Bewegungsstörung mit schiefer Kopfhaltung nach links, Schulterhochstand rechts mit zervikalen Verspannungen und weiteren Symptomen gelitten. Zeitweise sei durch die Botox-Therapie eine Besserung eingetreten, welche jedoch nicht von Dauer gewesen sei. Eine sozialmedizinische Leistungsbewertung könne derzeit nicht vorgenommen werden, da der aktuelle Gesundheitszustand nicht bekannt sei.
Frau O. hat in ihrem Gutachten vom 25.06.2012 nach Untersuchung des Klägers am 27.03.2012 ausgeführt, aus neurologisch-psychiatrischer Sicht lägen ein mittlerweile gut behandeltes Meige-Syndrom mit funktioneller Überlagerung sowie eine abgelaufene Angst und eine depressive Reaktionen, die unter Medikation gut rückläufig sei, vor. Das im Rahmen der stationären Behandlungen festgestellte Parkinsonoid lasse sich inzwischen nicht mehr nachweisen. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in Wechselschicht auszuüben. Es sollten einfache, überschaubare Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr mit klaren Anweisungen sein. Arbeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Maschinen, mit Publikumsverkehr und geistiger Beanspruchung sollten nicht abverlangt werden. Aufgrund der vorhandenen Wirbelsäulenleiden sollte die Möglichkeit zu Haltungswechsel bestehen. Dr. M. hat den Kläger am 12.01.2013 untersucht und in seinem Gutachten vom 16.01.2013 die Diagnosen Meige-Syndroms, psychoreaktive Depression und Parkinsonoid mitgeteilt. Der Kläger sei gegenwärtig weder in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit noch in einer Verweisungstätigkeit ausreichend leistungsfähig. Er sei allenfalls noch in der Lage, Tätigkeiten unter drei Stunden zu verrichten. Aufgrund der vorliegenden Aktenlage, die allerdings zahlreiche Inkonsistenzen aufweise, müsse vom Vorliegen der Erkrankung spätestens seit Januar 2011 ausgegangen werden. Mit einer Besserung sei aufgrund des bisherigen Verlaufs nicht zu rechnen. Dr. M. hat auf einen vorläufigen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 30.11.2012 über einen dortigen stationären Aufenthalt vom 02.11.2012 bis 30.11.2012 Bezug genommen. Darin werden die Diagnosen eine idiopathischen orofazialen Dystonie, Meige-Syndrom, Anpassungsstörung und arterielle Hypertonie gestellt.
Mit Urteil vom 05.07.2013 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.11.2011 verurteilt, dem Kläger ab dem 01.12.2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Dauer von drei Jahren zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und entschieden, dass die Beklagte dem Kläger ein Drittel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung seien ab dem 01.12.2012 für die Dauer von drei Jahren erfüllt. Der Kläger sei ab der Aufnahme im Psychiatrischen Zentrum N. am 02.11.2012 voll erwerbsgemindert. Aufgrund der Gutachten von Dr. S. und Frau O. habe sich die Kammer nicht davon überzeugen können, dass der Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt erwerbsgemindert gewesen sei. Seit dem stationären Aufenthalt im Psychiatrischen Zentrum N. sei eine erhebliche soziale Rückzugstendenz aufgetreten, welche insoweit in Einklang mit dem beim Gutachter Dr. M. geschilderten fast vollständigen Verlust von Tagesstruktur, Alltagsaktivitäten, Interessen und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben stehe. Die Kammer verkenne nicht, dass in verschiedenen ärztlichen Unterlagen eine Aggravationstendenz geschildert werde, gehe jedoch nicht davon aus, dass vor dem Hintergrund zahlreicher Therapieversuche, teils unter Inkaufnahme erheblicher Nebenwirkungen, und den dokumentierten stationären Aufenthalten ein nur unerhebliches Beschwerdebild vorliege. Die Klinikaufenthalte sprächen zum einen für einen erheblichen Leidensdruck, zum anderen erscheine es eher unwahrscheinlich, dass es dem Kläger gelungen sei, die Betreuer im Rahmen der mehrwöchigen Aufenthalte zu täuschen. Die Kammer sei überzeugt davon, dass es vor dem Hintergrund der Bewegungsstörungen im Gesicht zu Rückzugstendenzen gekommen sei. Aus Sicht der an der Entscheidung beteiligten medizinischen Laien erscheine es auch nachvollziehbar, dass diese neurologischen Störungen zumindest subjektiv eine Stigmatisierung bewirken könnten, welche ebenfalls subjektiv eine soziale Interaktion unmöglich machten. Die Rente sei befristet zu gewähren gewesen. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Begutachtungen, welche teilweise davon ausgegangen seien, dass die beim Kläger bestehende Symptomatik überhaupt nicht in erheblicher Schwere bestehe, habe sich die Kammer nicht davon überzeugen können, dass eine Besserung unwahrscheinlich sei. Stattdessen erscheine es ratsam, die Symptomatik nach einiger Zeit erneut zu untersuchen. Nach Vorliegen des Antrags und der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hätten die Voraussetzungen für die Rentenbewilligung bei einem Leistungsfall im November 2012 ab dem 01.12.2012 vorgelegen.
Gegen das ihr am 17.07.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.08.2013 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, weder der Entlassungsbericht des psychiatrischen Zentrums N. vom 30.11.2012 noch das Gutachten von Dr. M. vom 16.01.2013, auf die sich das SG hauptsächlich stütze, seien schlüssig und nachvollziehbar. Zum jetzigen Zeitpunkt könne nicht von einem aufgehobenen Leistungsvermögen des Klägers ausgegangen werden. Aufgrund der Angabe, dass die Kammer davon überzeugt sei, dass der Kläger ab dem stationären Aufenthalt im Psychiatrischen Zentrum N. vom 02.11.2012 bis 30.11.2012 voll erwerbsgemindert sei, werde davon ausgegangen, dass das Gericht als Leistungsfall, der genau zu benennen sei, den 02.11.2012 (Aufnahme in die Klinik) annehme. Darüber hinaus führe das SG aus, dass die Rente auf drei Jahre befristet zu gewähren sei. Der Rentenbeginn, bei einem unterstellten Leistungsfall vom 02.11.2012, entspreche nicht der gesetzlichen Regelung. Da das SG davon ausgegangen sei, dass eine Besserung nicht unwahrscheinlich sei, hätte es als Rentenbeginn den 01.06.2013 feststellen müssen. Soweit auf den vorläufigen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 30.11.2012 und die dort angegebenen Rückzugstendenzen abgehoben werde, werde darauf hingewiesen, dass es dem Kläger durchaus gelungen sei, sich in das Stationssetting zu integrieren und Kontakt zu Mitpatienten zu knüpfen. Hinsichtlich des als auffallend beschriebenen ausgeprägten Vermeidungs- und Rückzugsverhaltens stelle sich die Frage, ob dies nicht im Zusammenhang mit dem Rentenbegehren stehe. Hinweise auf eine depressive Erkrankung hätten sich während des Klinikaufenthalts nicht gezeigt. Die Pflege und Versorgung der unterschiedlichen Zuchttiere sowie das Spazierengehen mit den Hunden sprächen gegen eine quantitative Leistungsminderung. Die Angabe, er sei noch nie im Urlaub gewesen, sei zumindest aufgrund der Tierzucht nachvollziehbar, da eine ständige Betreuung der Tiere erforderlich sei. Gerade durch die Tierzucht komme er aber mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt. Beispielhaft werde auf beigefügte Ausdrucke aus dem Internet verwiesen, die von einer regen Beteiligung am Vereinsleben und erhaltenen Kontakten zeugten. Die von Dr. A. berichtete sozial phobische Komponente mit Panikstörung außerhalb der häuslichen Umgebung erscheine daher fraglich. Ferner verweist sie auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vom 06.08.2013, vom 22.08.2014 und vom 10.12.2015 (Bl. 9/10, 73, 127/128 der Senatsakte) und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. vom 15.03.2016 (Bl. 141 der Senatsakte). Das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten von Prof. Dr. A. vom 19.10.2015 sei nicht überzeugend. Insbesondere sei das Ausmaß der Aggravation durch den Kläger nicht messbar, so dass, wenn auch ein relevantes psychisches Krankheitsbild vorliege, letztlich offen bleibe, in welchem Ausmaß der Kläger tatsächlich konkret beeinträchtigt sei. Diese Nichterweislichkeit des Ausmaßes seiner Beschwerden gehe zu Lasten des Klägers, der aus einem geltend gemachten eingeschränkten Leistungsvermögen einen Rentenanspruch für sich herleiten wolle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Juli 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat am 14.08.2013 gegen das ihm am 18.07.2013 zugestellte Urteil "Anschlussberufung" eingelegt und beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Juli 2013 zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 5. Juli 2013 und den Bescheid vom 28. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 1. Mai 2011 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Das SG habe im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger voll erwerbsgemindert sei. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Beratungsärztin Dr. E. seien nicht durchgreifend. Der Leistungsfall sei bereits mit der Rentenantragstellung eingetreten, sodass es nicht auf die Einwendungen der Beklagten bezüglich des ausgeurteilten Rentenbeginns ankomme. Bereits Dr. S. habe Anzeichen des sozialen Rückzugs angegeben, was dafür spreche, dass die seitens des SG für relevant gehaltenen Rückzugstendenzen bereits wesentlich früher bestanden hätten als berücksichtigt. Auch Dr. A. habe in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 20.01.2012 von mittlerweile sozial phobischer Komponente mit Panikstörungen außerhalb der häuslichen Umgebung berichtet. Die von Dr. M. beschriebenen Abnutzungen im Bereich der Zähne seien bereits im Bericht des C.-Krankenhauses Bad M. vom 28.06.2011 dokumentiert, was für das bereits zeitlich lange Bestehen der von Dr. M. beschriebenen muskulären Spannungen im Bereich des Kiefers spreche. Ferner hat er einen Bericht des Universitätsklinikums W. vom 25.06.2012, den vorläufigen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 30.11.2012 und einen Bericht des C.-Krankenhauses Bad M. vom 04.10.2012 vorgelegt.
Der Senat hat den Facharzt für Neurologie, Klinische Geriatrie und Rehabilitationswesen Prof. Dr. A., Fachkliniken H., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Gutachter hat den Kläger am 13.10.2015 untersucht und in seinem Gutachten vom 19.10.2015 unter Berücksichtigung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl.-Psychologin Dr. B. ausgeführt, bei dem Kläger bestehe auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ein Meige-Syndrom mit im Vordergrund stehender oromandibulärer und pharyngealer Dystonie; darüber hinaus bestehe eine ausgeprägte kognitive Leistungsminderung, die neuropsychologischerseits nachgewiesen worden sei und sich in erheblichen Einschränkungen der Aufmerksamkeitsleistung und der Merkfähigkeit sowie der konzentrativen Belastbarkeit äußere. Ferner liege eine allerdings lediglich leichtgradige depressive Anpassungsstörung im Rahmen der Gesamtsituation mit einer subdepressiven Grundstimmung und einer etwas reduzierten affektiven Schwingungsfähigkeit vor. Aufgrund der ausgeprägten kognitiven Einschränkungen, deren Ursache nicht eindeutig zu klären sei, die jedoch sicherlich zu einem erheblichen Teil durch die hochdosierte Psychopharmakotherapie der dystonen Symptomatik verursacht sein dürften, sei der Kläger nicht in der Lage, regelmäßige Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert in irgendeinem Umfang auszuüben. Es sei davon auszugehen, dass der jetzt festgestellte Zustand seit dem Datum der Antragstellung bestehe. Allerdings seien bisher keinerlei dezidierte Untersuchungen der kognitiven Leistungsfähigkeit erfolgt, sodass diesbezüglich keine sichere Aussage zu treffen sei. Bei primären ideopathischen dystonen Syndromen gebe es zwar Fälle spontaner Rückbildung, diese seien allerdings eher selten. Inwieweit eine eventuell zu diskutierende Implantation eines Hirnstimulators eine Besserung der Symptomatik erreichen könne, sei letztlich nicht sicher vorhersehbar. Wiederholt seien in Vorbefunden eine scheinbare funktionelle Überlagerung oder psychische Überlagerung und Aggravationstendenzen berichtet worden. Dieser Einschätzung könne er sich nicht anschließen. An dieser Einschätzung hat der Gutachter auch in einer ergänzenden Stellungnahme vom 18.02.2016, welche aufgrund von Einwänden des sozialmedizinischen Dienstes des Beklagten durch Dr. E. eingeholt worden ist, festgehalten.
Die Berichterstatterin hat am 24.02.2015 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt; insoweit wird auf die Niederschrift über den Termin (Bl. 81/83 der Senatsakte) Bezug genommen).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die ebenfalls zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 01.12.2012 bis 30.11.2015 zu gewähren; der Kläger hat jedoch - ausgehend von einem Leistungsfall am 13.10.2015 - Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2016 bis zum 30.04.2019.
Der streitige Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung richtet sich nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand September 2015, § 43 SGB VI, Rdnr. 58 und 30 ff.).
Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente setzt beweisrechtlich voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 25/03 R, Juris Rdnr. 13), feststehen. Im Falle der Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteile vom 24.10.1957, 10 RV 945/55 und vom 20.01.1977, 8 RU 52/76, Juris) der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast, wonach die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache von demjenigen Beteiligten zu tragen sind, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Eine Beweislastentscheidung setzt voraus, dass zunächst alle verfügbaren Erkenntnisquellen und Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden sind und sich die entscheidungserheblichen Tatsachen gleichwohl nicht feststellen lassen (BSG, Urteil vom 24.05.2006, B 11 AL 7/05 R, Juris, Rdnr. 29, 32).
Gemessen an diesem Maßstab ist der Kläger jedenfalls ab dem 13.10.2015, dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. A. und Dipl.-Psychologin Dr. B., voll erwerbsgemindert. Die Leistungsfähigkeit des Klägers wird durch die Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht nur qualitativ, sondern auch in zeitlicher Hinsicht auf unter drei Stunden arbeitstäglich eingeschränkt. Für den Senat steht fest, dass der Kläger unter einem Meige-Syndrom mit im Vordergrund stehender oromandibulärer und pharyngealer Dystonie, einer ausgeprägten kognitiven Leistungsminderung sowie einer leichtgradigen depressiven Anpassungsstörung im Rahmen der Gesamtsituation mit einer subdepressiven Grundstimmung und etwas reduzierter affektiver Schwingungsfähigkeit leidet. In der Gesamtschau der erhobenen Befunde, insbesondere unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Beschwerdevalidierung mit dem Nachweis authentischer Beschwerden, sowie der Dokumentation einer erheblichen kognitiven Leistungsminderung und den vor allem bei Mundöffnung beobachteten massiven dystonen oromandibulären Bewegungsstörungen ist Prof. Dr. A. für den Senat überzeugend und nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger nicht in der Lage ist, regelmäßig einer Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen. Das Vorliegen eines Meige-Syndroms, das auch durch die Beklagte nicht mehr bestritten wird, wird durch den durch Prof. Dr. A. mitgeteilten neurologischen Befund bestätigt. So zeigten sich ganz vereinzelte krampfartige Lidschlussbewegungen, häufiger eine dystone Bewegung des Kinns nach unten und ein krampfartiges Verziehen der Mundmuskulatur; beim Öffnen des Mundes, was nicht weiter als ca. 2,5 cm möglich war, entwickelte sich rasche Rötung des Gesichts verbunden mit einer erheblichen Zunahme dystoner oromandibulärer Bewegungen. Bei einem Schluckversuch wurde der Kläger ebenfalls sofort wieder rot im Gesicht; er konnte erkennbar nur kleine Schlucke zu sich nehmen und schluckte diese mit einem sehr lauten Schluckgeräusch. Auch die psychiatrische Erkrankung lässt sich aus dem durch den Gutachter erhobenen psychopathologischer Befund ableiten. Der Kläger war zwar bewusstseinsklar und in allen Qualitäten voll orientiert, zugewandt und kooperativ, in der Grundstimmung aber subdepressiv bei ausreichend erhaltener Schwingungsfähigkeit. Antrieb und Psychomotorik waren nicht eingeschränkt, es zeigten sich keine Hinweise auf Störungen von Gedächtnis, Konzentration und Aufmerksamkeit. Die der Leistungseinschränkung zugrunde liegenden Befunde werden aber durch die Ergebnisse der testpsychologische Untersuchung, die durch die Dipl.-Psychologin Dr. B. durchgeführt worden ist, belegt. Der testpsychometrische Befund zeigte eine weit unterdurchschnittliche selektive Aufmerksamkeitsleistung. Die komplexere visuelle Aufmerksamkeit war aufgrund der durch den Kläger angegebenen visuellen Schwierigkeiten nicht messbar. Die sprachliche Lern- und Merkfähigkeit war insgesamt als unterdurchschnittlich zu bewerten, sehr wahrscheinlich infolge der allgemein reduzierten Aufmerksamkeit und spezifischer Störungen im Bereich der Einspeicherung. Die Leistung im Wiedererkennen war unterdurchschnittlich. Die visuelle Merkfähigkeit war unterdurchschnittlich; der Kläger konnte die komplexe Testvorlage nur mit ungenauen Einzelfiguren kopieren, was zeigt, dass die Einspeicherung als reduziert anzunehmen ist. Die Handlungsplanung war durchschnittlich gut.
Der Senat hat - anders als die Beklagte - auch keine Zweifel an der Authentizität der Beschwerden des Klägers. Bei der durch Dipl.-Psychologin Dr. B. durchgeführten Konsistenzprüfung und Beschwerdevalidierung ergaben sich keine Anzeichen für eine Antwortverzerrung im Sinne einer Beschwerdeübertreibung oder -ausweitung. Es wurden insgesamt vier Kennwerte zur wissenschaftlichen Beurteilung und Absicherung der Anstrengungsbereitschaft angewendet. Ein impliziter Parameter aus dem Bereich der Merkfähigkeit (VLMT) sowie ein Parameter zur Geschwindigkeit (SDMT), die in den Testergebnissen bereits erfasst sind, sprechen nicht für eine Verfälschung der Testergebnisse durch eine zu geringe Anstrengungsbereitschaft. Ein drittes, separates Testverfahren zur Aufdeckung gezielter negativer Antwortverzerrungen (Tombaugh, 1997) wurde unauffällig bearbeitet. Die allgemeine Beschwerdeschilderung wurde in einem Screening-Verfahren mit 11 Punkten als durchschnittlich im Vergleich mit alters- und bildungsgleichen Männern eingestuft. Die Gutachterin fand in den Testverfahren keine Hinweise auf eine Schilderung unplausibler psychischer und kognitiver Beschwerden. Auch das Verhalten des Klägers im Rahmen der testpsychologischen Untersuchung bestätigte die deutlich eingeschränkte konzentrative Ausdauer. So wurde die einstündige Untersuchung für eine Viertelstunde unterbrochen, in der der Kläger sich hinlegte und schlief. Aufgrund der wissenschaftlichen Beschwerdevalidierung ließen sich Aggravation oder Simulation der Beschwerden ausschließen. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass Anzeichen für Aggravation der Beschwerden durch die früheren Gutachter mitgeteilt worden waren. Die Einschätzung von Prof. Dr. A., wonach der Eindruck einer Aggravation am ehesten der Symptomverstärkung bei Aufregung geschuldet ist, ist aber schlüssig begründet. Entsprechende Zusammenhänge wurden bereits im Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 30.11.2012 berichtet. Der Kläger hatte angegeben, dass die Bewegungsstörung zunehme, wenn er mit Erwartungen oder Anforderungen Dritter konfrontiert werde, etwas leisten müsse, sowie sonst in sozialen Situationen. Im Verlauf der Einzelgespräche wurde auch eine deutliche Zunahme beobachtet, vor allem, wenn sich der Kläger mit Fragen seitens der Behandler konfrontiert sah.
Die durch den sozialmedizinischen Dienst vorgebrachten Einwände gegen das Gutachten hat Prof. Dr. A. für den Senat überzeugend entkräften können. So weist der Gutachter nachvollziehbar darauf hin, dass die Tatsache, dass im Rahmen seiner neurologisch-psychiatrischen Untersuchung die kognitiven Defizite nicht erkennbar waren, kein Beweis dafür ist, dass diese nicht vorhanden waren, da die vorliegende Form der kognitiven Leistungseinschränkung in einem Anamnesegespräch auch für einen erfahrenen Gutachter nicht zwingend erkennbar ist. Soweit Dr. E. auf die Diskrepanz einer Gesichtszunahme von 132 kg auf aktuell 142,5 kg bei angegebenen Schwierigkeiten hinsichtlich des Essens und Trinkens bei eingeschränkter Mundöffnung hinweist, führt der Gutachter nachvollziehbar aus, dass dies als Spekulation bezeichnet werden muss, da aufgrund des lange bestehenden Übergewichts und der Einnahme von Psychopharmaka keineswegs aufgrund von Schwierigkeiten beim Essen und Trinken eine Gewichtsabnahme folgen muss. Die durch Dr. E. bemängelte Inkonsistenz eines unauffälligen neurologischen Befunds hinsichtlich Koordination und Gang in Bezug auf einen Grad der Behinderung mit der Zuerkennung des Merkzeichens "G" wird durch Prof. Dr. A. bestätigt; der Gutachter weist aber zutreffend darauf hin, dass die Rechtmäßigkeit der Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht Gegenstand des Verfahrens und der durch ihn zu beantwortenden Beweisfragen ist. Auch für den Senat ist nicht nachvollziehbar, welchen Schluss Dr. E. aus dem Umstand, dass der Kläger trotz neurokognitiver Defizite noch kurze Strecken mit dem Auto fährt, ziehen will. Ihre Einschätzung, dass verantwortungsvolle Probanden bei neurokognitiven Defiziten und unter sedierender Psychopharmakotherapie in dem Beschluss bestärken würden, kein Fahrzeug zu führen, ist sicher zutreffend. Aus einem nicht verantwortungsbewussten Verhalten kann aber nicht geschlossen werden, dass keine Defizite vorliegen. Prof. Dr. A. weist auch insoweit überzeugend darauf hin, dass es keineswegs ungewöhnlich ist, dass Probanden mit neurokognitiven Defiziten ein Kraftfahrzeug führen, nicht zuletzt, weil sie sich ihrer neurokognitiven Defizite oft nicht bewusst sind.
Nachdem sich die Leistungseinschränkung wesentlich aus der kognitiven Störung ergibt, ist der - durch die Beklagte in Zweifel gezogene - soziale Rückzug aus Sicht des Senats nicht entscheidungserheblich. Unabhängig davon kann aus einem einmaligen Treffen mit Mitgliedern eines Kleintierzüchtervereins ebenso wenig wie aus dem Spenden von Essen für ein Vereinstreffen auf ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geschlossen werden. Eine aktive Vereinsmitgliedschaft weckt zwar Zweifel an einem vollständigen sozialen Rückzug, ist aber durch das Bild, das die Beklagte im Rahmen von Internetrecherchen gefunden hat, keinesfalls belegt. Die Spende für den Seniorentreff, den die Beklagte wiederholt angeführt hat, erfolgte, wie der Kläger glaubhaft versichert hat, durch dessen Vater.
Der Senat konnte sich von einem früheren Leistungsfall als dem Tag der Begutachtung durch Prof. Dr. A. nicht überzeugen. Zwar liegt die Grunderkrankung des Meige-Syndrom mit im Vordergrund stehender oromandibulärer und pharyngealer Dystonie ausweislich der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Berichte des Caritas-Krankenhauses Bad Mergentheim, der Uniklinik Würzburg und der Berichte des behandelnden Neurologen Dr. A. seit 2011 vor, die der Erwerbsminderung maßgebend zugrunde liegende ausgeprägte kognitive Einschränkung ist aber erstmals durch die testpsychologischen Untersuchungen der Dipl-Psychologin Dr. B. in ihrem leistungseinschränkenden Ausmaß dokumentiert. Eine psychometrische Testung fand - aufgrund fehlender Kooperation des Klägers - auch durch Frau O. nicht statt, auch Dr. M. führte entsprechende Untersuchungen nicht durch und schilderte im psychischen Befund noch eine lediglich leichte Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung. Die durch den sozialmedizinischen Dienst der Beklagten geäußerten Bedenken hinsichtlich des Gutachtens durch Dr. M. vom 16.01.2013 teilt der Senat. Dr. M. beschreibt Aufmerksamkeit und Konzentration als leicht reduziert, den Kläger als umstellungserschwert, psychomotorisch sehr unruhig, jedoch nicht antriebsgehemmt, auch nicht speziell depressiv antriebsgestört und letztlich nur themenbezogen über seinen Krankheitsverlauf berichtend, leicht traurig und weinerlich wirkend. An neurologisch-apparativen Untersuchungen erfolgt ein EEG/AEP ohne pathologischen Befund, ein Intelligenztest zeichnet eine durchschnittliche Intelligenz ab. Eine weitere psychometrische Testung wurde unterlassen. Dr. E. weist insoweit in ihrer Stellungnahme vom 25.04.2013 zutreffend darauf hin, dass das Gutachten von Dr. M. einer Plausibilitätsprüfung nicht standhält. Das beschriebene Parkinsonoid findet sich allein im leicht kleinschrittigen Gangbild, ohne dass die darüber hinaus mitgeteilten neurologischen Befunde das Krankheitsbild bestätigen würden. Inkonsistent sind die Angaben insbesondere insoweit, als einerseits eine psychoreaktive Depression diagnostiziert wird, andererseits ein relevanter psychischer Hintergrund negiert wird. Die durch den Gutachter angenommene Leistungseinschränkung ist daher auch nach Überzeugung des Senats nicht schlüssig begründet. Dass dem Kläger trotz der Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr zugemutet werden konnten, ergibt sich vielmehr aus den Gutachten von Frau O. vom 27.03.2012 und Dr. S. vom 02.05.2011. Nicht zu überzeugen vermochte sich der Senat insbesondere vom Eintritt der Erwerbsminderung bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme im Psychiatrischen Zentrum N. am 02.11.2012, den das SG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hatte. Eine dauerhafte Einschränkung des Leistungsvermögens lässt sich aus dem Bericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 30.11.2012 nicht ableiten. Im Vordergrund der Symptomatik bei Aufnahme am 02.11.2012 stand ein leicht- bis mittelgradig ausgeprägtes depressives Syndrom sowie ausgeprägte Rückzugstendenzen und ein Vermeidungsverhalten vor allem im Zusammenhang mit sozialen Situationen. Nach der Aufnahme zeigte sich der Kläger aber rasch entlastet, im Kontakt schwingungsfähig, hinsichtlich der Antriebslage und der Affektivität zeigten sich keine eindeutigen Hinweise mehr auf das Vorliegen einer depressiven Störung. Der Kläger konnte sich vielmehr in das Stationssetting integrieren und Kontakt zu Mitpatienten knüpfen. Die Entlassung erfolgte in affektiv leichtgradig stabilisiertem Zustand.
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind bei dem Eintritt der Erwerbsminderung am 13.10.2015 erfüllt; der Kläger hat die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die besonderen Versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind - ausgehend von dem dem Senat vorliegenden Versicherungsverlauf vom 08.04.2014 - aufgrund der nach §§ 43 Abs. 4 Ziff. 1, Ziff. 3, 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI zu berücksichtigenden Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug vom 18.10.2011 bis 24.03.2014 jedenfalls bis März 2016 erfüllt.
Diese Rente ist zeitlich zu befristen. Gemäß § 102 Abs. 2 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundsätzlich auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden, dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Unwahrscheinlich im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine - rentenrechtlich relevante - Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Von solchen Gründen kann erst dann ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch hiernach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht (BSG, Urteil vom 29.06.2006, B 13 RJ 31/05 R, Juris). Hier kommt nur eine befristete Rente in Betracht, da eine Besserung jedenfalls nicht unwahrscheinlich ist und nicht alle Behandlungsoptionen ausgeschöpft sind. Auch insoweit folgt der Senat dem Gutachten von Prof. Dr. A. Bei primären idiopathischen dystonen Syndromen gibt es seltene Fälle spontaner Rückbildung; die von Prof. Dr. A. angenommene Wahrscheinlichkeit von 10 % genügt nach Auffassung des Senats, um davon auszugehen, dass eine Besserung zumindest nicht unwahrscheinlich ist. Außerdem ist laut Prof. Dr. A. und Dr. E. (Stellungnahme vom 06.08.2013) zumindest die Implantation eines Hirnstimulators zur Besserung der Symptomatik zu diskutieren. Nachdem weitere Behandlungsmöglichkeiten offenstehen, ist eine Besserung nicht unwahrscheinlich und die Rente befristet zu gewähren. Die Befristung erfolgt nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn, wobei befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet werden. Ausgehend von einem Leistungsfall am 13.10.2015 und der Regelbefristung von drei Jahren war die Rente daher vom 01.05.2016 bis zum 30.04.2019 zu gewähren. Denn es sind aktuell keine Gesichtspunkte erkennbar, die es rechtfertigen könnten, auch bei der Verlängerung von der für den Regelfall vorgegebenen Befristungsdauer abzuweichen.
Ein Anspruch auf teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI besteht nicht, da der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist.
Damit war der Berufung der Beklagten stattzugeben, soweit das SG zur Rentengewährung für die Zeit vom 01.12.2012 bis zum 30.11.2015 verurteilt hat, und auf die Berufung des Klägers, die auf die unbefristete Rentengewährung ab dem 01.05.2011 gerichtet war, Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 30.04.2019 zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Leistungsfall erst im Berufungsverfahren eingetreten ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung und Berufungseinlegung gegeben hat.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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