Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 828/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3343/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 01.07.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin wegen der Folgen des als Arbeitsunfall anerkannten Ereignisses vom 19.05.2011 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. zusteht.
Die 1985 geborene Klägerin war in dem Weingut G. A. als Hauswirtschafterin beschäftigt. Am 19.05.2011 ging sie mit einem Tablett in den Händen Stufen einer Treppe hinauf, blieb an einer Stufe hängen und fiel nach vorn auf das rechte Knie (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 09.08.2011, Angabe der Klägerin vom 22.03.2013 im Vordruck der Beklagten, Bl. 196 und Bl. 146ff der Beklagtenakte). Durchgangsärztin R. diagnostizierte am Unfalltag eine Schnittwunde am Grundgelenk des Ringfingers links und am Kleinfinger sowie eine Knieprellung rechts (Durchgangsarztbericht vom 19.05.2011), veranlasste aber auch eine Magnetresonanztomographie des Kniegelenks, die am 27.05.2011 durchgeführt wurde. Sie ergab eine schwere Bone bruise des lateralen Tibiakopfes mit Fissuren in der Epiphyse und entlang der Epiphysenfuge, keine verschobene Fraktur, ein begleitendes fleckiges Subkortikalödem bei regelrechten übrigen Strukturen des Kniegelenks (radiologischer Befundbericht von Dr. M. vom 30.05.2011, Bl. 228 der Beklagtenakte).
Die Klägerin wurde mit einem funktionellen Verband versorgt und erhielt Krankengymnastik (Bericht des Orthopäden Dr. He. vom 02.07.2011, Bl. 213 der Beklagtenakte). Am 22.06.2011 konnte die D-Ärztin Dr. R. einen Erguss nicht feststellen, die Klägerin gab bei Belastungen Beschwerden an (Zw.-Ber. vom 22.06.2011, Bl. 219 d. Beklagtenakte). Die ambulante Behandlung wurde am 18.07.2011 beendet, zu diesem Zeitpunkt trat Arbeitsfähigkeit wieder ein (D-/H-Arzt Mitteilung der Ärztin R. vom 13.09.2011). Der Klägerin war Verletztengeld bis 17.07.2011 gezahlt worden (Abrechnungs-Mitteilung der BKK Gesundheit vom 25.10.2011).
Wegen Kniebeschwerden wurde die Klägerin von Dr. He. unter der Diagnose eines chronischen posttraumatischen Reizknies nach verheilter lateraler Tibiakopffissur, differentialdiagnostisch Meniskusläsion und Früharthrose, weiterbehandelt (Befundbericht von Dr. He. vom 19.05.2012, Bl. 163f der Beklagtenakte).
Die Beklagte veranlasste das Gutachten vom 27.06.2013 des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. V ... Der Sachverständige diagnostizierte bei der Klägerin einen ohne sicher erkennbaren strukturellen Folgeschaden ausgeheilten Kontusionsschaden im Sinne eines Bone bruise des außenseitlichen rechten Schienbeinkopfes, eine Gefühlsminderung in einem Areal des außenseitlichen rechten Oberschenkels, am ehesten dem Dermatom L 4 entsprechend, sowie eine leichtgradige X-Beinstellung, links ausgeprägter als rechts. Es gebe keinen sicheren Hinweis auf einen pathologisch anatomischen Folgeschaden im Bereich des rechten Knies bei seitengleich unauffälliger Kniebeweglichkeit. Der Gesundheitsschaden im Bereich der linken Hand sei aktuell folgenlos ausgeheilt. Nicht gänzlich auszuschließen sei eine somatoforme Störung, die mit Wahrscheinlichkeit in keinem Kausalbezug zum Ereignis vom 19.05.2011 stehe.
Nachdem die Beklagte zunächst die Feststellung eines Arbeitsunfalls mangels versicherter unfallursächlicher Verrichtung abgelehnt hatte (Bescheid vom 24.07.2014 Bl. 98), wurde auf Widerspruch der Klägerin mit Abhilfebescheid vom 20.08.2014 und Bescheid vom 23.09.2014 das Ereignis am 19.05.2011 als Arbeitsunfall anerkannt (Bl. 54,52 der Beklagtenakte).
Mit Bescheid vom 23.09.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, da keine Folgen des Unfalls mit einer MdE um wenigstens 20 v.H. vorlägen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin (Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 01.10.2017, Bl. 50 der Beklagtenakte) wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2015 zurück (Bl. 37ff der Beklagtenakte).
Am 12.03.2015 erhob die Klägerin vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage und begehrte eine Verletztenrente wegen einer Erwerbsunfähigkeit von 100 %. Sie leide nach wie vor an den Folgen des Arbeitsunfalls und sei nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzukommen.
Nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 01.06.2015, Bl. 21 der SG-Akte) wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 01.07.2015 die Klage ab. Es bezog sich zur Begründung auf das Gutachten von Dr. V. vom 27.06.2013.
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 06.07.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 06.08.2015 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie macht geltend, aus den von Dr. He. erhobenen Befunden ergebe sich, dass die vorliegenden Beeinträchtigungen ausschließlich auf den Arbeitsunfall vom 19.05.2011 zurückzuführen seien. Dr. He. habe noch etwa ein Jahr nach dem Unfall am rechten Knie zirkuläre Belastungsbeschwerden mit Schwellungszuständen festgestellt. Aus der Untersuchung im Mai 2015 (gemeint Mai 2012) und den gefertigten Röntgenaufnahmen ergebe sich, dass die Erwerbsfähigkeit aufgrund der Knieverletzung nicht mehr gegeben sei. Der Sachverständige Dr. V. bagatellisiere ihre geschilderten Beschwerden und führe nur allgemein aus, dass keine feste Korrelation zwischen dem subjektiven Erleben des Gesundheitszustandes und dessen funktionellen Auswirkungen bestünden.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 01.07.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 23.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.02.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ab 19.05.2011 Rente nach einer MdE um 100 v.H. zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Den Beteiligten ist der richterliche Hinweis vom 04.01.2016 erteilt worden, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigt seien.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 23.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.02.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 100 v.H. Das SG hat die Rechtsgrundlagen und die Rechtsgrundsätze zutreffend und umfassend im angefochtenen Gerichtsbescheid dargelegt und angewendet, weshalb der Senat nach eigener Prüfung auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheids verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren ist ergänzend auszuführen, dass Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente haben. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (Stützrententatbestand). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern [§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)]. Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII). Die Rente wird ab dem Tag gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Vorliegend wäre daher der früheste in Betracht kommende Rentenbeginn der 18.07.2011, da Verletztengeld bis 17.07.2011 gezahlt worden ist.
Nach diesen gesetzlichen Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente wegen des anerkannten Arbeitsunfalls am 19.05.2011, denn zum Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit am 17.07.2011 lagen keine unfallbedingten gesundheitlichen Einschränkungen mehr vor, die eine rentenrelevante MdE um mindestens 20 v.H., geschweige denn eine volle Erwerbsunfähigkeit begründeten. Solche funktionellen Einschränkungen hervorrufenden Unfallfolgen sind auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt aufgetreten. Es kann dahinstehen, ob ein Stützrententatbestand gegeben ist, denn es wird eine Vollrente begehrt. Zwischen den Beteiligten ist im Übrigen ein Stützrententatbestand auch nicht streitig und für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass ein anderer Versicherungsfall mit einer hieraus resultierenden MdE um wenigstens 10 v.H. vorliegt. Darüber hinaus sind Folgen des Unfalls vom 19.05.2011, die eine unfallbedingte MdE um mindestens 10 v.H. verursachen, auch nicht festzustellen.
Dies entnimmt der Senat ebenso wie das SG dem überzeugenden Gutachten von Dr. V ...
Die Schnittwunden am Ring- und Kleinfinger der linken Hand sind verheilt, gesundheitliche Beschwerden bestehen nach Dr. V. wegen dieser Unfallverletzung nicht. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Auch unfallbedingte Gesundheitsstörungen am rechten Kniegelenk konnte der Senat nicht feststellen. Für den Senat hat Dr. V. nachvollziehbar dargelegt, dass die bei dem Unfall erlittenen Fissuren des Schienbeinkopfes am rechten Bein folgenlos ausgeheilt sind. Der im MRT vom 27.05.2011 diagnostizierte Bone bruise des lateralen Tibiakopfes war in der von der Klägerin zur Untersuchung bei Dr. V. vorgelegten MRT-Aufnahme vom 26.01.2013 (vgl. Gutachten S. 2, 7 und 14) nicht mehr nachzuweisen. Auch der Bericht von Dr. He. vom 10.09.2014, gibt an, dass direkte Frakturfolgen nicht mehr erkennbar sind (Bl. 45/46 der Beklagtenakten). Nach medizinischer Erfahrung heilt diese im MRT darstellbare knöcherne Schädigung im mikroskopischen Bereich, die mit konventionellen Röntgenbildern nicht zu diagnostizieren ist, folgenlos aus, wie Dr. V. aus unfallchirurgischer Sicht in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt hat. Einen komplizierten Heilungsverlauf hat er dem in seinem Gutachten auch wiedergegebenen Behandlungsverlauf nicht entnehmen können, sondern vielmehr die sich nach Behandlungsende abzeichnende Beschwerdezunahme als Indiz gegen eine unfallbedingte Verletzung gedeutet.
Nach Aktenlage war die ambulante Behandlung am 18.07.2011 beendet worden und eine weitere Behandlung war nicht mehr erforderlich, wie der durchgangsärztlichen Mitteilung von Ärztin R. vom 13.09.2011 entnommen werden kann. Im August 2011 war eine Thrombosediagnostik von Dr. He. aufgrund einer Schwellung des gesamten rechten Beins veranlasst worden (Befundbericht von Dr. Hu. vom 13.08.2011), die keinen Befund ergab (Durchgangsarztbericht des Chirurgen N. vom 13.08.2011). Erst sieben Monate später wurde mit Befundbericht vom 19.05.2012 der Beklagten von Dr. He. eine fortgesetzte Diagnostik und anhaltende Kniebeschwerden rechts mitgeteilt. Dr. He. hatte gestützt auf einen Röntgenbefund ein chronisch posttraumatisches Reizknie nach verheilter lateraler Tibiakopffissur mitgeteilt, aber auch als Differenzialdiagnose eine Meniskusläsion bei Früharthrose genannt. Soweit Dr. He. der Röntgenaufnahme ein blandes Skleroseband am lateralen Tibiakopf ohne Gelenkflächenstufe meint entnehmen zu können – letztlich hat er im gleichen Befund die Fissur als ausgeheilt bezeichnet und in der Beschreibung des Röntgenbefunds formuliert er seine Deutung eines blanden Sklerosebandes vorsichtig damit, dass die ehemalige Fissur "allenfalls" als solches noch zur Darstellung komme –, ist diesem Befund eine hieraus resultierende Funktionseinschränkung nicht zu entnehmen. Unter Beschreibung einer Valgusstellung, Knieschwellung und einer "unfallunabhängigen kleinen subpatellaren Schürfmarke" stellt Dr. He. noch die Differenzialdiagnose einer Meniskusläsion.
Dr. V. hat diesen Befund in seinem Gutachten diskutiert und die Deutung des Röntgenbefunds durch Dr. He. für den Senat überzeugend als nur bedingt nachvollziehbar bezeichnet. Jedenfalls ergibt der anlässlich der Untersuchung bei Dr. V. von der Klägerin vorgelegte MRT-Befund vom 27.01.2013, der aufgrund der höheren Auflösung und Schnittbildtechnik gegenüber dem Röntgenbild aussagekräftiger ist, einen unauffälligen Kniegelenksbefund. Aber auch die anlässlich der Begutachtung von Dr. V. veranlassten Röntgenaufnahmen vom 11.06.2013 (röntgenologischer Befundbericht von Prof. Dr. L. vom 29.07.2013) zeigten entgegen dem von Dr. He. beschriebenen Röntgenbefund keine degenerativen oder erosiven Gelenksveränderungen, insbesondere findet sich kein Nachweis einer posttraumatischen Deformität. Der Röntgenologe Prof. Dr. L. beurteilt seinen Befund als unauffällig und altersentsprechend. Die Interpretation des Röntgenbefundes vom 19.05.2011 hinsichtlich Veränderungen am Tibiakopf durch Dr. He. wurde in der nachgehenden bildgebenden Diagnostik somit nicht bestätigt.
Eine unfallbedingte Meniskusläsion kommt nach der gutachterlichen Bewertung von Dr. V. ebenso wenig in Betracht. Bereits im zeitnah zum Unfallereignis gefertigten MRT vom 27.05.2011 werden unauffällige Strukturen der Kniescheibe und des Meniskus beschrieben. Der retropatellare Knorpel war intakt, meniskopale Strukturen, Bänder und Knorpel des Kniegelenkes waren unauffällig (Befundbericht des Radiologen Dr. M. vom 30.05.2011), was mit dem unauffälligen MRT-Befund vom 26.01.2013 im Einklang steht. Auch der Röntgenbefund vom 11.06.2013 ergab eine regelrechte retropatellare Artikulation. Bei der körperlichen Untersuchung der Klägerin konnte Dr. V. keine Meniskusschädigung diagnostizieren. Es fanden sich unauffällige Weichteilkonturen an beiden Kniegelenken, ohne Übererwärmung, eine regelrechte Seitenverschieblichkeit beider Kniescheiben, kein Erguss und kein nennenswertes Reibegefühl bei passiver Durchbewegungen des Kniescheibengleitlagers bei jeweils fester Kreuz- und Seitenbandführung beidseits. Eine Schmerzprovokation war bis auf ein angegebenes "Ziehen" bei Außenrotation des rechten Knies nicht zu erreichen. Die Kniegelenksbeweglichkeit war beidseits altersgemäß unauffällig. Das von Dr. He. im Bericht vom 19.05.2012 mitgeteilte Beugedefizite von 20° entspricht zwar dem D-Arztbericht R. vom 22.06.2011 (Bl. 219 der Beklagtenakte), ist aber im Bericht von Dr. He. vom 02.07.2011 lediglich als endgradig (Bl. 213 der Beklagtenakte) und im Bericht vom 13.08.2011 gar nicht beschrieben. Dr. V. hat bei seiner Untersuchung eine Bewegungsmöglichkeit des rechten Knies bis 150° mitgeteilt (Bl. 1287 der Beklagtenakte), was einer normalen Kniegelenksbeweglichkeit entspricht.
Die zusammenfassende Bewertung von Dr. V. , dem kniebezogenen subjektiven Beschwerdebild der Klägerin fehle ein fassbares, pathologisch anatomisches Korrelat, ist daher auch für den Senat überzeugend. Jedenfalls ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass die geklagten Kniebeschwerden auf unfallbedingten Gesundheitsstörungen beruhen. Die von Dr. He. im Mai 2012 behandelten Kniebeschwerden bestanden "jetzt im Schwerpunkt (am) Innenmeniskus" (Befundbericht vom 19.05.2012), dagegen können Meniskusschäden nach Beschwerdeverlauf und MRT-Befund vom 27.05.2011, wie dargelegt, nicht auf den Unfall zurückgeführt werden.
Die von Dr. He. zuletzt im vorgelegten Bericht vom 10.09.2014 genannte Diagnose eines chronisch algodystrophen Schmerzsyndroms und Früharthrose nach verheilter Tibiakopffraktur ist nicht nachvollziehbar. Eine solche Diagnose ist von Dr. V. auf der Grundlage seiner Untersuchung nicht gestellt worden. Abgesehen davon, dass die Krankheitsbezeichnung einer Algodystrophie nicht mehr gebräuchlich ist und die Symptomatik nach ärztlicher Konvention den Klassifizierungen der zusammenfassenden Bezeichnung des komplexen regionalen Schmerzsyndroms (Complex regional pain syndrome, CRPS) zugeordnet ist (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Auflage 2014, Stichworte: Algodystrophie, sympathische und Schmerzsyndrome, komplexe regionale) - was dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannt ist -, werden von Dr. He. außer einer von ihm angeführten Demineralisation am Tibiakopf keine Symptome angegeben, die seine im Widerspruch zu dem Befund von Dr. V. stehende Diagnose erhellen. Eine Demineralisation an gleicher Stelle hatte Dr. He. bereits in seinem Befundbericht vom 02.07.2011 angegeben, was aber in eindeutigem Widerspruch zum MRT-Befund vom 27.05.2011 (Befundbericht vom 30.05.2011) steht, wonach die knöchernen Strukturen des Oberschenkels rechts unauffällig waren. Auch der Röntgenbefund vom 11.06.2013 ergab einen symmetrischen Mineralsalzgehalt des rechten Kniegelenks periatikulär (um das Gelenk herum). Gefühlsstörungen in der Form eine Gefühlsminderung an der rechten Oberschenkelaußenseite sind nach Dr. V. auf die Lendenwirbelsäulenerkrankung der Klägerin, die zur Untersuchung bei Dr. V. ein Korsett der Lendenregion trug, was auf erhebliche Beschwerden seitens der Lendenwirbelsäule hindeutet, zurückzuführen. Eine der typischen CRPS-Sensibilitätsstörungen, z.B. in Form brennender Schmerzen (vgl. Pschyrembel a.a.O.), wird von keinem Arzt geschildert.
Darüber hinaus kann zu Gunsten der Klägerin ein CRPS Typ 1 - nach Dr. He. ein algodystrophes Schmerzsyndrom - als Unfallfolge auch unterstellt werden. Eine relevante Funktionseinschränkung ergibt sich hieraus aber nicht. Für die MdE-Beurteilung ist nicht die Diagnose einer bestimmten Gesundheitsstörung maßgebend, sondern die hieraus folgenden funktionellen Beeinträchtigungen für die Erwerbsfähigkeit des Versicherten. Unter diesem Gesichtspunkt kann auch die von Dr. V. fachfremd diskutierte somatoforme Schmerzstörung, deren wesentlicher Zusammenhang mit dem wenig psychisch alterierenden Unfallereignis und dessen komplikationsloser Abwicklung aus psychiatrischer Sicht durchaus fraglich sein dürfte, worauf Dr. V. zu Recht hinweist, gleichwohl als Unfallfolge unterstellt werden. Eine Beeinträchtigung, die eine MdE um mindestens 10 v.H. begründet, ist aus beiden Krankheitsbildern nicht abzuleiten. Die Kniegelenksbeweglichkeit war beidseits durchgehend frei. Die Gang- und Standvariationen waren bei der Untersuchung durch Dr. V. unauffällig demonstrierbar, mit "allenfalls diskretem Hinken" bei verhaltenszügigem Gangbild auf ebenem Boden. Schmerzinduzierte, schonungsbedingte Muskelverschmächtigungen lagen nicht vor, denn die Beinmuskulatur war im Seitenvergleich gleich ausgeprägt, wie Dr. V. beschreibt und es in den von ihm dokumentierten Umfangmaßen zum Ausdruck kommt. Selbst die Beschwerdeangaben der Klägerin, ungeachtet der Beurteilung von Dr. V. , dass sie nicht mit dem von ihm erhobenen Kniegelenksbefund zu vereinbaren sind, ergeben keinen Hinweis auf eine funktionelle Beeinträchtigung, die mit einer MdE um mindestens 10 v.H. zu bewerten wäre. Als solches werden in der unfallmedizinischen Literatur z.B. ein Wackelknie, das muskulär kompensiert wird, ein Kniescheibenverlust mit guter Streckfunktion oder eine Bewegungseinschränkung des Kniegelenks mit einer endgradigen Beugehemmung bis 120° (0/0/120°) bzw. einer Streckhemmung von 10° und Beugefähigkeit bis 135° (0/10/135°) eingestuft (vgl. Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl., Seite 198; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 654,655), was neben der umschriebenen Bewegungseinschränkung stets auch die damit einhergehenden üblicherweise auftretenden Schmerzen erfasst. Hinsichtlich der aus ihrer Sicht unfallbedingten Beschwerden hat die Klägerin ein "Ziehen" bei längerem Gehen angegeben und die erträgliche Gehstrecke beim Spazierengehen auf ebenem Boden auf 5-6 km eingeschätzt. Damit ist die Klägerin nach wertender Betrachtung des Senats funktionell weniger belastet als dies bei den nach der unfallmedizinischen Literatur mit einer MdE um 10 v.H. eingestuften Verletzungsmustern zu erwarten ist. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholend hat ausführen lassen, sie habe unerträgliche Schmerzen und könne daher überhaupt keine Tätigkeit mehr ausüben, steht dies im Widerspruch zu Ihren Beschwerdeangaben gegenüber Dr. V ...
Der Senat hat sich nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst gesehen. Das Gutachten von Dr. V. war auch für den Senat überzeugend und hat den medizinischen Sachverhalten umfassend aufgeklärt. Die Einwendungen der Klägerin gegen das Gutachten waren nicht geeignet, die Befunderhebung und gutachterlichen Schlussfolgerungen des Gutachters infrage zu stellen und den Beweiswert des Gutachtens zu schmälern. Auch aufgrund des Vorbringens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat sich der Senat nicht gedrängt gesehen, weitere Ermittlungen anzustrengen. Auf Frage hat die Klägerin vor dem Senat dargelegt, sie befinde sich derzeit in Behandlung bei Schmerztherapeut Dr. K ... Einen aktuellen Befundbericht über die Behandlung habe sie zur Vorlage in der mündlichen Verhandlung nicht verfügbar. Nach Angaben der Klägerin in der von ihr dem Sozialgericht vorgelegten Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vom 25.03.2015 befand sie sich seit Oktober 2014 fortwährend wegen starker Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich in schmerztherapeutischer Behandlung bei Dr. K. in der Klinik L. (Bl. 18 der SG-Akte). Dass sich insoweit Änderungen am Schmerzbild ergeben haben, ist weder dem Gutachten von Dr. V. zu entnehmen noch hat dies die Klägerin selbst behauptet. Schmerzen aufgrund Gesundheitsstörungen an der Lendenwirbelsäule sind aber nicht unfallbedingt, weshalb für den Senat ein weiterer Aufklärungsbedarf nicht ersichtlich gewesen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin wegen der Folgen des als Arbeitsunfall anerkannten Ereignisses vom 19.05.2011 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. zusteht.
Die 1985 geborene Klägerin war in dem Weingut G. A. als Hauswirtschafterin beschäftigt. Am 19.05.2011 ging sie mit einem Tablett in den Händen Stufen einer Treppe hinauf, blieb an einer Stufe hängen und fiel nach vorn auf das rechte Knie (Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 09.08.2011, Angabe der Klägerin vom 22.03.2013 im Vordruck der Beklagten, Bl. 196 und Bl. 146ff der Beklagtenakte). Durchgangsärztin R. diagnostizierte am Unfalltag eine Schnittwunde am Grundgelenk des Ringfingers links und am Kleinfinger sowie eine Knieprellung rechts (Durchgangsarztbericht vom 19.05.2011), veranlasste aber auch eine Magnetresonanztomographie des Kniegelenks, die am 27.05.2011 durchgeführt wurde. Sie ergab eine schwere Bone bruise des lateralen Tibiakopfes mit Fissuren in der Epiphyse und entlang der Epiphysenfuge, keine verschobene Fraktur, ein begleitendes fleckiges Subkortikalödem bei regelrechten übrigen Strukturen des Kniegelenks (radiologischer Befundbericht von Dr. M. vom 30.05.2011, Bl. 228 der Beklagtenakte).
Die Klägerin wurde mit einem funktionellen Verband versorgt und erhielt Krankengymnastik (Bericht des Orthopäden Dr. He. vom 02.07.2011, Bl. 213 der Beklagtenakte). Am 22.06.2011 konnte die D-Ärztin Dr. R. einen Erguss nicht feststellen, die Klägerin gab bei Belastungen Beschwerden an (Zw.-Ber. vom 22.06.2011, Bl. 219 d. Beklagtenakte). Die ambulante Behandlung wurde am 18.07.2011 beendet, zu diesem Zeitpunkt trat Arbeitsfähigkeit wieder ein (D-/H-Arzt Mitteilung der Ärztin R. vom 13.09.2011). Der Klägerin war Verletztengeld bis 17.07.2011 gezahlt worden (Abrechnungs-Mitteilung der BKK Gesundheit vom 25.10.2011).
Wegen Kniebeschwerden wurde die Klägerin von Dr. He. unter der Diagnose eines chronischen posttraumatischen Reizknies nach verheilter lateraler Tibiakopffissur, differentialdiagnostisch Meniskusläsion und Früharthrose, weiterbehandelt (Befundbericht von Dr. He. vom 19.05.2012, Bl. 163f der Beklagtenakte).
Die Beklagte veranlasste das Gutachten vom 27.06.2013 des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. V ... Der Sachverständige diagnostizierte bei der Klägerin einen ohne sicher erkennbaren strukturellen Folgeschaden ausgeheilten Kontusionsschaden im Sinne eines Bone bruise des außenseitlichen rechten Schienbeinkopfes, eine Gefühlsminderung in einem Areal des außenseitlichen rechten Oberschenkels, am ehesten dem Dermatom L 4 entsprechend, sowie eine leichtgradige X-Beinstellung, links ausgeprägter als rechts. Es gebe keinen sicheren Hinweis auf einen pathologisch anatomischen Folgeschaden im Bereich des rechten Knies bei seitengleich unauffälliger Kniebeweglichkeit. Der Gesundheitsschaden im Bereich der linken Hand sei aktuell folgenlos ausgeheilt. Nicht gänzlich auszuschließen sei eine somatoforme Störung, die mit Wahrscheinlichkeit in keinem Kausalbezug zum Ereignis vom 19.05.2011 stehe.
Nachdem die Beklagte zunächst die Feststellung eines Arbeitsunfalls mangels versicherter unfallursächlicher Verrichtung abgelehnt hatte (Bescheid vom 24.07.2014 Bl. 98), wurde auf Widerspruch der Klägerin mit Abhilfebescheid vom 20.08.2014 und Bescheid vom 23.09.2014 das Ereignis am 19.05.2011 als Arbeitsunfall anerkannt (Bl. 54,52 der Beklagtenakte).
Mit Bescheid vom 23.09.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, da keine Folgen des Unfalls mit einer MdE um wenigstens 20 v.H. vorlägen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin (Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 01.10.2017, Bl. 50 der Beklagtenakte) wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2015 zurück (Bl. 37ff der Beklagtenakte).
Am 12.03.2015 erhob die Klägerin vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage und begehrte eine Verletztenrente wegen einer Erwerbsunfähigkeit von 100 %. Sie leide nach wie vor an den Folgen des Arbeitsunfalls und sei nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzukommen.
Nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 01.06.2015, Bl. 21 der SG-Akte) wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 01.07.2015 die Klage ab. Es bezog sich zur Begründung auf das Gutachten von Dr. V. vom 27.06.2013.
Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 06.07.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 06.08.2015 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie macht geltend, aus den von Dr. He. erhobenen Befunden ergebe sich, dass die vorliegenden Beeinträchtigungen ausschließlich auf den Arbeitsunfall vom 19.05.2011 zurückzuführen seien. Dr. He. habe noch etwa ein Jahr nach dem Unfall am rechten Knie zirkuläre Belastungsbeschwerden mit Schwellungszuständen festgestellt. Aus der Untersuchung im Mai 2015 (gemeint Mai 2012) und den gefertigten Röntgenaufnahmen ergebe sich, dass die Erwerbsfähigkeit aufgrund der Knieverletzung nicht mehr gegeben sei. Der Sachverständige Dr. V. bagatellisiere ihre geschilderten Beschwerden und führe nur allgemein aus, dass keine feste Korrelation zwischen dem subjektiven Erleben des Gesundheitszustandes und dessen funktionellen Auswirkungen bestünden.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 01.07.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 23.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.02.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ab 19.05.2011 Rente nach einer MdE um 100 v.H. zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Den Beteiligten ist der richterliche Hinweis vom 04.01.2016 erteilt worden, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen beabsichtigt seien.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 23.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.02.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 100 v.H. Das SG hat die Rechtsgrundlagen und die Rechtsgrundsätze zutreffend und umfassend im angefochtenen Gerichtsbescheid dargelegt und angewendet, weshalb der Senat nach eigener Prüfung auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheids verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren ist ergänzend auszuführen, dass Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente haben. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (Stützrententatbestand). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern [§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)]. Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII). Die Rente wird ab dem Tag gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Vorliegend wäre daher der früheste in Betracht kommende Rentenbeginn der 18.07.2011, da Verletztengeld bis 17.07.2011 gezahlt worden ist.
Nach diesen gesetzlichen Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente wegen des anerkannten Arbeitsunfalls am 19.05.2011, denn zum Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit am 17.07.2011 lagen keine unfallbedingten gesundheitlichen Einschränkungen mehr vor, die eine rentenrelevante MdE um mindestens 20 v.H., geschweige denn eine volle Erwerbsunfähigkeit begründeten. Solche funktionellen Einschränkungen hervorrufenden Unfallfolgen sind auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt aufgetreten. Es kann dahinstehen, ob ein Stützrententatbestand gegeben ist, denn es wird eine Vollrente begehrt. Zwischen den Beteiligten ist im Übrigen ein Stützrententatbestand auch nicht streitig und für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass ein anderer Versicherungsfall mit einer hieraus resultierenden MdE um wenigstens 10 v.H. vorliegt. Darüber hinaus sind Folgen des Unfalls vom 19.05.2011, die eine unfallbedingte MdE um mindestens 10 v.H. verursachen, auch nicht festzustellen.
Dies entnimmt der Senat ebenso wie das SG dem überzeugenden Gutachten von Dr. V ...
Die Schnittwunden am Ring- und Kleinfinger der linken Hand sind verheilt, gesundheitliche Beschwerden bestehen nach Dr. V. wegen dieser Unfallverletzung nicht. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Auch unfallbedingte Gesundheitsstörungen am rechten Kniegelenk konnte der Senat nicht feststellen. Für den Senat hat Dr. V. nachvollziehbar dargelegt, dass die bei dem Unfall erlittenen Fissuren des Schienbeinkopfes am rechten Bein folgenlos ausgeheilt sind. Der im MRT vom 27.05.2011 diagnostizierte Bone bruise des lateralen Tibiakopfes war in der von der Klägerin zur Untersuchung bei Dr. V. vorgelegten MRT-Aufnahme vom 26.01.2013 (vgl. Gutachten S. 2, 7 und 14) nicht mehr nachzuweisen. Auch der Bericht von Dr. He. vom 10.09.2014, gibt an, dass direkte Frakturfolgen nicht mehr erkennbar sind (Bl. 45/46 der Beklagtenakten). Nach medizinischer Erfahrung heilt diese im MRT darstellbare knöcherne Schädigung im mikroskopischen Bereich, die mit konventionellen Röntgenbildern nicht zu diagnostizieren ist, folgenlos aus, wie Dr. V. aus unfallchirurgischer Sicht in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt hat. Einen komplizierten Heilungsverlauf hat er dem in seinem Gutachten auch wiedergegebenen Behandlungsverlauf nicht entnehmen können, sondern vielmehr die sich nach Behandlungsende abzeichnende Beschwerdezunahme als Indiz gegen eine unfallbedingte Verletzung gedeutet.
Nach Aktenlage war die ambulante Behandlung am 18.07.2011 beendet worden und eine weitere Behandlung war nicht mehr erforderlich, wie der durchgangsärztlichen Mitteilung von Ärztin R. vom 13.09.2011 entnommen werden kann. Im August 2011 war eine Thrombosediagnostik von Dr. He. aufgrund einer Schwellung des gesamten rechten Beins veranlasst worden (Befundbericht von Dr. Hu. vom 13.08.2011), die keinen Befund ergab (Durchgangsarztbericht des Chirurgen N. vom 13.08.2011). Erst sieben Monate später wurde mit Befundbericht vom 19.05.2012 der Beklagten von Dr. He. eine fortgesetzte Diagnostik und anhaltende Kniebeschwerden rechts mitgeteilt. Dr. He. hatte gestützt auf einen Röntgenbefund ein chronisch posttraumatisches Reizknie nach verheilter lateraler Tibiakopffissur mitgeteilt, aber auch als Differenzialdiagnose eine Meniskusläsion bei Früharthrose genannt. Soweit Dr. He. der Röntgenaufnahme ein blandes Skleroseband am lateralen Tibiakopf ohne Gelenkflächenstufe meint entnehmen zu können – letztlich hat er im gleichen Befund die Fissur als ausgeheilt bezeichnet und in der Beschreibung des Röntgenbefunds formuliert er seine Deutung eines blanden Sklerosebandes vorsichtig damit, dass die ehemalige Fissur "allenfalls" als solches noch zur Darstellung komme –, ist diesem Befund eine hieraus resultierende Funktionseinschränkung nicht zu entnehmen. Unter Beschreibung einer Valgusstellung, Knieschwellung und einer "unfallunabhängigen kleinen subpatellaren Schürfmarke" stellt Dr. He. noch die Differenzialdiagnose einer Meniskusläsion.
Dr. V. hat diesen Befund in seinem Gutachten diskutiert und die Deutung des Röntgenbefunds durch Dr. He. für den Senat überzeugend als nur bedingt nachvollziehbar bezeichnet. Jedenfalls ergibt der anlässlich der Untersuchung bei Dr. V. von der Klägerin vorgelegte MRT-Befund vom 27.01.2013, der aufgrund der höheren Auflösung und Schnittbildtechnik gegenüber dem Röntgenbild aussagekräftiger ist, einen unauffälligen Kniegelenksbefund. Aber auch die anlässlich der Begutachtung von Dr. V. veranlassten Röntgenaufnahmen vom 11.06.2013 (röntgenologischer Befundbericht von Prof. Dr. L. vom 29.07.2013) zeigten entgegen dem von Dr. He. beschriebenen Röntgenbefund keine degenerativen oder erosiven Gelenksveränderungen, insbesondere findet sich kein Nachweis einer posttraumatischen Deformität. Der Röntgenologe Prof. Dr. L. beurteilt seinen Befund als unauffällig und altersentsprechend. Die Interpretation des Röntgenbefundes vom 19.05.2011 hinsichtlich Veränderungen am Tibiakopf durch Dr. He. wurde in der nachgehenden bildgebenden Diagnostik somit nicht bestätigt.
Eine unfallbedingte Meniskusläsion kommt nach der gutachterlichen Bewertung von Dr. V. ebenso wenig in Betracht. Bereits im zeitnah zum Unfallereignis gefertigten MRT vom 27.05.2011 werden unauffällige Strukturen der Kniescheibe und des Meniskus beschrieben. Der retropatellare Knorpel war intakt, meniskopale Strukturen, Bänder und Knorpel des Kniegelenkes waren unauffällig (Befundbericht des Radiologen Dr. M. vom 30.05.2011), was mit dem unauffälligen MRT-Befund vom 26.01.2013 im Einklang steht. Auch der Röntgenbefund vom 11.06.2013 ergab eine regelrechte retropatellare Artikulation. Bei der körperlichen Untersuchung der Klägerin konnte Dr. V. keine Meniskusschädigung diagnostizieren. Es fanden sich unauffällige Weichteilkonturen an beiden Kniegelenken, ohne Übererwärmung, eine regelrechte Seitenverschieblichkeit beider Kniescheiben, kein Erguss und kein nennenswertes Reibegefühl bei passiver Durchbewegungen des Kniescheibengleitlagers bei jeweils fester Kreuz- und Seitenbandführung beidseits. Eine Schmerzprovokation war bis auf ein angegebenes "Ziehen" bei Außenrotation des rechten Knies nicht zu erreichen. Die Kniegelenksbeweglichkeit war beidseits altersgemäß unauffällig. Das von Dr. He. im Bericht vom 19.05.2012 mitgeteilte Beugedefizite von 20° entspricht zwar dem D-Arztbericht R. vom 22.06.2011 (Bl. 219 der Beklagtenakte), ist aber im Bericht von Dr. He. vom 02.07.2011 lediglich als endgradig (Bl. 213 der Beklagtenakte) und im Bericht vom 13.08.2011 gar nicht beschrieben. Dr. V. hat bei seiner Untersuchung eine Bewegungsmöglichkeit des rechten Knies bis 150° mitgeteilt (Bl. 1287 der Beklagtenakte), was einer normalen Kniegelenksbeweglichkeit entspricht.
Die zusammenfassende Bewertung von Dr. V. , dem kniebezogenen subjektiven Beschwerdebild der Klägerin fehle ein fassbares, pathologisch anatomisches Korrelat, ist daher auch für den Senat überzeugend. Jedenfalls ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass die geklagten Kniebeschwerden auf unfallbedingten Gesundheitsstörungen beruhen. Die von Dr. He. im Mai 2012 behandelten Kniebeschwerden bestanden "jetzt im Schwerpunkt (am) Innenmeniskus" (Befundbericht vom 19.05.2012), dagegen können Meniskusschäden nach Beschwerdeverlauf und MRT-Befund vom 27.05.2011, wie dargelegt, nicht auf den Unfall zurückgeführt werden.
Die von Dr. He. zuletzt im vorgelegten Bericht vom 10.09.2014 genannte Diagnose eines chronisch algodystrophen Schmerzsyndroms und Früharthrose nach verheilter Tibiakopffraktur ist nicht nachvollziehbar. Eine solche Diagnose ist von Dr. V. auf der Grundlage seiner Untersuchung nicht gestellt worden. Abgesehen davon, dass die Krankheitsbezeichnung einer Algodystrophie nicht mehr gebräuchlich ist und die Symptomatik nach ärztlicher Konvention den Klassifizierungen der zusammenfassenden Bezeichnung des komplexen regionalen Schmerzsyndroms (Complex regional pain syndrome, CRPS) zugeordnet ist (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Auflage 2014, Stichworte: Algodystrophie, sympathische und Schmerzsyndrome, komplexe regionale) - was dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannt ist -, werden von Dr. He. außer einer von ihm angeführten Demineralisation am Tibiakopf keine Symptome angegeben, die seine im Widerspruch zu dem Befund von Dr. V. stehende Diagnose erhellen. Eine Demineralisation an gleicher Stelle hatte Dr. He. bereits in seinem Befundbericht vom 02.07.2011 angegeben, was aber in eindeutigem Widerspruch zum MRT-Befund vom 27.05.2011 (Befundbericht vom 30.05.2011) steht, wonach die knöchernen Strukturen des Oberschenkels rechts unauffällig waren. Auch der Röntgenbefund vom 11.06.2013 ergab einen symmetrischen Mineralsalzgehalt des rechten Kniegelenks periatikulär (um das Gelenk herum). Gefühlsstörungen in der Form eine Gefühlsminderung an der rechten Oberschenkelaußenseite sind nach Dr. V. auf die Lendenwirbelsäulenerkrankung der Klägerin, die zur Untersuchung bei Dr. V. ein Korsett der Lendenregion trug, was auf erhebliche Beschwerden seitens der Lendenwirbelsäule hindeutet, zurückzuführen. Eine der typischen CRPS-Sensibilitätsstörungen, z.B. in Form brennender Schmerzen (vgl. Pschyrembel a.a.O.), wird von keinem Arzt geschildert.
Darüber hinaus kann zu Gunsten der Klägerin ein CRPS Typ 1 - nach Dr. He. ein algodystrophes Schmerzsyndrom - als Unfallfolge auch unterstellt werden. Eine relevante Funktionseinschränkung ergibt sich hieraus aber nicht. Für die MdE-Beurteilung ist nicht die Diagnose einer bestimmten Gesundheitsstörung maßgebend, sondern die hieraus folgenden funktionellen Beeinträchtigungen für die Erwerbsfähigkeit des Versicherten. Unter diesem Gesichtspunkt kann auch die von Dr. V. fachfremd diskutierte somatoforme Schmerzstörung, deren wesentlicher Zusammenhang mit dem wenig psychisch alterierenden Unfallereignis und dessen komplikationsloser Abwicklung aus psychiatrischer Sicht durchaus fraglich sein dürfte, worauf Dr. V. zu Recht hinweist, gleichwohl als Unfallfolge unterstellt werden. Eine Beeinträchtigung, die eine MdE um mindestens 10 v.H. begründet, ist aus beiden Krankheitsbildern nicht abzuleiten. Die Kniegelenksbeweglichkeit war beidseits durchgehend frei. Die Gang- und Standvariationen waren bei der Untersuchung durch Dr. V. unauffällig demonstrierbar, mit "allenfalls diskretem Hinken" bei verhaltenszügigem Gangbild auf ebenem Boden. Schmerzinduzierte, schonungsbedingte Muskelverschmächtigungen lagen nicht vor, denn die Beinmuskulatur war im Seitenvergleich gleich ausgeprägt, wie Dr. V. beschreibt und es in den von ihm dokumentierten Umfangmaßen zum Ausdruck kommt. Selbst die Beschwerdeangaben der Klägerin, ungeachtet der Beurteilung von Dr. V. , dass sie nicht mit dem von ihm erhobenen Kniegelenksbefund zu vereinbaren sind, ergeben keinen Hinweis auf eine funktionelle Beeinträchtigung, die mit einer MdE um mindestens 10 v.H. zu bewerten wäre. Als solches werden in der unfallmedizinischen Literatur z.B. ein Wackelknie, das muskulär kompensiert wird, ein Kniescheibenverlust mit guter Streckfunktion oder eine Bewegungseinschränkung des Kniegelenks mit einer endgradigen Beugehemmung bis 120° (0/0/120°) bzw. einer Streckhemmung von 10° und Beugefähigkeit bis 135° (0/10/135°) eingestuft (vgl. Mehrhoff/Ekkernkamp/Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl., Seite 198; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 654,655), was neben der umschriebenen Bewegungseinschränkung stets auch die damit einhergehenden üblicherweise auftretenden Schmerzen erfasst. Hinsichtlich der aus ihrer Sicht unfallbedingten Beschwerden hat die Klägerin ein "Ziehen" bei längerem Gehen angegeben und die erträgliche Gehstrecke beim Spazierengehen auf ebenem Boden auf 5-6 km eingeschätzt. Damit ist die Klägerin nach wertender Betrachtung des Senats funktionell weniger belastet als dies bei den nach der unfallmedizinischen Literatur mit einer MdE um 10 v.H. eingestuften Verletzungsmustern zu erwarten ist. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholend hat ausführen lassen, sie habe unerträgliche Schmerzen und könne daher überhaupt keine Tätigkeit mehr ausüben, steht dies im Widerspruch zu Ihren Beschwerdeangaben gegenüber Dr. V ...
Der Senat hat sich nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst gesehen. Das Gutachten von Dr. V. war auch für den Senat überzeugend und hat den medizinischen Sachverhalten umfassend aufgeklärt. Die Einwendungen der Klägerin gegen das Gutachten waren nicht geeignet, die Befunderhebung und gutachterlichen Schlussfolgerungen des Gutachters infrage zu stellen und den Beweiswert des Gutachtens zu schmälern. Auch aufgrund des Vorbringens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat sich der Senat nicht gedrängt gesehen, weitere Ermittlungen anzustrengen. Auf Frage hat die Klägerin vor dem Senat dargelegt, sie befinde sich derzeit in Behandlung bei Schmerztherapeut Dr. K ... Einen aktuellen Befundbericht über die Behandlung habe sie zur Vorlage in der mündlichen Verhandlung nicht verfügbar. Nach Angaben der Klägerin in der von ihr dem Sozialgericht vorgelegten Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht vom 25.03.2015 befand sie sich seit Oktober 2014 fortwährend wegen starker Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich in schmerztherapeutischer Behandlung bei Dr. K. in der Klinik L. (Bl. 18 der SG-Akte). Dass sich insoweit Änderungen am Schmerzbild ergeben haben, ist weder dem Gutachten von Dr. V. zu entnehmen noch hat dies die Klägerin selbst behauptet. Schmerzen aufgrund Gesundheitsstörungen an der Lendenwirbelsäule sind aber nicht unfallbedingt, weshalb für den Senat ein weiterer Aufklärungsbedarf nicht ersichtlich gewesen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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