L 9 R 1141/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 5522/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1141/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist zum einen die Aufhebung eines Bescheides streitig, mit dem der Klägerin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer gewährt wurde, zum anderen die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.07.2011 hinaus.

Die 1968 geborene Klägerin erlernte keinen Beruf und war als Arbeiterin in der Einzieherei versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im November 2004 bezog sie Krankengeld. Ihr Arbeitsverhältnis endete im Jahre 2006.

Nachdem bei der Klägerin im Dezember 2003 Schmerzen am dorsalen linken Ober- und Unterschenkel aufgetreten waren, wurde bei ihr im November 2004 ein Bandscheibenvorfall L5/S1 festgestellt. Daraufhin fand am 16.11.2004 in der Neurochirurgischen U. F. eine Nukleotomie mit Sequesterentfernung und Foraminotomie in Höhe L5/S1 links statt. Im Zeitraum vom 15.12.2003 bis 05.01.2004 nahm die Klägerin an einer Anschlussheilmaßnahme in der M.-Klinik in B. teil. Im Entlassungsbericht vom 03.01.2005 ist als Diagnose eine rückläufige Lumboischialgie links mit Wurzelkompressionssymptomatik S1 angegeben und ausgeführt, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt B.ehe weiterhin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für eine leichte Tätigkeit. In der Folge stellte sich die Klägerin mehrfach wegen anhaltender Schmerzen im Interdisziplinären Schmerzzentrum des Universitätsklinikums Freiburg vor. Im Befundbericht vom 11.05.2005 des dort tätigen Facharztes für Neurochirurgie Prof. Dr. M. sind als Diagnosen ein Restschmerz nach Bandscheibenoperation, eine Bandscheibenprotrusion sowie eine Retrolisthesis L5 über S1 ohne Instabilität angegeben und es ist ausgeführt, postoperativ seien die Schmerzen rasch rückläufig gewesen, insbesondere die Ischialgien seien allmählich verschwunden. Im weiteren Verlauf habe die Klägerin dann wieder Schmerzen gehabt, die vom Rücken über die Hüfte links teilweise bis in die proximale Oberschenkelaußenseite ausgestrahlt hätten. Diese Schmerzen hätten sich in letzter Zeit eher verstärkt. Der Befundbericht des Prof. Dr. M. vom 27.07.2005 nennt als weitere Diagnose eine Erschöpfungsdepression. Am 17.03.2006 fand bei der Klägerin im Rahmen eines dreitägigen stationären Aufenthaltes im Interdisziplinären Schmerzzentrum eine Myelographie der Lendenwirbelsäule (LWS) statt mit Lumbalpunktion in Höhe von L3/4. Laut Entlassungsbericht vom 10.04.2006 habe sich bei der Myelographie eine Amputation der Wurzel S1 bei kleinem Bandscheibensequester mit Wurzelkompression gezeigt. Die Beschwerden hätten nach Angabe der Klägerin durch den Eingriff durchgreifend an Intensität und Häufigkeit abgenommen. Mittlerweile habe sie nur noch geringgradige Beschwerden, die lediglich phasenweise täglich auftreten würden.

Am 19.07.2006 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, den sie mit Beschwerden nach einem Bandscheibenvorfall begründete. Nachdem die Beklagte medizinische Unterlagen von den behandelnden Ärzten und Kliniken beigezogen hatte, beauftragte sie den Orthopäden Dr. W. mit der Erstellung eines Gutachtens nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin, die am 21.09.2006 stattfand. Im Gutachten vom 22.09.2006 diagnostizierte er eine persistierende linksseitige Lumboischialgie bei Zustand nach Hemilaminektomie und Nukleotomie bei Discusprolaps L5/S1, aktuell mit Nachweis eines Rezidivs L5/S1, sowie eine sekundäre Schmerzkrankheit mit Medikation Stufe II WHO. Des Weiteren führte er aus, es B.ehe eine Einschränkung auch des quantitativen Leistungsvermögens aufgrund der orthopädischen Diagnose und der sicher glaubhaften subjektiven Beschwerden. Die Klägerin sei nur noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten in einem Wechselrhythmus von drei bis unter sechs Stunden täglich auszuführen.

Die Sozialmedizinerin Dr. P. erstattete der Beklagten unter dem 29.09.2006 ein Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 29.08.2006. Dr. Peter B.ätigte die von Dr. W. diagnostizierten Erkrankungen und dessen Leistungseinschätzung.

Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 19.10.2006 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 01.12.2004 auf Dauer sowie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.06.2005 bis 31.05.2008.

Auf einen im Jahr 2008 gestellten Antrag auf Weiterzahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung forderte die Beklagte einen Befundbericht des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. L. an, der unter dem 09.02.2008 angab, bei der Klägerin liege ein Zustand nach Bandscheibenvorfall L5/S1, ein chronisches Syndrom der LWS bei degenerativen Veränderungen L4/S1, eine ossäre Stenose, eine arterielle Hypertonie und eine medikamentös eingestellte Hyperthyreose vor. Die Klägerin leide unter rezidivierenden starken lumboischialgiformen Schmerzen. In den letzten drei Jahren habe sich keine Befundänderung ergeben. Dr. L. legte außerdem einen Befundbericht vom 17.01.2008 des Dr. Wandschneider vor, der die Klägerin ambulant krankenbehandelt hatte. Hieraus ergibt sich eine deutliche schmerzhaft eingeschränkte Lateroflexion und Reklination über dem linken Iliosakralgelenk, eine Tonuserhöhung der paravertebralen Muskulatur und ein endgradig positiver Lasègue. Derzeit B.ehe keine Nervenwurzelreizsymptomatik. Die Beklagte legte die Unterlagen ihren beratenden Ärzten, dem Orthopäden Dr. R. und der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T. vor, die unter dem 26.02.2008 bzw. 28.02.2008 ausführten, dass keine Besserung nachweisbar sei, da weiterhin rezidivierende Lumboischialgien mit ständiger Schmerzmedikation B.ehen. Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 05.03.2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.06.2008 bis 31.05.2011.

Am 14.01.2011 stellte die Klägerin erneut Antrag auf Weiterzahlung der vollen Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte forderte einen aktuellen Befundbericht an, in dem der behandelnde Orthopäde Kapell unter dem 21.02.2011 angab, bei der Klägerin B.ehe eine Zervicobrachialgie, ein Zustand nach lumbaler Bandscheibenoperation sowie ein Postnukleotomiesyndrom. Da er die Klägerin erst seit vier Monaten behandle, könne er keine Angaben über die Entwicklung des Gesundheitszustandes machen. Die Beklagte beauftragte daraufhin den Facharzt für Orthopädie Dr. N. mit der ambulanten Untersuchung und Begutachtung der Klägerin. In seinem Gutachten vom 29.03.2011 stellte er bei der Klägerin ein Postnukleotomiesyndrom bei Bandscheibenrezidiv L5/S1 und ein Syndrom der Halswirbelsäule (HWS) mit Hartspann fest, die das Leistungsvermögen der Klägerin nicht wesentlich einschränkten. Leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien noch in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich gesundheitlich zumutbar.

Die Beklagte legte das Gutachten des Dr. N. ihrer Beratungsärztin, der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T. vor mit der Bitte um Prüfung, ob eine Verbesserung im Gesundheitszustand der Klägerin eingetreten sei. Dr. T. führte hierzu in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 19.04.2011 aus, im Jahr 2006 sei eine regelmäßige Schmerzmedikation (morgens und abends, sowie mittags nach Bedarf) mit einem zentral wirkenden Schmerzmittel (Tilidin) erfolgt. Zusätzlich habe die Klägerin ein weiteres Medikament eingenommen, das die Wirkstoffe Paracetamol und Codein enthalten habe. Dies habe einer Schmerztherapie der Stufe II nach WHO entsprochen. Aktuell erfolge nur noch die bedarfsweise Gabe von Ibuprofen 800, welches kein wirksames Schmerzmittel darstelle. Während sich das Gangbild im Jahr 2006 vorsichtig und kleinschrittig gezeigt habe, zeige sich nun ein Entlastungshinken links. Das Auskleiden sei flüssig und ohne fremde Hilfe geschehen. Das Zeichen nach Schober habe 2006 bei 10/13 gelegen, nun leicht gebessert bei 10/14. Im Jahr 2006 habe sich ein positives Lasègue-Zeichen ab 50° gezeigt bei fehlendem Achillessehnenreflex (ASR) links. Bei Dr. N. sei das Lasègue-Zeichen negativ gewesen, der ASR abgeschwächt. Eine Besserung sei nachvollziehbar.

Mit Schreiben vom 02.05.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie beabsichtige, die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.06.2011 zu entziehen. Dadurch werde der Anspruch auf Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung bei verschlossenem Arbeitsmarkt ebenfalls wegfallen. Die Klägerin erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 10.05.2011 teilte die Klägerin mit, trotz Einnahme von Ibuprofen 800 und Tilidin (das sie nach wie vor zu Hause habe) seien die Schmerzen unerträglich. Selbst beim Verrichten der täglichen Hausarbeit müsse sie aufgrund ihrer Schmerzen Pausen einlegen. Auch regelmäßige Gymnastik und Schwimmen könnten die Schmerzen nicht lindern. Sie könne nach wie vor nicht sechs Stunden täglich arbeiten.

Mit Bescheid vom 03.06.2011 hob die Beklagte den Bescheid vom 19.10.2006 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Zeit ab dem 01.08.2011 auf. Aus diesem Grund werde ihre Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.08.2011 entzogen. Dadurch falle der Anspruch auf Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung bei verschlossenem Arbeitsmarkt ebenfalls ab dem 01.08.2011 weg.

Die Klägerin erhob hiergegen am 15.06.2011 Widerspruch.

Die Beklagte fertigte am 09.08.2011 einen Bescheid an die Klägerin, in dem sie ausführte, dass die Rente wegen voller Erwerbsminderung weiterhin auf Zeit bis zum 31.10.2011 geleistet werde. Der Rentenanspruch sei zeitlich begrenzt, weil die volle Erwerbsminderung nicht ausschließlich auf ihren Gesundheitszustand, sondern auch auf den Verhältnissen des Arbeitsmarktes beruhe. Laut eines Aktenvermerks der Beklagten (Blatt 455 Verwaltungsakte) ist dieser Bescheid nicht abgesandt worden. Mit Schreiben vom 02.09.2011 teilte die Klägerin mit, dass ihr für den Monat August 2011 eine Rentenleistung ausgezahlt worden sei. Sie bitte um Mitteilung, ob dem Widerspruch abgeholfen worden sei. Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 02.09.2011 mit, dass die Erwerbsminderungsrente wegen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs weitergeleistet werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Die Klägerin hat am 12.10.2011 vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Das SG hat den behandelnden Orthopäden K. und den Hausarzt Dr. N. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Orthopäde K. hat unter dem 06.12.2011 mitgeteilt, er habe die Klägerin seit November 2010 behandelt und keine wesentliche Änderung ihres Gesundheitszustandes feststellen können. Dr. N. hat mit Schreiben vom 12.12.2011 ausgeführt, er habe die Klägerin im Jahr 2003 als Vertreter behandelt, und dann wieder ab Mai 2010. Die Beschwerden an Rücken und Bein seien unverändert. Die Einnahme von Tilidin habe die Klägerin im September 2010 wegen Übelkeit und Gewöhnung absetzen müssen. Die Klägerin sei nur noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten unter sechs Stunden täglich auszuüben.

Das SG hat den Chefarzt der Klinik für Orthopädische Chirurgie Dr. B. als Sachverständigen B.ellt und ihn mit der Erstellung eines Gutachtens nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin beauftragt. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 03.05.2012 ausgeführt, die Klägerin habe sehr ausgeprägte Schmerzen im Bereich der LWS mit Ausstrahlung in das linke Bein gezeigt. Sie könne sicherlich regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgehen, jedoch sei ihr dies nur drei bis unter sechs Stunden täglich möglich. Außerdem seien schwere körperliche Arbeiten für sie nicht durchführbar. Sie könne vielmehr nur noch sehr leichte Arbeiten ausüben. Die Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit ergebe sich aus dem Vorliegen einer Wurzelreizung L5 linksseitig. Es sei davon auszugehen, dass sich die Beschwerden innerhalb der letzten zwölf Monate deutlich verschlechtert hätten. Die abweichende Beurteilung durch Dr. N. beruhe darauf, dass bei dessen Begutachtung noch bessere Befunde zu erheben waren. Das Lasègue-Zeichen sei bei seiner eigenen Untersuchung linksseitig deutlich positiv ausgefallen. Sicherlich seien die Schmerzen im Bereich der LWS und Ausstrahlung in das linke Bein zum aktuellen Zeitpunkt noch ausgeprägter als im März 2011.

Die Beklagte hat gegen das Gutachten unter Vorlage einer Stellungnahme des Beratungsarztes, Facharzt für Chirurgie Dr. S., vom 29.06.2012 eingewandt, das Gutachten imponiere bereits von der Form her wie eine sachverständige Zeugenaussage und erschöpfe sich in der Beantwortung von Beweisfragen. Die Befundung sei wenig umfangreich, eine echte gutachterliche Auseinandersetzung mit einer Plausibilitätsprüfung der Befunde sowie eine Anamneseerhebung fehle gänzlich. Dr. B. stütze sich allein auf die Schmerzangaben der Klägerin, und die erhobenen Befunde seien in sich widersprüchlich. Es passe beispielsweise nicht zusammen, dass das Lasègue-Zeichen bei 30° positiv gewesen sein soll und dennoch ein Fingerbodenabstand (FBA) von 12 cm erreicht worden sei bei einem Schober-Zeichen von 10/13. Um einen solchen FBA zu erreichen, müsse die Hüfte deutlich stärker als 30° gebeugt werden. Zudem werde der FBA mit gestreckten Beinen geprüft, so dass ein identischer Dehnreiz auf den Nervus ischiadicus erfolge wie bei der Lasègue-Prüfung. Der Sachverständige habe keine sonstigen Gegenprüfungen vorgenommen.

Anschließend hat das SG den Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr. B. zum Sachverständigen B.ellt. In seinem Gutachten vom 12.01.2013 hat dieser bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet als Gesundheitsstörungen eine chronische Rückenschmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine diskrete Lumboischalgie links mit minimaler Fußheberrestparese und Abschwächung des ASR, einen Zustand nach Operation einer Bandscheibenprotrusion L5/S1 mit verbliebenen degenerativen Veränderungen in diesem Segment, ein muskulär statisches zervikales Schmerzsyndrom und einen schmerzhaften Reizzustand des linken Iliosakralgelenkes festgestellt. Aus der diskreten Lumboischialgie könne er eine wesentliche Funktionsstörung nicht ableiten. Er habe beobachten können, wie die Klägerin bei ihrem Eintreffen an der Klinik als Beifahrerin eines Pkw ohne fremde Hilfe zügig ausgestiegen sei. Anschließend sei sie mit gut koordinierten Bewegungsabläufen, ohne zu hinken, auf das Klinikgebäude zugelaufen, bis sie etwa 50 m vor dem Eingangsbereich linksseitig zu hinken begonnen habe. Die Funktionsstörung am linken Bein sei seiner Ansicht nach vorgetäuscht. Die Klägerin könne mit ihren Erkrankungen noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Die von ihm angegebenen qualitativen Einschränkungen B.ünden seit der Bandscheibenoperation am 29.11.2004.

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das SG den Facharzt für Orthopädie Dr. K. als Sachverständigen B.ellt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 20.08.2013 zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin könne leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben. Die von der Klägerin angegebenen subjektiven Beschwerden seien anamnestisch, speziell angesichts der vorangegangenen Bandscheibenoperation lumbal sowie anhand der erhobenen klinischen und radiologischen Befunde nachvollziehbar. Die Klägerin sei demnach in ihrer Leistungsfähigkeit deutlich limitiert.

Mit Schreiben vom 08.01.2014 hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass bei ihr ein weiterer Bandscheibenvorfall im Bereich der HWS festgestellt worden sei. Es B.ehe eine Beschwerdeproblematik mit ausstrahlenden Schmerzen in den linken Arm. Hierzu hat sie einen Befundbericht der Radiologischen Praxis Bad Säckingen vom 12.12.2013 vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2014 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie dreimal täglich Ibuflam 800 einnehme und bedarfsabhängig ein bis zwei Mal täglich Novalgin 15 Tropfen, die ihr als Ersatz für das abgesetzte Tilidin verordnet worden seien. Seit zwei Wochen sei ihr außerdem Tramal in Tablettenform verordnet worden. Davon nehme sie täglich eine Tablette. Sie habe den Eindruck gewonnen, dass es Dr. B. darauf angelegt habe, detektivisch tätig zu werden, um sie der Simulation zu überführen. Sie gewinne den Eindruck, dass er ganz starke Vorbehalte gegen sie gehabt habe. Dies in der Form so in das Gutachten zu schreiben, sei menschenunwürdig.

Mit Urteil vom 06.02.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die zuvor auf Dauer bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung entzogen. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Verlängerung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.07.2011 hinaus. Die Ermittlungen hätten B.ätigt, dass die Klägerin seit der Untersuchung durch Dr. N. nicht mehr erwerbsgemindert sei. Der Leistungseinschätzung des Dr. N. und des Dr. B. sei zu folgen. Dr. N. habe in seinem Gutachten leichtere Befunde erhoben, als sie der aufgehobenen Rentenbewilligung aus dem Jahre 2006 zugrunde gelegen haben. Die in Art und Umfang heruntergesetzte Schmerzmedikation, die Besserung des Achillessehnenreizes sowie die gebesserten Befunde der beiden Untersuchungen Lasègue und Schober sprächen gleichermaßen für eine Besserung des Gesundheitszustandes. Mit ihrer Kritik an den teils verdeckten Untersuchungsmethoden des Dr. B. verkenne die Klägerin, dass es eine zentrale Aufgabe eines gerichtlich B.ellten Sachverständigen sei, zwischen Beschwerdeschilderungen und objektivierbaren Befunden zu differenzieren und die dafür eingesetzten Instrumente und deren Ergebnis im Gutachten darzulegen. Die von Dr. B. erhobenen Befunde seien überwiegend leichtgradig. Dr. B. dagegen stütze seine Leistungsbeurteilung auf Befunde, die sich teilweise eklatant widersprechen würden, ohne auf diese Diskrepanz hinzuweisen oder sich mit ihr auseinander zu setzen. Seine Leistungsbeurteilung beruhe ganz wesentlich auf Beschwerdeschilderungen der Klägerin ohne Validierung anhand objektiver Befunde. Das Gutachten von Dr. Khaddam-Aljameh enthalte außer formalen Mängeln (fehlende Benennung der Beurteilungsgrundlage) so erhebliche inhaltliche Lücken, dass sein Ergebnis nicht ansatzweise überzeuge. Der Umfang der erhobenen Befunde sei völlig unzureichend. Inhaltlich seien die Befunde gegenüber dem Vorgutachten von Dr. B. sogar teilweise leichter. Dennoch sei Dr. K. zu einer geringeren Leistungsfähigkeit gekommen, ohne sich mit dieser Diskrepanz auseinander zu setzen. Dass die Rente trotz der Annahme der Beklagten, dass die Erwerbsminderung seit dem 29.03.2011 nicht mehr vorliege, für die Zukunft erst ab dem 01.08.2011 und nicht bereits ab dem 01.07.2011 entzogen worden sei, sei mangels Ermessensspielraum rechtswidrig. Die Klägerin werde jedoch dadurch nicht in ihren Rechten verletzt. Die Klägerin habe somit auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 06.03.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am selben Tag bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt.

Der Senat hat mit den Beteiligten am 13.08.2015 einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes durchgeführt, in dem die Klägerin angegeben hat, gesundheitlich schränke sie am meisten der Schmerz der LWS ein, der bis ins linke Bein ziehe und dazu führe, dass sie dauerhaft hinke. Mittlerweile habe sie noch Probleme mit der linken Schulter dazubekommen. Außerdem sei sie auf das Steißbein gestürzt. Anschließend hat der Senat den Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin Dr. G. zum Sachverständigen B.ellt und ihn mit der Erstellung eines Gutachtens nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin beauftragt, die am 23.11.2015 stattgefunden hat. In seinem Gutachten vom 24.11.2015, das um Stellungnahmen vom 19.01.2016, 16.02.2016 und 19.04.2016 ergänzt worden ist, ist Dr. G. zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin ein chronisches Schmerzsyndrom Stadium III nach Gerbershagen mit psychischen und somatischen Faktoren bei rezidivierender Lumboischialgie links ohne neurologische Ausfallerscheinigungen, ein rezidivierendes Cervikalsyndrom bei nachgewiesenem subligamentären Bandscheibenvorfall C6/7 ohne Stenosierung, eine leichte Funktionseinschränkung der linken Schulter nach Schulterarthroskopie links und der Verdacht auf ein Karpaltunnelsyndrom links ohne höhergradige Funktionseinschränkung vorliege. Vergleiche man die in den Gutachten von Dr. N. und Dr. W./Dr. P. erhobenen Befunde, so sei 2006 das Gangbild "vorsichtig und kleinschrittig" (Dr. W.) bzw. "vorsichtig, diskret linkshinkend" (Dr. P.) und 2011 "linkshinkend" gewesen. Das Zeichen nach Lasègue sei 2006 bei beiden Untersuchern schwach positiv gewesen, bei Dr. N. negativ. Während der ASR 2006 links nicht auslösbar gewesen sei, werde er 2011 als beidseits abgeschwächt beschrieben. Der S. lumbalis werde 2006 mit 10/13 und 2011 mit 9,5/10/14 beschrieben. Lege man diese Befunde zugrunde, zeige sich nach Aktenlage eine diskrete Besserung der klinischen Befunde. Nach seiner Einschätzung sei die Klägerin in der Lage, leichte körperliche Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuführen. Die Einschätzung des Dr. W. eines drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögens sei nachvollziehbar. Betrachte man die gemessenen Werte der Blutuntersuchung, so komme man zu dem Schluss, dass die Klägerin am Untersuchungstag (gemeint: Vortag) die von ihr angegebenen Medikamente zumindest weder mittags noch abends eingenommen habe, denn ansonsten wären diese im Blutspiegel nachweisbar gewesen.

Die Klägerin trägt vor, ihre Beschwerdesymptomatik habe sich nicht verändert. Der Sachverständige Dr. B. habe in seinem Gutachten ausgeführt, die von ihm festgestellten Einschränkungen hätten bereits im Jahr 2004 vorgelegen. Wenn dem so sei, dann liege keine wesentliche Besserung vor, die jedoch für eine Aufhebung erforderlich sei. Zudem stütze sie sich auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. B. und Dr. K ... Ergänzend hat die Klägerin selbst erstellte Tagesprotokolle für die Zeit vom 17.03.2014 bis 21.03.2014 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Februar 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Juli 2011 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie stützt sich zur Begründung auf die Ausführungen des SG.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 03.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2011, mit dem diese zwei Regelungen im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X getroffen hat: Zum einen hob die Beklagte die der Klägerin mit Bescheid vom 19.10.2006 bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.08.2011 auf. Zum anderen trifft der Bescheid eine Entscheidung über den von der Klägerin am 14.01.2011 gestellten Antrag auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente über den 31.05.2011 insoweit, als der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 01.06.2011 bis 31.07.2011 gewährt wird, aber nicht über diesen Zeitpunkt hinaus. Zwar hat die Beklagte im angegriffenen Bescheid ausgeführt, der Anspruch auf Weitergewährung der Rente falle ebenfalls ab dem 01.08.2011 weg. Da die Rente wegen voller Erwerbsminderung jedoch bislang nur bis zum 31.05.2011 bewilligt worden war, ist die Regelung so auszulegen, dass die Beklagte den geltend gemachten Anspruch auch für die beiden Folgemonate anerkannt hat. Gestützt wird diese Auslegung durch den Aktenvermerk der Beklagten vom 28.07.2011 (Blatt 434 Verwaltungsakte) sowie durch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 14.09.2011. Denn auch hier gibt die Beklagte an, dass sie die "Arbeitsmarktrente", mithin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes bei einem drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögen, bis 31.07.2011 "weitergeleistet" habe. Die Regelung über die Ablehnung des Rentenanspruchs wegen voller Erwerbsminderung über den 31.07.2011 hinaus ist auch nicht dadurch abgeändert worden, indem die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.10.2011 den entsprechenden Leistungsbetrag weiterhin ausgezahlt hat. Denn die Beklagte hat der Klägerin mit Begleitschreiben vom 12.09.2011 zu der Auszahlung ergänzend mitgeteilt, dass die monatliche Rente nur aufgrund der - von der Beklagten angenommenen - aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, somit vorläufig, weitergeleistet werde. Zwar ergibt sich aus dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 09.08.2011 über die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Monate August bis Oktober 2011 keine diesbezügliche Einschränkung. Vielmehr ist darin eine Regelung über eine endgültige Leistungsbewilligung zu sehen. Dieser Bescheid ist jedoch der Klägerin nicht bekannt gegeben und somit nicht wirksam geworden (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dass der dies B.ätigende Aktenvermerk vom 25.08.2011 zutreffend ist, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Klägerin sich ansonsten nicht am 02.09.2011 schriftlich an die Beklagte gewandt hätte, um sich nach dem Grund für die Rentenzahlung für den Monat August 2011 zu erkundigen.

Soweit sich die Klage gegen die Entziehung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung richtet, ist die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG die statthafte Klageart, soweit sich die Klägerin gegen die Ablehnung der Rente wegen voller Erwerbsminderung wendet, ist statthaft eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.08.2011 aufgehoben sowie den Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.07.2011 hinaus abgelehnt.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheides vom 19.10.2006 über die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung stellt § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. Nach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Der Bescheid über die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer vom 19.10.2006 zeigt über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe bzw. Bindungswirkung hinaus Wirkungen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 01.07.2010, B 13 R 77/09 R (juris)) und stellt somit einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar.

Der Senat stellt fest, dass in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 19.10.2006 vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Hierbei sind die bei Erlass des aufgehobenen Verwaltungsaktes vom 19.10.2006 maßgebenden Verhältnisse, mithin die Umstände, die im Zeitpunkt des Erlasses der bescheidmäßigen Feststellung der Leistung vorgelegen haben (vgl. Schütze in: von Wulffen, SGB X, 8. Auflage, § 48 Rn. 5), mit jenen Verhältnissen zu vergleichen, die zum Zeitpunkt der Erlasses des angegriffenen Bescheides vom 03.06.2011 bzw. des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2011 B.anden haben. Eine Änderung dieser Verhältnisse ist dann anzunehmen, wenn im Hinblick auf die für den Erlass des Verwaltungsaktes entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände ein anderer Sachverhalt vorliegt (vgl. Schütze, a.a.O., Rn. 8). Der Bescheid vom 19.10.2006 über die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung stützte sich auf § 43 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).

Maßgeblich für einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist somit ein medizinischer Sachverhalt. Ein solcher erfährt dann eine Änderung, wenn objektiv nachweisbare Veränderungen im klinischen Befund vorliegen (vgl. Schütze, a.a.O., Rn. 8), die sich wiederum aus den der Bescheiderteilung zugrunde liegenden Gutachten und sonstigen medizinischen Unterlagen ergeben. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn die Behörde den Verwaltungsakt unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen so nicht hätte erlassen dürfen (BSG, Urteil vom 19.02.1986, 7 Rar 55/84 (juris)). Im Falle einer Rente wegen (teilweiser) Erwerbsminderung bedeutet dies, dass sich eine Verbesserung der Befundlage ergeben muss, die zu einem Wegfall des Anspruchs auf Gewährung dieser Rente führt.

Unter Anwendung dieses Maßstabs ist eine solche wesentliche Verbesserung im Gesundheitszustand der Klägerin festzustellen.

Auf orthopädischem Fachgebiet ist die Klägerin unmittelbar (vier Wochen) vor Erlass des nun aufgehobenen Bewilligungsbescheids von dem Facharzt Dr. W. untersucht und begutachtet worden. Die in seinem Gutachten wiedergegebenen Befunde stellen somit den damals vorliegenden medizinischen Gesundheitszustand am B.en dar. Es B.ehen keine Anhaltspunkte, dass diese unzutreffend sind. Dr. W. vermerkte in seinem Gutachten vom 22.09.2006 ein vorsichtiges und kleinschrittiges Gangbild ohne Verwendung von Gehhilfen. Als normabweichenden Befund gab er außerdem im Bereich der Wirbelsäule ein Zeichen nach Schober von 10/13 cm an, die Lordose war nur teilaufrichtbar und es B.and ein deutlicher Druckschmerz über dem linken Iliosakralgelenk. Es zeigte sich ein schwach positives Lasègue-Zeichen bei 50°, der ASR fehlte links, der Fersenstand gelang einbeinig nur unsicher. Die Röntgenaufnahmen ergaben eine Höhenminderung des Zwischenwirbelfaches L5/S1 mit geringfügiger Retrolisthese. Die Klägerin nahm damals morgens und abends jeweils zehn Tropfen Tilidin, bei Bedarf auch mittags, ein, zusätzlich zwei Mal täglich eine Tablette Paracetamol AL comp. sowie einmal täglich Carbimazol 5 mg. Dr. Wandschneider stellte bei der Klägerin zusammenfassend eine Einschränkung der Funktion der LWS mit Zeichen einer linksseitigen Ischialgie ohne eindeutige radikuläre Zuordnung fest und ordnete die von der Klägerin durchgeführte Schmerztherapie in die Stufe II der WHO ein. Die Sozialmedizinerin Dr. P. vermerkte in ihrem Gutachten vom 29.09.2006 ebenso einen fehlenden ASR linksseitig, und ein Lasègue-Zeichen links von 45°. Der Zehen- und Hackengang war durchführbar.

Demgegenüber ergab sich bei der Begutachtung durch Dr. N. im März 2011 ein linkshinkendes Gangbild, ein beidseits sicherer Fußspitzen- und Hackengang, ein Schober-Zeichen von 9,5/10/14, ein Fingerbodenabstand von 10 cm, ein beidseits negatives Lasègue-Zeichen sowie ein beidseits abgeschwächt auslösbarer ASR. Die Klägerin nahm zu diesem Zeitpunkt laut Gutachten des Dr. N. bei Bedarf Ibuflam 800 sowie ein Schilddrüsenmedikament ein. Aus einem Befundbericht des behandelnden Orthopäden Kapell vom 13.01.2011 (Blatt 323 Verwaltungsakte) ergibt sich bei einem zwei Tage zuvor erhobenen Befund ein nicht auslösbarer ASR, ein Lasègue-Zeichen links von 60°, rechts 70°, somit eines Pseudolasègues ohne sensomotorische Defizite. Dieser Befund stützt den von Dr. N. erhobenen nur teilweise. Eine richtungsweisende Verbesserung von März 2011 gegenüber Januar 2011 ist dennoch plausibel, da der am 19.11.2010 von dem Orthopäden Kapell erhobene Befund einen Pseudolasègue beidseits von 70° angab (vgl. Blatt 325 Verwaltungsakte).

Wenn auch entscheidend für den medizinischen Sachverhalt der Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides, somit der 01.06.2011, ist, sind die im Rahmen des Klage- und Berufungsverfahrens durch die gerichtlichen Sachverständigen erhobenen orthopädischen Befunde zumindest insoweit heranzuziehen, als sie Aufschluss darüber geben können, dass die von Dr. N. erhobenen Befunde stimmig sind.

So ließ sich bei der Klägerin im Dezember 2012 durch Dr. B. der ASR rechts zumindest schwach auslösen, links nur mit Hilfe des Jendrassik-Handgriffs. Bei der Prüfung des Lasègue-Zeichens gab die Klägerin zwar bereits bei einer Beugung des linken Beines von 40° Schmerzen an. Dr. B. führte die Prüfung jedoch erneut in Sitzposition aus, wobei sich ein Beugewinkel von 70° erreichen ließ, was ebenfalls einem Pseudolasègue entspricht. Eine Fußheberschwäche konnte Dr. B. ausschließen, genauso wie gravierende Störungen im Gangbild. Zwar führte Dr. B. in seinem Gutachten aus, die Klägerin stellte sich ihm mit einem massiv linkshinkenden Gangbild vor, legte jedoch auch dar, dass die Klägerin sich mit gut koordinierten Bewegungsabläufen, ohne zu hinken, fortbewegen konnte, als sie sich unbeobachtet fühlte.

Ebenso stellte Dr. K. bei der Klägerin einen endgradigen Pseudolasègue, einen möglichen Zehengang und sogar ein nicht hinkendes Gangbild fest.

Auch bei der Untersuchung durch Dr. G. im November 2015 fand der Sachverständige ein linkshinkendes Gangbild vor. Die Ausführung des Zehen- und Fersengangs waren der Klägerin möglich. Dr. G. stellte ebenfalls einen Pseudolasègue von 60° fest sowie eine symmetrische Auslösung der Muskeleigenreflexe. Eine Blutentnahme ergab für den Wirkstoff Ibuprofen einen Wert von unter 1.0 mg/l bei einem Normbereich von 15 - 30 und für den Wirkstoff Metamizol (Novalgin) einen Wert ebenfalls von unter 1.0 mg/l bei einem Normbereich von 1 - 12. Im Hinblick auf die Schmerzmedikation, die Hinweis auf das Ausmaß von Schmerzen gibt, ist somit ebenfalls eine deutliche Verbesserung anzunehmen.

Die von Dr. N. erhobenen Befunde sind somit im Hinblick auf den ASR, das Lasègue-Zeichen sowie die Medikamenteneinnahme gestützt worden.

Soweit Dr. B. bei der Klägerin das Lasègue-Zeichen bereits bei 30° links angegeben hat, ist dieser Befund so nicht nachvollziehbar. Zum einen muss hier beachtet werden, dass sich das Testverfahren auf eine Schmerzangabe des Probanden verlässt. Zum anderen gab auch der behandelnde Orthopäde Kapell, der die Klägerin außerhalb dieses Rechtsstreites untersucht hat, einen möglichen Beugewinkel von 60 - 70° an. Zudem hat auch die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass bei einem Beugewinkel von maximal 30° ein FBA von 12 cm nicht erreichbar ist. Allerdings führt auch Dr. B. aus, dass bei ihm sämtliche Reflexe der unteren Extremität, zu denen auch der ASR gehört, seitengleich auslösbar waren.

Vom Vorliegen einer Änderung des Gesundheitszustandes der Klägerin ist somit auszugehen. Diese ist auch wesentlich. Denn mit der Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin erreichte sie ein berufliches Leistungsvermögen für körperlich leichte Arbeiten von mindestens sechs Stunden täglich, wie der Senat feststellt. Dies ergibt sich aus dem schlüssigen Gutachten des Sachverständigen Dr. G., der ausgeführt hat, dass die Klägerin in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit lediglich in qualitativer Hinsicht eingeschränkt ist. So sind ihr nur noch leichte körperliche Arbeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Klettern und Steigen auf Leitern und Gerüsten und ohne Einfluss von Kälte gesundheitlich zumutbar. Zu dieser Leistungseinschätzung kommen auch der gerichtliche Sachverständige Dr. B. sowie der Orthopäde Dr. N., dessen Gutachten im Wege des Urkundsbeweis Verwertung findet. Deren Leistungseinschätzung stimmt auch mit den festgestellten Befunden überein. Entscheidend für die Leistungsbeurteilung bei Funktionsstörungen der Wirbelsäule ist der Zustand der anatomischen Strukturen Knochen, Gelenke, Bänder, Muskulatur und Nerven sowie das Zusammenwirken dieser Strukturen (vgl. Thomann/Schröter/Grosser, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 2. Auflage, S. 234). Im Falle der Klägerin geht es dabei um das Ausmaß von Schmerzen und hierbei insbesondere auf eine Nervenbeteiligung als deren Ursache. Bei der Klägerin konnte der ASR linksseitig teilweise schwach ausgelöst werden, teilweise nur mit Hilfe eines Ablenkungsmanövers in Form des Jendrassik-Handgriffs (vgl. Krämer, Bandscheibenbedingte Erkrankungen, 5. Auflage, S. 170). Im Gegensatz zu dem Jahr 2006 war dieser Reflex am linken Bein jedoch nicht vollständig aufgehoben, so dass nicht (mehr) von einer schweren Nervenbeteiligung auszugehen ist. Auch das Lasègue-Zeichen konnte erst bei 60 - 70° ausgelöst werden, was für eine deutlich rückläufigere Schmerzgrenze spricht. Schließlich ist auch von einer rückläufigen Medikation auszugehen, auch wenn diese teilweise auf eine Gewöhnung oder das Auftreten von Nebenwirkungen zurückzuführen ist.

Der hiervon abweichenden Auffassung der Sachverständigen Dr. B. und Dr. K. auf ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen konnte sich der Senat nicht anschließen. Dr. B. stützt sich bei seiner Leistungsbeurteilung unter anderem auf Befunde, die sich im gerichtlichen Verfahren gerade nicht B.ätigen ließen. So nimmt er beispielsweise ein Lasègue-Zeichen links bereits bei 30° an. Außerdem beruft sich der Sachverständige in Teilen auf subjektive Angaben der Klägerin ("Schnelleres Laufen ist der Klägerin nicht möglich"), ohne diese Angaben kritisch zu hinterfragen. Dr. K. gibt in seinem Gutachten an, die von der Klägerin beklagten subjektiven Beschwerden stünden im Einklang mit den von ihm erhobenen klinischen Befunden. Dies überzeugt jedoch nicht, da der Sachverständige zwar eine schmerzhafte Begrenzung der Beweglichkeit der LWS feststellen konnte, allerdings in seinem Gutachten auch ein nicht hinkendes Gangbild, lediglich einen Pseudolasègue und eine hinreichende Beweglichkeit des übrigen Bewegungsapparates angab.

Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit steht der Klägerin aufgrund ihres Geburtstages nicht zu.

Zudem steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 19.10.2006 nur noch in der Lage war, in einem Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich körperlich leichte Arbeiten zu verrichten. Zwar ist der Anwendungsbereich des § 48 SGB X nach wörtlicher und historischer bzw. gesetzesgenetischer Auslegung (vgl. BT-Drucksache 8/2034, S. 35) grundsätzlich auch dann eröffnet, wenn ein Bescheid aufgehoben wird, der von Anfang an rechtswidrig war (vgl. Merten in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand März 2016, § 48 Rn. 10 f.). Allerdings gebietet sich im Hinblick auf die Vertrauensschutzvorschriften des § 45 SGB X und der Gefahr dessen Umgehung für von Anfang an rechtswidrige Verwaltungsakte eine einschränkende Auslegung (vgl. BSG, Urteile vom 09.09.1986, 5b RJ 66/85, und vom 07.07.2005, B 3 P 8/04 R, beide (juris)). Es B.eht im Rentenversicherungsrecht auch keine Vermutung, dass ein Ausgangsbescheid rechtmäßig gewesen ist (BSG, Urteil vom 17.07.1958, 5 RKn 34/57 (juris)). Dies alles kann jedoch im vorliegenden Fall dahinstehen, da der Bescheid vom 19.10.2006 zum Zeitpunkt seines Erlasses mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt und daher von Anfang an rechtmäßig war.

Hierzu stützt sich der Senat auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. G., der nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Leistungseinschätzung des Dr. W. im Jahr 2006 insbesondere unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Lasègue-Tests, des ASR und der damaligen Schmerzmedikation mit einem drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögen stimmig gewesen ist. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt nur in der Lage, sich kleinschrittig und vorsichtig fortzubewegen. Das Lasègue-Zeichen war bereits bei einer Beugung von 50° positiv, und der ASR fehlte links vollständig. Zudem ergab sich aufgrund des Medikamentenspiegels ein Schmerzstadium II. Die von der Klägerin angegebenen Schmerzen konnten somit unter anderem aufgrund des Nachweises einer starken Nervenbeteiligung vollständig objektiviert werden. Es B.and somit ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen selbst für körperlich leichte Arbeiten. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass Dr. B. in seinem Gutachten ausgeführt habe, der von ihm festgestellte gesundheitliche Zustand eines drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögens habe bereits seit dem Jahr 2004 B.anden, so trifft dies nur insoweit zu, als sich der Sachverständige zu den qualitativen Einschränkungen äußert (vgl. Blatt 96 Klageakte).

Somit war der Bescheid vom 19.10.2006 über die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit Wirkung für die Zukunft, mithin mit dem Tag nach der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes, aufzuheben. Das SG hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt worden ist, indem die Aufhebung erst zum 01.08.2011 erfolgt ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Da die Klägerin am 03.06.2011 noch in der Lage war, körperlich leichte Arbeiten mindestens sechsstündig täglich auszuüben und sich keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Verschlechterung ergeben, steht der Klägerin somit auch kein Anspruch auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 01.08.2011 zu.

Daher war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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