Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 2166/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 523/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.01.2015 abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.03.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2012 verurteilt, bei der Klägerin einen GdB von 40 ab 24.03.2014 festzustellen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welchem Grad der Behinderung (GdB) die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bewerten sind.
Bei der 1976 geborenen Klägerin hatte das Hessische Amt für Versorgung und Soziales F. – Versorgungsamt – zuletzt auf den Antrag vom 19.01.2010 einen GdB von 30 aufgrund einer Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Ausstrahlungen (Teil-GdB 30) sowie einer Nahrungsmittelunverträglichkeit (Teil-GdB 10) festgestellt [Bescheid vom 03.02.2010, Bl. 45/46 der Verwaltungsakten (VA)].
Am 14.12.2011 stellte die Klägerin beim Landratsamt S.-B.-Kreis – Versorgungsamt – (LRA) einen Antrag auf Erhöhung des GdB unter Geltendmachung von Gesundheitsstörungen der Wirbelsäule, eines Senk-Spreizfußes, psychischen Störungen, Darmstörungen, Schlafstörungen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten.
Das LRA zog medizinische Unterlagen (Bl. 61, 70/73, 75/76 VA) bei und holte die Stellungnahme des Versorgungsarztes W. vom 17.03.2012 (Bl. 77 VA) ein, der die Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt bewertete: - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierter Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 30), - Nahrungsmittelunverträglichkeit (Teil-GdB 10), - psychovegetative Störungen, funktionelle Organbeschwerden (Teil-GdB 10). Den Gesamt-GdB schlug er mit 30 vor.
Mit Bescheid vom 22.03.2012 (Bl. 78/79 VA) lehnte das LRA die Neufeststellung des GdB ab.
Am 05.04.2012 legte die Klägerin unter Berufung auf eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes seit der Feststellung eines GdB von 30 und starke Einschränkungen im Alltag gegen den Bescheid Widerspruch ein.
Nach Einholung der weiteren Stellungnahme der Versorgungsärztin K. vom 27.06.2012 (Bl. 89/90 VA), die die bisherige Einstufung für ausreichend erachtete, wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2012 (Bl. 92/93 VA) zurück.
Am 06.08.2012 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Sie machte eine unzureichende Berücksichtigung der bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen geltend. Zu prüfen sei auch, ob sich nicht mittlerweile eine generelle Schmerzerkrankung entwickelt habe.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. B. erachtete unter dem 08.04.2013 (Bl. 29/33 SG-Akte) den GdB bezüglich der Wirbelsäule für zutreffend. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. stimmte der versorgungsärztlichen Einschätzung mit Schreiben vom 09.04.2013 (Bl. 34/36 SG-Akte) ebenfalls zu. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. N. teilte am 19.04.2013 (Bl. 37/41 SG-Akte) eine Verschlechterung der LWS-Beschwerden und des rechten Beines mit und befürwortete eine Bewertung von Nahrungsmittelunverträglichkeit (Sorbit-Allergie, Reizdarm-Syndrom), psychovegetativen Störungen und orthopädischem Krankheitsbild mit Teil-GdB von jeweils 50. Der Facharzt für Allgemeinmedizin D. konnte mangels Wiedervorstellung der Klägerin keine Angaben über Veränderungen in deren Gesundheitszustand machen (Schreiben vom 22.04.2013, Bl. 42/43 SG-Akte). Der praktische Arzt Dr. N. legte das Behandlungsprotokoll vom 25.06.2013 und die Arztbriefe des Dr. B. vom 03.02.2012 und 22.11.2012 (Bl. 50/52 SG-Akte) vor.
Darüber hinaus holte das SG das nervenärztliche Gutachten des Dr. S. vom 10.04.2014 (Bl. 66/85 SG-Akte) ein, der aufgrund der Untersuchung der Klägerin am 24.03.2014 eine Wurzelsymptomatik der Lendenwirbelsäule ohne funktionsrelevante neurologische Ausfälle sowie eine leichte depressive Episode diagnostizierte und ab dem Begutachtungszeitpunkt einen Teil-GdB von 30 für die psychische Störung sowie einen Gesamt-GdB von 50 vorschlug.
Der Beklagte unterbreitete unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. B. vom 25.09.2014 (Blatt 91/92 SG-Akte) das Vergleichsangebot vom 09.10.2014, wonach er sich bereit erklärte, einen GdB 40 ab 14.12.2011 festzustellen. Das Vergleichsangebot hat die Klägerin nicht angenommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2015 verurteilte das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.03.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2012, bei der Klägerin einen GdB von 50 ab 24.03.2014 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Es lägen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor, so dass das Wirbelsäulenleiden mit einem GdB von 30 zutreffend eingestuft sei. Auf psychiatrischem Fachgebiet sei eine Depression mit einem GdB von 30 ab dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. zu berücksichtigen.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Beklagten jeweils am 05.02.2015 zugestellten Gerichtsbescheid haben der Beklagte am 16.02.2015 und die zwischenzeitlich nach Bremen verzogene Klägerin am 23.02.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Mit Beschluss vom 08.10.2015 ist das Land Baden-Württemberg aus dem Rechtsstreit entlassen und die Freie Hansestadt Bremen (das Land Bremen) als neue Beklagte festgestellt worden.
Nach Auffassung der Beklagten könne nur bei regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung von einem entsprechenden Leidensdruck des Betroffenen ausgegangen werden und bei fehlender ärztlicher Behandlung in der Regel ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung nicht hinausgehen. Bei der Klägerin sei insbesondere nach dem Gutachten des Dr. S. eine durchaus noch erhaltene Interessenfähigkeit festzustellen, zumal sich die Klägerin in einer Tanzstunde angemeldet habe und die Teilnahme lediglich an Rückenproblemen gescheitert sei. Es komme bei Teil-GdB-Werten von 30 für die Wirbelsäule, 10 für die Nahrungsmittelunverträglichkeit und 20 für die leichtere psychische Beeinträchtigung kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht. Die Beklagte hat die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. W. vom 11.02.2015 (Bl. 20/21 der Senatsakte) und der Dr. Ginda vom 21.04.2016 (Bl. 41 der Senatsakte) vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.01.2015 abzuändern, soweit die Verurteilung über das Vergleichsangebot vom 09.10.2014 hinausgeht sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.01.2015 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2012 zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von wenig¬stens 60 festzustellen sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Das SG sei im Hinblick auf den orthopädischen Befund von einen Einzel-GdB von 30 ausgegangen wegen einer schweren funktionellen Beeinträchtigung in einem einzigen Wirbelsäulenabschnitt (Lendenwirbelsäule). Der Befund an der Lendenwirbelsäule beinhalte ausweislich der Zeugenauskünfte auch ein sogenanntes Postnukleotomiesyndrom und damit einen Befund, der üblicherweise mit ganz gravierenden, weit über das übliche Maß auch bei erheblichen Wirbelsäulenbefunden hinausgehenden Schmerzzuständen verbunden sei. Den Tanzkurs habe sie nach wenigen Sitzungen wieder abbrechen müssen, da sie die Belastung und vor allem die Schmerzen nicht ausgehalten habe. Die Bewertung auf psychiatrischem Fachgebiet durch Dr. S. erachtet sie als zutreffend. Sie habe die Hemmschwelle, sich in eine fortlaufende neurologisch-psychiatrische Behandlung zu begeben, bis zum heutigen Tag nicht überwinden können. Die Nahrungsmittelunverträglichkeit sei wenigstens mit einem Teil-GdB von 20 bis 30 zu bewerten, da der Stoff Sorbit extrem weit verbreitet sei und es außerordentlich schwierig bzw. gar nicht möglich sei, diesem auszuweichen.
Die Klägerin und die Beklagte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 18.07.2016, Schreiben der Beklagten vom 21.07.2016).
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Klägerin im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens ihren Wohnsitz von Baden-Württemberg nach Bremen verlegt hat, ist ein Beklagtenwechsel kraft Gesetzes eingetreten (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2007 – B 9/9a SB 2/07 R). Neuer Beklagter ist die Freie Hansestadt Bremen. Dies folgt aus § 3 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG). Diese Regelung gilt gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX auch für den Bereich des SGB IX (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2007 a.a.O.). Nach § 3 Abs. 1 KOVVfG ist örtlich die Verwaltungsbehörde zuständig, in deren Bezirk der Antragsteller oder Berechtigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (im Inland) hat. Auf die örtliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts hat der Beklagtenwechsel keine Auswirkungen (BSG, Beschluss vom 08.05.2007 – B 12 SF 3/07 S). Dem entspricht der Beschluss des Senats vom 08.10.2015. Hiergegen haben die Beteiligten auch keine Einwendungen erhoben.
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaften Berufungen, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, sind zulässig (§ 151 SGG). Die Berufung der Beklagten ist insoweit begründet, als das SG den Beklagten verurteilt hat, bei der Klägerin ab 24.03.2014 einen höheren GdB als 40 festzustellen. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Gegenüber dem der GdB-Feststellung zuletzt zugrundeliegenden Bescheid vom 03.02.2010, mit dem das LRA bei der Klägerin einen GdB von 30 festgestellt hatte, ist eine rechtserhebliche wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X nur insoweit eingetreten, als die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 40 ab 24.03.2014 zu bewerten sind. Der angefochtene Bescheid des LRA vom 22.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 04.07.2012 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als auch für die Zeit ab 24.03.2013 nur ein GdB von 30 festgestellt wurde.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96, BSGE 81, 50). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG), und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. Teil A Nr. 3 a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.
Eine Änderung in den Verhältnissen ist insoweit eingetreten, als bei der Klägerin eine seelische Störung hinzugekommen ist, die ab 24.03.2014 mit einem Teil-GdB von 20 und zuvor nicht mit einem höheren Teil-GdB als 10 zu bewerten ist. Der Gutachter Dr. S. hat bei der Klägerin aufgrund der Untersuchung am 24.03.2014 im Gutachten vom 10.04.2014 eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Eine schizophrene oder affektive Psychose ist bei der Klägerin nicht ersichtlich. Die Bewertung hat daher entgegen der Annahme des Dr. S. nicht nach Teil B Nr. 3.6 VG, wo die Bewertung schizophrener und affektiver Psychosen geregelt ist, zu erfolgen, sondern nach Teil B Nr. 3.7 VG. Danach ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei S.er behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten. Das Bestehen einer einen GdB von 30 bedingenden S.er behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit kann der Senat nicht feststellen. Soweit Dr. S. zur Begründung seiner Einschätzung angeführt hat, die Gesamtstörung einer depressiven Episode wäre nicht mehr mit leichteren Störungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vereinbar, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Die von Dr. S. diagnostizierte depressive Episode ist nach seinen Feststellungen lediglich leichtgradig. Nach den maßgeblichen Regelungen der VG ist als Beispiel für die einen GdB von 30 bis 40 bedingenden Störungen eine ausgeprägtere depressive Störung angeführt, die, da der GdB eine nicht nur vorübergehende und damit eine über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten sich erstreckende Gesundheitsstörung voraussetzt und Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen ist (vgl. Teil A Nr. 2 f) VG), als im Durchschnitt vorliegend festgestellt werden muss. Dies ist bei einer lediglich leichten depressiven Episode nicht erkennbar. Das Bestehen einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit lässt sich auch nicht aus den von Dr. S. erhobenen Befunden herleiten. Zwar scheint die Klägerin freudlos-bedrückt und leicht verzweifelt, auch war die affektive Schwingungsfähigkeit deutlich eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben. Die Klägerin zeigte während der Begutachtung eine ungestörte Konzentration und Aufmerksamkeit. Sie wirkte auch nicht antriebsarm. Ein tiefergehendes psychisches Krankheitsgefühl hat die Klägerin nicht. Auch gelingt eine strukturierte Alltagsgestaltung. Insbesondere die alltäglichen Aktivitäten der Klägerin sprechen gegen das Bestehen einer S. er behindernden seelischen Störung. So liest die Klägerin nach dem gegenüber dem Gutachter dargestellten Tagesablauf während ihrer wirbelsäulenbedingten Arbeitsunfähigkeitszeit tagsüber Bücher oder die Zeitung, um Englisch zu lernen, und macht auch englische Kreuzworträtsel. Sie geht spazieren, hört Musik, schaut Filme und telefoniert mit Familie und Freunden. Zudem hatte die Klägerin sich zu einem Tanzkurs angemeldet, den sie zwar wieder abgebrochen hat, was jedoch nicht einem sozialen Rückzug, sondern nach ihrem Berufungsvorbringen den Schmerzen geschuldet war. Ein Interessenverlust kann danach nicht erkannt werden. Zudem hat sich die Klägerin selbst als unternehmungslustig beschrieben. Auch hat sie bundesweit Aktivitäten unternommen, trotz der erst im November 2013 erfolgten, mit Umzug von Villingen-Schwenningen nach Böblingen verbundenen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eine neue Arbeitsstelle zu finden, weil ihr ihre Arbeit keinen Spaß gemacht hat. Offenbar ist ihr dies auch gelungen, nachdem sie bereits vor Einlegung der Berufung am 23.02.2015 nach Bremen verzogen war. Derartige zielorientierte Aktivitäten sprechen gegen eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Zudem kann aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden der Klägerin über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (dazu vgl. Senatsurteil vom 17.12.2010 – L 8 SB 1549/10, juris Rn. 31). Auch wenn Dr. S. die Notwendigkeit einer Behandlung gesehen hat, findet sich ein entsprechender Leidensdruck der Klägerin, der bei einer S.er behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre, nicht. Vielmehr ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Aufnahme einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung auch nur beabsichtigt hat. Die Vorstellung bei einem entsprechenden Facharzt ist – auch nach der entsprechenden Empfehlung des Dr. S. – nicht ersichtlich. Auch in der Vergangenheit hatte die Klägerin lediglich im Zusammenhang mit der Feststellung der Nahrungsmittelunverträglichkeit fünf probatorische Sitzungen, die sie als langweilig empfand und daher nicht mehr weiterführte, und eine Untersuchung beim Gutachter Dr. S. in Zusammenhang mit Arbeitsplatzproblemen durchlaufen. Dieses Verhalten zeigt dem Senat, dass die Klägerin auch Behandlungen zielgerichtet steuern und in Anspruch nehmen kann und auch nicht aus Krankheitsgründen sich der Einsicht zur Behandlung verschließt. Dies belegt aber wiederum eine erhaltene Erlebnis- und vor allem Gestaltungsfähigkeit. Liegt danach zwar eine stärker behindernde Störung noch nicht vor, ist ab dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. die seelische Störung jedoch mit einer GdB von 20 zu bewerten. Entsprechende Beeinträchtigungen zeigen sich in der von Dr. S. beschriebenen leichten Verzweiflung, deutlich verminderten affektiven Schwingungsfähigkeit und affektiven Instabilität. Diese Feststellungen können jedoch nicht für die Zeit vor der Begutachtung durch Dr. S. getroffen werden. Befunde, die für diese Zeit Aufschluss über das Ausmaß der Beeinträchtigungen geben könnten, liegen insoweit nicht vor. Zwar hat die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. im Bericht vom 09.01.2012 (Bl. 75/76 VA) ausgeführt, dass auch ein psychiatrisches Anliegen zu bestehen scheine, ein psychopathologischer Befund ist dem Bericht jedoch nicht zu entnehmen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. D. hat im Bericht vom 01.02.2012 (Bl. 72/73 VA) lediglich angegeben, bei der Klägerin sei es seit November 2011 im Rahmen einer psychischen Belastung am Arbeitsplatz zu vorwiegend psychovegetativen Dysfunktionen mit Schlafstörungen, Inappetenz, psychovegetativer Dystonie mit Somatisierungstendenzen gekommen. Diesen Angaben sind weder objektive Befunde, die Aufschluss über das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen geben, zu entnehmen noch lassen diese auf die Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigungen schließen. Weitere medizinische Unterlagen bezüglich psychischer Beeinträchtigungen liegen nicht vor. Auch eine eigenständige Schmerzerkrankung konnte der Senat nicht feststellen. Ein höherer GdB als 10 kann damit vor dem 24.03.2014 insoweit nicht festgestellt werden.
Darüber hinaus sind Änderungen nicht festzustellen.
Im Funktionssystem des Rumpfes bedingen die Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden weiterhin keinen höheren GdB als 30. Nach Teil B Nr. 18.9 VG bedingen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 30. Bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ist ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Die Obergrenze des GdB 40 ist dabei erst erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil vom 24.01.2014 – L 8 SB 2497/11, juris). Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z. B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z.B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen. Nach dem Bericht der Gemeinschaftspraxis für Radiologie Dres. L., R., L. vom 20.03.2012 (Bl. 36 SG-Akte) bestehen bei der Klägerin im Bereich der Lendenwirbelsäule – wie schon nach dem Bericht des Klinikums M.-S. vom 03.08.2009 (Bl. 39/40 VA) – zwei Bandscheibenvorfälle im Bereich von L4/5 und L5/S1 sowie eine fast mäßiggradig ausgeprägte Spondylose und eine etwas mehr als mäßiggradig ausgeprägte generalisierte Spondylarthrose im Bereich der unteren zwei Segmente. Aufgrund dieser Wirbelsäulenschäden sind bei der Klägerin in einem Wirbelsäulenabschnitt (Lendenwirbelsäule) schwere funktionelle Auswirkungen festzustellen, welche nach den dargestellten Kriterien einen Teil-GdB von 30 bedingen. Nach dem Gutachten des Dr. S. besteht bei der Klägerin eine Wurzelsymptomatik. Diese hat jedoch im Wesentlichen Sensibilitätsstörungen und ausstrahlende Schmerzen zur Folge. Nicht festzustellen sind jedoch relevante motorische Ausfälle. So hat Dr. S. im neurologischen Befund eine Gefühlsminderung am rechten seitlichen Unterschenkel und am rechten Fußrücken sowie rechtsseitig am Fußrand angegeben. Paresen im Bereich der unteren Extremitäten bestanden dagegen nicht. Eine axonale Schädigung bezogen auf die Nervenwurzeln S1 bzw. L5 rechts konnte Dr. S. nicht nachweisen. Im Bericht der Dr. M. vom 09.01.2012 wird das Bestehen von leichten Paresen rechts im Bereich des Muskulus extensor hallucis longus und dem Muskuli peroneai mit einem Paresegrad von jeweils 5/6 und von sensiblen Störungen im Segment L5 angegeben. Nach dem Bericht des Dr. B. vom 22.11.2012 (Bl. 33 SG-Akte) bestand bei der Klägerin ein Druckschmerz im unteren Lumbalbereich und ein Ziehen im S1-Dermatom. Das Lasèguezeichen war positiv. Darüber hinaus wird eine Hypästhesie angegeben. Nach dem Bericht der Dr. B. vom 03.04.2013 (Bl. 38 SG-Akte) bestand ein Druckschmerz im Bereich des ISG rechts, nicht aber im Bereich der LWS, der Lasègue war bei 40° positiv, DMS und Reflexe der unteren Extremitäten sind als intakt beschrieben, die Zehenheber-/-senkerfunktion als regelrecht. Schwere Bewegungseinschränkungen sind bezüglich der Wirbelsäule nicht dokumentiert. Insbesondere dem Gutachten des Dr. S. sind keine schwerwiegenden Bewegungseinschränkungen zu entnehmen. An- und Auskleiden verliefen zügig und problemlos, Hinlegen und Aufrichten von der Untersuchungsliege erfolgten ebenfalls ohne Probleme. Wesentliche funktionelle Beeinträchtigungen ergeben sich aus diesen Befunden nicht. Der Gutachter Dr. S. hat dies nachvollziehbar damit begründet, dass sich Gefühlsstörungen im Alltag funktionell nicht auswirkten, insbesondere das Steh- und Gehvermögen, die Koordinationsfähigkeit und die Kraftentfaltung dadurch nicht beeinträchtigt sei. Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden bestehen damit im Wesentlichen in Gestalt häufig rezidivierender und Wochen andauernder Wirbelsäulensyndrome. Dies ergibt sich zunächst aus den Angaben der Klägerin gegenüber Dr. S., wonach die Rückenprobleme im Vier-Wochen-Rhythmus auftreten. Vier Wochen vor der Begutachtung habe sie eine Wochen lang nicht sitzen, nur liegen können. Zum Zeitpunkt der Begutachtung war sie wegen Rückenschmerzen arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Angaben der Klägerin sind auch anhand der vorliegenden medizinischen Unterlagen nachvollziehbar, wonach wiederholte Vorstellungen aufgrund von Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule und die Einleitung therapeutischer Maßnahmen dokumentiert sind. Nach dem Bericht der Dr. M. vom 09.01.2012 wurde die Dosierung des Medikaments Mirtazepam zur Schmerztherapie erhöht und das verschreibungspflichtige Novaminsulfon verordnet. Am 12.12.2012 stellte sich die Klägerin bei Dr. B. wegen starker lumbaler Schmerzen vor (Bericht vom 03.04.2013). Die Annahme der schweren funktionellen Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden rechtfertigt sich damit im Wesentlichen durch das Bestehen ausgeprägter Wirbelsäulensyndrome. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom lässt sich darüber hinaus nicht feststellen. Aus der Diagnose eines Postnukleotomiesyndrom ist die Annahme eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms nicht herzuleiten, denn allein die Diagnose besagt nichts über dessen Schweregrad. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom wurde weder von Dr. S. oder den sachverständigen Zeugen beschrieben noch lässt sich ein solches aus den vorliegenden Unterlagen herleiten. Ausweislich des Berichts vom 09.01.2012 hielt Dr. M. eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Bandscheibenbeschwerden der Klägerin nicht für gegeben. Nach dem Bericht des Dr. D. vom 01.02.2012 erfolgte im September 2010 eine Quaddelung mit naturheilkundlichen Präparaten und die Verordnung einer manuellen Therapie, worunter sich die Lumbalgie besserte, was nicht für das Bestehen außergewöhnlicher Schmerzen spricht. Auch eine Spinalkanalstenose besteht nicht. Nach dem radiologischen Bericht vom 20.03.2012 (Bl. 36 SG-Akte) besteht keine spinale Enge und keine intraspinale Raumforderung. Schließlich entspricht die Bewertung der Wirbelsäulenbeschwerden mit einem Teil-GdB von 30 auch der Einschätzung des Gutachters Dr. S. sowie der sachverständigen Zeugen Dr. B. und Dr. M ... Die Einschätzung des sachverständigen Zeugen Dr. N. mit einem GdB von 50 für das orthopädische Krankheitsbild wird durch objektive Befunde und die Bewertung der behandelnden Fachärzte nicht gestützt. Solche Befunde hat der sachverständige Zeuge auch nicht mitgeteilt. Eine weitere Erhöhung des bereits im Wesentlichen aufgrund von Schmerzen gerechtfertigten GdB für das Wirbelsäulenleiden ist danach nicht begründet. Auch die regelmäßig auftretenden, zur Arbeitsunfähigkeit führenden Wirbelsäulensyndrome rechtfertigen über die Annahme schwerer Funktionsstörungen in einem Widerspruchabschnitt hinaus keine weitere Erhöhung des GdB.
Die Nahrungsmittelunverträglichkeiten bedingen keinen höheren Teil-GdB als 10. Nach dem Bericht des Universitätsklinikums E. vom 30.08.2006 (Bl. 4 VA) wurde ein dringender V.a. Sorbitmalabsorption diagnostiziert, nachdem sich die Klägerin wegen 10 bis 15 Minuten postprandial auftretenden Diarrhoen und abdominellen Beschwerden seit zweieinhalb Jahren vorgestellt hatte. Nach dem ärztlichen Entlassungsbericht der Kliniken H. GmbH und Co. Betriebs KG vom 21.09.2007 (Bl. 15/21 VA) über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 30.08.2007 bis 20.09.2007 hatte die Klägerin unter Vollkost 1 kg zugenommen. Die Klägerin hat auch keine ärztlichen Behandlungen nach dem Jahr 2007 wegen Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Allergien und Verdauungsstörungen mehr angegeben. Beeinträchtigungen aufgrund einer Nahrungsmittelunverträglichkeit ergeben sich auch nicht aus dem Gutachten des Dr. S ... Gegenüber dem Gutachter hat die Klägerin normalen Stuhlgang und ein gleichbleibendes Gewicht von 67 kg bei 170 cm Körperlänge (BMI 23,18 kg/m²) angegeben. Bei einer Bewertung entsprechend chronischer Darmstörungen nach Teil B Nr. 10.2.2 VG lässt sich danach ein höherer GdB als 10 nicht herleiten. Einschränkungen des Allgemein-, Ernährungs- oder Kräftezustandes konnte der Senat nicht feststellen. Stärkere und häufig rezidivierende oder anhaltende Symptome wie Durchfälle oder Spasmen, die einen GdB von 20 bis 30 bedingen würden, sind bei der Klägerin nicht festzustellen. Bei Fehlen wesentlicher Beschwerden und Auswirkungen kann nur ein GdB bis zu 10 angesetzt werden. Eine Bewertung mit einem Teil-GdB von 20 entsprechend den Bewertungsvorgaben für eine Zöliakie, die auch ohne wesentliche Folgeerscheinungen unter diätetischer Therapie einen GdB von 20 bedingt, ist vorliegend nicht gerechtfertigt. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2007 mit Vollkost verpflegt wurde, ohne dass das gleichzeitige Auftreten von Verdauungsbeschwerden dokumentiert ist, sie vielmehr an Gewicht zugenommen hat, kann von der Erforderlichkeit einer diätischen Therapie, wie sie im Fall einer Zöliakie erforderlich ist, nicht ausgegangen werden. Soweit in der Berufungsbegründung ausgeführt wurde, es handele sich bei Sorbit um einen Stoff, der außerordentlich schwer bzw. überhaupt nicht zu meiden sei, kann der Senat dem nicht folgen. Nach der von der Klägerin dazu in Bezug genommenen Erklärung bei Wikipedia findet sich Sorbit in vielen industriell hergestellten Lebensmitteln als Zuckeraustauschstoff. Damit genügt aber bereits die Vermeidung entsprechend hergestellter, sorbithaltiger Lebensmittel, was mit der Erforderlichkeit der Vermeidung glutenhaltiger Lebensmittel im Fall der Zöliakie nicht vergleichbar ist. Nachdem die Klägerin auch keinerlei konkrete Beschwerden vorgetragen hat und sich solche auch nicht aus dem Gutachten des Dr. S. ergeben, spricht dies nicht für besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Vermeidung der nicht vertragenen Lebensmittel. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. N ... Eine diesbezügliche Änderung während des Behandlungsverlaufs hat er nicht angegeben. Zwar hat der sachverständige Zeuge einen GdB von 50 allein für die Nahrungsmittelunverträglichkeit vorgeschlagen. Allerdings hat er diesbezüglich weder eigene Befunde mitgeteilt noch Fremdbefunde vorgelegt. Befunde, die seine Einschätzung stützen, liegen damit nicht vor.
Eine GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigung aufgrund des Senk-Spreizfußes beidseits ist nicht festzustellen. Nach Teil B Nr. 18.14 VG bedingen Fußdeformitäten ohne wesentliche statische Auswirkungen (z. B. Senk-Spreizfuß, Hohlfuß, Knickfuß, auch posttraumatisch) keinen GdB, mit statischer Auswirkung je nach Funktionsstörung geringen Grades einen GdB von 10 und stärkeren Grades einen GdB von 20. Statische Auswirkungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Nach dem Bericht des Dr. D. vom 01.02.2012 ist die Klägerin mit Einlagen versorgt. Lediglich bei längerer Belastung wie längerem Stehen kommt es gelegentlich zu Schmerzen im Sprunggelenksbereich. Auch nach dem Gutachten des Dr. S., wonach Stand- und Gehversuche im Rahmen der Koordinationsprüfung unauffällig waren, lassen sich statische Beeinträchtigungen nicht herleiten.
Weitere GdB-relevante Gesundheitsstörungen sind weder vorgetragen, noch konnte der Senat solche feststellen. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 18, juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen der Verdauungsorgane (Nahrungsmittelallergie) und zunächst 10 und ab 24.03.2014 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Gehirns einschließlich der Psyche, wobei sich Einzel-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend auswirken. Danach beträgt der Gesamt-GdB 30 ab 14.12.2011 und 40 ab 24.03.2014. Der Senat war auch nicht verpflichtet, den GdB seit 14.12.2011 mit 40 festzustellen, weil die Beklagte sich zur Antragstellung auf ihr Vergleichsangebot berufen hat. Wie ihrer Berufungsbegründung zu entnehmen ist, war mit dieser Antragstellung kein Teilanerkenntnis verbunden, vielmehr wollte die Beklagte nur in Umfang der Verurteilung zur Feststellung eines GdB von 50 seit 24.03.2014 eine Aufhebung des Gerichtsbescheids des SG und die Abweisung der Klage erreichen.
Der Gerichtsbescheid des SG war auf die Berufung des Beklagten dementsprechend abzuändern. Die auf Feststellung eines GdB von mindestens 60 gerichtete Berufung der Klägerin konnte damit keinen Erfolg haben; ob diese überhaupt zulässig war, nachdem die Klägerin vor dem SG lediglich die Feststellung eines GdB von 50 begehrt hatte, kann daher offen bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welchem Grad der Behinderung (GdB) die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bewerten sind.
Bei der 1976 geborenen Klägerin hatte das Hessische Amt für Versorgung und Soziales F. – Versorgungsamt – zuletzt auf den Antrag vom 19.01.2010 einen GdB von 30 aufgrund einer Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Ausstrahlungen (Teil-GdB 30) sowie einer Nahrungsmittelunverträglichkeit (Teil-GdB 10) festgestellt [Bescheid vom 03.02.2010, Bl. 45/46 der Verwaltungsakten (VA)].
Am 14.12.2011 stellte die Klägerin beim Landratsamt S.-B.-Kreis – Versorgungsamt – (LRA) einen Antrag auf Erhöhung des GdB unter Geltendmachung von Gesundheitsstörungen der Wirbelsäule, eines Senk-Spreizfußes, psychischen Störungen, Darmstörungen, Schlafstörungen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten.
Das LRA zog medizinische Unterlagen (Bl. 61, 70/73, 75/76 VA) bei und holte die Stellungnahme des Versorgungsarztes W. vom 17.03.2012 (Bl. 77 VA) ein, der die Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt bewertete: - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, operierter Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 30), - Nahrungsmittelunverträglichkeit (Teil-GdB 10), - psychovegetative Störungen, funktionelle Organbeschwerden (Teil-GdB 10). Den Gesamt-GdB schlug er mit 30 vor.
Mit Bescheid vom 22.03.2012 (Bl. 78/79 VA) lehnte das LRA die Neufeststellung des GdB ab.
Am 05.04.2012 legte die Klägerin unter Berufung auf eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes seit der Feststellung eines GdB von 30 und starke Einschränkungen im Alltag gegen den Bescheid Widerspruch ein.
Nach Einholung der weiteren Stellungnahme der Versorgungsärztin K. vom 27.06.2012 (Bl. 89/90 VA), die die bisherige Einstufung für ausreichend erachtete, wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2012 (Bl. 92/93 VA) zurück.
Am 06.08.2012 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Sie machte eine unzureichende Berücksichtigung der bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen geltend. Zu prüfen sei auch, ob sich nicht mittlerweile eine generelle Schmerzerkrankung entwickelt habe.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Orthopädie Dr. B. erachtete unter dem 08.04.2013 (Bl. 29/33 SG-Akte) den GdB bezüglich der Wirbelsäule für zutreffend. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. stimmte der versorgungsärztlichen Einschätzung mit Schreiben vom 09.04.2013 (Bl. 34/36 SG-Akte) ebenfalls zu. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. N. teilte am 19.04.2013 (Bl. 37/41 SG-Akte) eine Verschlechterung der LWS-Beschwerden und des rechten Beines mit und befürwortete eine Bewertung von Nahrungsmittelunverträglichkeit (Sorbit-Allergie, Reizdarm-Syndrom), psychovegetativen Störungen und orthopädischem Krankheitsbild mit Teil-GdB von jeweils 50. Der Facharzt für Allgemeinmedizin D. konnte mangels Wiedervorstellung der Klägerin keine Angaben über Veränderungen in deren Gesundheitszustand machen (Schreiben vom 22.04.2013, Bl. 42/43 SG-Akte). Der praktische Arzt Dr. N. legte das Behandlungsprotokoll vom 25.06.2013 und die Arztbriefe des Dr. B. vom 03.02.2012 und 22.11.2012 (Bl. 50/52 SG-Akte) vor.
Darüber hinaus holte das SG das nervenärztliche Gutachten des Dr. S. vom 10.04.2014 (Bl. 66/85 SG-Akte) ein, der aufgrund der Untersuchung der Klägerin am 24.03.2014 eine Wurzelsymptomatik der Lendenwirbelsäule ohne funktionsrelevante neurologische Ausfälle sowie eine leichte depressive Episode diagnostizierte und ab dem Begutachtungszeitpunkt einen Teil-GdB von 30 für die psychische Störung sowie einen Gesamt-GdB von 50 vorschlug.
Der Beklagte unterbreitete unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. B. vom 25.09.2014 (Blatt 91/92 SG-Akte) das Vergleichsangebot vom 09.10.2014, wonach er sich bereit erklärte, einen GdB 40 ab 14.12.2011 festzustellen. Das Vergleichsangebot hat die Klägerin nicht angenommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2015 verurteilte das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.03.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2012, bei der Klägerin einen GdB von 50 ab 24.03.2014 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Es lägen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor, so dass das Wirbelsäulenleiden mit einem GdB von 30 zutreffend eingestuft sei. Auf psychiatrischem Fachgebiet sei eine Depression mit einem GdB von 30 ab dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. zu berücksichtigen.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Beklagten jeweils am 05.02.2015 zugestellten Gerichtsbescheid haben der Beklagte am 16.02.2015 und die zwischenzeitlich nach Bremen verzogene Klägerin am 23.02.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Mit Beschluss vom 08.10.2015 ist das Land Baden-Württemberg aus dem Rechtsstreit entlassen und die Freie Hansestadt Bremen (das Land Bremen) als neue Beklagte festgestellt worden.
Nach Auffassung der Beklagten könne nur bei regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung von einem entsprechenden Leidensdruck des Betroffenen ausgegangen werden und bei fehlender ärztlicher Behandlung in der Regel ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung nicht hinausgehen. Bei der Klägerin sei insbesondere nach dem Gutachten des Dr. S. eine durchaus noch erhaltene Interessenfähigkeit festzustellen, zumal sich die Klägerin in einer Tanzstunde angemeldet habe und die Teilnahme lediglich an Rückenproblemen gescheitert sei. Es komme bei Teil-GdB-Werten von 30 für die Wirbelsäule, 10 für die Nahrungsmittelunverträglichkeit und 20 für die leichtere psychische Beeinträchtigung kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht. Die Beklagte hat die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. W. vom 11.02.2015 (Bl. 20/21 der Senatsakte) und der Dr. Ginda vom 21.04.2016 (Bl. 41 der Senatsakte) vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.01.2015 abzuändern, soweit die Verurteilung über das Vergleichsangebot vom 09.10.2014 hinausgeht sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.01.2015 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2012 zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von wenig¬stens 60 festzustellen sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Das SG sei im Hinblick auf den orthopädischen Befund von einen Einzel-GdB von 30 ausgegangen wegen einer schweren funktionellen Beeinträchtigung in einem einzigen Wirbelsäulenabschnitt (Lendenwirbelsäule). Der Befund an der Lendenwirbelsäule beinhalte ausweislich der Zeugenauskünfte auch ein sogenanntes Postnukleotomiesyndrom und damit einen Befund, der üblicherweise mit ganz gravierenden, weit über das übliche Maß auch bei erheblichen Wirbelsäulenbefunden hinausgehenden Schmerzzuständen verbunden sei. Den Tanzkurs habe sie nach wenigen Sitzungen wieder abbrechen müssen, da sie die Belastung und vor allem die Schmerzen nicht ausgehalten habe. Die Bewertung auf psychiatrischem Fachgebiet durch Dr. S. erachtet sie als zutreffend. Sie habe die Hemmschwelle, sich in eine fortlaufende neurologisch-psychiatrische Behandlung zu begeben, bis zum heutigen Tag nicht überwinden können. Die Nahrungsmittelunverträglichkeit sei wenigstens mit einem Teil-GdB von 20 bis 30 zu bewerten, da der Stoff Sorbit extrem weit verbreitet sei und es außerordentlich schwierig bzw. gar nicht möglich sei, diesem auszuweichen.
Die Klägerin und die Beklagte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 18.07.2016, Schreiben der Beklagten vom 21.07.2016).
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Klägerin im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens ihren Wohnsitz von Baden-Württemberg nach Bremen verlegt hat, ist ein Beklagtenwechsel kraft Gesetzes eingetreten (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2007 – B 9/9a SB 2/07 R). Neuer Beklagter ist die Freie Hansestadt Bremen. Dies folgt aus § 3 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG). Diese Regelung gilt gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX auch für den Bereich des SGB IX (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2007 a.a.O.). Nach § 3 Abs. 1 KOVVfG ist örtlich die Verwaltungsbehörde zuständig, in deren Bezirk der Antragsteller oder Berechtigte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (im Inland) hat. Auf die örtliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts hat der Beklagtenwechsel keine Auswirkungen (BSG, Beschluss vom 08.05.2007 – B 12 SF 3/07 S). Dem entspricht der Beschluss des Senats vom 08.10.2015. Hiergegen haben die Beteiligten auch keine Einwendungen erhoben.
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaften Berufungen, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, sind zulässig (§ 151 SGG). Die Berufung der Beklagten ist insoweit begründet, als das SG den Beklagten verurteilt hat, bei der Klägerin ab 24.03.2014 einen höheren GdB als 40 festzustellen. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Gegenüber dem der GdB-Feststellung zuletzt zugrundeliegenden Bescheid vom 03.02.2010, mit dem das LRA bei der Klägerin einen GdB von 30 festgestellt hatte, ist eine rechtserhebliche wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X nur insoweit eingetreten, als die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 40 ab 24.03.2014 zu bewerten sind. Der angefochtene Bescheid des LRA vom 22.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 04.07.2012 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als auch für die Zeit ab 24.03.2013 nur ein GdB von 30 festgestellt wurde.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96, BSGE 81, 50). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG), und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. Teil A Nr. 3 a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.
Eine Änderung in den Verhältnissen ist insoweit eingetreten, als bei der Klägerin eine seelische Störung hinzugekommen ist, die ab 24.03.2014 mit einem Teil-GdB von 20 und zuvor nicht mit einem höheren Teil-GdB als 10 zu bewerten ist. Der Gutachter Dr. S. hat bei der Klägerin aufgrund der Untersuchung am 24.03.2014 im Gutachten vom 10.04.2014 eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Eine schizophrene oder affektive Psychose ist bei der Klägerin nicht ersichtlich. Die Bewertung hat daher entgegen der Annahme des Dr. S. nicht nach Teil B Nr. 3.6 VG, wo die Bewertung schizophrener und affektiver Psychosen geregelt ist, zu erfolgen, sondern nach Teil B Nr. 3.7 VG. Danach ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei S.er behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten. Das Bestehen einer einen GdB von 30 bedingenden S.er behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit kann der Senat nicht feststellen. Soweit Dr. S. zur Begründung seiner Einschätzung angeführt hat, die Gesamtstörung einer depressiven Episode wäre nicht mehr mit leichteren Störungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vereinbar, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Die von Dr. S. diagnostizierte depressive Episode ist nach seinen Feststellungen lediglich leichtgradig. Nach den maßgeblichen Regelungen der VG ist als Beispiel für die einen GdB von 30 bis 40 bedingenden Störungen eine ausgeprägtere depressive Störung angeführt, die, da der GdB eine nicht nur vorübergehende und damit eine über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten sich erstreckende Gesundheitsstörung voraussetzt und Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen ist (vgl. Teil A Nr. 2 f) VG), als im Durchschnitt vorliegend festgestellt werden muss. Dies ist bei einer lediglich leichten depressiven Episode nicht erkennbar. Das Bestehen einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit lässt sich auch nicht aus den von Dr. S. erhobenen Befunden herleiten. Zwar scheint die Klägerin freudlos-bedrückt und leicht verzweifelt, auch war die affektive Schwingungsfähigkeit deutlich eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben. Die Klägerin zeigte während der Begutachtung eine ungestörte Konzentration und Aufmerksamkeit. Sie wirkte auch nicht antriebsarm. Ein tiefergehendes psychisches Krankheitsgefühl hat die Klägerin nicht. Auch gelingt eine strukturierte Alltagsgestaltung. Insbesondere die alltäglichen Aktivitäten der Klägerin sprechen gegen das Bestehen einer S. er behindernden seelischen Störung. So liest die Klägerin nach dem gegenüber dem Gutachter dargestellten Tagesablauf während ihrer wirbelsäulenbedingten Arbeitsunfähigkeitszeit tagsüber Bücher oder die Zeitung, um Englisch zu lernen, und macht auch englische Kreuzworträtsel. Sie geht spazieren, hört Musik, schaut Filme und telefoniert mit Familie und Freunden. Zudem hatte die Klägerin sich zu einem Tanzkurs angemeldet, den sie zwar wieder abgebrochen hat, was jedoch nicht einem sozialen Rückzug, sondern nach ihrem Berufungsvorbringen den Schmerzen geschuldet war. Ein Interessenverlust kann danach nicht erkannt werden. Zudem hat sich die Klägerin selbst als unternehmungslustig beschrieben. Auch hat sie bundesweit Aktivitäten unternommen, trotz der erst im November 2013 erfolgten, mit Umzug von Villingen-Schwenningen nach Böblingen verbundenen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eine neue Arbeitsstelle zu finden, weil ihr ihre Arbeit keinen Spaß gemacht hat. Offenbar ist ihr dies auch gelungen, nachdem sie bereits vor Einlegung der Berufung am 23.02.2015 nach Bremen verzogen war. Derartige zielorientierte Aktivitäten sprechen gegen eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Zudem kann aufgrund der fehlenden ärztlichen Behandlung nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden der Klägerin über eine leichtere psychische Störung hinausgegangen ist und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (dazu vgl. Senatsurteil vom 17.12.2010 – L 8 SB 1549/10, juris Rn. 31). Auch wenn Dr. S. die Notwendigkeit einer Behandlung gesehen hat, findet sich ein entsprechender Leidensdruck der Klägerin, der bei einer S.er behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre, nicht. Vielmehr ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Aufnahme einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung auch nur beabsichtigt hat. Die Vorstellung bei einem entsprechenden Facharzt ist – auch nach der entsprechenden Empfehlung des Dr. S. – nicht ersichtlich. Auch in der Vergangenheit hatte die Klägerin lediglich im Zusammenhang mit der Feststellung der Nahrungsmittelunverträglichkeit fünf probatorische Sitzungen, die sie als langweilig empfand und daher nicht mehr weiterführte, und eine Untersuchung beim Gutachter Dr. S. in Zusammenhang mit Arbeitsplatzproblemen durchlaufen. Dieses Verhalten zeigt dem Senat, dass die Klägerin auch Behandlungen zielgerichtet steuern und in Anspruch nehmen kann und auch nicht aus Krankheitsgründen sich der Einsicht zur Behandlung verschließt. Dies belegt aber wiederum eine erhaltene Erlebnis- und vor allem Gestaltungsfähigkeit. Liegt danach zwar eine stärker behindernde Störung noch nicht vor, ist ab dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. die seelische Störung jedoch mit einer GdB von 20 zu bewerten. Entsprechende Beeinträchtigungen zeigen sich in der von Dr. S. beschriebenen leichten Verzweiflung, deutlich verminderten affektiven Schwingungsfähigkeit und affektiven Instabilität. Diese Feststellungen können jedoch nicht für die Zeit vor der Begutachtung durch Dr. S. getroffen werden. Befunde, die für diese Zeit Aufschluss über das Ausmaß der Beeinträchtigungen geben könnten, liegen insoweit nicht vor. Zwar hat die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. im Bericht vom 09.01.2012 (Bl. 75/76 VA) ausgeführt, dass auch ein psychiatrisches Anliegen zu bestehen scheine, ein psychopathologischer Befund ist dem Bericht jedoch nicht zu entnehmen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. D. hat im Bericht vom 01.02.2012 (Bl. 72/73 VA) lediglich angegeben, bei der Klägerin sei es seit November 2011 im Rahmen einer psychischen Belastung am Arbeitsplatz zu vorwiegend psychovegetativen Dysfunktionen mit Schlafstörungen, Inappetenz, psychovegetativer Dystonie mit Somatisierungstendenzen gekommen. Diesen Angaben sind weder objektive Befunde, die Aufschluss über das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen geben, zu entnehmen noch lassen diese auf die Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigungen schließen. Weitere medizinische Unterlagen bezüglich psychischer Beeinträchtigungen liegen nicht vor. Auch eine eigenständige Schmerzerkrankung konnte der Senat nicht feststellen. Ein höherer GdB als 10 kann damit vor dem 24.03.2014 insoweit nicht festgestellt werden.
Darüber hinaus sind Änderungen nicht festzustellen.
Im Funktionssystem des Rumpfes bedingen die Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden weiterhin keinen höheren GdB als 30. Nach Teil B Nr. 18.9 VG bedingen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 30. Bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ist ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Die Obergrenze des GdB 40 ist dabei erst erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil vom 24.01.2014 – L 8 SB 2497/11, juris). Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen – oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose – sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z. B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z.B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen. Nach dem Bericht der Gemeinschaftspraxis für Radiologie Dres. L., R., L. vom 20.03.2012 (Bl. 36 SG-Akte) bestehen bei der Klägerin im Bereich der Lendenwirbelsäule – wie schon nach dem Bericht des Klinikums M.-S. vom 03.08.2009 (Bl. 39/40 VA) – zwei Bandscheibenvorfälle im Bereich von L4/5 und L5/S1 sowie eine fast mäßiggradig ausgeprägte Spondylose und eine etwas mehr als mäßiggradig ausgeprägte generalisierte Spondylarthrose im Bereich der unteren zwei Segmente. Aufgrund dieser Wirbelsäulenschäden sind bei der Klägerin in einem Wirbelsäulenabschnitt (Lendenwirbelsäule) schwere funktionelle Auswirkungen festzustellen, welche nach den dargestellten Kriterien einen Teil-GdB von 30 bedingen. Nach dem Gutachten des Dr. S. besteht bei der Klägerin eine Wurzelsymptomatik. Diese hat jedoch im Wesentlichen Sensibilitätsstörungen und ausstrahlende Schmerzen zur Folge. Nicht festzustellen sind jedoch relevante motorische Ausfälle. So hat Dr. S. im neurologischen Befund eine Gefühlsminderung am rechten seitlichen Unterschenkel und am rechten Fußrücken sowie rechtsseitig am Fußrand angegeben. Paresen im Bereich der unteren Extremitäten bestanden dagegen nicht. Eine axonale Schädigung bezogen auf die Nervenwurzeln S1 bzw. L5 rechts konnte Dr. S. nicht nachweisen. Im Bericht der Dr. M. vom 09.01.2012 wird das Bestehen von leichten Paresen rechts im Bereich des Muskulus extensor hallucis longus und dem Muskuli peroneai mit einem Paresegrad von jeweils 5/6 und von sensiblen Störungen im Segment L5 angegeben. Nach dem Bericht des Dr. B. vom 22.11.2012 (Bl. 33 SG-Akte) bestand bei der Klägerin ein Druckschmerz im unteren Lumbalbereich und ein Ziehen im S1-Dermatom. Das Lasèguezeichen war positiv. Darüber hinaus wird eine Hypästhesie angegeben. Nach dem Bericht der Dr. B. vom 03.04.2013 (Bl. 38 SG-Akte) bestand ein Druckschmerz im Bereich des ISG rechts, nicht aber im Bereich der LWS, der Lasègue war bei 40° positiv, DMS und Reflexe der unteren Extremitäten sind als intakt beschrieben, die Zehenheber-/-senkerfunktion als regelrecht. Schwere Bewegungseinschränkungen sind bezüglich der Wirbelsäule nicht dokumentiert. Insbesondere dem Gutachten des Dr. S. sind keine schwerwiegenden Bewegungseinschränkungen zu entnehmen. An- und Auskleiden verliefen zügig und problemlos, Hinlegen und Aufrichten von der Untersuchungsliege erfolgten ebenfalls ohne Probleme. Wesentliche funktionelle Beeinträchtigungen ergeben sich aus diesen Befunden nicht. Der Gutachter Dr. S. hat dies nachvollziehbar damit begründet, dass sich Gefühlsstörungen im Alltag funktionell nicht auswirkten, insbesondere das Steh- und Gehvermögen, die Koordinationsfähigkeit und die Kraftentfaltung dadurch nicht beeinträchtigt sei. Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden bestehen damit im Wesentlichen in Gestalt häufig rezidivierender und Wochen andauernder Wirbelsäulensyndrome. Dies ergibt sich zunächst aus den Angaben der Klägerin gegenüber Dr. S., wonach die Rückenprobleme im Vier-Wochen-Rhythmus auftreten. Vier Wochen vor der Begutachtung habe sie eine Wochen lang nicht sitzen, nur liegen können. Zum Zeitpunkt der Begutachtung war sie wegen Rückenschmerzen arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Angaben der Klägerin sind auch anhand der vorliegenden medizinischen Unterlagen nachvollziehbar, wonach wiederholte Vorstellungen aufgrund von Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule und die Einleitung therapeutischer Maßnahmen dokumentiert sind. Nach dem Bericht der Dr. M. vom 09.01.2012 wurde die Dosierung des Medikaments Mirtazepam zur Schmerztherapie erhöht und das verschreibungspflichtige Novaminsulfon verordnet. Am 12.12.2012 stellte sich die Klägerin bei Dr. B. wegen starker lumbaler Schmerzen vor (Bericht vom 03.04.2013). Die Annahme der schweren funktionellen Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden rechtfertigt sich damit im Wesentlichen durch das Bestehen ausgeprägter Wirbelsäulensyndrome. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom lässt sich darüber hinaus nicht feststellen. Aus der Diagnose eines Postnukleotomiesyndrom ist die Annahme eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms nicht herzuleiten, denn allein die Diagnose besagt nichts über dessen Schweregrad. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom wurde weder von Dr. S. oder den sachverständigen Zeugen beschrieben noch lässt sich ein solches aus den vorliegenden Unterlagen herleiten. Ausweislich des Berichts vom 09.01.2012 hielt Dr. M. eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Bandscheibenbeschwerden der Klägerin nicht für gegeben. Nach dem Bericht des Dr. D. vom 01.02.2012 erfolgte im September 2010 eine Quaddelung mit naturheilkundlichen Präparaten und die Verordnung einer manuellen Therapie, worunter sich die Lumbalgie besserte, was nicht für das Bestehen außergewöhnlicher Schmerzen spricht. Auch eine Spinalkanalstenose besteht nicht. Nach dem radiologischen Bericht vom 20.03.2012 (Bl. 36 SG-Akte) besteht keine spinale Enge und keine intraspinale Raumforderung. Schließlich entspricht die Bewertung der Wirbelsäulenbeschwerden mit einem Teil-GdB von 30 auch der Einschätzung des Gutachters Dr. S. sowie der sachverständigen Zeugen Dr. B. und Dr. M ... Die Einschätzung des sachverständigen Zeugen Dr. N. mit einem GdB von 50 für das orthopädische Krankheitsbild wird durch objektive Befunde und die Bewertung der behandelnden Fachärzte nicht gestützt. Solche Befunde hat der sachverständige Zeuge auch nicht mitgeteilt. Eine weitere Erhöhung des bereits im Wesentlichen aufgrund von Schmerzen gerechtfertigten GdB für das Wirbelsäulenleiden ist danach nicht begründet. Auch die regelmäßig auftretenden, zur Arbeitsunfähigkeit führenden Wirbelsäulensyndrome rechtfertigen über die Annahme schwerer Funktionsstörungen in einem Widerspruchabschnitt hinaus keine weitere Erhöhung des GdB.
Die Nahrungsmittelunverträglichkeiten bedingen keinen höheren Teil-GdB als 10. Nach dem Bericht des Universitätsklinikums E. vom 30.08.2006 (Bl. 4 VA) wurde ein dringender V.a. Sorbitmalabsorption diagnostiziert, nachdem sich die Klägerin wegen 10 bis 15 Minuten postprandial auftretenden Diarrhoen und abdominellen Beschwerden seit zweieinhalb Jahren vorgestellt hatte. Nach dem ärztlichen Entlassungsbericht der Kliniken H. GmbH und Co. Betriebs KG vom 21.09.2007 (Bl. 15/21 VA) über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 30.08.2007 bis 20.09.2007 hatte die Klägerin unter Vollkost 1 kg zugenommen. Die Klägerin hat auch keine ärztlichen Behandlungen nach dem Jahr 2007 wegen Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Allergien und Verdauungsstörungen mehr angegeben. Beeinträchtigungen aufgrund einer Nahrungsmittelunverträglichkeit ergeben sich auch nicht aus dem Gutachten des Dr. S ... Gegenüber dem Gutachter hat die Klägerin normalen Stuhlgang und ein gleichbleibendes Gewicht von 67 kg bei 170 cm Körperlänge (BMI 23,18 kg/m²) angegeben. Bei einer Bewertung entsprechend chronischer Darmstörungen nach Teil B Nr. 10.2.2 VG lässt sich danach ein höherer GdB als 10 nicht herleiten. Einschränkungen des Allgemein-, Ernährungs- oder Kräftezustandes konnte der Senat nicht feststellen. Stärkere und häufig rezidivierende oder anhaltende Symptome wie Durchfälle oder Spasmen, die einen GdB von 20 bis 30 bedingen würden, sind bei der Klägerin nicht festzustellen. Bei Fehlen wesentlicher Beschwerden und Auswirkungen kann nur ein GdB bis zu 10 angesetzt werden. Eine Bewertung mit einem Teil-GdB von 20 entsprechend den Bewertungsvorgaben für eine Zöliakie, die auch ohne wesentliche Folgeerscheinungen unter diätetischer Therapie einen GdB von 20 bedingt, ist vorliegend nicht gerechtfertigt. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2007 mit Vollkost verpflegt wurde, ohne dass das gleichzeitige Auftreten von Verdauungsbeschwerden dokumentiert ist, sie vielmehr an Gewicht zugenommen hat, kann von der Erforderlichkeit einer diätischen Therapie, wie sie im Fall einer Zöliakie erforderlich ist, nicht ausgegangen werden. Soweit in der Berufungsbegründung ausgeführt wurde, es handele sich bei Sorbit um einen Stoff, der außerordentlich schwer bzw. überhaupt nicht zu meiden sei, kann der Senat dem nicht folgen. Nach der von der Klägerin dazu in Bezug genommenen Erklärung bei Wikipedia findet sich Sorbit in vielen industriell hergestellten Lebensmitteln als Zuckeraustauschstoff. Damit genügt aber bereits die Vermeidung entsprechend hergestellter, sorbithaltiger Lebensmittel, was mit der Erforderlichkeit der Vermeidung glutenhaltiger Lebensmittel im Fall der Zöliakie nicht vergleichbar ist. Nachdem die Klägerin auch keinerlei konkrete Beschwerden vorgetragen hat und sich solche auch nicht aus dem Gutachten des Dr. S. ergeben, spricht dies nicht für besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Vermeidung der nicht vertragenen Lebensmittel. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. N ... Eine diesbezügliche Änderung während des Behandlungsverlaufs hat er nicht angegeben. Zwar hat der sachverständige Zeuge einen GdB von 50 allein für die Nahrungsmittelunverträglichkeit vorgeschlagen. Allerdings hat er diesbezüglich weder eigene Befunde mitgeteilt noch Fremdbefunde vorgelegt. Befunde, die seine Einschätzung stützen, liegen damit nicht vor.
Eine GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigung aufgrund des Senk-Spreizfußes beidseits ist nicht festzustellen. Nach Teil B Nr. 18.14 VG bedingen Fußdeformitäten ohne wesentliche statische Auswirkungen (z. B. Senk-Spreizfuß, Hohlfuß, Knickfuß, auch posttraumatisch) keinen GdB, mit statischer Auswirkung je nach Funktionsstörung geringen Grades einen GdB von 10 und stärkeren Grades einen GdB von 20. Statische Auswirkungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Nach dem Bericht des Dr. D. vom 01.02.2012 ist die Klägerin mit Einlagen versorgt. Lediglich bei längerer Belastung wie längerem Stehen kommt es gelegentlich zu Schmerzen im Sprunggelenksbereich. Auch nach dem Gutachten des Dr. S., wonach Stand- und Gehversuche im Rahmen der Koordinationsprüfung unauffällig waren, lassen sich statische Beeinträchtigungen nicht herleiten.
Weitere GdB-relevante Gesundheitsstörungen sind weder vorgetragen, noch konnte der Senat solche feststellen. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG, Urteil vom 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 18, juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen der Verdauungsorgane (Nahrungsmittelallergie) und zunächst 10 und ab 24.03.2014 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Gehirns einschließlich der Psyche, wobei sich Einzel-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend auswirken. Danach beträgt der Gesamt-GdB 30 ab 14.12.2011 und 40 ab 24.03.2014. Der Senat war auch nicht verpflichtet, den GdB seit 14.12.2011 mit 40 festzustellen, weil die Beklagte sich zur Antragstellung auf ihr Vergleichsangebot berufen hat. Wie ihrer Berufungsbegründung zu entnehmen ist, war mit dieser Antragstellung kein Teilanerkenntnis verbunden, vielmehr wollte die Beklagte nur in Umfang der Verurteilung zur Feststellung eines GdB von 50 seit 24.03.2014 eine Aufhebung des Gerichtsbescheids des SG und die Abweisung der Klage erreichen.
Der Gerichtsbescheid des SG war auf die Berufung des Beklagten dementsprechend abzuändern. Die auf Feststellung eines GdB von mindestens 60 gerichtete Berufung der Klägerin konnte damit keinen Erfolg haben; ob diese überhaupt zulässig war, nachdem die Klägerin vor dem SG lediglich die Feststellung eines GdB von 50 begehrt hatte, kann daher offen bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
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Aus
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