L 8 SB 3630/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 24/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3630/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 23.07.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Der Kläger trägt die Kosten des auf seinen Antrag gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. B. vom 26.02.2016 sowie seine baren Auslagen endgültig selbst.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, den dem Kläger zuerkannten Grad der Behinderung (GdB) insbesondere aufgrund der Dritten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) vom 17.12.2010 von 60 auf 40 herabzusetzen sowie das Merkzeichens G zu entziehen.

Bei dem 1963 geborenen Kläger hatte das Landratsamt B. – Versorgungsamt – (LRA) mit Bescheid vom 17.02.2010 [Bl. 93/95 der Verwaltungsakten (VA)] einen GdB von 60 seit 25.11.2009 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G festgestellt. Dem lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde: - Hüftgelenksendoprothese beidseits, Polyarthralgien (Teil-GdB 50), - Sprachstörung (Teil-GdB 20), - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10).

Am 19.08.2011 stellte der Kläger einen Antrag auf Erhöhung des GdB und verwies zur Begründung auf einen Bericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 16.05.2011 (Bl. 110/111 VA).

Das LRA zog von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg medizinische Berichte (Bl. 119/133 VA) bei und ließ den Kläger durch den Amtsarzt Dr. W. chirurgisch begutachten, der im Gutachten vom 20.03.2012 (Bl. 140/144 VA) die Behinderungen Hüftgelenksendoprothese beidseits, Polyarthralgien mit einem Teil-GdB von 30 und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 10 bewertete.

In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.03.2012 (Bl. 152/153 VA) bewertete Dr. E. die Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt: - Hüftgelenksendoprothese beidseits, Polyarthralgien (Teil-GdB 30), - Sprachstörung (Teil-GdB 20), - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10), - seelische Störung (Teil-GdB 10). Grundlage der Beurteilung sei vor allem das Gutachten von Dr. W ... Nach der Dritten Verordnung zur Änderung der VersMedV sei die Funktionsbeeinträchtigung Hüftgelenksendoprothese beidseits, Polyarthralgien jetzt lediglich mit einem GdB von 30 zu bewerten.

Mit Schreiben vom 22.05.2012 hörte das LRA den Kläger unter Hinweis auf die Dritte Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 17.12.2010 zu einer beabsichtigten Neufeststellung des GdB mit 40 und Entziehung des Merkzeichens G an, worauf dieser ärztliche Atteste des Dr. D. vom 14.06.2012 (Bl. 156 VA) und des Dr. B. vom 22.06.2012 (Bl. 158/159 VA) vorlegte.

Nachdem der Versorgungsarzt Dr. E. unter dem 05.07.2012 (Bl. 161 VA) keine Änderung der bisher beabsichtigten Entscheidung vorschlug, hob der Beklagte mit Bescheid vom 20.07.2012 den Bescheid vom 17.02.2010 gemäß § 48 SGB X auf. Der GdB betrage ab 23.07.2012 nur noch 40. Die Voraussetzungen für die Feststellung des gesundheitlichen Merkmals G lägen ab 23.07.2012 nicht mehr vor. Die Voraussetzungen für eine höhere Bewertung des GdB lägen nicht vor.

Am 09.08.2012 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein.

Das LRA zog den Bericht des Dr. B. vom 24.09.2012 (Bl. 170 VA) bei.

Der Versorgungsarzt Dr. Z. schlug in der Stellungnahme vom 08.11.2012 (Bl. 171/172 VA) eine höhere Bewertung der seelischen Störung mit einem Teil-GdB von 20 und den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2012 (Bl. 178/180 VA) wies das Regierungspräsidium S.– Landesversorgungsamt – den Widerspruch zurück.

Am 04.01.2013 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG). Es sei eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die die Feststellung eines Gesamt-GdB von 80 rechtfertige, eingetreten, wozu er sich auf das Attest des Dr. B. vom 22.06.2012 bezog.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. sprach sich unter dem 11.03.2013 (Bl. 28/30 SG-Akte) für eine höhere Bewertung des GdB auf seelischem Gebiet und das Fortbestehen der Schwerbehinderteneigenschaft aus. Der Internist Dr. L. gab im Schreiben vom 18.03.2013 (Bl. 31/32 SG-Akte) das Fehlen von Behinderungen auf seinem Fachgebiet an. Der Facharzt für Orthopädie Dr. D. teilte unter dem 20.03.2013 (Bl. 33/34 SG-Akte) mit, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei zwar mit einem GdB von 10 zu bewerten, die Rückstufung der Mobilität um mehr als 20 Prozent von 60 Prozent auf 40 Prozent begründe sich aber nicht durch die verbesserte Beweglichkeit der Hüftgelenke.

Der Kläger teilte ergänzend mit (Bl. 40 SG-Akte), sich lediglich in psychologischer Behandlung befunden zu haben, nicht dagegen in logopädischer oder HNO-ärztlicher Behandlung.

Das SG holte das neurologisch/psychiatrische Gutachten des PD Dr. B. vom 09.01.2014 (Bl. 46/64 SG-Akte) ein. Der Gutachter diagnostizierten einen Zustand nach Totalendoprothese beider Hüftgelenke rechts 05/2009 und links 06/2008, Knie-OP rechts 2004, eine Sprechstörung im Sinne eines klonischen Stotterns sowie eine leichte depressive Episode (DD: Anpassungsstörung) und schätzte den Einzel-GdB auf psychiatrischem Fachgebiet auf 20. Einen Gesamt-GdB von 40 erachtete er für korrekt.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.07.2014 wies das SG die Klage ab.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 05.08.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.08.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Unzutreffend habe das SG den GdB des Klägers unter Zugrundelegung der Versorgungsmedizinischen Verordnung und nach dem Schwerbehindertengesetz mit 30 bewertet.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 23.07.2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 20.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 80 ab dem 19.08.2011 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Herabsetzung des Gesamt-GdB von 60 auf 40 sei durch die Änderung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze durch die Dritte Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 17.12.2010 begründet und durch das Ergebnis der gerichtlichen Beweiserhebung des Vordergerichts bestätigt worden. Aus seiner Sicht seien die Entscheidungsgründe zutreffend.

Auf Antrag des Klägers hat Dr. B. das psychiatrische Gutachten vom 26.02.2016 (Bl. 58/70 der Senatsakten) erstattet und eine leichtgradige depressive Episode (ICD 10: F 32.0) diagnostiziert. Den GdB auf psychiatrischem Fachgebiet hat er mit mindestens 30 und den Gesamt-GdB mit 60 eingeschätzt.

Der Beklagte hat die Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. R. vom 28.04.2016 (Bl. 73/74 der Senatsakte) vorgelegt, der ein Abweichen von der bisherigen Einschätzung nicht vorschlägt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Beklagten vom 12.07.2016, Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26.07.2016).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der vorliegend streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 20.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids bezüglich der Herabsetzung des GdB und der Entziehung des Merkzeichens "G" noch Anspruch auf höhere Feststellung des GdB.

Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten ist formell rechtmäßig. Der Kläger ist vor dessen Erlass mit Schreiben des LRA vom 22.05.2012 ordnungsgemäß angehört worden [§ 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)].

Der Beklagte hat bei dem Kläger wegen des Eintritts einer wesentlichen rechtlichen Änderung den GdB zutreffend mit 40 seit dem 23.07.2012 (statt bisher 60) neu festgestellt. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die Herabsetzung des GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegt im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich und rechtlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um W.stens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt und die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Merkzeichen entfallen sind. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen jeweils unter Anwendung der geltenden rechtlichen Bewertungsmaßstäbe anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29; vgl. dazu auch Senatsurteil vom 27.01.2012 – L 8 SB 1808/11, juris). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5).

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 – 9/9a RVs 1/91, BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 – 9 RVs 4/95, SozR 3 3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 – B 9 SB 3/02 R, BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 – 9a/9 RVs 7/89, BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen – insbesondere § 69 SGB IX – zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.04.2009 – B 9 SB 3/08 R, Rn. 27, 30 m.w.N.). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 Rn. 19 und vom 23.04.2009, a.a.O., Rn. 30).

Eine wesentliche Änderung der maßgebenden Verhältnisse liegt vor. Bei dem Kläger stellte der Beklagte im Bescheid vom 17.02.2010 unter Bewertung der Hüftgelenksendoprothesen beidseits sowie Polyarthralgien mit einem Teil-GdB von 50 den Gesamt-GdB mit 60 fest. Durch die am 22.12.2010 in Kraft getretene Dritte Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 17.12.2010 ist eine wesentliche Änderung der – rechtlichen – Verhältnisse eingetreten. Nach Art. 1 Nr. 2c) dieser Änderungsverordnung ist bei beidseitigen Hüftgelenksendoprothesen der Mindest-GdB nur noch mit 20 statt bisher mit 40 zu bewerten. Aufgrund dieser Änderung der rechtlichen Vorgaben der Bewertung des GdB bei einer Hüftgelenksendoprothese steht dem Kläger entgegen der bisherigen Feststellung des Einzel-GdB wegen der Funktionsbehinderung der Hüftgelenke kein GdB von 50 mehr zu. Vielmehr war nach den zum Zeitpunkt des Ergehens des streitgegenständlichen Herabsetzungsbescheides gültigen VG eine Neubewertung des GdB vorzunehmen.

Nach diesen geänderten rechtlichen Bewertungsvorgaben der VG hat der Beklagte bei dem Kläger die Funktionsbehinderung der Hüftgelenke mit einem Einzel-GdB von 30 zutreffend neu bewertet. Bei dem Kläger ist (lediglich noch) von einem Mindest-GdB von 20 statt bisher 40 wegen der Hüftgelenksendoprothesen beidseits auszugehen. Nach Teil B Nr. 18.12 VG gilt der Mindest-GdB für Endoprothesen bei bestmöglichem Behandlungsergebnis. Bei eingeschränkter Versorgungsqualität sind höhere Werte angemessen. Die Versorgungsqualität kann insbesondere beeinträchtigt sein durch eine Beweglichkeits- und Belastungseinschränkung, eine Nervenschädigung, eine deutliche Muskelminderung oder eine ausgeprägte Narbenbildung. Die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte schließen die bei der jeweiligen Versorgungsart üblicherweise gebotenen Beschränkungen ein. Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke sind nach Teil B Nr. 18.14 VG zu bewerten. Danach führt eine Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) einseitig zu einem GdB von 10 bis 20 und beidseitig zu einem GdB von 20 bis 30. Hiervon ausgehend ist es bei dem Kläger nicht (mehr) gerechtfertigt, wegen der Funktionsbehinderung der Hüftgelenke beidseits weiterhin einen Einzel-GdB von 50 oder von 40 anzunehmen. Nach dem Gutachten des Dr. W. ist die Beweglichkeit der Hüftgelenke in der Streckung/Beugung zwar beidseits auf 0/0/100° eingeschränkt. Eine Einschränkung der Streckung, der nach den dargestellten Bewertungsvorgaben der VG maßgebliche Bedeutung bei der Bewertung des GdB zukommt, besteht beim Kläger jedoch nicht. Für Abspreizen/Anführen ist die Beweglichkeit mit 35/0/20° rechts nicht und mit 20/0/20° links geringgradig eingeschränkt. Die Innenrotation ist beidseits bei einer Beweglichkeit von 30/0/0° für Drehen auswärts/einwärts aufgehoben. Die beschriebenen Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke beidseits rechtfertigen nach den VG mangels Einschränkung der Streckung noch nicht die Annahme einer geringgradigen Bewegungseinschränkung (0/10/90°) mit einem GdB von 20 bis 30. Die Narben sind reizlos; Bewegungsschmerz hat der Gutachter nicht festgestellt. Eine funktionell bedeutsame Nervenschädigung, eine deutliche Muskelminderung oder eine ausgeprägte Narbenbildung wird im Gutachten und den sonstigen medizinischen Unterlagen nicht beschrieben. Ein medizinisch nicht ordnungsgemäßer Sitz oder eine Lockerung der Endoprothesen ist nicht ersichtlich. Nach dem Bericht des Dr. D. vom 02.02.2011 (Bl. 131 VA), zu dem sich nach seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 20.03.2013 keine wesentlichen Änderungen ergeben haben, zeigen sich die Hüfttotalendoprothesen stabil. Der Senat erachtet es damit – mit dem Beklagten und dem SG – für ausreichend und angemessen, wegen der Funktionsbehinderung der Hüftgelenke des Klägers von einem Teil-GdB von 30 auszugehen. Soweit Dr. D. im Schreiben vom 20.03.2013 darauf hingewiesen hat, die verbesserte Beweglichkeit begründe nicht die Rückstufung des GdB, folgt daraus nichts anderes. Die Neubewertung des GdB beruht entgegen der Annahme des Dr. D. nicht auf einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse wie einer verbesserten Beweglichkeit, sondern auf der Änderung der rechtlichen Bewertungsvorgaben. Die herabgesetzte Belastbarkeit der unteren Extremitäten, die nach den Ausführungen des Dr. D. fortbesteht, sowie eine radikuläre Schmerzsymptomatik ist bei Ansatz eines Teil-GdB von 30 bei der im Übrigen guten Funktionalität der Hüftgelenksendoprothesen hinreichend bewertet.

Im Funktionssystem Rumpf ist für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule des Klägers weiterhin ein Einzel-GdB von 10 angemessen. Eine relevante Verschlimmerung ist nicht ersichtlich. Nach Teil B Nr. 18.9 VG bedingen Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität keinen GdB, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 10 und erst bei Vorliegen mittelgradiger funktioneller Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen GdB von 20. Nach den Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. L. haben sich hinsichtlich der Lendenwirbelsäulenbeschwerden keine Änderungen ergeben. Nach seinen Ausführungen treten die Beschwerden spontan und belastungsabhängig auf. Dr. D. hat das Vorliegen eines radikulären Lumbalsyndroms bei multisegementaler Osteochondrose der Lendenwirbelsäule angegeben. Die Bewertung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem GdB von 10 entspricht seiner Einschätzung. Ein pseudoradikuläres Lumbalsyndroms war bereits während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2008 diagnostiziert worden (Bericht der Breisgau-Klinik vom 18.04.2008, Bl. 122/130 VA). Dabei wurde im Bereich der Wirbelsäule kein paravertebraler Hartspann, kein Druckschmerz und keine wesentliche Bewegungslimitierung festgestellt. Das Ott‘sche Zeichen wurde mit 30/32 cm, der Schober mit 10/14 cm und der Finger-Boden-Abstand mit 5 cm ermittelt. Nach dem Bericht des Dr. Skerhut vom 17.11.2009 (Bl. 119 VA) handelt es sich um geringe Degenerationen der unteren LWS. Hinweise auf eine höhergradige spinale bzw. foraminäre Stenose, einen Bandscheibenvorfall oder eine Wurzelkompression lagen nicht vor. Dr. W. hat im Gutachten vom 26.03.2012 im Bereich der Wirbelsäule keinen Klopfschmerz und eine regelrecht entwickelte paravertebrale Streckmuskulatur festgestellt. Die Wirbelsäulenbeweglichkeit war in allen Abschnitten frei. Auch Hinweise auf neurologische Ausfälle ergeben sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht. Dr. B. hat im Gutachten vom 09.01.2014 das Fehlen von Hinweisen auf eine zentrale oder periphere neurologische Störung angegeben. Insgesamt kann danach keine Änderung hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule festgestellt werden. In den Gutachten von Dr. B. vom 09.01.2014 und Dr. B. vom 26.02.2016 sind auch keine Beschwerdeangaben des Klägers bezüglich der Wirbelsäule beschrieben. Wenigstens mittelgradige funktionelle Auswirkungen im Bereich der beim Kläger allein betroffenen Lendenwirbelsäule sind somit nicht festzustellen.

Neu zu berücksichtigen ist beim Kläger eine seelische Störung. Diese bedingt einen Teil-GdB von 20. Nach den Gutachten von Dr. B. und Dr. B. sowie den Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. B. besteht beim Kläger eine depressive Störung. Eine schizophrene oder affektive Psychose ist beim Kläger nicht ersichtlich. Die Bewertung hat daher entgegen der Annahme des Dr. B. nicht nach Teil B Nr. 3.6 VG, wo die Bewertung schizophrener und affektiver Psychosen geregelt ist, zu erfolgen, sondern nach Teil B Nr. 3.7 VG. Danach ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten. Das Bestehen einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit kann der Senat nicht feststellen. Die Gutachter Dr. B. und Dr. B. haben jeweils nur eine leichte depressive Episode diagnostiziert. Der von den Gutachtern erhobene psychische Befund weicht ebenfalls nicht relevant voneinander ab. Nach dem von Dr. B. erhobenen psychischen Befund war die Stimmung des Klägers leicht zum depressiven Pol hin ausgelenkt, der Kläger affektiv mäßig modulationsfähig auslenkbar. Der Kläger wirkte etwas antriebsgemindert. Mnestische Störungen bestanden nicht. Insgesamt war der psychische Befund weitgehend normal. Dem entsprach auch die Selbsteinschätzung des Klägers nach dem Beck`s Depressions-Inventar, wonach ein Normalbefund vorlag. Auch Dr. B. hat keine Hinweise auf Störungen von Orientierung, Merkfähigkeit, Konzentration oder Auffassungsgabe erhoben. Die Stimmung wirkte ins Depressive verschoben. Die Affektmodulation war eingeschränkt, insgesamt jedoch auslenkbar sowie extern triggerbar. Danach ist die Annahme einer leichten psychischen Störung überzeugend. Dagegen ist die Annahme einer ausgeprägteren depressiven Störung im Sinne einer stärker behindernden Störung nicht plausibel. Die Einschätzung von Dr. B., dessen Annahme eines GdB von 30 eine solche Störung voraussetzt, ist insoweit nicht überzeugend. Schon dessen Diagnose einer nur leichtgradigen depressiven Episode spricht gegen das Vorliegen einer stärker behindernden Störung. Aus welchen Befunden der Gutachter mittelgradige Funktionseinschränkungen in der Teilhabe am öffentlichen Leben herleitet, ist für den Senat nicht ersichtlich. Angaben zur Tagesgestaltung des Klägers finden sich in dem Gutachten nicht. Dagegen hat Dr. B. ausgeführt, dass der Kläger als Fahrer und Kurierdienst für eine Apotheke auf Basis von 100 bis 110 Stunden monatlich arbeite, wobei er mit der Tätigkeit gut zurecht komme. Nach den Ausführungen des Dr. B. hat der Kläger diese Tätigkeit sogar auf ca. 120 Stunden im Monat erweitert. Darüber hinaus verrichtet der Kläger nach dem Gutachten des Dr. B. im Unternehmen seiner Vermieterin unentgeltlich kleinere Tätigkeiten, Aufräumarbeiten, Rasenmähen und ähnliches. Er geht gerne spazieren und ist gelegentlich am Bodensee. Anfang November 2013 war er 5 Tage in Kroatien, wo er seine Mutter und den Friedhof besucht und er die Fahrt mit dem Auto ohne Begleitung gemacht hat. Diese Aktivitäten sprechen gegen das Vorliegen einer relevanten Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, worauf auch Dr. B. geschlossen hat. Im Gegensatz dazu hat sich Dr. B. nicht damit auseinandergesetzt, inwieweit sich in der Lebensgestaltung des Klägers eine Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zeigt. Seine Einschätzung beruht offenbar lediglich auf den Angaben des Klägers, der seinen psychischen Zustand auf seit 2011 gestiegene Belastungsfaktoren im beruflichen und privaten Umfeld mit der Folge einer schlechten Stimmung, eines reduzierten Antriebs und schlechten Schlafes zurückführt. Dass ein Gewichtsverlust zwischen 2011 und 2012 von 5 bis 7 kg auch im Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. B. am 04.12.2015 für das (Fort-)Bestehen einer stärker behindernden Störung sprechen würde, ist für den Senat nicht plausibel. Nach den Ausführungen des Dr. B. findet eine medikamentöse Behandlung nicht statt. Vielmehr habe der Kläger das Medikament Citalopram, welches er zu einer früheren (nicht genannten) Zeit über ein Jahr eingenommen habe, bei klinischer Besserung abgesetzt. Diese Angaben sprechen gegen das Vorliegen einer andauernden stärker behindernden Störung. Nicht zutreffend sind die Ausführungen des Dr. B., dass der Aspekt der antidepressiven Medikation für den GdB unerheblich sei, da das Fehlen einer antidepressiven Therapie gegen einen entsprechender Leidensdruck des Klägers, der bei einer stärker behindernden psychischen Störung zu erwarten wäre, spricht (vgl. auch Senatsurteil vom 17.12.2010 – L 8 SB 1549/10, juris Rn. 31). Nachvollziehbar ist vielmehr die Einschätzung des Dr. B., wonach lediglich zeitweise eine mäßiggradig ausgeprägte depressive Symptomatik, die partiell auch durch die vollzogene Trennung von der Familie bedingt war, vorgelegen hat, fortbestehend jedoch nur von einer leichten depressiven Symptomatik auszugehen ist. Vor diesem Hintergrund kann jedoch nicht von im durchschnittlichen Ausmaß (vgl. Teil A Nr. 2 f) VG) mittelgradigen psychischen Funktionsbeeinträchtigungen ausgegangen werden. Etwas anderes folgt auch nicht aus den Angaben des sachverständigen Zeugen Dr. B., der das Bestehen einer anhaltenden mittelschwer ausgeprägten depressiven Störung mit sozialer Desintegration angegeben hat. Eine derart schwere Störung kann aufgrund seiner Angaben nicht objektiviert werden. Konkrete Befunde lassen sich seinen Ausführungen nicht entnehmen. Der sachverständige Zeuge hat lediglich Beschwerdeangaben des Klägers unkritisch mitgeteilt, anhand derer allein jedoch nicht das tatsächliche Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden kann. Im Übrigen spricht auch die geringe Häufigkeit von nur 8 Behandlungen durch Dr. B. zwischen 26.04.2011 und 19.11.2012 und das Fehlen weiterer Behandlungen jedenfalls bis zur Beantwortung der Beweisfragen durch Dr. B. unter dem 11.03.2013 gegen eine fortdauernde stärker behindernde Störung. Vielmehr wird vor dem Hintergrund der nach dem Gutachten des Dr. B. nach Besserung der Symptomatik abgesetzten Medikation die Annahme einer allenfalls vorübergehenden, nicht aber einer durchschnittlich schwerer ausgeprägten Symptomatik gestützt.

Die beim Kläger vorliegende Sprechstörung ist mit einem Teil-GdB von 20 angemessen bewertet. Artikulationsstörungen betreffen das Funktionssystem von Mundhöhle, Rachenraum und oberen Luftwegen und sind nach Teil B Nr. 7.11 VG zu bewerten. Danach bedingt leichtes Stottern einen GdB bis zu 10, mittelgradiges, situationsabhängige Stottern einen GdB von 20, schweres Stottern mit auffälligen Mitbewegungen einen GdB von 30 bis 40 und mit unverständlicher Sprache einen GdB von 50. Außergewöhnliche psychoreaktive Störungen einschließlich somatoformer Störungen sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen. Nach den übereinstimmenden Feststellungen von Dr. B. und Dr. B. handelt es sich beim Kläger um ein klonisches Stottern, wobei bei der Sprachinitiierung kompensatorische Bewegungen des Unterkiefers und der mimischen Muskulatur mit entsprechenden repetitiven Lauten auftreten, das weitere Reden dann aber mit regelrechter verbaler Flüssigkeit und verbaler Geschwindigkeit problemlos möglich ist. Die Sprechstörung des Klägers weist danach zwar Mitbewegungen auf, tritt jedoch nur bei der Sprachinitiierung auf, sodass die Einordnung als mit einem GdB von 20 zu bewertendes mittelgradiges, situationsabhängiges Stottern für den Senat überzeugend ist.

Sonstige zu berücksichtigende neue Gesundheitsstörungen sind nicht belegt und werden im Übrigen vom Kläger auch nicht (substantiiert) geltend gemacht.

Danach war der Beklagte berechtigt, bei dem Kläger den Gesamt-GdB von 60 auf 40 herabzusetzen. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP bzw. der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.

Hiervon ausgehend sind bei der Bildung des Gesamt-GdB die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine (Hüftgelenke, Polyarthralgie) mit einem Einzel-GdB von 30, die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem von Gehirn einschließlich Psyche (seelische Störung) mit einem Einzel-GdB von 20, die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Mundhöhle, Rachenraum und obere Luftwege (Sprechstörung) mit einem Einzel-GdB von 20 sowie die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem Rumpf (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule) mit einem Einzel-GdB von 10 zu berücksichtigen. Diese Einzel-GdB rechtfertigen nicht die Bildung des GdB von mehr als 40. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der seelischen Störung und der Sprechstörung, die jeweils nur mit Einzel-GdB von 20 zu bewerten sind, lediglich um zwei leichte Funktionsbeeinträchtigungen handelt, so dass diese nicht geeignet sind, den Einzel-GdB von 30 im Funktionssystem der Beine soweit zu erhöhen, dass die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt wäre. Soweit aus den Ausführungen des Dr. B., der Kläger könne aufgrund seiner eingeschränkten Artikulationsfähigkeit und dem durch die depressive Symptomatik nachzuvollziehenden Rückzugsverhalten doppelt erschwert in Kontakt treten, die Auffassung zu entnehmen ist, dass die Sprechstörung die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund der seelischen Störung verstärke, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr sind in dem berücksichtigten GdB-Wert für das Stottern die üblichen seelischen Begleiterscheinungen bereits mit umfasst (vgl. Teil A Nr. 2 i) VG). Da gleichzeitig die bestehenden im Funktionssystem Psyche zu bewertenden seelischen Beeinträchtigungen nur insgesamt, d.h. auch unter Einbeziehung der durch das Stottern üblicherweise bestehenden Hemmungen in der Kontaktaufnahme und Rückzugsverhalten festgestellt und bewertet werden können, bestehen insoweit Überschneidungen. Eine insoweit bestehende Doppelbewertung seelischer Beeinträchtigungen ist bei der Bildung des Gesamt-GdB zu bereinigen.

Liegt mit dem festgestellten GdB von 40 eine Schwerbehinderteneigenschaft (§ 2 Abs. 3 SGB IX) nicht mehr vor, kommt auch eine weitere Zuerkennung des Merkzeichens G schon aus diesem Grund nicht mehr in Betracht (§§ 145 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 146 SGB IX).

Ist damit ausgehend von der zuvor dargestellten GdB-Bemessung nach Inkrafttreten der Dritten Verordnung zur Änderung der VersMedV zum 22.12.2010 zum Bescheid vom 17.02.2010 eine wesentliche Änderung eingetreten (GdB 40 statt 60, nunmehr kein Merkzeichen G mehr), durfte der Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X den Bescheid vom 17.02.2010 mit Wirkung für die Zukunft – mithin ab Bekanntgabe des Bescheids vom 20.07.2012 am 23.07.2012 (vgl. § 37 Abs. 2 SGB X) – aufheben und durch die Zuerkennung des GdB von 40 ab 23.07.2012 ohne Merkzeichen G ersetzen.

Der Kläger hat mit dem vom Senat festgestellten GdB von 40 auch keinen Anspruch auf höhere Feststellung des GdB, weshalb seine Berufung auch insoweit erfolglos bleibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. B. vom 26.02.2016 sowie die baren Auslagen des Klägers, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2006 – L 1 U 3854/06 KO-B, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de; Urteil des Senats vom 23.11.2012 – L 8 U 3868/11, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Der Kläger hat diese daher endgültig selbst zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 RdNr. 11).

Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Dr. B. auf die Staatskasse zu übernehmen. Der Senat ist der gutachterlichen Beurteilung von Dr. B. nicht gefolgt. Damit hat das Gutachten von Dr. B. keinen wesentlichen Beitrag zur Sachaufklärung erbracht und gemessen am Prozessziel des Klägers den Rechtstreit auch nicht gefördert.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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