L 6 U 1182/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4332/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1182/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Entzug einer vorläufigen Rente und begehrt die Bewilligung einer Rente auf unbestimmte Zeit wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls.

Der Kläger, geboren 1952, war im Jahr 2009 als Elektriker beschäftigt. Er erlitt am 30. Juli 2009 gegen 6:45 Uhr auf dem Weg zur Arbeit mit seinem Motorrad während des Überholens einer PKW-Kolonne einen Unfall, indem er mit einem Autofahrer, der ebenfalls zum Überholen aus der Kolonne ausgeschert war, zusammenstieß. Der Kläger stürzte und wurde mit dem Rettungsdienst in das O. Klinikum verbracht, wo er bis zum 3. August 2009 stationär verblieb. Er zog sich beim Unfall neben einer Schädelprellung insbesondere eine nicht dislozierte laterale Claviculafraktur rechts, eine Tibiafraktur links, eine Mittelhandfraktur links und eine Fraktur des Ringfingerendgliedes links zu (Durchgangsarztbericht und Nachschaubericht vom 4. August 2009). Der vom O. Klinikum am Unfalltag veranlasste Röntgenbericht über das rechte Schultergelenk erbrachte u.a. eine AC-Gelenksarthrose und keine Fraktur oder Luxation (Bl. 5 der Verwaltungsakte). Der Kläger war nach einer stufenweisen Wiedereingliederung ab dem 11. Januar 2010 wieder arbeitsfähig. Seit Mitte 2012 ist er vor allem wegen Rückenbeschwerden arbeitsunfähig krank, das Beschäftigungsverhältnis wurde schließlich zum 30. November 2012 gekündigt, seither ist er nicht mehr erwerbstätig (Anamnese Dr. P.).

In einem von der Beklagten eingeholten ersten Rentengutachten des Chirurgen Dr. W. vom 10.Februar 2010 wurden als Unfallfolgen eine knöchern verheilte Schienbeinkopffraktur links, eine Umfangminderung des linken Beines, Mittelhandfraktur MC II links, fehlender Faustschluss links und eine Claviculafrakur rechts festgestellt. Die Beweglichkeit u.a. des linken Kniegelenks wurde seitengleich mit 150-0-10° (Beugung/Streckung) und die der rechten Schulter mit 140-0-30° (seitwärts/körperwärts) und 40-0-160° (rückwärts/vorwärts) angegeben. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde mit 20 vom Hundert (v.H.) für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem 11. Januar 2010 eingeschätzt.

Die Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 10. März 2010 wegen der Unfallfolgen eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. in Form einer Gesamtvergütung für den Zeitraum vom 11. Januar 2010 bis zum 31. Juli 2010 und berücksichtigte dabei als Unfallfolgen eine geringe Muskelminderung am linken Oberschenkel nach knöchern fest verheiltem Schienbeinkopfbruch links und einen unter leichter Rotationsfehlstellung knöchern verheilten Bruch des 2. Mittelhandknochenköpfchens links mit unvollständigem Faustschluss des linken Zeigefingers. Die Brüche des rechten Schlüsselbeins und des linken Ringfingerendglieds seien folgenlos verheilt.

In der Folge verlangte der Kläger die Fortzahlung seiner Rente, da sich sein Gesundheitszustand zwar nicht verschlechtert, aber auch nicht gebessert habe.

In dem weiteren Rentengutachten von Dr. W. vom 12. August 2010 schätzte dieser nun die MdE ab dem 1. August 2010 bis auf weiteres auf 10 v.H. Er fasste als Unfallfolgen eine knöchern sicher konsolidierte Schienbeinkopffraktur links mit verbliebener Umfangminderung des linken Oberschenkels, eine knöchern fest verheilte laterale Schlüsselbeinfraktur mit verbliebener Einschränkung der Seitwärtshebung des rechten Armes und eine unter Verformung verheilte subcapitale Fraktur des 2. Mittelhandknochens links zusammen. Die Beweglichkeit u.a. des linken Kniegelenks wurde seitengleich mit 140-0-10° (Beugung/Streckung) und die der rechten Schulter mit 150-0-30° (seitwärts/körperwärts) und 40-0-150° (rückwärts/vorwärts) angegeben. Diesem Gutachten folgend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. September 2010 eine Rente nach Ablauf des Gesamtvergütungszeitraums mit der Begründung ab, dass wegen der Folgen des Arbeitsunfalls keine rentenberechtigende MdE mehr vorliege.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Er brachte vor, er habe weiterhin Schmerzen beim Treppensteigen, beim Heben von Gegenständen und vielen kleinen anderen Gegebenheiten.

Die Beklagte veranlasste ein weiteres Gutachten durch Prof. Dr. S. von der Abteilung Orthopädie und Traumatologie des Universitätsklinikums F. Dieser fasste die wesentlichen Unfallfolgen im Gutachten vom 22. Februar 2011 wie folgt zusammen: Es bestehe noch eine Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit der rechten Schulter nach verheilter lateraler Claviculafraktur (seitliche Anhebung: 120° aktiv, 170° passiv; vorwärtige Anhebung 150° aktiv, 180° passiv), ein Streckdefizit im linken Kniegelenk (Beugung/Streckung 140-0-10°) und Umfangsminderung der Ober- und Unterschenkelmuskulatur nach verheilter Schienbeinkopffraktur links, sowie eine in Fehlstellung verheilte Metacarpale-II-Fraktur links mit Einschränkung des aktiven Faustschlusses. Die hierdurch bedingte MdE betrage über den 1. August 2010 hinaus bis auf weiteres 20 v.H. Auch diesem Gutachten schloss sich die Beklagte an, nahm mit Bescheid vom 20. April 2011 ihren Bescheid vom 8. September 2010 zurück und gewährte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H. vom 1. August 2010 bis auf weiteres.

Am 27. Juni 2012 erstattete Prof. Dr. S. ein Gutachten zur Prüfung einer Rente auf unbestimmte Zeit. Er führte als Befunde u.a. an, dass eine aktive Abduktion (seitliche Anhebung) des rechten Armes bis 140° gelinge, die Anteversion (vorwärtige Anhebung) sei bis 170° nahezu vollständig frei. Der Schürzengriff sei problemlos, der Nackengriff rechts sehr erschwert. Das linke Kniegelenk sei im Vergleich zur Gegenseite nur in der Beugung um 10° eingeschränkt (Beugung/Streckung 120-0-10°). Ausgehend von einer endgradigen Einschränkung der aktiven Abduktion im rechten Schultergelenk, einer knöchern konsolidierten lateralen Claviculafraktur rechts ohne Fehlstellung, einer in Fehlstellung verheilten Metacarpale-II-Fraktur links mit Einschränkung des aktiven Faustschlusses und Beugedefizit von 3,5 cm vom Nagelrand zur queren Hohlhandfalte an Zeigefinger links, einer Umfangsminderung der Oberschenkelmuskulatur links und einer knöchern konsolidierter Tipiakompressionsfrakur links schätzte der Gutachter nunmehr die MdE auf 10 v.H.

Diesem Gutachten wiederum folgend lehnte die Beklagte nach Anhörung mit Bescheid vom 23. Juli 2012 die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit ab und entzog die Rente als vorläufige Entschädigung ab 1. August 2012. Als Folgen des Arbeitsunfalles berücksichtigte sie nun ein geringgradiges Beugedefizit im linken Kniegelenk nach knöchern fest verheiltem Schienbeinkopfbruch links, eine Muskelminderung am linken Oberschenkel, eine endgradige Einschränkung der aktiven Abspreizung des rechten Armes nach knöchern fest verheiltem Schlüsselbeinbruch rechts sowie ein unter leichter Rotationsfeststellung knöchern verheilter Bruch des 2. Mittelhandknochens links mit unvollständigem Faustschluss des linken Zeigefingers. Weiter führte die Beklagte in dem Bescheid aus, dass unabhängig von dem Arbeitsunfall u.a. die Arthrose im Bereich des rechten Schultergelenks bestehe.

Der dagegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte die Beklagte im zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 22. August 2012 aus, bei der erstmaligen Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit sei die MdE unabhängig vom Rentensatz der vorläufigen Rente einzuschätzen. Ein Besserungsnachweis sei nicht erforderlich. Außerdem sei festzustellen, dass im Vergleich zum Vorgutachten die Streckung im linken Kniegelenk um 20° zugenommen habe und nunmehr nicht mehr eingeschränkt sei. Auch die Beweglichkeit im rechten Schultergelenk habe sich im Sinne der Abspreizung und der Vorwärtsbewegung jeweils um 20° gebessert.

Am 29. August 2012 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Dieses hat von Amts wegen zunächst ein fachorthopädisches Gutachten bei Dr. J. eingeholt. Er hat nach ambulanter Untersuchung im Gutachten vom 19. Dezember 2012 befundweise eine Kniegelenksbeweglichkeit links von 5-0-135° erhoben. Das aktive Seitheben des rechten Armes im Schultergelenk gelinge bis 100° (passiv: 170°), körperwärts 25° und rückwärts/vorwärts 25-0-105°. Er hat weiter ausgeführt, dass die aktuellen Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule, des rechten Ellenbogengelenkes sowie des rechten Hüftgelenkes nicht ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 30. Juli 2009 zurückzuführen seien. Als Unfallfolge sehe er aber die aktive Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk bei deutlicher, hypertropher Schultereckgelenksarthrose mit deutlicher Verbreiterung des außenliegenden Schlüsselbeinendes an. Ebenso unfallursächlich seien die Bewegungseinschränkung im linken Zeigefinger bei in Fehlstellung verheiltem Bruch des zweiten Mittelhandknochens sowie die deutliche schonungsbedingte Muskelverschmächtigung am linken Bein. Der Endgliedbruch des 4. Fingers links sei folgenlos ausgeheilt. Die MdE betreffend das rechte Schultergelenk schätze er auf 10 v.H. Die MdE in Bezug auf den linken Zeigefinger, das Endglied des 4. Fingers sowie das linke Kniegelenk sei zwar jeweils auf unter 10 v.H. einzuschätzen. In ihrer Gesamtheit betrage sie aber für das linke Bein und den linken Zeigefinger 10 v.H. Die Gesamt-MdE betrage 20 v.H.

Die Beklagte hat gegen das Gutachten eingewandt, dass eine AC-Gelenksarthrose bereits zum Unfallzeitpunkt vorgelegen habe. Eine derartige Veränderung tendiere in ihrem schicksalhaften Verlauf zum Fortschreiten, so dass davon auszugehen sei, dass der jetzige Zustand mit der daraus resultierenden Beschwerdesymptomatik im Wesentlichen nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen sei.

In seiner ergänzenden Stellungnahme hierzu hat Dr. J. ausgeführt, dass beim Kläger zwar eine vorbestehende Schultereckgelenksarthrose wahrscheinlich sei. Sie habe aber bis zum Unfallzeitpunkt noch nicht zu Funktionseinschränkungen, Beschwerden oder Behandlungsbedürftigkeit geführt. Es sei davon auszugehen, dass das Anlageleiden durch das Unfallereignis mit eingestauchtem Bruch des außenliegenden Schlüsselbeinendes zur Krankheit auch im Rechtssinne erstarkt sei. Er halte es nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass der streitige Gesundheitsschaden auch ohne den Unfall zu annährend derselben Zeit und in annährend gleichem Ausmaß eingetreten wäre.

Die Beklagte hat einen Zwischenbericht der BG-Klinik T. (Prof. Dr. St. vom 6. Mai 2013) vorgelegt, wonach sich beim Kläger eine Beweglichkeit der rechten Schulter mit Seitanhebung und Voranführung bis jeweils 110° ergeben habe. Das linke Kniegelenk sei frei beweglich gewesen. Die Hände seien ebenfalls frei beweglich gewesen, mit 100%igem Faustschluss. Der Kläger sei von Seiten der Berufsgenossenschaft als vollschichtig arbeitsfähig zu betrachten.

Das SG hat ein weiteres, orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten von Amts wegen bei Prof. Dr. Sch. eingeholt. Er hat nach ambulanter Untersuchung in seinem Gutachten vom 25. November 2013 als Befunde u.a. eine Kniegelenksbeweglichkeit von 0-0-140°, eine Schultergelenksbeweglichkeit rechts seitwärts/körperwärts von 90-0-0° (aktiv) und 170-0-0° (passiv), rückwärts/vorwärts von 30-0-90° (aktiv) und 30-0-60° (passiv) erhoben. Einbein-, Fersen- und Zehenstand seien mit beiden Beinen problemlos möglich gewesen. Der Kläger habe über belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der rechten Schulter sowie weitgehend dauerhafte Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenks geklagt. Der Gutachter hat insgesamt eine in Fehlstellung verheilte Fraktur des zweiten Mittelhandknochens links mit Einschränkung des aktiven Faustschlusses, Beugedefizit und Achsabweichung bei Beugung, eine knöchern verheilte Schienbeinkopffraktur links mit endgradig eingeschränkter Beweglichkeit sowie eine knöchern verheilte Schlüsselbeinfraktur rechts mit endgradig eingeschränkter aktiver Seitanhebung und Voranführung als gesichert festgestellt. Die in Fehlstellung verheilte Fraktur in der Mittelhand habe eine Achsabweichung von etwa 30° gezeigt. Die im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung gezeigten Bewegungseinschränkungen im Bereich des rechten Schultergelenks seien morphologisch nicht zu erklären. Im Bereich des Kniegelenks könne die Schienbeinkopffraktur das eingeschränkte Bewegungsmaß ebenfalls nicht erklären. Würden die unmittelbar nach dem Unfall angefertigten Röntgenaufnahmen im Vergleich mit den nachfolgenden Kontrollaufnahmen betrachtet, so sei kein wesentlicher fortschreitender degenerativer Verlauf festzustellen gewesen. Die endgradige Einschränkung des aktiven Seithebens und Voranführens des rechten Schultergelenks werde mit einer MdE von unter 10 v.H. eingeschätzt. Die Problematik im Mittelhandknochen sei mit einer MdE von 10 v.H., die Einschränkungen im Bereich des linken Knies mit Schienbeinkopffraktur seien mit einer solchen unter 10 v.H. zu bewerten. Die Gesamt-MdE betrage 10 v.H.

Schließlich hat das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein weiteres orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten bei Dr. P. eingeholt. Der Gutachter hat in dem Gutachten vom 25. Juli 2014 nach ambulanter Untersuchung als Befunde eine Kniegelenksbeweglichkeit von 0-0-140° (Streckung/Beugung) und bei dem rechten Schultergelenk ein Beweglichkeit von 40-0-155° (rückwärts/vorwärts) sowie, schmerzbedingt eingeschränkt, von 120-0-40° (seitwärts/körperwärts) festgestellt. Er hat als unfallabhängige Diagnosen eine gering dislozierte laterale Schienbeinkopffraktur links mit Gelenkbeteiligung, mit Spalt- und Stufenbildung des lateralen Schienbeinkopfplateaus und nicht dislozierter Wadenbeinköpfchenfraktur links, weiter eine nicht dislozierte laterale Schlüsselbeinfraktur rechts ohne Beteiligung der Gelenkfläche des rechten Schultereckgelenkes sowie eine gering dislozierte subkapitale Fraktur des zweiten Mittelhandknochens der linken Hand mit leichter Rotations- und Beugefehlstellung des Mittelhandköpfchens links diagnostiziert. Die Endgliedfraktur des linken Ringfingers sei röntgenologisch verheilt und die Beugefähigkeit des Ringfingerendgliedes gering/endgradig eingeschränkt. Das linke Kniegelenk sei funktionell uneingeschränkt beweglich mit stabiler Bandführung und ohne pathologische Meniskuszeichen bei verbliebener Verschmächtigung der linken Beinmuskulatur ohne Kniereizsymptomatik und ohne neurologische Ausfälle. Röntgenologisch sei die Schlüsselbeinfraktur rechts ohne Beteiligung des Schultereckgelenks fest verheilt. Die Beweglichkeit der rechten Schulter (Anteversion 155° und Abduktion 120°) sei funktionell endgradig eingeschränkt bei unfallunabhängiger Arthrose des rechten Schultereckgelenkes. Der Unfall habe zu einer lateralen Schlüsselbeinfraktur geführt, wobei keine Beteiligung des Schultereckgelenkes bestanden habe. Es könne somit nicht von einer posttraumatischen Arthrose ausgegangen werden. Aufgrund des Unfallmechanismus und der primären klinisch radiologischen Befunde könne mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine unfallbedingte, richtunggebende Verschlimmerung der Arthrose des rechten Schultergelenkes ausgeschlossen werden. Die Mittelhandfraktur sei fest verheilt. Das Köpfchen des zweiten Mittelhandknochens sei nach kleinfingerseitig um 26° verkippt. Der Faustschluss sei beeinträchtigt bei einem Fingerkuppen-Hohlhandabstand Digitus II von 2 cm. Die Funktion des linken Handgelenkes sei nicht beeinträchtigt. Die endgradig eingeschränkte Beugefähigkeit des linken Ringfingerendgliedes wirke sich funktionell nicht aus. In Übereinstimmung mit Prof. Dr. Sch. hat der Gutachter Dr. P. die Funktion der Hand mit einer MdE von 10 v.H. eingeschätzt, die Schienbeinfraktur mit unter 10 v.H. und die eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes mit unter 10 v.H., so dass eine Gesamt-MdE von 10 v.H. bestehe.

Nach mündlicher Verhandlung hat das SG mit Urteil vom 20. Januar 2015, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 2. März 2015, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass die unfallbedingte MdE des Klägers seit 1. August 2012 mit weniger als 20 v.H. zu bemessen sei und daher ein Anspruch auf Rente auf unbestimmte Zeit nicht bestehe. Es hat seine Überzeugung vor allem auf die Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Sch. und Dr. P. gestützt. Die von den Sachverständigen erhobenen Befunde hätten insbesondere in funktioneller Hinsicht übereingestimmt; Schwankungen hätten sich innerhalb eines Rahmens bewegt, der zwanglos durch die variierenden Auswirkungen der unfallunabhängigen Schultereckgelenksarthrose und der wechselnden Tagesform erklärbar sei. Auch der Kläger habe diese Befunde nicht in Zweifel gezogen. Die hierauf beruhende Gesamt-MdE von 10 v.H. sei plausibel. Zwar sei der weitere Sachverständige Dr. J. bei in wesentlicher Hinsicht übereinstimmenden Funktionsbefunden zu einer Gesamt-MdE um 20 v.H. gelangt. Dem sei es nicht gefolgt, weil Dr. J. die Schultereckgelenksarthrose zwar ebenfalls als wahrscheinlich vorbestehend, aber als durch den Unfall aktiviert und daher offenbar die Gesamtbeeinträchtigung der Schulterfunktion als MdE-relevant angesehen habe. Dem stehe jedoch entgegen, dass das Schultereckgelenk bei dem verfahrensgegenständlichen Unfall nicht primär geschädigt worden sei und der Verlauf der diesbezüglichen radiologischen Befunde gegen eine unfallbedingte richtunggebende Verschlimmerung gesprochen habe. Zutreffenderweise sei daher der arthrosebedingte Anteil der Funktionseinbuße bei der MdE nicht zu berücksichtigen gewesen. Außerdem sei die Annahme einer Gesamt-MdE um 20 v.H. selbst dann nicht überzeugend, wenn mit Dr. J. von einer zehnprozentigen MdE wegen der Beeinträchtigung des Schultergelenks ausgegangen werde. Denn die beiden anderen zu berücksichtigenden Teil-MdE-Grade blieben unter 10 v.H., würden also als nicht messbar gelten. Zwar könnten auch Teil-MdE-Sätze unter 10 v.H. zusammenwirkend zu einer messbaren MdE führen oder bei integrierender Gesamtschau mit einer messbaren MdE einen höheren Wert als Gesamt-MdE begründen. Dies sei jedoch nur überzeugend, wenn die mit unter 10 v.H. bewerteten Funktionsbeeinträchtigungen jeweils ein derartiges Gewicht hätten, dass in der Gesamtschau eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt wäre. Es müsste sich also um Funktionseinbußen handeln, die bei wertender Betrachtung näher bei 10 v. H. als bei 0 v. H. lägen. Dies möge vorliegend für den beeinträchtigten Faustschluss der linken Hand noch begründbar sein. Dem Unfallfolgezustand des linken Beins habe es dagegen ein derartiges Gewicht nicht beizumessen vermocht.

Am 30. März 2015 hat der Kläger beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Er führt an, dass nach Dr. J. eine richtungweisende Verschlimmerung bei der Schulterfunktion zu berücksichtigen sei. Der Gutachter sei zudem auch von funktionellen Beeinträchtigungen im Kniebereich ausgegangen, die letztlich auch Prof. Dr. Sch. nicht bestreite. Eine Beeinträchtigung dort sei näher bei 10 v.H. als bei 0 v.H. In der Gesamtschau sei eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Januar 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 30. Juli 2009 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v.H. ab 1. August 2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung angesichts der übereinstimmenden Gutachten von Prof. Dr. Sch. und Dr. P. für überzeugend.

Die vormalige Berichterstatterin des Senats hat am 22. Dezember 2015 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt und darin eine Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angekündigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten (1 Band) der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden.

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage, die hinsichtlich des Entzuges der vorläufigen Rente als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) und hinsichtlich der Bewilligung einer Dauerrente als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zulässig ist, abgewiesen. Denn sie ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2012 ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für beide Entscheidungen ist § 62 Abs. 2 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII - (in diesem Sinne Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 16. März 2010 - B 2 U 2/09 R -, SozR 4-200 § 62 Nr. 1, Rn. 12 und vom 19. Dezember 2013 - B 2 U 1/13 R-, SozR 4-2700 § 62 Nr. 2, Rn. 10). Danach kann bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht wesentlich geändert haben. Diese Ermächtigung befugt den Unfallversicherungsträger dazu, über das Recht des Versicherten auf Dauerrente ohne Bindung an den Regelungsgehalt der vorläufigen Anspruchsstellung erstmals, gegebenenfalls unter deren Aufhebung, zu entscheiden (BSG, Urteil vom 16. März 2010, a.a.O. Rn. 15).

Die Ablehnung einer Dauerrente bzw. einer Rente auf unbestimmte Zeit ab 1. August 2012 ist rechtmäßig. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente nach § 56 SGB VII ab diesem Zeitpunkt. Dass die unfallbedingten dauerhaften Gesundheitsstörungen eine MdE von 20 v.H. oder höher begründen hat die Beweisaufnahme im gesamten Verfahren nicht ergeben.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente geleistet, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1), den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens sowie dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Weiter müssen der Gesundheitsschaden und insbesondere der Funktionsverlust, aus dem sich die MdE ableitet, durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht worden sein. Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. BSG vom 12. April 2005 &8722; B 2 U 27/04 R, BSGE 94, 269). Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftiger Weise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist die Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte sei so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat anhand des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 7).

Hiervon ausgehend bedingen die verbliebenen Folgen des Arbeitsunfalles vom 30. Juli 2009 keine MdE um wenigstens 20 v.H.

Bei dem Kläger besteht zu einen ein geringgradiges Beugedefizit im linken Kniegelenk nach knöchern fest verheiltem Schienbeinkopfbruch links. Diese Gesundheitsbeeinträchtigung ist auf den Unfall vom 30. Juli 2009 zurückzuführen und ist von der Beklagten im Bescheid vom 23. Juli 2012 berücksichtigt worden. Diesbezüglich besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Die Einschränkungen in der Beweglichkeit des (linken) Knies begründen aber keine messbare MdE. Hinsichtlich deren Höhe ist auf die funktionellen Defizite nach der Neutral-0-Methode abzustellen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 653). Bei der MdE-Bemessung stützt sich der Senat vorliegend vor allem auf die Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. Sch. und Dr. P. Diese haben Bewegungsmaße für das linke - und das rechte - Kniegelenk von jeweils 0-0-140° (Streckung/Beugung) erhoben. Die von Prof. Dr. S. und Dr. J. gemessenen Werte sind damit vergleichbar. Es bestand auch eine bandstabile Führung ohne Meniskuszeichen. Nur endgradig wurden schmerzbedingte Bewegungseinschränkungen angegeben. Einbein-, Fersen- und Zehenstand konnten durchgeführt werden (vgl. Gutachten Prof. Dr. Sch.). Die von (allen) Gutachtern getroffene Bewertung der Unfallfolgen mit einer MdE von unter 10 v.H., d.h. einer nicht messbaren MdE, entspricht der unfallversicherungsrechtlichen Literatur und ist für den Senat überzeugend. Denn erst die Bewegungseinschränkung eines Kniegelenks von 0-0-120° wird danach mit einer MdE von 10 v.H. bewertet (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 654). Bei dem Kläger lag keine Streckhemmung vor. Die Beugung lag mit 140° (Prof. Dr. S., Prof. Dr. Sch. und Dr. P.) bzw. 135° (Dr. J.) nur geringfügig (10° bzw. 15 °) unter dem Maximalwert und damit im Normalbereich von 120° bis 150° (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 656). Die mit der endgradigen Einschränkung verbundenen Schmerzen sind damit bereits mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind nicht diagnostiziert worden. Dafür spricht auch, dass der Kläger keine Schmerztherapie durchführt, was der Senat der Anamnese von zuletzt Dr. P. entnimmt, wonach der Kläger keinerlei Schmerzmedikamente einnimmt und keine ambulanten Therapien in Anspruch nimmt, was nach der Rechtsprechung des Senats gegen einen entsprechenden Leidensdruck spricht. Eine höhere MdE ist daher für das Kniegelenk nicht begründbar.

Für die - ebenfalls unstreitig unfallbedingte - Fraktur des zweiten Mittelhandknochens der linken Hand mit leichter Rotations- und Beugefehlstellung mit unvollständigem Faustschluss des linken Zeigefingers kann kein höherer Einzel-MdE-Wert als 10 v.H. angesetzt werden. Der Faustschluss ist links inkomplett. Es bestehen ein Beugedefizit und eine Achsabweichung des linken Zeigefingers bei zunehmender Beugung (30° nach Prof. Dr. Sch. bzw. 26° nach Dr. P.). Die Erfahrungswerte für eine MdE-Bemessung betragen bei Funktionsstörungen im Bereich der Langfinger 10 bis 25 v.H. (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 544). Da die Bewegungsausmaße der Handgelenke, nach denen sich die MdE-Schätzung im Vergleich zur unverletzten Hand vorwiegend richtet (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 543), seitengleich sind (vgl. Bl. 21 des Gutachtens Prof. Dr. Sch.) sowie und auch Spitz- und Schlüsselgriff beidseits sicher vom Kläger durchgeführt werden konnten, kommt nur der untere MdE-Grenzwert von 10 v.H. hierfür in Betracht. Diesbezüglich sind sich im Ergebnis auch alle Gerichtsgutachter einig.

Die unfallbedingte Fraktur des linken Ringfingerendglieds ist im Wesentlichen folgenlos verheilt, hatte allenfalls endgradige Bewegungseinschränkungen zur Folge und wirkt sich funktionell nicht aus, worauf Dr. P. nachvollziehbar hinweist. Auch der Gutachter Dr. J. sieht den Bruch des Ringfingerendgliedes als folgenlos verheilt an. Ein messbarer Teil-MdE-Wert wird dadurch nicht begründet.

Schließlich hat der Kläger bei dem Unfall eine Schlüsselbeinfraktur rechts erlitten, die klinisch und radiologisch folgenlos ausgeheilt ist. Hieraus folgt keine MdE. Die bestehende Schultereckgelenkarthrose rechts und die damit verbundenen Bewegungseinschränkungen sind hingegen im Wesentlichen unfallunabhängig. Sie sind nicht hinreichend wahrscheinlich auf das Unfallereignis zurückzuführen. Der Senat stützt sich dabei auf die Gerichtsgutachten von Prof. Dr. Sch. und Dr. P. Gegen eine Unfallfolge spricht bereits, dass die Arthrose nach dem Röntgenbild vom Unfalltag (Bl. 5 der Verwaltungsakte) schon bestand und seitdem auch nicht mehr fortgeschritten ist. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. Sch., wonach die unmittelbar nach dem Unfall angefertigten Röntgenaufnahmen im Vergleich zu den nachfolgenden Kontrollaufnahmen keinen fortschreitenden degenerativen Prozess zeigten. Dr. J., der das "Anlageleiden" der Arthrose durch den Unfall zur Krankheit erstarkt ansieht, berücksichtigt in seinem Gutachten nicht hinreichend, dass der Unfall nur zu einer lateralen Schlüsselbeinfraktur führte und gerade keine Beteiligung des Schultereckgelenkes bestand. Im Röntgenbericht vom Unfalltag wurde weder eine Fraktur noch eine Luxation (Verrenkung) des rechten Schultergelenkes festgestellt. Dr. P. verweist daher überzeugend darauf, dass wegen des Unfallmechanismus und der Ergebnisse der bildgebenden Verfahren eine richtunggebende Verschlimmerung der Arthrose des rechten Schultergelenks durch den Unfall ausgeschlossen werden kann.

Selbst wenn die Bewegungseinschränkungen in der Schulter als unfallabhängig bewertet würden, hätten sie mit Dr. J. nur eine MdE von 10 v.H. zur Folge. Die in einer Schulter in Betracht kommenden Verletzungsmuster werden in der unfallmedizinischen Literatur mit der noch möglichen Restbeweglichkeit funktionell erfasst. Wegen der vielfältigen dreidimensionalen Bewegungseinschränkung ist die Schultervorhebung als Hauptkriterium zu werten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 523), was in allen entsprechenden Bewertungstabellen berücksichtigt ist. Erfasst werden nach allgemeiner Übereinkunft in diesen Bewertungsansätzen die mit dem Grad der Bewegungseinschränkung üblicherweise verbundenen Schmerzen und die damit typischerweise einhergehende Kraftminderung. In dem Bewertungsansatz für eine MdE um 10 v.H. sind Bewegungseinschränkungen bei der Schultervor- und -seithebung von 90° bis 120° berücksichtigt. Die von Dr. J. gemessene aktive Schultervorhebung bis 105° wäre somit insoweit zutreffend mit einer MdE von 10 v.H. bewertet. Dieser Messwert entspricht in etwa dem Wert aus dem Zwischenbericht der BG-Klinik vom 6. Mai 2013 mit 110°. Werde hingegen der Vorhebewert von Dr. P. mit 155° zugrunde gelegt, wäre eine solche nur endgradige Bewegungseinschränkung bereits nicht MdE-relevant. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, da selbst bei Zugrundelegung einer MdE von 10 v.H. für die Schulterbeschwerden keine für eine Verletztenrente erforderliche Gesamt-MdE von 20 v.H. besteht. Die einzelne MdE-Ansätze dürfen nicht - wie es Dr. J. vornimmt - addiert werden, vielmehr ist eine integrierende Gesamtschau der Gesamteinwirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit entscheidend (Schönberger-Mehrtens-Valentin, a.a.O., S. 103). Bei nebeneinander stehenden Funktionseinschränkungen ist die Gesamt-MdE niedriger als die Summe der Einzelbewertungen. Vorliegend ist wie oben dargestellt alleine den Einschränkungen wegen der Fraktur des zweiten Mittelhandknochens eine MdE von 10 v.H. zuzumessen. Die übrigen Einschränkungen (Knie und Ringfinger) sind so gering, dass sie (auch in ihrer Gesamtheit) nicht mit einer Teil-MdE zu berücksichtigen sind und damit als nicht messbar gelten. Selbst wenn nun also den Bewegungseinschränkungen der Schulter eine MdE von 10 v.H. zukäme, erfolgt keine Addition dieses Wertes mit derjenigen des Mittelhandknochens, so dass die Gesamt-MdE von 20 v.H. - unabhängig davon, ob die Schulterbeschwerden überhaupt unfallbedingt sind - nicht erreicht wird.

Anhaltspunkte für einen Stützrententatbestand bestehen nicht, so dass der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente nach § 56 SGB VII ab dem 1. August 2012 hat.

Der Entzug der vorläufigen Rente erfolgte innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraumes (§ 62 Abs. 2 Satz 1 SGB VII) ebenfalls zu Recht, § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII. Die erforderliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 SGB X) ist erfolgt. Der Entzug war auch materiell rechtmäßig. Denn die MdE des Klägers beträgt jedenfalls ab dem 1. August 2012 nicht mindestens 20 v.H. Auf eine wesentliche Änderung der Verhältnisse kommt es hierbei – im Unterschied zu dem nachrangigen § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) – nicht an (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - B 2 U 1/13 R -, a.a.O., Rn. 11).

Die Berufung des Klägers war somit insgesamt erfolglos.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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