L 7 SO 3051/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SO 2157/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3051/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat das einstweilige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

1. Die Antragstellerin hat mit ihrem am 25. Mai 2016 beim SG anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzgesuch die vorläufige Gewährung von "Leistungen nach dem 3. Kapitel" des Sozialgesetzbuches (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) ab Antragseingang (25. Mai 2016) bis zum 31. Dezember 2016 geltend gemacht, nachdem der Antragsgegner mit Bescheid vom 6. Mai 2016, freilich angefochten durch Widerspruch vom 18. Mai 2016, über den dieser bisher noch nicht entschieden hat, abgelehnt hatte. Mit diesem Begehren ist die Antragstellerin vor dem SG erfolglos geblieben (Beschluss vom 18. Juli 2016). Nachdem die Antragstellerin aus dem (örtlichen) Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners verzogen ist, macht sie mit ihrer am 15. August 2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Beschwerde im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren Sozialhilfeleistungen nur noch für die Zeit vom 25. Mai 2016 bis zum 14. Juli 2016 geltend.

2. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1 a.a.O., für Vornahmesachen in Abs. 2 a.a.O. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt - wie vom SG zutreffend erkannt - lediglich der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 2. Alt. SGG in Betracht. Die Begründetheit des einstweiligen Rechtsschutzantrags hängt vom Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen ab, nämlich dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund, die glaubhaft zu machen sind (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann grundsätzlich nur summarisch erfolgen, es sei denn, das sich aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergebende Gebot der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie der grundrechtlich geschützte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erforderten eine abschließende Überprüfung. Ist in diesen Fällen im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris), jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG); z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927; Kammerbeschluss vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 - NZS 2008, 365). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. z. B. Senatsbeschlüsse vom 4. April 2008 - L 7 AS 5626/07 ER-B - und vom 11. Juni 2008 - L 7 AS 2309/08 ER-B - beide juris).

3. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

Unabhängig davon, dass der Senat jedenfalls in Eilverfahren der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - juris Rdnrn. 36 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris Rdnrn. 33 f.) folgt (z.B. Senatsbeschlüsse vom 24. August 2016 - L 7 AS 2113/16 ER-B -; vom 9. Juni 2016 - L 7 SO 1512/16 ER-B - juris Rdnr. 13 und vom 12. Mai 2016 - L 7 SO 1150/16 ER-B - juris Rdnrn. 10 f.; so im Übrigen auch der 2. Senat des LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Juni 2016 - L 2 SO 1902/16 ER-B - juris Rdnrn. 6 ff.), fehlt es an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsgrund i.S. der Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Vielmehr ist es ihr zumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache betreffend den hier streitigen Zeitraum vom 25. Mai 2016 bis zum 14. Juli 2016 abzuwarten.

Aus dem Gegenwartsbezug der einstweiligen Anordnung folgt, dass dieser vorläufige Rechtsbehelf für bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung zurückliegende Zeiträume nur ausnahmsweise in Betracht kommt; es muss durch die Nichtleistung in der Vergangenheit eine aktuell fortwirkende Notlage entstanden sein, die den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (vgl. hierzu etwa Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B -). Im Übrigen besteht ein Anordnungsgrund, wenn der Betroffene bei Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache Gefahr laufen würde, seine Rechte nicht mehr realisieren zu können oder gegenwärtige schwere, unzumutbare, irreparable rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile erlitte. Die individuelle Interessenlage des Betroffenen, unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter muss es unzumutbar erscheinen lassen, den Betroffenen zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Wie bereits dargelegt, beurteilt sich in einem auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Verfahren das Vorliegen eines Anordnungsgrundes grundsätzlich nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Antrag entscheidet, im Beschwerdeverfahren mithin nach dem Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.

Die erforderliche Eilbedürftigkeit hat die anwaltlich vertretene Antragstellerin weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach ihrem Vortrag ihr Sohn, der ihren Angaben zufolge einen monatlichen Nettoverdienst in Höhe von ca. 1.500,00 EUR erzielt, in dem zur einstweiligen Regelung streitigen Zeitraum ihren Lebensunterhalt sichergestellt hat. So hat sie in ihrem Antrag vom 21. März 2016 gegenüber dem Antragsgegner angegebenen, dass ihr Sohn die für die damalige Unterkunft zu entrichtende Miete in Höhe von 560,00 EUR bezahlt hat. Ihre Betreuerin hat mit Schreiben vom 14. April 2016 mitgeteilt, dass der Sohn der Antragstellerin die Wohnung und die Unterkunft für zwei Personen finanziere, jedoch vorhabe, aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Im einstweiligen Rechtsschutzgesuch vom 25. Mai 2016 sowie in der Beschwerdeschrift vom 15. August 2016 hat die anwaltlich vertretene Antragstellerin wiederholt, dass ihr Sohn die Miete bezahle. Auf den Hinweis des Senats vom 17. August 2016, dass mit Blick auf die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Zeit bis zum 14. Juli 2016 der Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) nicht mehr gegeben sein dürfte, hat sich die Antragstellerin damit begnügt, pauschal ihre weitere Hilfebedürftigkeit zu behaupten (Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 19. August 2016). Demgegenüber ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt im streitigen Zeitraum offensichtlich durch Zuwendungen ihres Sohnes decken konnte, zumal nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht ist, dass dieser seine Unterstützung zwischenzeitlich eingestellt hat. Vielmehr hat der Sohn der Antragstellerin nach ihren Angaben die Miete für die bis zum Umzug in eine neue - wiederum gemeinsam bewohnte - Wohnung bewohnte Unterkunft bezahlt und den Lebensunterhalt sichergestellt. Als freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung war und ist ihr Kranken- und Pflegeversicherungsschutz abgesichert. Zwar hat die Antragstellerin ausweislich der Auskunft der AOK Baden-Württemberg (AOK) gegenüber dem Antragsgegner vom 9. Juni 2016 für die Zeit ab März 2015 keine Beiträge bezahlt (vgl. auch Schreiben der AOK vom 9. Februar 2016), jedoch ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die AOK überhaupt das Ruhen des Anspruchs der Antragstellerin auf Leistungen durch Verwaltungsakt festgestellt hat (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2015 - B 1 KR 16/15 R - juris Rdnr. 13). Im Übrigen tritt nach § 16 Abs. 3a Satz 4 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) das Ruhen nicht ein oder endet, wenn Versicherte hilfebedürftig u.a. im Sinne des SGB XII sind, wobei die Krankenkassen bei der Prüfung einer Ruhensanordnung der Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Krankenversicherung von Amts wegen Feststellungen zum Eintritt von Hilfebedürftigkeit des Versicherten treffen müssen (BSG, Urteil vom 8. März 2016 - B 1 KR 31/15 R - juris Rdnrn. 9 ff.). Mithin steht es der Antragstellerin frei, die von ihr behauptete Hilfebedürftigkeit einer Ruhensanordnung seitens der AOK entgegen zu halten. Unter diesen Umständen ist der Antragstellerin ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zumutbar.

4. Mangels hinreichender Erfolgsaussicht hat die Antragstellerin auch keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

6. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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