Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 4808/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 430/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.12.2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Stuttgart zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 1.133,64 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 833,64 EUR zzgl. Zinsen sowie auf Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 EUR hat.
Die klagende L. St. führt ein zur Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Krankenhaus im Eigenbetrieb. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte und 2000 geborene Patient J. W. (im Folgenden: Versicherter) wurde dort vom 11. bis 13.08.2011 wegen eines Hypertrophie der Mamma bei Gynäkomastie stationär behandelt.
Die Klägerin stellte der Beklagten mit Rechnung vom 31.08.2011 für diese Behandlung 2.208,58 EUR in Rechnung. Die Beklagte zahlte den geforderten Betrag zunächst an die Klägerin, leitete dann jedoch eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, der in seinem Gutachten vom 11.01.2013 die Auffassung vertrat, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung nur für einen Tag erforderlich gewesen sei. Die Beklagte hatte wegen fehlender Unterlagen bereits am 03.05.2012 einen Betrag in Höhe von 833,64 EUR mit anderen Forderungen der Klägerin verrechnet. Mit Rechnung vom 13.08.2015 stellte die Klägerin der Beklagten eine MDK-Aufwandserstattung in Höhe von 300,00 EUR in Rechnung. Diesen Betrag beglich die Beklagte nicht.
Ohne Durchführung eines Schlichtungsverfahrens machte die Klägerin am 27.08.2015 einen Betrag in Höhe von 1.133,64 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 833,64 EUR vom 03.05.2012 bis zur Rechtshängigkeit und auf 1.133,64 EUR ab Rechtshängigkeit bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) im Klagewege geltend. Zur Begründung führte sie aus, das Miniredon habe am 12.08.2011 bei der Spätvisite noch blutiges Sekret gefördert, so dass eine Entfernung aus medizinischen Gründen und damit eine Entlassung des Versicherten nicht möglich gewesen sei. Hierbei sei auch die für das Alter des Versicherten untypische Art des Eingriffs zu berücksichtigen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.06.2015 (B 1 KR 26/14 R, in juris) seien Klagen auf Vergütung bis zu 2.000,00 EUR zulässig, weil insoweit Vertrauensschutz bzgl. der abweichenden Rechtsprechung des BSG bis zum 31.08.2015 bestehe. Klagen, die zwischen dem 23.06.2015 und 31.08.2015 erhoben worden seien, seien nicht wegen fehlenden Vertrauensschutzes unzulässig. Da derzeit in Baden-Württemberg kein arbeitsfähiger Schlichtungsausschuss existiere, habe die Klägerin bislang keine Möglichkeit gehabt und auch bis zum 31.12.2015 keine Möglichkeit, ein Schlichtungs- bzw. Schiedsstellenverfahren einzuleiten. Der Zinsanspruch folge aus § 19 des Krankenhausbehandlungsvertrags i.V.m. § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Weiterhin stehe der Klägerin ein Anspruch in Höhe von 300,00 EUR für die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Sozialgesetzbuch (SGB) V zu, da eine Minderung des Rechnungsbetrags bei richtiger Betrachtungsweise nicht erfolgt wäre.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Klage sei unbegründet. Ein Vergütungsanspruch der Klägerin bestehe nicht. Nach der komplikationslos erfolgten Operation habe nach Aussage des MDK festgestanden, dass auch postoperativ keinerlei medizinische Besonderheiten vorgelegen hätten, so dass eine zeitnahe Entlassung ins Auge zu fassen gewesen sei. Dem stehe auch das Vorhandensein eines Miniredons nicht entgegen.
Mit Urteil von 15.12.2015 wies das SG die Klage ab. Die Klage sei hinsichtlich der eingeklagten Krankenhausvergütung unzulässig, da die Beteiligten das nach § 17c Abs. 4b Satz 3 i. V. m. Abs. 4 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) erforderliche Schlichtungsverfahren, dessen Voraussetzungen vorliegend erfüllt seien, nicht durchgeführt hätten. Das gesetzliche Erfordernis des fehlgeschlagenen Schlichtungsversuches gelte unabhängig davon, ob in Baden-Württemberg ein arbeitsfähiger Schlichtungsausschuss existiere oder nicht. Wenn bis zum 31.08.2014 kein arbeitsfähiger Schlichtungsausschuss auf Landesebene bestehe, sei nach der Regelung des § 17c Abs. 4 Satz 10 KHG die Aufgabe des Schlichtungsausschusses bis zur Bildung des Schlichtungsausschusses übergangsweise von der Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG wahrzunehmen. Die Klägerin könne sich, nachdem ihr das Urteil des BSG vom 23.06.2015 (B 1 KR 26/14 R, in juris) bekannt gewesen sei, auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Vorschrift des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG sei auch verfassungsgemäß. Der Umstand, dass das obligatorische Schlichtungsverfahren als Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG mit Wirkung ab dem 01.01.2016 ersatzlos gestrichen werde, rechtfertige keine andere Entscheidung. Sei damit dem Gericht wegen der Unzulässigkeit der Vergütungsklage eine Sachentscheidung verwehrt, könne die Klägerin auch nicht mit Erfolg die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V geltend machen. Ob die Beklagte die Rechnung der Klägerin im Wege der Aufrechnung zu Unrecht gekürzt habe, sei wegen der Unzulässigkeit der Vergütungsklage nicht zu prüfen. Die Klage sei daher im Hinblick auf die begehrte Aufwandspauschale ohne weitere Ermittlungen als (derzeit) unbegründet abzuweisen. Gegen das ihr am 04.01.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 01.02.2016 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie lässt ausführen, unabhängig von der Frage, ob die Klage im Zeitpunkt der Klageerhebung unzulässig gewesen sei, sei sie nunmehr nach § 17c Abs. 4b KHG in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz - KHSG) zulässig. Diese neue Rechtslage sei zwingend zu berücksichtigen. Fehlerhaft gehe das SG im Übrigen aber auch davon aus, dass die Klage bei Einreichung am 13.08.2015 unzulässig gewesen sei. Die Ausführungen zum fehlenden Vertrauensschutz überzeugten nicht. Die Klägerin habe sich bei der Einreichung der Klage an die Vorgaben des BSG im Urteil vom 23.06.2015 (a.a.O.) gehalten, wonach die Einreichung von Klagen bis zu einem Streitwert von unter 2.000,00 EUR bis zum 31.08.2015 zulässig sei. Diese Interpretation des Urteils entspreche der absolut herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung. Die Klägerin habe bis zum 31.12.2015 auch keine Möglichkeit gehabt, ein Schlichtungs- bzw. Schiedsstellenverfahren einzuleiten, da es in Baden-Württemberg keinen funktionsfähigen Schlichtungsausschuss gebe. Rechtsmissbräuchlich habe die Klägerin deshalb nicht gehandelt. Die angefochtene Entscheidung sei nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufzuheben und an das SG zurückzuverweisen. In der Sache habe sie einen Anspruch auf Zahlung des von der Beklagten zu Unrecht bei einem anderen Behandlungsfall gekürzten Betrages, da der Versicherte entgegen der Auffassung des MDK zu Recht bis zum 13.08.2011 stationär versorgt worden sei. Weiterhin stehe ihr die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c SGB V in Höhe von 300 EUR zu, da eine Minderung des Rechnungsbetrages bei richtiger Betrachtungsweise nicht erfolgt wäre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.12.2015 aufzuheben und den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Sozialgerichts Stuttgart, hilfsweise an die 16. Kammer des Sozialgerichts Stuttgart zurückzuverweisen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.12.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.133,64 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz nach folgender Zinsstaffel zu zahlen: auf 833,64 EUR vom 03.05.2012 bis 26.08.2015, auf 1.133,64 EUR ab dem 27.08.2015.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und ist der Auffassung, die Klägerin habe rechtsmissbräuchlich gehandelt, da sie die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 23.06.2015 (a.a.O.) zu Umgehungszwecken massenhaft ausgenutzt habe. Das KHSG in der ab dem 01.01.2016 geltenden Fassung finde keine rückwirkende Anwendung.
Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 01.03.2016 darauf hingewiesen, dass er im Hinblick darauf, dass das Schlichtungsverfahren zum 01.01.2016 vollständig abgeschafft worden sei und die Rechtsstreitigkeiten seit dem 01.01.2016 damit auch ohne Schlichtungsverfahren zulässig seien, beabsichtige, die angefochtene Entscheidung des SG, die die Klage als unzulässig abgewiesen habe, aufzuheben und die Rechtssache an das SG zurückzuverweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Krankenhausakte und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG) und im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG begründet.
Rechtsgrundlage für diese Entscheidung ist § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Hiernach kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung sind erfüllt. Das SG hat die Klage wegen mangelnder Durchführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens nach § 17c Abs. 4b Satz 3 i. V. m. Abs. 4 KHG in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung als unzulässig abgewiesen, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Mit dem Wegfall des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG durch das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) vom 10.12.2015 (BGBl. I S. 2229) ist mit Wirkung vom 01.01.2016 die Zulässigkeitsvoraussetzung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens entfallen. Dies hat zur Folge, dass die Klage seit dem 01.01.2016 zulässig ist, so dass die Entscheidung des SG sich bereits zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung als unrichtig erweist. Ob das SG die Klage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat, weil das gesetzlich vorgesehene Schlichtungsverfahren in Baden-Württemberg nicht durchführbar gewesen ist oder die Klägerin auf die Vorgaben des BSG im Urteil vom 23.06.2015 (B 1 KR 26/14 R, in juris) vertrauen durfte, kann der Senat ebenso offen lassen wie die Frage, ob die Abweisung der Klage als unzulässig bei alsbald bevorstehendem Wegfall der Zulässigkeitsvoraussetzung durch die gesetzliche Änderung zum 01.01.2016 das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Maßgeblich ist nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.2015 - B 1 KR 26/14 R -, in juris) vielmehr, dass die Zurückweisung der Klage als unzulässig ohne Entscheidung des SG in der Sache sich zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats als unrichtig erweist und damit die Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG vorliegen.
Bei einer Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG hat der Senat sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob er die Sache selbst entscheiden oder zurückverweisen will. Die Zurückverweisung soll die Ausnahme sein (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 159 Rn. 5a). Im Rahmen des ihm gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG eingeräumten Ermessens hält der Senat in Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an der Sachentscheidung einerseits sowie den Grundsätzen der Prozessökonomie andererseits eine Zurückverweisung an das SG zur Durchführung etwaiger Sachverhaltsermittlungen und zur Entscheidung in der Sache für sachgerecht und gibt insofern dem Erhalt des Instanzenzuges den Vorrang gegenüber dem Interesse der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung. Dafür spricht insbesondere der Umstand, dass die Klägerin im Hauptantrag ausdrücklich die Zurückverweisung der Sache beantragt und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Aufrechterhaltung des Instanzenzuges für vorrangig gegenüber einer schnellen Beendigung des gerichtlichen Verfahrens ansieht. Da die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit einen Zahlungsanspruch geltend macht, die Beklagte einen solchen lediglich abzuwehren hat, bleibt das Interesse der Beklagten an einer zügigen Durchführung des Rechtsstreits ohne Zurückverweisung an das SG hinter dem Interesse der Klägerin an der Erhaltung zweier Tatsacheninstanzen zurück.
Zudem ist der Rechtsstreit insgesamt erst seit dem 27.08.2015 bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängig und damit noch nicht für einen übermäßig langen Zeitraum, der im Interesse der Verwirklichung der Rechtsschutzgarantie eine baldige Entscheidung erfordern würde.
Soweit die Klage hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V vom SG als unbegründet abgewiesen wurde, steht dies einer Zurückverweisung des gesamten Rechtsstreits an das SG nicht entgegen. Denn das SG hat auch insoweit keine Entscheidung in der Sache getroffen, sondern auf die Unzulässigkeit der Klage betreffend den Vergütungsanspruch verwiesen. Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Aufwandspauschale folgt in der Sache ihrem Anspruch auf Vergütung der in Rechnung gestellten Krankenhausleistung, so dass eine isolierte Entscheidung darüber nicht ergehen kann. Der Rechtsstreit war deshalb ohne Abtrennung insgesamt an das SG zurückzuverweisen.
Die Zurückverweisung erfolgt an das SG ohne Benennung eines Spruchkörpers, da § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 202 SGG die Möglichkeit einer Zurückverweisung an einen anderen Spruchkörper im Falle der Zurückverweisung an ein Gericht der ersten Instanz nicht eröffnet (vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 159 Rn. 5e).
Eine Kostenentscheidung war durch den Senat nicht zu treffen. Sie bleibt der Entscheidung des SG vorbehalten (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 159 Rn. 5f).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei war der Verzinsungsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern um eine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG handelt.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 1.133,64 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 833,64 EUR zzgl. Zinsen sowie auf Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 EUR hat.
Die klagende L. St. führt ein zur Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Krankenhaus im Eigenbetrieb. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte und 2000 geborene Patient J. W. (im Folgenden: Versicherter) wurde dort vom 11. bis 13.08.2011 wegen eines Hypertrophie der Mamma bei Gynäkomastie stationär behandelt.
Die Klägerin stellte der Beklagten mit Rechnung vom 31.08.2011 für diese Behandlung 2.208,58 EUR in Rechnung. Die Beklagte zahlte den geforderten Betrag zunächst an die Klägerin, leitete dann jedoch eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, der in seinem Gutachten vom 11.01.2013 die Auffassung vertrat, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung nur für einen Tag erforderlich gewesen sei. Die Beklagte hatte wegen fehlender Unterlagen bereits am 03.05.2012 einen Betrag in Höhe von 833,64 EUR mit anderen Forderungen der Klägerin verrechnet. Mit Rechnung vom 13.08.2015 stellte die Klägerin der Beklagten eine MDK-Aufwandserstattung in Höhe von 300,00 EUR in Rechnung. Diesen Betrag beglich die Beklagte nicht.
Ohne Durchführung eines Schlichtungsverfahrens machte die Klägerin am 27.08.2015 einen Betrag in Höhe von 1.133,64 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 833,64 EUR vom 03.05.2012 bis zur Rechtshängigkeit und auf 1.133,64 EUR ab Rechtshängigkeit bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG) im Klagewege geltend. Zur Begründung führte sie aus, das Miniredon habe am 12.08.2011 bei der Spätvisite noch blutiges Sekret gefördert, so dass eine Entfernung aus medizinischen Gründen und damit eine Entlassung des Versicherten nicht möglich gewesen sei. Hierbei sei auch die für das Alter des Versicherten untypische Art des Eingriffs zu berücksichtigen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.06.2015 (B 1 KR 26/14 R, in juris) seien Klagen auf Vergütung bis zu 2.000,00 EUR zulässig, weil insoweit Vertrauensschutz bzgl. der abweichenden Rechtsprechung des BSG bis zum 31.08.2015 bestehe. Klagen, die zwischen dem 23.06.2015 und 31.08.2015 erhoben worden seien, seien nicht wegen fehlenden Vertrauensschutzes unzulässig. Da derzeit in Baden-Württemberg kein arbeitsfähiger Schlichtungsausschuss existiere, habe die Klägerin bislang keine Möglichkeit gehabt und auch bis zum 31.12.2015 keine Möglichkeit, ein Schlichtungs- bzw. Schiedsstellenverfahren einzuleiten. Der Zinsanspruch folge aus § 19 des Krankenhausbehandlungsvertrags i.V.m. § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Weiterhin stehe der Klägerin ein Anspruch in Höhe von 300,00 EUR für die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Sozialgesetzbuch (SGB) V zu, da eine Minderung des Rechnungsbetrags bei richtiger Betrachtungsweise nicht erfolgt wäre.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Klage sei unbegründet. Ein Vergütungsanspruch der Klägerin bestehe nicht. Nach der komplikationslos erfolgten Operation habe nach Aussage des MDK festgestanden, dass auch postoperativ keinerlei medizinische Besonderheiten vorgelegen hätten, so dass eine zeitnahe Entlassung ins Auge zu fassen gewesen sei. Dem stehe auch das Vorhandensein eines Miniredons nicht entgegen.
Mit Urteil von 15.12.2015 wies das SG die Klage ab. Die Klage sei hinsichtlich der eingeklagten Krankenhausvergütung unzulässig, da die Beteiligten das nach § 17c Abs. 4b Satz 3 i. V. m. Abs. 4 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) erforderliche Schlichtungsverfahren, dessen Voraussetzungen vorliegend erfüllt seien, nicht durchgeführt hätten. Das gesetzliche Erfordernis des fehlgeschlagenen Schlichtungsversuches gelte unabhängig davon, ob in Baden-Württemberg ein arbeitsfähiger Schlichtungsausschuss existiere oder nicht. Wenn bis zum 31.08.2014 kein arbeitsfähiger Schlichtungsausschuss auf Landesebene bestehe, sei nach der Regelung des § 17c Abs. 4 Satz 10 KHG die Aufgabe des Schlichtungsausschusses bis zur Bildung des Schlichtungsausschusses übergangsweise von der Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG wahrzunehmen. Die Klägerin könne sich, nachdem ihr das Urteil des BSG vom 23.06.2015 (B 1 KR 26/14 R, in juris) bekannt gewesen sei, auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Vorschrift des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG sei auch verfassungsgemäß. Der Umstand, dass das obligatorische Schlichtungsverfahren als Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG mit Wirkung ab dem 01.01.2016 ersatzlos gestrichen werde, rechtfertige keine andere Entscheidung. Sei damit dem Gericht wegen der Unzulässigkeit der Vergütungsklage eine Sachentscheidung verwehrt, könne die Klägerin auch nicht mit Erfolg die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V geltend machen. Ob die Beklagte die Rechnung der Klägerin im Wege der Aufrechnung zu Unrecht gekürzt habe, sei wegen der Unzulässigkeit der Vergütungsklage nicht zu prüfen. Die Klage sei daher im Hinblick auf die begehrte Aufwandspauschale ohne weitere Ermittlungen als (derzeit) unbegründet abzuweisen. Gegen das ihr am 04.01.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 01.02.2016 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie lässt ausführen, unabhängig von der Frage, ob die Klage im Zeitpunkt der Klageerhebung unzulässig gewesen sei, sei sie nunmehr nach § 17c Abs. 4b KHG in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz - KHSG) zulässig. Diese neue Rechtslage sei zwingend zu berücksichtigen. Fehlerhaft gehe das SG im Übrigen aber auch davon aus, dass die Klage bei Einreichung am 13.08.2015 unzulässig gewesen sei. Die Ausführungen zum fehlenden Vertrauensschutz überzeugten nicht. Die Klägerin habe sich bei der Einreichung der Klage an die Vorgaben des BSG im Urteil vom 23.06.2015 (a.a.O.) gehalten, wonach die Einreichung von Klagen bis zu einem Streitwert von unter 2.000,00 EUR bis zum 31.08.2015 zulässig sei. Diese Interpretation des Urteils entspreche der absolut herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung. Die Klägerin habe bis zum 31.12.2015 auch keine Möglichkeit gehabt, ein Schlichtungs- bzw. Schiedsstellenverfahren einzuleiten, da es in Baden-Württemberg keinen funktionsfähigen Schlichtungsausschuss gebe. Rechtsmissbräuchlich habe die Klägerin deshalb nicht gehandelt. Die angefochtene Entscheidung sei nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufzuheben und an das SG zurückzuverweisen. In der Sache habe sie einen Anspruch auf Zahlung des von der Beklagten zu Unrecht bei einem anderen Behandlungsfall gekürzten Betrages, da der Versicherte entgegen der Auffassung des MDK zu Recht bis zum 13.08.2011 stationär versorgt worden sei. Weiterhin stehe ihr die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c SGB V in Höhe von 300 EUR zu, da eine Minderung des Rechnungsbetrages bei richtiger Betrachtungsweise nicht erfolgt wäre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.12.2015 aufzuheben und den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Sozialgerichts Stuttgart, hilfsweise an die 16. Kammer des Sozialgerichts Stuttgart zurückzuverweisen, hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.12.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.133,64 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz nach folgender Zinsstaffel zu zahlen: auf 833,64 EUR vom 03.05.2012 bis 26.08.2015, auf 1.133,64 EUR ab dem 27.08.2015.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend und ist der Auffassung, die Klägerin habe rechtsmissbräuchlich gehandelt, da sie die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 23.06.2015 (a.a.O.) zu Umgehungszwecken massenhaft ausgenutzt habe. Das KHSG in der ab dem 01.01.2016 geltenden Fassung finde keine rückwirkende Anwendung.
Der Senat hat die Beteiligten mit Verfügung vom 01.03.2016 darauf hingewiesen, dass er im Hinblick darauf, dass das Schlichtungsverfahren zum 01.01.2016 vollständig abgeschafft worden sei und die Rechtsstreitigkeiten seit dem 01.01.2016 damit auch ohne Schlichtungsverfahren zulässig seien, beabsichtige, die angefochtene Entscheidung des SG, die die Klage als unzulässig abgewiesen habe, aufzuheben und die Rechtssache an das SG zurückzuverweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Krankenhausakte und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG) und im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG begründet.
Rechtsgrundlage für diese Entscheidung ist § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Hiernach kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelung sind erfüllt. Das SG hat die Klage wegen mangelnder Durchführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens nach § 17c Abs. 4b Satz 3 i. V. m. Abs. 4 KHG in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung als unzulässig abgewiesen, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Mit dem Wegfall des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG durch das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) vom 10.12.2015 (BGBl. I S. 2229) ist mit Wirkung vom 01.01.2016 die Zulässigkeitsvoraussetzung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens entfallen. Dies hat zur Folge, dass die Klage seit dem 01.01.2016 zulässig ist, so dass die Entscheidung des SG sich bereits zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung als unrichtig erweist. Ob das SG die Klage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat, weil das gesetzlich vorgesehene Schlichtungsverfahren in Baden-Württemberg nicht durchführbar gewesen ist oder die Klägerin auf die Vorgaben des BSG im Urteil vom 23.06.2015 (B 1 KR 26/14 R, in juris) vertrauen durfte, kann der Senat ebenso offen lassen wie die Frage, ob die Abweisung der Klage als unzulässig bei alsbald bevorstehendem Wegfall der Zulässigkeitsvoraussetzung durch die gesetzliche Änderung zum 01.01.2016 das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt. Maßgeblich ist nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.2015 - B 1 KR 26/14 R -, in juris) vielmehr, dass die Zurückweisung der Klage als unzulässig ohne Entscheidung des SG in der Sache sich zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats als unrichtig erweist und damit die Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG vorliegen.
Bei einer Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG hat der Senat sein Ermessen dahingehend auszuüben, ob er die Sache selbst entscheiden oder zurückverweisen will. Die Zurückverweisung soll die Ausnahme sein (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 159 Rn. 5a). Im Rahmen des ihm gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG eingeräumten Ermessens hält der Senat in Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten an der Sachentscheidung einerseits sowie den Grundsätzen der Prozessökonomie andererseits eine Zurückverweisung an das SG zur Durchführung etwaiger Sachverhaltsermittlungen und zur Entscheidung in der Sache für sachgerecht und gibt insofern dem Erhalt des Instanzenzuges den Vorrang gegenüber dem Interesse der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung. Dafür spricht insbesondere der Umstand, dass die Klägerin im Hauptantrag ausdrücklich die Zurückverweisung der Sache beantragt und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Aufrechterhaltung des Instanzenzuges für vorrangig gegenüber einer schnellen Beendigung des gerichtlichen Verfahrens ansieht. Da die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit einen Zahlungsanspruch geltend macht, die Beklagte einen solchen lediglich abzuwehren hat, bleibt das Interesse der Beklagten an einer zügigen Durchführung des Rechtsstreits ohne Zurückverweisung an das SG hinter dem Interesse der Klägerin an der Erhaltung zweier Tatsacheninstanzen zurück.
Zudem ist der Rechtsstreit insgesamt erst seit dem 27.08.2015 bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängig und damit noch nicht für einen übermäßig langen Zeitraum, der im Interesse der Verwirklichung der Rechtsschutzgarantie eine baldige Entscheidung erfordern würde.
Soweit die Klage hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V vom SG als unbegründet abgewiesen wurde, steht dies einer Zurückverweisung des gesamten Rechtsstreits an das SG nicht entgegen. Denn das SG hat auch insoweit keine Entscheidung in der Sache getroffen, sondern auf die Unzulässigkeit der Klage betreffend den Vergütungsanspruch verwiesen. Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Aufwandspauschale folgt in der Sache ihrem Anspruch auf Vergütung der in Rechnung gestellten Krankenhausleistung, so dass eine isolierte Entscheidung darüber nicht ergehen kann. Der Rechtsstreit war deshalb ohne Abtrennung insgesamt an das SG zurückzuverweisen.
Die Zurückverweisung erfolgt an das SG ohne Benennung eines Spruchkörpers, da § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 202 SGG die Möglichkeit einer Zurückverweisung an einen anderen Spruchkörper im Falle der Zurückverweisung an ein Gericht der ersten Instanz nicht eröffnet (vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 159 Rn. 5e).
Eine Kostenentscheidung war durch den Senat nicht zu treffen. Sie bleibt der Entscheidung des SG vorbehalten (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 159 Rn. 5f).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei war der Verzinsungsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern um eine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG handelt.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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