L 4 KR 2114/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 1145/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2114/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betrifft (noch) ein Unterlassungsbegehren gegenüber dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK).

Der Kläger ist bei der Barmer GEK krankenversichert. Er beantragte bei ihr unter Vorlage einer Verordnung des Facharztes für Allgemeinmedizin S. vom 18. Februar 2015 die Versorgung mit einem Paar angepasster orthopädischer Schuhe. Auf Anfrage der Barmer GEK erstellte Dr. C. vom Beklagten eine sozialmedizinische Stellungnahme vom 30. April 2015, nach der eine medizinische Indikation zur Versorgung mit orthopädischen Schuhen nicht bestätigt werden könne. Die Barmer GEK lehnte daraufhin den Versorgungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 5. Mai 2015 ab. Im durch Widerspruch des Klägers vom 6. Mai 2015 eingeleiteten Vorverfahren erstellte Dr. Z. vom Beklagten unter dem 28. August 2015 ein sozialmedizinisches Gutachten; die medizinischen Voraussetzungen für die Leistungen seien nicht erfüllt. Die Widerspruchsstelle der Barmer GEK wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2016 zurück. Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage (S 19 KR 6097/15); die Barmer GEK gab in jenem Verfahren ein vom Kläger angenommenes) Anerkenntnis ab und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 14. März 2016 ein Paar orthopädischer Straßenschuhe.

Am 22. Dezember 2015 erhob der Kläger Klage beim Amtsgericht (AG) L. und suchte zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nach mit dem Ziel, dem Beklagten die Behauptung zu untersagen, er benötige keine orthopädischen Schuhe, und diese Behauptung zu widerrufen. Zugleich verkündete der Kläger der Barmer GEK den Streit, da der Rechtsstreit für sein Begehren auf Ausstattung mit orthopädischen Schuhen vorgreiflich sei. In der Folgezeit macht der Kläger zusätzlich noch Schadensersatzansprüche geltend.

Das AG L. (2 C 463/15) erklärte mit Beschluss vom 11. Januar 2016 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das SG. Auf die Beschwerde des Klägers änderte das Landgericht (LG) O. den Beschluss des AG L. dahingehend ab, dass nur der Rechtsstreit betreffend des Unterlassungs- und des Widerrufsbegehrend, nicht aber betreffend das Schadensersatzbegehren an das SG verwiesen wird (Beschluss vom 11. Februar 2016 – 4 T 28/16). Im Übrigen hob das LG O. den Beschluss des AG L. auf und verwies die Sache insoweit an das AG L. zurück.

Das SG, bei dem die Hauptsacheklage weiterhin anhängig ist, lehnte den "Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz" mit Beschluss vom 12. Mai 2016 ab. Es legte das Begehren des Klägers zum einen dahingehend aus, dass er von der Barmer GEK die Versorgung mit orthopädischen Schuhen begehre. Dieses Begehren sei jedenfalls seit dem Anerkenntnis der Barmer GEK unzulässig, weil dem Kläger die Möglichkeit offen stehe, aus diesem Anerkenntnis zu vollstrecken. Soweit der Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehre, einstweilen die Behauptung zu unterlassen und zu widerrufen, dass er keine orthopädischen Schuhe benötige, fehle es jedenfalls an der Eilbedürfigkeit. Nach dem Anerkenntnis der Barmer GEK sei nicht zu besorgen, dass die Stellungnahmen des Beklagten noch Wirkung entfalte. Ebenso sei nicht zu befürchten, dass der Beklagte in naher Zukunft erneut über die Frage zu befinden haben werden, ob der Kläger orthopädische Schuhe benötige. Es sei dem Kläger daher zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Gegen den ihm am 17. Mai 2016 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 23. Mai 2016 Beschwerde beim SG eingelegt. Die Beschwerde richte sich nur gegen den Beklagten, nicht gegen die Barmer GEK. Der Beschluss des LG "O." (richtig: O.) sei falsch.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Mai 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, einstweilen die Behauptung zu unterlassen und zu widerrufen, dass er keine orthopädischen Schuhe benötige.

Der Beklagte hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Barmer GEK Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Beschwerde form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegt. Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. Denn eine Berufung in der Hauptsache bedürfte nicht der Zulassung, da die Klage weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt noch eine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden betrifft.

2. Die Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Dabei geht der Senat davon aus, dass sich das Begehren des Klägers jedenfalls nunmehr nur noch gegen den Beklagten richtet, nicht aber gegen die Barmer GEK. Der Kläger hat in seiner Beschwerdeschrift ausdrücklich ausgeführt, dass sich die Beschwerde nur gegen den Beklagten richte und die Barmer GEK in diesem Verfahren ohnehin nicht in Anspruch genommen werde. Der Senat hat das Rubrum entsprechend abweichend vom dem des SG gefasst.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei dürfen sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss des Ersten Senats vom 13. April 2010 – 1 BvR 216/07 – juris, Rn. 64; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. August 2014 – 1 BvR 1453/12 – juris, Rn. 9).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander; es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt (vgl. Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris, Rn. 18; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Januar 2007 – L 7 SO 5672/06 ER-B – juris, Rn. 2). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris, Rn. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER – juris, Rn. 4). Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris, Rn. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER – juris, Rn. 4).

b) Es kann dahinstehen, ob ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden ist. Denn jedenfalls liegt kein Anordnungsgrund vor.

aa) Ein Anordnungsgrund liegt nur dann vor, wenn der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist; d. h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (Hessisches LSG, Beschluss vom 21. März 2006 – L 9 AS 124/05 ER – juris, Rn. 35). Eilbedürftigkeit besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – juris, Rn. 23; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Februar 2014 – L 2 AS 252/14 B ER – juris, Rn. 27). Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorwegnehmenden Eilentscheidung kann in aller Regel nur bejaht werden, wenn dem Antragsteller schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. August 2006 – L 13 AS 2759/06 ER-B – juris, Rn. 4; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – L 13 AS 4113/06 ER-B – juris, Rn. 4).

bb) Eine solche Dringlichkeit liegt – worauf bereits das SG zu Recht abgestellt hat – hier nicht vor. Es sind keine Nachteile ersichtlich, die der Kläger erleiden würde, wenn er hinsichtlich seines Widerrufs- und Unterlassungsbegehrens den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten würde. Sein eigentliches krankenversicherungsrechtliches Begehren auf Versorgung mit orthopädischen Schuhen ist durch das Anerkenntnis der Barmer GEK erfüllt und wird sich in absehbarer Zeit nicht wiederholen. Für die Annahme, der Beklagte könnte unabhängig davon ihre Behauptung aus den Stellungnahmen vom 30. April 2015 und vom 28. August 2015 wiederholen, ist nichts ersichtlich. Nicht wiedergutzumachende Rechtsverletzungen oder ein sonstiger irreparabler Schaden entstehen dem Kläger durch den Verweis auf das Hauptsacheverfahren nicht. Insbesondere ist die Äußerung des Beklagten, der Kläger benötige keine orthopädischen Schuhe, in keiner Weise geeignet, Persönlichkeitsrechte des Klägers zu verletzen. Es handelt sich lediglich um eine ärztliche Einschätzung eines medizinischen Sachverhaltes, nicht aber um eine ehrverletzende oder das Ansehen des Klägers in sonstiger Weise nachteilig beeinflussende Äußerung.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved