Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 5325/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1159/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. März 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung eines Zuschlags an persönlichen Entgeltpunkten für zwei Kinder (P. G. und F.), für die sie eine Kindererziehungszeit mangels Erziehung im ersten Jahr nach Ablauf des Monats der Geburt nicht anerkannt bekommen hat.
Die 1944 geborene Klägerin hat zusammen mit ihrem Ehegatten vier Kinder adoptiert, den im September 1973 geborenen P. G., den in Dezember 1973 geborenen F., den 1976 geborenen R. J. sowie die 1977 geborene L. J. (siehe Bl. 36 ff, 248 der Verwaltungsakten der Beklagten). Die Klägerin hat P. G. seit 19. Juli 1975 erzogen, F. ab 15. März 1975, R. J. ab 2. Juli 1976 sowie L. J. ab 10. März 1978. Mit Ausnahme von R. J. waren die Kinder zuvor in Heimen bzw. anderen Pflegefamilien untergebracht.
Die Klägerin bezieht von der Beklagten ab April 2009 eine Regelaltersrente (Rentenbescheid vom 21. Januar 2009). Hierbei berücksichtigte die Beklagte für R. J. Kindererziehungszeiten vom 1. Juli 1976 bis 30. Juni 1977 sowie für L. J. Kindererziehungszeiten vom 1. März bis 31. Oktober 1978, für P. G. und F. keine.
Mit Rentenbescheid vom 8. September 2014 berechnete die Beklagte die Regelaltersrente ab 1. Juli 2014 neu und berücksichtigte hierbei einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für zwei Kinder in Höhe von zwei Entgeltpunkten. Die Regelaltersrente erhöhte sich auf 410,84 EUR. Am 17. September 2014 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch und machte auch für P. G. und F. einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten geltend. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Zuschlag gemäß § 307d Abs. 1 SGB VI könne nur berücksichtigt werden, wenn eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt eines vor dem 1. Januar 1992 geborenen Kindes angerechnet worden sei. Für die Adoptivkinder P. G. und F. seien Kindererziehungszeiten nicht anerkannt worden, da die Haushaltsaufnahme erst nach Ablauf des zwölften Kalendermonats nach Ablauf des Monats der Geburt erfolgt sei.
Am 17. November 2014 hat die Klägerin hiergegen Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und die Diskriminierung der Adoptivmütter gerügt. Auf Nachfrage des SG hat die Klägerin mitgeteilt, dass ihr Ehemann an einer fortschreitenden demenziellen Erkrankung leide und an einem Gerichtsverfahren nicht teilnehmen könne. Er habe ihr notariell die Generalvollmacht erteilt. Sie hat ihre Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht sowie dessen Mitteilung vom 29. Januar 2015 vorgelegt. Mit Gerichtsbescheid vom 10. März 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz sei nicht einzuholen, da das Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt sei. § 307d Abs. 1 SGB VI sehe einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind nur vor, wenn in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde. Der Ausschluss des Zuschlages für Kinder, die erst nach Ablauf des zwölften Kalendermonats nach Ablauf des Monats der Geburt in den Haushalt aufgenommen wurden, wirke wie eine Stichtagsregelung, die zwar gewisse Härten mit sich brächten, aber hier verfassungsrechtlich zulässig sei. Die Wahl des Zeitpunktes müsse sich am Sachverhalt orientieren. Der Zuschlag stehe aus Praktikabilitätsgründen dem Elternteil zu, dem der letzte Monat an Kindererziehungszeit zugeordnet worden sei. Um die reibungslose Umsetzung der Einbeziehung auch des Rentenbestandes in die verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, zu gewährleisten, sei eine pauschale Anrechnung vorgenommen worden, die an bereits im Versicherungsverlauf enthaltene Daten anknüpfe.
Gegen den am 13. März 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24. März 2015 Berufung eingelegt und geltend gemacht, auch für Adoptivmütter gebe es ein erstes Jahr, in dem sie Mutter des Kindes würden. Hätten sie die vier Kinder nur in Pflege genommen, hätte dies den Staat eine wesentlich höhere finanzielle Belastung gekostet. Als Mutter von vier adoptierten Kindern fühle sie sich den Müttern leiblicher Kinder nicht gleichgestellt. Für den als Säugling aufgenommenen R. J. erhalte sie den Kinderzuschlag, für die viel schwierigeren Erziehungsleistungen bezüglich der älteren Kinder nicht, was gegen den Gleichheitssatz verstoße. § 307d Abs. 1 Ziff. 1 SGB VI möge in den meisten Fällen geeignet sein, praktikable Ergebnisse zu erzielen; er berücksichtige jedoch in keiner Weise die besondere Situation von Adoptivkindern. Nur ein geringer Teil der adoptierten Kinder gehörten der Altersgruppe bis ein Jahr an, weshalb die allermeisten Adoptiveltern leer ausgingen. Es bedürfe für ältere Adoptivkinder sogar einer besonderen Zuwendung. Schließlich müsse die Dauer des Adoptionsverfahrens berücksichtigt werden, sodass die in § 307 d SGB VI enthaltene Stichtagsregelung nur schwierig einzuhalten sei. Der Gesetzgeber hätte auch etwa für Rentenzugänge ab 1992 eine Anknüpfung an Kinderberücksichtigungszeiten vorsehen können.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. März 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Rentenbescheids vom 8. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2014 zu verurteilen, der Klägerin eine höhere Rente unter Berücksichtigung von Zuschlägen für die Kindererziehung für den im September 1973 geborenen P. G. und den im Dezember 1973 geborenen F. zu gewähren
hilfsweise die Revision zuzulassen,
hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 29. Januar 2016 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 8. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Rentenbescheid zu ihren Gunsten gemäß § 48 SGB X nicht nur einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung gemäß § 307d SGB VI für zwei, sondern für vier Kinder gewährt.
Gemäß § 307d Abs. 1 SGB VI wird ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente bestand, in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a SGB VI besteht. Gemäß § 307d Abs. 2 Satz 1 SGB VI beträgt der Zuschlag für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Gemäß § 307d Abs. 4 SGB VI ist der Zuschlag nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Abs. 4 SGB VI in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.
Die Klägerin hatte einen Anspruch auf eine Rente am 30. Juni 2014. Ihr wurde ab April 2009 eine Regelaltersrente bestandskräftig durch Rentenbescheid vom 21. Januar 2009 bewilligt, wobei für R. J. im Juni 1977 und für L. J. im Oktober 1978 eine Kindererziehungszeit angerechnet worden ist. Für R. J. und Lilli wurde deshalb ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten in Höhe von einem Entgeltpunkt bewilligt, nicht hingegen für P. G. und F., weil für die Erziehung dieser Kinder keinerlei Kindererziehungszeit angerechnet worden ist. Die Beklagte hat demzufolge die Rechtsänderung durch § 307d SGB VI durch Bescheid vom 8. September 2014 korrekt umgesetzt. Die Beklagte hat für P. G. und F. auch zu Recht keine Kindererziehungszeit im zwölften Monat nach Ablauf des Monats der Geburt anerkannt, da die Klägerin diese beiden Kinder erst danach erzogen hat. Das Bundessozialgericht (BSG) hat zudem bereits überzeugend entschieden, dass auch Pflegeeltern die Kinder bereits im ersten Jahr erzogen haben müssen, um Anspruch auf Anerkennung einer Kindererziehungszeit zu haben. Dies sei nicht verfassungswidrig (s. BSG, Urteil vom 28. November 1990, 4 RA 40/90, Juris). Insbesondere liegt keine Ungleichbehandlung zu den leiblichen Müttern vor, da auch diese ihre Kinder im ersten Jahr erzogen haben müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat auch die Regelung des § 249 Abs. 1 SGB VI in der Fassung vor dem 1. Juli 2014 für verfassungsgemäß erachtet und alle Beschwerden, soweit sie die Ungleichbehandlung von Kindererziehungszeiten im Rahmen der Stichtagsregelung betrafen, nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. Urteil vom 7. Juli 1992, 1 BvL 51/86 u.a, Beschluss vom 21. Oktober 2004, 1 BvR 1596/01, Juris). Durch die verfassungsrechtlich nicht geforderte Änderung zum 1. Juli 2014 hat der Gesetzgeber die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind auf 24 Kalendermonate verlängert (siehe § 249 in der ab 1. Juli 2014 geltenden Fassung), wobei Bestandsrentner mit einem Zuschlag an Entgeltpunkten nach § 307d SGB VI abgegolten werden. Der Gesetzgeber durfte für Bestandsrentner pauschal an die Zuerkennung einer Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt anknüpfen, da er davon ausgehen durfte, dass in den meisten Fällen die tatsächlichen Erziehungsverhältnisse im zweiten Jahr denen des letzten Monats im vorangegangenen Jahr entsprechen. Er war nicht verpflichtet, die verfassungsrechtlich nicht notwendige Verbesserung für die Erziehungsleistung für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder auch für Bestandsrentner anders, insbesondere nach einer konkreten Einzelfallprüfung, zu regeln. Auch war eine pauschale Anknüpfung an Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI) nicht für alle Bestandsrentner möglich, da diese erst 1992 eingeführt worden sind (vgl. GK, § 307d Rdnr. 18). Das BVerfG hat nach ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass der Gesetzgeber trotz Härten den Bedürfnissen einer Massenverwaltung durch eine generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelung Rechnung tragen darf, ohne gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 95, 143 m.w.N.). Schließlich war der Gesetzgeber auch nicht verpflichtet, für Adoptivmütter (-väter) eine eigene, erweiterte Regelung zu treffen (BSG, Urteil vom 28. November 1990., a.a.O.). Insbesondere ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, alle Belastungen durch Adoptivkinder rentenrechtlich zu kompensieren.
Da der Senat von der Verfassungskonformität der gesetzlichen Regelung überzeugt ist, kommt eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 100 Grundgesetz nicht in Betracht. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen ebenfalls nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Mey-er-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung eines Zuschlags an persönlichen Entgeltpunkten für zwei Kinder (P. G. und F.), für die sie eine Kindererziehungszeit mangels Erziehung im ersten Jahr nach Ablauf des Monats der Geburt nicht anerkannt bekommen hat.
Die 1944 geborene Klägerin hat zusammen mit ihrem Ehegatten vier Kinder adoptiert, den im September 1973 geborenen P. G., den in Dezember 1973 geborenen F., den 1976 geborenen R. J. sowie die 1977 geborene L. J. (siehe Bl. 36 ff, 248 der Verwaltungsakten der Beklagten). Die Klägerin hat P. G. seit 19. Juli 1975 erzogen, F. ab 15. März 1975, R. J. ab 2. Juli 1976 sowie L. J. ab 10. März 1978. Mit Ausnahme von R. J. waren die Kinder zuvor in Heimen bzw. anderen Pflegefamilien untergebracht.
Die Klägerin bezieht von der Beklagten ab April 2009 eine Regelaltersrente (Rentenbescheid vom 21. Januar 2009). Hierbei berücksichtigte die Beklagte für R. J. Kindererziehungszeiten vom 1. Juli 1976 bis 30. Juni 1977 sowie für L. J. Kindererziehungszeiten vom 1. März bis 31. Oktober 1978, für P. G. und F. keine.
Mit Rentenbescheid vom 8. September 2014 berechnete die Beklagte die Regelaltersrente ab 1. Juli 2014 neu und berücksichtigte hierbei einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für zwei Kinder in Höhe von zwei Entgeltpunkten. Die Regelaltersrente erhöhte sich auf 410,84 EUR. Am 17. September 2014 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch und machte auch für P. G. und F. einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten geltend. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Zuschlag gemäß § 307d Abs. 1 SGB VI könne nur berücksichtigt werden, wenn eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt eines vor dem 1. Januar 1992 geborenen Kindes angerechnet worden sei. Für die Adoptivkinder P. G. und F. seien Kindererziehungszeiten nicht anerkannt worden, da die Haushaltsaufnahme erst nach Ablauf des zwölften Kalendermonats nach Ablauf des Monats der Geburt erfolgt sei.
Am 17. November 2014 hat die Klägerin hiergegen Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und die Diskriminierung der Adoptivmütter gerügt. Auf Nachfrage des SG hat die Klägerin mitgeteilt, dass ihr Ehemann an einer fortschreitenden demenziellen Erkrankung leide und an einem Gerichtsverfahren nicht teilnehmen könne. Er habe ihr notariell die Generalvollmacht erteilt. Sie hat ihre Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht sowie dessen Mitteilung vom 29. Januar 2015 vorgelegt. Mit Gerichtsbescheid vom 10. März 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz sei nicht einzuholen, da das Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm überzeugt sei. § 307d Abs. 1 SGB VI sehe einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind nur vor, wenn in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde. Der Ausschluss des Zuschlages für Kinder, die erst nach Ablauf des zwölften Kalendermonats nach Ablauf des Monats der Geburt in den Haushalt aufgenommen wurden, wirke wie eine Stichtagsregelung, die zwar gewisse Härten mit sich brächten, aber hier verfassungsrechtlich zulässig sei. Die Wahl des Zeitpunktes müsse sich am Sachverhalt orientieren. Der Zuschlag stehe aus Praktikabilitätsgründen dem Elternteil zu, dem der letzte Monat an Kindererziehungszeit zugeordnet worden sei. Um die reibungslose Umsetzung der Einbeziehung auch des Rentenbestandes in die verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, zu gewährleisten, sei eine pauschale Anrechnung vorgenommen worden, die an bereits im Versicherungsverlauf enthaltene Daten anknüpfe.
Gegen den am 13. März 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24. März 2015 Berufung eingelegt und geltend gemacht, auch für Adoptivmütter gebe es ein erstes Jahr, in dem sie Mutter des Kindes würden. Hätten sie die vier Kinder nur in Pflege genommen, hätte dies den Staat eine wesentlich höhere finanzielle Belastung gekostet. Als Mutter von vier adoptierten Kindern fühle sie sich den Müttern leiblicher Kinder nicht gleichgestellt. Für den als Säugling aufgenommenen R. J. erhalte sie den Kinderzuschlag, für die viel schwierigeren Erziehungsleistungen bezüglich der älteren Kinder nicht, was gegen den Gleichheitssatz verstoße. § 307d Abs. 1 Ziff. 1 SGB VI möge in den meisten Fällen geeignet sein, praktikable Ergebnisse zu erzielen; er berücksichtige jedoch in keiner Weise die besondere Situation von Adoptivkindern. Nur ein geringer Teil der adoptierten Kinder gehörten der Altersgruppe bis ein Jahr an, weshalb die allermeisten Adoptiveltern leer ausgingen. Es bedürfe für ältere Adoptivkinder sogar einer besonderen Zuwendung. Schließlich müsse die Dauer des Adoptionsverfahrens berücksichtigt werden, sodass die in § 307 d SGB VI enthaltene Stichtagsregelung nur schwierig einzuhalten sei. Der Gesetzgeber hätte auch etwa für Rentenzugänge ab 1992 eine Anknüpfung an Kinderberücksichtigungszeiten vorsehen können.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. März 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Rentenbescheids vom 8. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2014 zu verurteilen, der Klägerin eine höhere Rente unter Berücksichtigung von Zuschlägen für die Kindererziehung für den im September 1973 geborenen P. G. und den im Dezember 1973 geborenen F. zu gewähren
hilfsweise die Revision zuzulassen,
hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 29. Januar 2016 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 8. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Rentenbescheid zu ihren Gunsten gemäß § 48 SGB X nicht nur einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung gemäß § 307d SGB VI für zwei, sondern für vier Kinder gewährt.
Gemäß § 307d Abs. 1 SGB VI wird ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente bestand, in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a SGB VI besteht. Gemäß § 307d Abs. 2 Satz 1 SGB VI beträgt der Zuschlag für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Gemäß § 307d Abs. 4 SGB VI ist der Zuschlag nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Abs. 4 SGB VI in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.
Die Klägerin hatte einen Anspruch auf eine Rente am 30. Juni 2014. Ihr wurde ab April 2009 eine Regelaltersrente bestandskräftig durch Rentenbescheid vom 21. Januar 2009 bewilligt, wobei für R. J. im Juni 1977 und für L. J. im Oktober 1978 eine Kindererziehungszeit angerechnet worden ist. Für R. J. und Lilli wurde deshalb ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten in Höhe von einem Entgeltpunkt bewilligt, nicht hingegen für P. G. und F., weil für die Erziehung dieser Kinder keinerlei Kindererziehungszeit angerechnet worden ist. Die Beklagte hat demzufolge die Rechtsänderung durch § 307d SGB VI durch Bescheid vom 8. September 2014 korrekt umgesetzt. Die Beklagte hat für P. G. und F. auch zu Recht keine Kindererziehungszeit im zwölften Monat nach Ablauf des Monats der Geburt anerkannt, da die Klägerin diese beiden Kinder erst danach erzogen hat. Das Bundessozialgericht (BSG) hat zudem bereits überzeugend entschieden, dass auch Pflegeeltern die Kinder bereits im ersten Jahr erzogen haben müssen, um Anspruch auf Anerkennung einer Kindererziehungszeit zu haben. Dies sei nicht verfassungswidrig (s. BSG, Urteil vom 28. November 1990, 4 RA 40/90, Juris). Insbesondere liegt keine Ungleichbehandlung zu den leiblichen Müttern vor, da auch diese ihre Kinder im ersten Jahr erzogen haben müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat auch die Regelung des § 249 Abs. 1 SGB VI in der Fassung vor dem 1. Juli 2014 für verfassungsgemäß erachtet und alle Beschwerden, soweit sie die Ungleichbehandlung von Kindererziehungszeiten im Rahmen der Stichtagsregelung betrafen, nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. Urteil vom 7. Juli 1992, 1 BvL 51/86 u.a, Beschluss vom 21. Oktober 2004, 1 BvR 1596/01, Juris). Durch die verfassungsrechtlich nicht geforderte Änderung zum 1. Juli 2014 hat der Gesetzgeber die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind auf 24 Kalendermonate verlängert (siehe § 249 in der ab 1. Juli 2014 geltenden Fassung), wobei Bestandsrentner mit einem Zuschlag an Entgeltpunkten nach § 307d SGB VI abgegolten werden. Der Gesetzgeber durfte für Bestandsrentner pauschal an die Zuerkennung einer Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt anknüpfen, da er davon ausgehen durfte, dass in den meisten Fällen die tatsächlichen Erziehungsverhältnisse im zweiten Jahr denen des letzten Monats im vorangegangenen Jahr entsprechen. Er war nicht verpflichtet, die verfassungsrechtlich nicht notwendige Verbesserung für die Erziehungsleistung für vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder auch für Bestandsrentner anders, insbesondere nach einer konkreten Einzelfallprüfung, zu regeln. Auch war eine pauschale Anknüpfung an Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI) nicht für alle Bestandsrentner möglich, da diese erst 1992 eingeführt worden sind (vgl. GK, § 307d Rdnr. 18). Das BVerfG hat nach ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass der Gesetzgeber trotz Härten den Bedürfnissen einer Massenverwaltung durch eine generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelung Rechnung tragen darf, ohne gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 95, 143 m.w.N.). Schließlich war der Gesetzgeber auch nicht verpflichtet, für Adoptivmütter (-väter) eine eigene, erweiterte Regelung zu treffen (BSG, Urteil vom 28. November 1990., a.a.O.). Insbesondere ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, alle Belastungen durch Adoptivkinder rentenrechtlich zu kompensieren.
Da der Senat von der Verfassungskonformität der gesetzlichen Regelung überzeugt ist, kommt eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 100 Grundgesetz nicht in Betracht. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen ebenfalls nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Mey-er-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).
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