L 10 U 4216/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 1414/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4216/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 02.09.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 15.07.1997 streitig.

Der am 1961 geborene Kläger erlitt in der Vergangenheit mehrere Unfälle mit Schädel- bzw. Halswirbelsäulen(HWS)-Beteiligung, so im Jahr 1976 anlässlich eines Fahrradsturzes (Diagnosen u.a.: Gehirnerschütterung und Nasenbeinfraktur, vgl. Durchgangsarztbericht vom 08.10.1976, Bl. 12 Verwaltungsakte -VA -) und im Jahr 1984 anlässlich eines Auffahrunfalles (Diagnosen: leichte Schädelprellung mit Platzwunde im Bereich des rechten Oberlides sowie der rechten Unterlippe, vgl. Durchgangsarztbericht vom 26.11.1984, Bl. 19 VA; s. hierzu das Urteil des Senats vom heutigen Tag, L 10 U 4165/15).

Wegen HWS-Beschwerden war der Kläger ab 1991 wiederkehrend arbeitsunfähig (vgl. Leistungsverzeichnis A. Baden-Württemberg: Arbeitsunfähigkeit im Juli und August 1991 wegen eines Schulter-Nacken-Syndroms, im März und November 1993, Januar 1994 und Juli 1995 wegen eines HWS-Syndroms, 64 ff. VA) und in ärztlicher Behandlung (vgl. Auskünfte des PD Dr. P. , Facharzt für Chirurgie, Bl. 8 ff. VA und des Orthopäden Dr. L. , Bl. 65 ff. VA). Wegen psychischer Beschwerden war der Kläger erstmals im April und Mai 1996 arbeitsunfähig (vgl. 66 VA: "Funktionsstörung psychischen Ursprungs").

Am 15.07.1997 stürzte der Kläger auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad und zog sich hierbei eine Platzwunde am Kinn und oberflächliche Schürfungen an beiden Händen und über dem rechten Kniegelenk zu (vgl. Durchgangsarztbericht Dr. A. vom 16.07.1997, Bl. 24 VA). Es bestand kein Anhalt für eine Gehirnerschütterung, weshalb auf röntgenologische Untersuchungen verzichtet wurde. Arbeitsunfähigkeit wurde bis 19.07.1997 bescheinigt. Der Allgemeinmediziner und Hausarzt des Klägers Dr. B. beendete die Heilbehandlung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15.07.1997 zum 25.07.1997 mit dem Fädenziehen (vgl. Bl. 114 VA). Im Anschluss an den Arbeitsunfall befand sich der Kläger von Juli bis September 1997 in osteopathischer Behandlung der Halswirbelsäule bei dem Heilpraktiker S. (vgl. Bescheinigung vom 10.02.2010, Bl. 48 VA: Behandlungen am 16.07.1997, 06.08.1997 und 24.09.1997, sowie Schreiben vom 16.01.2011, Bl. 55 VA).

Am 02.08.2010 stieß sich der Kläger bei der Arbeit den Kopf an einer Metallverstrebung und erlitt dabei eine Gehirnerschütterung und eine oberflächliche Schürfwunde am Kopf (vgl. Durchgangsarztbericht vom 03.08.2010, Bl. 182 VA). Nachdem der Kläger multiple Beschwerden geltend gemacht hatte, holte die Beklagte ein Gutachten der Dr. H. , Ärztin für Neurologie und Psychiatrie (psychische Erkrankungen des Klägers seit 1996, Diagnose: - bei erheblicher Beschwerdeausgestaltung - eine auf dem Boden einer primär erhöhten psychischen Vulnerabilität und wunschbedingten Vorstellungen entwickelte und somit unfallunabhängige Konversionsstörung) sowie dem HNO-Arzt Dr. Z. (keine Unfallfolgen auf hno-ärztlichem Fachgebiet) ein und lehnte hierauf gestützt die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 02.08.2010 ab. Dagegen rief der Kläger - jeweils erfolglos - das Sozialgericht Mannheim (S 12 U 1824/12) und anschließend das Landessozialgericht (Beschluss vom 30.11.2015, L 10 U 341/14) an. Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) holte der Senat damals ein Gutachten bei Dr. M. , Facharzt für Neurologie, ein. Dieser diagnostizierte auf Grund einer Untersuchung des Klägers im November 2014 eine Somatisierungsstörung, welche nicht durch das Kopfanpralltrauma im Rahmen des Unfalls vom 02.08.2010 verursacht worden sei. In seinem Gutachten nahm Dr. M. darüber hinaus auch Stellung zu dem Arbeitsunfall vom 15.07.1997, und führte hierzu aus, dass eine Somatisierungsstörung generell nicht durch ein Kopftrauma, welches - wenn überhaupt - maximal die Kriterien einer leichten Gehirnerschütterung erfülle, erklärt werden könne. Verbliebene Unfallfolgen seien weder infolge des Arbeitsunfalles vom 02.08.2010 noch infolge der anderen drei Unfälle erkennbar. Dem entsprechend sah Dr. M. auch keine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).

Nachdem der Kläger im Juli 2011 über aus seiner Sicht aus dem Arbeitsunfall vom 15.07.1997 resultierende Kopfschmerzen und Schmerzen im Schulter- und HWS-Bereich mit Bewegungseinschränkungen berichtet hatte, leitete die Beklagte Ermittlungen zu dem Arbeitsunfall vom 15.07.1997 ein und zog u.a. die Gutachten der Dr. H. und des Dr. M. bei.

Mit Bescheid vom 05.02.2015 und Widerspruchsbescheid vom 08.04.2015 anerkannte die Beklagte das Ereignis vom 15.07.1997 als Arbeitsunfall und als Unfallfolgen eine folgenlos ausgeheilte Platzwunde am Kinn, Schürfungen an beiden Händen und am rechten Kniegelenk, lehnte jedoch - gestützt auf das Gutachten des Dr. M. - einen Anspruch auf Verletztenrente sowie die Anerkennung einer Somatisierungsstörung als Unfallfolge ab.

Hiergegen hat der Kläger am 12.05.2015 Klage zum Sozialgericht Mannheim erhoben und geltend gemacht, die erlittenen Unfallfolgen - Platzwunde am Kinn, Schürfungen an beiden Händen und am rechten Kniegelenk - seien nicht folgenlos ausgeheilt. Es sei nicht auszuschließen, dass die Somatisierungsstörung und die Wesensänderung durch den Arbeitsunfall mitbegünstigt worden seien. Eine Gesichtsverletzung schließe eine Contre-Coup-Verletzung, die geeignet sei eine Somatisierungsstörung auszulösen, nicht aus.

Das Sozialgericht hat die auf Verletztenrente gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.09.2015 abgewiesen und zur Begründung - gestützt auf die Gutachten der Dr. H. und des Dr. M. - ausgeführt, dass der Arbeitsunfall vom 15.07.1997 nicht zu schweren Schäden, insbesondere zu keiner Contre-Coup-Verletzung (= Hirnprellung auf der der Schlageinwirkung gegenüberliegenden Seite) mit daraus resultierender Wesensänderung geführt habe. Das Unfallereignis habe keine anhaltenden Gesundheitsstörungen verursacht. Vielmehr sei beim Kläger eine unfallunabhängige Konversionsstörung auf dem Boden einer primären Persönlichkeitsproblematik bzw. einer ebenfalls unfallunabhängigen Somatisierungsstörung zu diagnostizieren, wodurch sich auch die vom Kläger proklamierte Wesensänderung sowie weitere nervenärztliche Auffälligkeiten zwanglos erklären ließen. Der Fahrradsturz habe auch nicht zu einer überdauernden Schädigung der HWS geführt. Zwar sei der Kläger zwischen Juli und September 1997 an der HWS drei Mal osteopathisch behandelt worden. Dass die bereits zuvor vorhandenen degenerativen HWS-Veränderungen durch das Unfallgeschehen eine richtungweisende Verschlimmerung erfahren hätten, sei mangels struktureller unfallbedingter Verletzungen im Bereich der HWS nicht erkennbar.

Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 09.09.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 07.10.2015 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt und geltend gemacht, dass ein beim Fahrradsturz erlittenes Schädel-Hirn-Trauma nicht ausgeschlossen werden könne. Er sei auf den Kopf gefallen, was sich an der Verletzung am Kinn zeige. Insofern könne sehr wohl eine Contre-Coup-Verletzung stattgefunden haben. Die Konversionsneurose sei mittelbare Unfallfolge.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 02.09.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 05.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2015 zu verurteilen, ihm Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalles vom 15.07.1997 nach einer MdE um mindestens 20 v.H. bzw. 10 v.H. unter Berücksichtigung eines Stützrententatbestandes zu gewähren,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Die Klage, gerichtet auf die Gewährung einer Verletztenrente auf Grund des Arbeitsunfalls vom 15.07.1997, ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Sie ist indes unbegründet. Die Beklagte lehnte zu Recht mit den angefochtenen Bescheiden vom 05.02.2015 und 08.04.2015 die Zahlung einer Verletztenrente ab, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliege.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Vorliegend steht auf Grund insoweit bestandskräftiger Entscheidung der Beklagten vom 05.02.2015 fest, dass der Kläger am 15.07.1997 einen Arbeitsunfall erlitt. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers war indes infolge dieses Arbeitsunfalls nicht über die 26. Woche hinaus um wenigstens 10 v.H. gemindert. Der Kläger zog sich nämlich beim Arbeitsunfall (lediglich) eine Platzwunde am Kinn und oberflächliche Schürfungen an beiden Händen und über dem rechten Kniegelenk zu, die binnen weniger Tage ausheilten und keine MdE begründeten und begründen. Die vom Kläger geltend gemachten weiteren Beschwerden können nicht auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden. Dies entnimmt der Senat den Gutachten von Dr. H. und Dr. M ...

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Der Kläger selbst führt Kopfschmerzen und Schmerzen im Schulter- und HWS-Bereich mit Bewegungseinschränkungen (vgl. das Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 11.07.2011, Bl. 62 VA), eine Konversionsneurose bzw. Somatisierungsstörung und eine Wesensveränderung (vgl. Bl. 18 SG-Akte bzw. Bl. 3 LSG-Akte) auf das Unfallereignis zurück. Zur Überzeugung des Senats sind die beim Kläger bestehenden Beschwerden zwar auf eine Konversionsstörung (so Dr. H. ), gegebenenfalls im Sinne einer somatoformen Störung (so Dr. M. ), zurückzuführen, die jedoch nicht wesentlich ursächlich durch den Arbeitsunfall vom 15.07.1997 verursachte wurde. Dr. H. - wie im Ergebnis auch Dr. M. - verweist zutreffend auf das Fehlen jedweder Hinweise für ein morphologisches Korrelat der beklagten Störungen und zieht daraus nachvollziehbar den Schluss auf eine dissoziative Störung, begründet in der primären Persönlichkeitsproblematik des Klägers.

Die unmittelbar nach dem Arbeitsunfall stattgehabte Diagnostik mit klinischer Untersuchung ergab keinen morphologischen Befund, der mit den beklagten Beschwerden korrelieren würde. So stellte der D-Arzt Dr. A. unmittelbar nach dem Unfallgeschehen lediglich eine 2,5 cm lange, gering blutende, dehiszente Platzwunde am Kinn sowie oberflächliche Schürfungen an beiden Händen und über dem rechten Kniegelenk fest (vgl. Bl. 24 VA). Es bestand kein Anhalt für eine Gehirnerschütterung, nach den Angaben des Klägers lag auch keine Bewusstlosigkeit vor. Mangels klinischem Befund wurde auf die Durchführung einer röntgenologischen Untersuchung verzichtet und Arbeitsunfähigkeit lediglich bis 19.07.1997 bescheinigt. Korrespondierend hierzu teilte Dr. B. , Hausarzt des Klägers, ein Behandlungsende wegen der Unfallfolgen zum 25.07.1997 (Fädenziehen, zuvor drei Termine lediglich wegen Verbandswechsel) mit. Diese Unfallfolgen waren damit ausgeheilt.

Zwar befand sich der Kläger von Juli bis September 1997 jeweils einmal pro Monat in osteopathischer Behandlung der HWS bei dem Heilpraktiker S. , der von einer Wirbelsäulenstauchung mit Schleudertrauma der HWS in Folge des Fahrradunfalls berichtete (vgl. Bl. 48, 55 VA). Einen Zusammenhang zwischen den noch bestehenden HWS-Beschwerden des Kläger und dem Arbeitsunfall vom 15.07.1997 hat das Sozialgericht dennoch zutreffend verneint. Überzeugende Anhaltspunkte dafür, dass die damals bestehenden Beschwerden Ursache für die nunmehr geklagten HWS-Beschwerden des Klägers sind, ergeben sich auch für den Senat nicht. Bereits das Sozialgericht hat - unter Bezugnahme auf die Auskunft des Dr. L. (erstmalige Behandlung wegen HWS-Beschwerden bereits im Januar 1993, vgl. Bl. 165 VA) - zutreffend darauf hingewiesen, dass bereits vor dem Arbeitsunfall vom 15.07.1997 behandlungsbedürftige degenerative Veränderungen der HWS bestanden. Ergänzend hierzu verweist der Senat auf die Auskunft des PD Dr. P. , der von einem chronischen, behandlungsbedürftigen Schmerzsyndrom im Bereich der HWS seit dem im Jahr 1976 erlittenen Arbeitsunfall berichtete (vgl. Bl. 10 VA). Dementsprechend sind auch dem Leistungsverzeichnis der A. bereits Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vor dem hier streitigen Arbeitsunfall im Jahr 1997, nämlich im Juli und August 1991 wegen eines Schulter-Nacken-Syndroms sowie im März und November 1993, Januar 1994 und Juli 1995 wegen eines HWS-Syndroms zu entnehmen. Unter Berücksichtigung dieser Auskünfte ist das Sozialgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass mangels struktureller unfallbedingter Verletzungen im Bereich der HWS eine richtungweisende Verschlimmerung der vorbestehenden HWS-Beschwerden nicht feststellbar ist. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an. Im Übrigen macht auch der Kläger selbst im Berufungsverfahren keine HWS-Beschwerden mehr als Unfallfolgen geltend. Er räumt vielmehr ein, dass er in Gefolge des Unfalls vom 15.07.1997 (nur) dreimal osteopathisch behandelt wurde.

Der Kläger behauptet vielmehr einen wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und seiner psychischen Erkrankung, der Konversionsneurose (so Dr. H. ) bzw. der Somatisierungsstörung (so Dr. M. ) sowie einer Wesensänderung traumatischer Art infolge einer Contre-Coup-Verletzung bzw. eines Schädel-Hirn-Traumas.

Vorliegend steht fest, dass ein schweres Gehirntrauma im Sinne einer Contre-Coup-Verletzung bzw. eines Schädel-Hirn-Traumas gerade nicht vorlag. Bei der Behauptung des Klägers, es habe eine Contre-Coup-Verletzung (= Hirnprellung auf der der Schlageinwirkung gegenüberliegenden Seite, so das Sozialgericht) bzw. ein Schädel-Hirn-Trauma stattfinden können, da er auf den Kopf gefallen sei, was sich wiederum aus der Platzwunde am Kinn - als Teil des Kopfes - ergebe, handelt es sich um reine Spekulation. Eine derartige massive Gewalteinwirkung auf das Gehirn des Klägers ist - wie soeben dargelegt und worauf auch bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat - nicht nachgewiesen. Bei der klinischen Untersuchung am Unfalltag ergaben sich gerade keine Anhaltspunkte für eine Gehirnerschütterung, sodass sogar auf eine röntgenologische Untersuchung verzichtet wurde. Das tatsächliche Vorliegen einer Contre-Coup-Verletzung bzw. eines Schädel-Hirn-Traumas behauptet im Übrigen auch der Kläger selbst nicht. Er trägt lediglich die bloße Möglichkeit vor, es habe eine Contre-Coup-Verletzung stattfinden können (vgl. Bl. 3 LSG-Akte) bzw. ein Schädel-Hirn-Trauma könne nicht ausgeschlossen werden (vgl. Bl. 2 LSG-Akte). Dies ist indes - wie bereits dargelegt - für den im Unfallversicherungsrecht geforderten Vollbeweis nicht ausreichend.

Auch ergeben sich - so das Sozialgericht unter Bezugnahme auf die Gutachten der Dr. H. und des Dr. M. zutreffend - keine ausreichenden Anhaltpunkte dafür, dass der Arbeitsunfall vom 15.07.1997 anhaltende psychische Gesundheitsstörungen verursachte. Dr. H. legte überzeugend dar, dass beim Kläger schon seit vielen Jahren eine erhöhte psychische Vulnerabilität mit der Neigung zu depressiven Episoden und zur körperlichen Symptombildung vorlag. Eine erhöhte psychische Vulnerabilität belegte Dr. H. durch die Auswertung des Entlassungsberichts über die stattgehabte stationäre Reha-Maßnahmen auf psychosomatischem Gebiet (vgl. Bl. 141 VA). So befand sich der Kläger bereits 1996 - und damit bereits vor dem Arbeitsunfall vom 15.07.1997 - sechs Wochen stationär in der Psychosomatischen Klinik St. B. bei der Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms vor dem Hintergrund eines depressiven Erschöpfungszustandes. Das bei der früheren Krankenkasse des Klägers, der S. BKK, angeforderte Vorerkrankungsverzeichnis für den Zeitraum 1998 bis 2006 weist in der Folgezeit eine depressive Episode erst wieder im Jahr 2003 mit zehn Tagen Arbeitsunfähigkeit, eine Dysthymie 2005 mit 15 Tagen Arbeitsunfähigkeit und nochmals eine depressive Episode 2006 mit neun Tagen Arbeitsunfähigkeit auf (Akten-ID 4, S. 10 f. VA). Im März 2005 erfolgte in der Psychosomatischen Klinik St. B. eine neuerliche Aufnahme wegen verschiedener körperlicher Beschwerden wie Kopfschmerzen, Halsproblemen, Schlafproblemen etc. unter der Diagnose einer Somatisierungsstörung und Dysthymia bei seit mehreren Jahren anhaltender Neigung zu depressiven Verstimmungen (vgl. Bl. 141 VA). Eine weitere stationäre Behandlung erfolgte im Herbst 2007 in der Psychosomatischen Klinik Bad N ... Aufnahmegrund waren diesmal Depressionen, Angstzustände sowie Schlafprobleme (vgl. Bl. 141 VA). In der Zusammenschau der Vorgeschichte ist damit, so Dr. H. , festzuhalten, dass bei dem Kläger bereits seit vielen Jahren immer wieder psychische Befindlichkeitsstörungen auftraten. Diese umfassten zum einen depressive Symptome mit Erschöpfungszuständen, zum anderen jedoch auch wechselnde körperliche Beschwerden. Vor dem Hintergrund der in der Mehrzahl der Arztberichte anklingenden deutlich ausgestaltet dargebotenen Symptomatik, welche auch Dr. H. selbst im Rahmen ihrer Untersuchung feststellte und die auch Dr. M. bestätigte, gelangte Dr. H. schlüssig und nachvollziehbar zur Diagnose einer Konversionsstörung, die sich auf dem Boden einer primär erhöhten psychischen Vulnerabilität entwickelte.

Anhaltpunkte dafür, dass es durch den hier streitgegenständlichen Arbeitsunfall vom 15.07.1997 zu einer Dekompensation bzw. einer richtunggebenden Verschlimmerung der vorbestehenden psychischen Erkrankung kam, ergeben sich für den Senat aus den Ausführungen der Dr. H. nicht. Dagegen spricht vielmehr der von Dr. H. dargestellte Verlauf der psychischen Erkrankung, insbesondere die fehlende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit wegen psychischer Erkrankungen zeitnah nach dem hier streitigen Arbeitsunfall. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit wegen psychischer Erkrankungen nach dem Arbeitsunfall vom 15.07.1997 traten vielmehr erst wieder ab dem Jahr 2003 ein (vgl. Akten-ID 4, S. 10 VA). Dr. H. legte insoweit überzeugend dar, dass es dem Kläger in der Vergangenheit bis zum Arbeitsunfall im Jahr 2010 regelmäßig immer wieder gelang, trotz seiner Beschwerden an den Arbeitsplatz zurückzukehren und sowohl beruflich als auch im Alltag zu "funktionieren". Erst der Arbeitsunfall vom August 2010 - so Dr. H. - brachte danach das fragile psychische Gleichgewicht des Klägers zur Dekompensation mit der Entwicklung einer Fülle von Beschwerden ohne organisch überzeugende Erklärungen und bot dem Kläger eine umfassende Regressionsmöglichkeit.

Eine hiervon abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht auf Grund des im früheren Berufungsverfahren L 10 U 341/14 auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers eingeholten Gutachtens des Dr. M ... Dieser gelangte vielmehr zu einer mit Dr. H. , so explizit der Sachverständige, übereinstimmenden Beurteilung. Dr. M. bejahte bei dem Kläger (lediglich) eine Somatisierungsstörung, welche die vom Kläger beklagte Symptomatik umfänglich erklärt. Dabei, so der Sachverständige, entspricht die vom Kläger beklagte Beschwerdesituation lehrbuchartig dem Krankheitsbild einer Somatisierungsstörung; so existiert praktisch kein Organ, welches nicht mit mindestens einem Symptomenkomplex belegt wäre. Diese Somatisierungsstörung, so auch der Sachverständige, kann dabei nicht auf das erlittene Kopftrauma zurückgeführt werden, weshalb Dr. M. noch bestehende Unfallfolgen auch infolge des Arbeitsunfalls vom 15.07.1997 ausdrücklich verneinte.

Das Unfallereignis vom 15.07.1997 war daher bereits nicht im naturwissenschaftlichen Sinne ursächlich für die psychische Erkrankung des Klägers.

Im Ergebnis gelangt der Senat somit zu der Überzeugung, dass beim Kläger keine Gesundheitsstörungen vorliegen, die auf den hier streitigen Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Mit dem Arbeitsunfall im Zusammenhang standen lediglich die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid bereits anerkannten Gesundheitserstschäden in Form von einer Platzwunde am Kinn, Schürfungen an beiden Händen und am rechten Kniegelenk. Dauerhafte funktionelle Einschränkungen ergaben und ergeben sich hieraus nicht. Eine MdE über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus hat zu keinem Zeitpunkt bestanden. Damit scheidet auch ein Anspruch auf Verletztenrente unter Berücksichtigung eines Stützrententatbestandes aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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