Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 VS 18/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VS 5036/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine unabhängig von einer Leistungsgewährung auf Feststellung eines bestimmten Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit gerichtete Klage D5ist nicht zulässig (Anschluss an BSG, Urteil vom 22. März 1983 – 2 RU 37/82 –, juris, Rz. 18; BSG, Urteil vom 17. April 1958 – 9 RV 434/55 –, juris, Rz. 11).
2. Ansprüche auf Beschädigtenversorgung nach §§ 80 ff. SVG und die diesbezügliche Minderung der Erwerbsfähigkeit sind nicht vorgreiflich oder bindend für Ansprüche auf Einsatzversorgung nach §§ 63c ff. SVG (Anschluss an Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. September 2011 – 1 O 135/11 –, juris, Rz. 3).
L 6 VS 5036/15
S 4 VS 18/13
Im Namen des Volkes Urteil
Der 6. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat ohne mündliche Verhandlung am 12.01.2017 für Recht erkannt:
2. Ansprüche auf Beschädigtenversorgung nach §§ 80 ff. SVG und die diesbezügliche Minderung der Erwerbsfähigkeit sind nicht vorgreiflich oder bindend für Ansprüche auf Einsatzversorgung nach §§ 63c ff. SVG (Anschluss an Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. September 2011 – 1 O 135/11 –, juris, Rz. 3).
L 6 VS 5036/15
S 4 VS 18/13
Im Namen des Volkes Urteil
Der 6. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat ohne mündliche Verhandlung am 12.01.2017 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Oktober 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ihre Verurteilung zur Feststellung eines Grades der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 auch für die Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2004 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.
Der im Jahr 1961 geborene Kläger leistete ab dem 23. April 2003 als Hauptfeldwebel der Reserve eine Wehrübung ab. Am 7. Juni 2003 war er im Rahmen des ISAF-Einsatzes in Afghanistan in der Konvoiführung eingesetzt, als die Kolonne, bestehend aus einem W. (Mercedes Geländewagen) als Führungsfahrzeug, in dem er selbst saß, und zwei Bussen auf dem Weg von einem Lager zum Flughafen Kabul Ziel eines terroristischen Bombenangriffs wurde. Dabei wurden vier deutsche Soldaten getötet und 29 zum Teil schwer. Das Fahrzeug, in dem der Klägers saß, dem angegriffenen Bus voraus, so dass er einer der ersten Helfer am Tatort war, wo er mit den Bildern der Bombenauswirkung, Tod, Verwundungen und Zerstörung unmittelbar konfrontiert wurde (vgl. Bericht Oberstarzt Dr. B. vom 4. Juli 2003).
Der Kläger befand sich darauf zunächst noch in Afghanistan in mehrfacher ambulanter psychologischer Behandlung. Im nervenfachärztlichen Befund des Oberstarztes Dr. B. vom 4. uli 2003 wurden eine ausgeprägte akute Belastungsreaktion nach dem Terroranschlag vom 7. Juni 2003 und die Differentialdiagnose einer beginnenden posttraumatischen Belastungsstörung angenommen.
In der Folge wurde der Auslandeinsatz des Klägers Ende Juli 2003 vorzeitig beendet. Vom 20. August bis 11. September 2003 befand er sich in stationärer Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus in Ulm. Dort wurde im Entlassungsbericht eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Er sei beim Erstkontakt psychisch sehr angespannt gewesen und hätte mit erheblichem Leidensdruck über Schlafstörungen mit Alpträumen und häufigem schreckhaften Erwachen berichtet. Der Kläger sei nach der Traumabearbeitung psychisch stabilisiert entlassen worden. Eine Erholungsphase von ca. 14 Tagen kzH ("krank zu Hause") und eine anschließende Präventivkur wurden empfohlen.
In der Zeit vom 13. November bis 11. Dezember 2003 befand sich der Kläger zur stationären psychotherapeutischen Behandlung in der Psychosomatischen Fachklinik Bad P ... Im Entlassungsbericht wurde eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Er wurde als weiterhin dienstunfähig aufgrund der weiterbestehenden Symptomatik (Schlafstörungen, Alpträume, vegetative Symptome, Gereiztheit, Intrusionen und Vermeidungsverhalten) entlassen. Eine ambulante Psychotherapie bzw. eine stationäre Intervallbehandlung sei zu empfehlen. Die Prognose sei bei guter Therapiemotivation und bereits bestehenden Ressourcen und Potentialen zur Traumabewältigung eher günstig.
In der Folge suchte der Kläger die neurologische und psychiatrische Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg auf, in der sein bereits in Afghanistan behandelnder Arzt Dr. B. tätig war. Dort wurde ebenfalls die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt und eine längere stationäre traumaspezifische Psychotherapie empfohlen (vgl. Bericht vom 29. Januar 2004). In der Zeit vom 24. März bis 28. April 2004 führte der Kläger diese Psychotherapie stationär in Hamburg durch. Hierüber berichtete der Oberstarzt Dr. B. am 19. Mai 2004, dass die Traumatherapie schon nach wenigen Sitzungen einen guten Erfolg gezeigt habe, so dass der Kläger deutlich entlastet worden sei. Er habe nun nach seinen Angaben über das Terrorereignis erstmalig im Familienkreis erzählen können, ohne von seinen Gefühlen überflutet zu werden. Er habe wieder Lust zu lesen und mit Kameraden Spiele zu spielen. Er sähe wieder Zukunftsaufgaben. Auch die abschließend erneut durchgeführte testpsychologische Befragung habe einen deutlichen Rückgang sowohl der depressiven als auch der traumaspezifischen Problematik gezeigt. Eine deutliche Befindlichkeitsverbesserung habe festgestellt werden können. Eine ambulante Wiedervorstellung sollte in 4 bis 6 Wochen stattfinden. Der Kläger sei von keinen Dienstverrichtungen zu befreien.
In einer Kontrolluntersuchung im Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg vom 1. bis 4. Juni 2004 wurde eine abklingende posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Der Kläger habe angegeben, sich weiterhin symptomfrei zu fühlen, insbesondere was die Folgen des Terroraktes betreffe. Es gehe ihm gut. Die Bilder des Attentats kämen nicht mehr ungebeten in seinen Kopf. Wenn er darauf angesprochen werde, habe er nicht mehr das Gefühl, davon in unangemessener Weise angeflutet zu werden. Er habe sich durch die Traumatherapie weitgehend von dem Erlebnis distanziert, so dass er dadurch in seinem täglichen Leben und seiner Lebensqualität nicht mehr wesentlich beeinträchtigt sei. Der Kläger sei als freundlich zugewandter Patient mit ausgeglichener Stimmungslage ohne Hinweise auf emotionale Veränderungen oder Anzeichen für Ängste, Zwänge oder Wahn gesehen worden. Insgesamt habe sich das Ergebnis der Traumabearbeitung als stabil erwiesen. Lasten blieben bei ihm weiterhin die Existenzsorgen, die sich solange halten würden, wie sich keine berufliche Perspektive für ihn ergebe. Die Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung habe sich fast vollständig zurückgebildet, die Stimmungslage sei wieder ausgeglichen und das Antriebsniveau normal. Der Kläger solle sofort wieder dienstlich eingesetzt werden und eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme durchführen.
In zwei weiteren Kontrolluntersuchungen in Hamburg vom 5. bis 8. Juli und vom 2. bis 4. August 2004 wurde von Dr. B. schließlich eine abgeklungene posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Er berichtete ferner, dass der Kläger wie schon im Juni keine aktuellen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung gezeigt habe, so dass sich der Therapieerfolg von März/April 2004 als stabil erwiesen habe. Er habe aber weiterhin Probleme, eine angemessene berufliche Stellung zu finden. Aufgrund des guten psychischen Befindens sei eine Verlängerung der Wehrübung nicht indiziert (vgl. Bericht vom 30. August 2004).
Zwischenzeitlich hatte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen des Ereignisses im Juni 2003 beantragt.
Im darauf eingeholten truppenärztlichen Versorgungsgutachten des Sozialmediziners Dr. U. vom 14. Juli 2004 wurde zusammenfassen festgehalten, dass beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung nachgewiesen worden sei, die nach zehn Monaten habe gebessert werden können. In einer psychiatrischen Stellungnahme vom 31. August 2004 für die Beklagte bewertete Dr. B. die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen der posttraumatischen Belastungsstörung vom 7. Juni 2003 bis zum 28. April 2004, dem Ende der Traumatherapie im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, mit 50 vom Hundert (v.H.), da eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen vorgelegen habe. Seit dem 29. April 2004 liege nur noch eine leichtere psychovegetative/psychische Störung vor, für die eine MdE von 10 v.H. angebracht sei.
Mit Bescheid vom 13. September 2004 stellte die Beklagte fest, dass die beim Kläger vorliegende posttraumatische Belastungsstörung Folge einer Wehrdienstbeschädigung sei. Ihm werde daher ein Ausgleich nach § 85 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) vom 1. Juni 2003 bis 30. April 2004 gewährt. Die MdE aufgrund der Wehrdienstbeschädigungsfolge betrage 50 v.H. ab 7. Juni 2003 und unter 25 v.H. ab 1. Mai 2004.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 11. Oktober 2004 Beschwerde mit der Begründung, dass er wegen der Schwere seiner erlittenen Gesundheitsstörungen eine MdE von unter 25 v.H. nicht für gerechtfertigt halte. Sein Gesundheitszustand habe sich in den letzten Wochen verschlimmert. Außerdem verlangte er Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist.
Am 30. September 2004 wurde der Kläger aus dem Wehrdienst entlassen. Ab dem 1. Oktober 2004 arbeitete er auf einer zivilen Arbeitsstelle in der Wehrbereichsverwaltung. Anfang November 2004 wurde bei ihm ein gutartiges Meningeom (Hirntumor) diagnostiziert und anschließend chirurgisch inkomplett entfernt.
In der Folge stellte der Kläger wegen des Hirntumors und einer Gehör- und Zahnschädigung, die er in Zusammenhang mit dem Vorfall in Kabul sah, einen Antrag auf Beschädigtenversorgung, den die Beklagte nach Einholung einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme mit Bescheid vom 24. Januar 2006 ablehnte. Das inkomplett entfernte Meningeom rechts parietal, das Anbringen einer Aufbissschiene und eine Gehörschädigung seien nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung.
Auch hiergegen erhob der Kläger am 1. Februar 2006 Widerspruch. Diesen begründete er u.a. damit, dass etwa drei bis vier Wochen nach der letzten Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg das posttraumatische Belastungssyndrom wieder aufgetreten sei. Er sei also seit mindestens Oktober 2004 wieder daran erkrankt.
In einem sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 2. August 2005 zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit und der Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen wurden ein posttraumatisches Belastungssyndrom und ein Zustand nach Meningeom-Operation im Dezember 2014 diagnostiziert. Der Kläger sei psychisch weiterhin in einem sehr instabilen Zustand. Es sollte dringend eine nervenfachärztliche Betreuung bzw. psychotherapeutische Behandlung wieder aufgenommen werden.
Am 20. September 2005 stellte sich der Kläger dem Nervenarzt P. vor, der den dringenden Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung sah, bei der aktuell Ängste, Depressivität und schwere Schlafstörungen das Bild bestimmen würden (vgl. Schreiben an die Beklagte vom 7. Oktober 2005). Im November 2005 konsultierte der Kläger den Psychiater und Psychotherapeut Dr. B., der ebenfalls von einer posttraumatischen Belastungsstörung ausging, die auf den Anschlag in Afghanistan zurückzuführen sei (vgl. Schreiben an die Beklagte vom 20. Januar 2006).
Am 29. November 2005 informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass die posttraumatische Belastungsstörung durch den Anschlag in Kabul bei ihm wieder in vollem Umfang ausgebrochen sei.
In einem Bericht der Kliniken Sch. Gailingen, in denen sich der Kläger anschließend stationär aufhielt, vom 29. Dezember 2005 wurde beim Kläger die bekannte posttraumatische Belastungsstörung nach Kriegstrauma am 7. Juni 2003, ein parieto-occipitales Meningeom rechts und Tinnitus beidseits diagnostiziert und berichtet, dass es unter der Bedrohung durch den Tumor und der existenziellen Verunsicherung durch die missglückte berufliche und gesellschaftliche Wiedereingliederung zu einem Wiederaufleben der posttraumatischen Belastungsstörung gekommen sei.
Im Auftrag der Beklagten erstattete Dr. B. vom Bundeswehrkrankenhaus Hamburg am 20. Dezember 2006 im Rahmen eines stationären Aufenthaltes ein psychiatrisch-psychotraumatologisches Gutachten über den Kläger. Er habe berichtet, dass er seit Oktober 2004 wieder vermehrt u.a. unter Alpträumen, Flashbacks, gereizter Grundstimmung und massiven Konzentrationsstörungen leide. Nach der früheren Therapie im Bundeswehrkrankenhaus sei es Mitte 2004 zu einem deutlichen Abklingen der Symptomatik gekommen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger uneingeschränkt dienst- bzw. arbeitsfähig gewesen. Der später diagnostizierte Hirntumor, der in keinem Zusammenhang mit der psychischen Traumatisierung stehe, hätte dann dazu geführt, dass er psychisch wieder völlig aus dem Gleichgewicht geworfen worden sei. Es sei nicht selten, dass die posttraumatischen Belastungsstörungen abhängig von anderen psycho-sozialen Belastungen einen schwankenden Verlauf nehme. Offensichtlich sei er durch die Tumorkrankheit, die er auch als Bedrohung seines Lebens empfunden habe, genauso wie das Attentat in Kabul, in der gesamten Symptomatik wieder stark getriggert worden. Derzeit entspreche die psychiatrische Symptomatik einer schweren Störung mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten und sei mit einer MdE von 70 v.H. ab November 2005, dem Zeitpunkt der Meldung des Klägers, dass die Symptomatik wieder ausgebrochen sei und der Feststellung der Kliniken in Gailingen, dass die PTBS-Symptomatik wieder im Vordergrund gestanden habe, zu bewerten. Vorher verbleibe es ab 7. Juni 2003 bei einer MdE von 50 v.H. und ab 1. Mai 2004 bei einer MdE von unter 25 v.H.
Der Kieferchirurg Prof. Dr. Dr. H. vom Bundeswehrkrankenhaus Hamburg kam am 8. November 2006 zu dem Ergebnis, dass der Bruxismus (Zähneknirschen) des Klägers als Folge des posttraumatischen Belastungssyndroms sehr wahrscheinlich sei.
In der versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 13. Februar 2007 urteilte Dr. U., dass sich aus dem Bruxismus insbesondere unter Berücksichtigung der Zahnfunktion keine nennenswerte MdE-Erhöhung ergebe.
In einem HNO-ärztlichen Gutachten von Prof. Dr. Z. vom Universitätsklinikum Tübingen vom 15. Dezember 2008 wurden eine hochtonbetonte Innenohrschwerhörigkeit beidseits mit C5-Senke nach Explosionstrauma und ein dekompensierter Tinnitus aurium beidseits diagnostiziert. Für beide Erkrankungen sei der Anschlag in Kabul als Auslöser anzunehmen. Der beidseitige prozentuale Hörverlust entspreche einer MdE von 0 v.H. Der Tinnitus mit erheblichen psycho-vegetativen Begleiterscheinungen sei mit einer MdE von 20 v.H. einzuschätzen.
Mit "Beschwerde- und Widerspruchsbescheid" vom 17. Februar 2009 gab die Beklagte zunächst dem Wiedereinsetzungsantrag statt und wies dann die Beschwerde gegen den Bescheid vom 13. September 2004 zurück. Außerdem anerkannte sie auf den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. Januar 2006 zusätzlich als weitere Folgen einer Wehrdienstbeschädigung eine "Innen-ohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich beider Ohren, dekompensierten Tinnitus aurium beider Ohren, Zähneknirschen mit Substanzverminderung". Die Bewertung des GdS ab 1. Mai 2004 mit unter 25 v.H. sei zutreffend. Im Anschluss an die durchgeführte stationäre Traumatherapie habe am 29. April 2004 nur noch eine leichte psychovegetative/psychische Störung vorgelegen. Eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung habe sich durch die nun zusätzlich anerkannte Innenohrschwerhörigkeit/Tinnitus und das Zähneknirschen nicht ergeben. Die Verschlimmerung der posttraumatischen Belastungsstörung, die ab November 2005 zu einer Höherbewertung des GdS auf 70 v.H. führe, sei nach Entlassung aus der Bundeswehr eingetreten und falle somit in den Zuständigkeitsbereich der Versorgungsverwaltung. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Zwischenzeitlich waren dem Kläger vom Landratsamt Tübingen – Versorgungsamt – ab 1. November 2005 eine Grundrente nach einer MdE von 70 v.H. und ab 1. Juni 2006 eine Versorgung nach einer MdE von 80 v.H. unter Anerkennung besonderer beruflicher Betroffenheit, eine Ausgleichsrente und ein Berufsschadensausgleich gewährt worden. Die MdE in der Zeit vom 1. Oktober 2004 bis 31. Oktober 2005 wurde vom Versorgungsamt mit unter 25 v.H. bewertet. Weiter bezieht der Klägers rückwirkend seit September 2005 von der Deutschen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Einen im Jahr 2010 gestellten Antrag des Klägers auf eine Ausgleichszahlung nach § 63f SVG lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Dezember 2010 und Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2011 ab, da er nicht die hierfür zum Dienstzeitende am 30. September 2004 erforderliche MdE von mindestens 50 v.H. gehabt habe. Das diesbezügliche Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht (VG) Sigmaringen (Az.: 8 K 5323/15, früheres Az.: 8 K 470/11) ruht derzeit.
Am 10. September 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheids vom 13. September 2004 mit dem Ziel der Anerkennung eines GdS von 50 für den Zeitraum 1. Mai bis 30. September 2004. Die medizinische Einschätzung, er sei ab Mai 2004 sozusagen wieder vollständig gesund gewesen, sei falsch. Möglicherweise habe ein therapeutisches Interesse bestanden, durch "Gesundschreibung" den weiteren Heilungsprozess zu fördern. Dabei sei seine tatsächlich bestehende Not aber nicht richtig wahrgenommen worden.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 12. Oktober 2012 ab. Eine Überprüfungspflicht bestehe nur, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt des Rücknahmeantrags noch vermeintlich vorenthaltene Sozialleistungen verlangen könne. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, da der hierfür geltende Rückwirkungszeitraum von vier Jahren abgelaufen sei.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass er ein Feststellungsinteresse habe, da die Wehrdienstbeschädigung Voraussetzung für die Ausgleichszahlung gem. § 63f SVG sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da der Kläger keine neuen Tatsachen oder Aspekte vorgebracht habe, die nicht schon bei Erteilung des Beschwerde- und Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2009 Berücksichtigung gefunden hätten.
Deswegen hat der Kläger am 31. Dezember 2012 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Er hat verlangt, dass die Beklagte feststelle, dass in der Zeit von Mai bis September 2004 ein GdS von mindestens 50 bei ihm vorgelegen habe. Zur Begründung hat er vorgetragen, nach dem Abschluss der Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg im Frühjahr 2004 hätten seine Lebensverhältnisse nicht die ärztlicherseits angenommene Stabilität erreicht. Dagegen spreche auch der ab 1. November 2005 festgestellte GdS von 70 v.H. Die Beklagte habe über die Wehrdienstbeschädigung schon im Januar 2004 entscheiden müssen, dann hätte für ihn die Schutzvorschrift des § 62 Abs. 2 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) gegolten, die nun analog zu seinen Gunsten anzuwenden sei und der Herabbemessung des GdS ab 1. Mai 2004 entgegenstehe. Die Vier-Jahres-Frist des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) stehe der Überprüfung nicht entgegen. Wegen des parallel anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, in dem es um eine Ausgleichszahlung für seinen Einsatzunfall gehe, habe er an der rückwirkenden Korrektur ein Feststellungsinteresse, auch wenn er von der Beklagten selbst keine Leistungen mehr erhalten könne. Das VG habe das Verfahren ausgesetzt, da dort die hier geltend gemachte Feststellung vorgreiflich sei.
Das SG hat den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie K., Oberfeldarzt beim Bundeswehrkrankenhaus Koblenz, mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser hat in seiner Expertise vom 13. Februar 2015 ausgeführt, dass die zwischenzeitlich zusätzlich anerkannten Gesundheitsstörungen (Innenohrschwerhörigkeit, Tinnitus und Zähneknirschen) Ausdruck einer durchgängig bestehenden psychischen Belastung seien. Die Einschätzung der MdE hinsichtlich der posttraumatischen Belastungsstörung und der daraus resultierenden Auswirkungen im Zeitraum von Mai bis Oktober 2004 mit 10 v.H. bzw. unter 25 v.H. sei nicht nachzuvollziehen. Es sei ein zwischenzeitlich (unbewusster) kompensatorischer Umgang mit PTBS-spezifischen Symptomen zu berücksichtigten. Der Kläger habe damals versucht, so schnell wie möglich den "status ante" zu erreichen. Bereits im seinem Widerspruch im November 2004 habe er aber ausgeführt, dass die Beschwerden in den letzten Wochen wieder zugenommen hätten. Erst im MDK-Gutachten von August 2005 würden die psychischen Beeinträchtigungen erneut ärztlich dokumentiert. Für den Zeitraum Sommer 2004 bis Sommer 2005 stünden somit nur die Angaben des Klägers zur Verfügung. Dass in dieser Zeit die spezifischen Beeinträchtigungen der posttraumatischen Belastungsstörung weniger stark im Vordergrund gestanden hätten, sei wegen der Diagnose und Behandlung des Meningeoms verständlich. Das Nichtwahrnehmen bedeute aber kein zwischenzeitliches Verschwinden der Beeinträchtigungen. Insgesamt sei eine wesentliche Verbesserung der psychischen Beeinträchtigungen zum Mai 2004 nach Auswertung der Akte nicht erkennbar. Die Herabbemessung wirke willkürlich. Zweifelsfrei sei eine wesentliche Verschlechterung allerdings erst ab Ende 2005 (August-Dezember 2015) dokumentiert. Die nicht mehr so klare Befundlage sei wahrscheinlich der Meningeombehandlung geschuldet. Für die Zeit vom 1. Mai 2004 bis 31. Oktober 2005 sollte im Sinne eines Durchschnittswerts am GdS von 50 festgehalten werden.
Die Beklagte hat eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Dr. G. vom 23. April 2015 vorgelegt, wonach das Widerspruchsschreiben von Oktober 2004 bei Fehlen sonstiger Unterlagen als Hinweis zu werten sei, dass etwa seit September 2004 eine Zustandsverschlechterung eingetreten sei. Retrospektiv könne von einer anhaltenden Besserung nicht ausgegangen werden. Ein sicheres Bild zur tatsächlichen psychischen Beeinträchtigung könne jedoch im diskutierten Zeitraum aufgrund des zeitlichen Abstands und fehlender Befundbeschreibung nicht gewonnen werden. Es sei von einem Durchschnitts-GdS von 50 auszugehen.
Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegengetreten, dass es keine Anhaltspunkte gebe, die eine Neubewertung des GdS erfordern würden. § 62 BVG könne nicht analog angewandt werden, da es schon an einer Regelungslücke fehle. § 44 SGB X löse nur dann eine Überprüfungspflicht aus, wenn diese den Weg für eine Leistung der Behörde, die den vermeintlich rechtswidrigen Verwaltungsakt erlassen habe, freimache. Das im Gerichtsverfahren eingeholte Gutachten beinhalte keine neuen Tatsachen, sondern nur eine anderweitige Bewertung der aktenkundigen Tatsachen. Sofern § 44 SGB X für anwendbar erachtet werde, weise es für den streitbefangenen Zeitraum jedenfalls keinen GdS von 50 im Vollbeweis nach. Der Sachverständige habe diesen nur für wahrscheinlich erachtet. Dies reiche nicht aus.
Mit Urteil vom 26. Oktober 2015, der Beklagten zugestellt am 9. November 2015, hat das SG – mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung – die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Dezember 2012, beim Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 13. September 2004 verurteilt, auch für die Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2004 einen GdS von 50 festzustellen. Die in § 44 Abs. 4 SGB X geregelte Vier-Jahres-Frist stehe einer Überprüfung nicht entgegen. Zwar könne der Kläger selbst bei Korrektur des Bescheids vom 13. September 2004 keine Leistungen von der Beklagten mehr erhalten. Eine Überprüfung einer bestandskräftig gewordenen Entscheidung sei aber auch bei einer ausgeschlossenen rückwirkenden Leistungserbringung dann vorzunehmen, wenn die Rücknahme über die Leistungserbringung hinaus weitere Folgen zeitige. Hier seien die Korrektur des GdS für eine Ausgleichszahlung vorgreiflich und die Prüfung trotz des Ablaufs der Vier-Jahres-Frist vorzunehmen. Im Rahmen einer Überprüfung nach § 44 Abs. 1 SGB X sei es zudem nicht zwingend erforderlich, dass neue Tatsachen benannt oder anderweitig bekannt würden. Ausreichend sei, dass der bestandskräftig gewordenen Entscheidung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegen habe. Bei der Entscheidung vom 13. September 2004 sei dies der Fall gewesen. Die Beklagte sei nämlich damals ab Mai 2004 von einer Stabilisierung des Zustands des Klägers im Hinblick auf die bei ihm eingetretene posttraumatische Belastungsstörung ausgegangen, die tatsächlich so nicht vorgelegen habe. Deswegen sei der GdS für den streitbefangenen Zeitraum mit unter 25 v.H. zu niedrig statt richtig mit 50 v.H. festgestellt worden. Das SG hat sich dabei auf das Gutachten des Oberfeldarztes und die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Dr. G. gestützt. Ersterer habe nachvollziehbar dargelegt, dass eine wesentliche Verbesserung der psychischen Beeinträchtigungen aufgrund der posttraumatischen Belastungsstörung zum Mai 2004 nach Auswertung der Akten nicht erkennbar sei. Das Ergebnis des Gutachtens sei trotz der von ihm so bezeichneten "nicht mehr so klaren Befundlage" hinsichtlich des Zustands des Klägers im streitbefangenen Zeitraum überzeugend. Ein nicht stabilisierter Gesundheitszustand und funktionelle Beeinträchtigungen, die einen GdS von 50 rechtfertigten, seien trotz dieser Unwägbarkeit belegt. Dem stehe nicht entgegen, dass Dr. Dr. G. ausgeführt habe, im Nachhinein könne ein sicheres Bild zur tatsächlichen psychischen Beeinträchtigung in dem diskutierten Zeitraum aufgrund des zeitlichen Abstands und fehlender Befundbeschreibungen nicht gewonnen werden. Zwar könne nicht mehr für jeden Tag des schon lange zurück liegenden streitbefangenen Zeitraums genau gesagt werden, wie es dem Kläger gegangen sei. Das sei jedoch gar nicht erforderlich. Bei der Höhe des GdS sei vielmehr für einen längeren Zeitraum von mindestens sechs Monaten eine Bewertung der funktionellen Beeinträchtigungen vorzunehmen. Schwankungen im Gesundheitszustand sei mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Auf den Streit zwischen den Beteiligten über die Anwendung des § 62 BVG komme es nicht an.
Am 7. Dezember 2015 hat die Beklagte beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie führt an, dass die Bescheide über die Beschädigtenversorgung für eine Ausgleichzahlung im Rahmen der Dienstzeitversorgung nicht vorgreiflich seien. Deren Voraussetzungen seien in einem getrennten Verfahren davon unabhängig vorzunehmen. Außerdem sei das SG nicht befugt gewesen, den Verwaltungsakt vollständig neu zu prüfen. § 44 SGB X gebe nur der Verwaltung, aber nicht dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zu Gunsten des Versorgungsberechtigten hinwegzusetzen. Im SG-Verfahren hätten auch keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgelegen. Die Einholung eines Gutachtens sei hierfür nicht ausreichend. Der Wert des Beschwerdegegenstandes belaufe sich auf fünf Monate zu je 243 EUR, mithin 1.215 EUR.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er gibt an, dass er von der Beklagten von Amts wegen habe darauf hingewiesen werden müssen, dass er bereits früher einen Verschlimmerungsantrag mit Rückwirkung ab 1. Mai 2004 zu stellen gehabt habe. Insoweit habe er einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Die Berufung der Beklagten sei ferner wegen Nichterreichens des Beschwerdewertes bereits nicht statthaft, da aus dem SG-Urteil nichts vollstreckt werden könne, das - für sich gesehen - einen Wert habe. Weiter führt er aus, dass er in der streitigen Zeit von Mai bis Oktober 2004 lediglich im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg in psychotherapeutischer Behandlung gewesen sei.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des SG aus dem vorliegenden Rechtsstreit sowie dem angeführten VG-Verfahren und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG), ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG).
Gegen das Urteil des SG vom 26. Oktober 2015 ist die Berufung statthaft, da sie nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht zulassungsbedürftig ist (§ 143 SGG). Die Berufung ist unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes nach Maßgabe von §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klage ist nicht auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG gerichtet, sondern auf eine Verurteilung zur Feststellung eines GdS von mindestens 50. Insoweit ist der Verurteilung, gegen die sich die Beklagte wendet, kein bezifferbarer wirtschaftlicher Wert zugeordnet. Selbst wenn aber auf die mögliche Beschädigtenversorgung im Zeitraum von Mai bis September 2004 abgestellt würde - die der Kläger jedoch ausdrücklich nicht begehrt -, würde der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 1.090 EUR (5 Monate à 218 EUR für eine Grundrente bei einer MdE von 50 v. H. nach § 31 Abs. 1 BVG in der hier relevanten Fassung vom 1. Juli 2003) die erforderlichen 750 EUR übersteigen und die Berufung statthaft sein.
Passiv legitimiert ist die Bundesrepublik Deutschland. Sie ist Rechtsträgerin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2016 – B 9 V 4/15 R –, juris, Rz. 13). Aus dem Charakter als Bundesoberbehörde ergibt sich keine eigene Rechtsträgerschaft (vgl. Oberverwaltungsgericht [OVG] für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Juli 2008 – 19 A 3506/07 –, juris, Rz. 12f m. w. N.).
Die Berufung ist begründet. Das SG hat zu Unrecht die Beklagte zu der Feststellung eines GdS für die Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2004 verurteilt. Die zugrundeliegende Klage ist bereits unzulässig, jedenfalls unbegründet.
Zunächst war die Klage auf Feststellung eines GdS dahingehend sachdienlich auszulegen, dass sie auf Feststellung einer MdE von mindestens 50 v.H. im Zeitraum vom 1. Mai bis 30. September 2004 gerichtet ist, da bis zum Inkrafttreten des BVGÄndG vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) am 21. Dezember 2007 in § 30 BVG von einer MdE und nicht eines GdS gesprochen wurde. Diese Klage ist bereits unzulässig. Eine unabhängig von einer Leistungsgewährung gerichtete Klage auf Feststellung eines bestimmten Grades der MdE ist nicht zulässig (so bereits BSG, Urteil vom 22. März 1983 – 2 RU 37/82 –, juris, Rz. 18; BSG, Urteil vom 17. April 1958 – 9 RV 434/55 –, juris, Rz. 11). Die Versorgungsbehörde hat nur über die im BVG und SVG geschaffenen Versorgungsansprüche zu entscheiden. Die Ausgleichsansprüche für Wehrdienstbeschädigung sind in § 85 SVG aufgezählt. Sie sind auf Leistungen gerichtet. Mit der Feststellung einer bestimmten MdE in der Vergangenheit beansprucht der Kläger aber lediglich die Feststellung eines der Tatbestandsmerkmale des § 85 SVG i.V.m. §§ 30, 31 BVG. Es handelt sich damit um eine unzulässige Elementenfeststellung (vgl. hierzu LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Januar 2009 – L 10 P 72/08 –, juris, Rz. 28). Einen sachlichrechtlichen Anspruch allein auf Zuerkennung eines bestimmten Grades der MdE gibt es nicht. Der Grad der MdE ist nur von Bedeutung hinsichtlich der Bemessung der Rente (§ 31 BVG). Eine andere selbständige Bedeutung hat die Höhe der MdE nicht. Sie nur eines von mehreren Tatbestandsmerkmalen bei bestimmten Ansprüchen (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 1958 – a. a. O.). Der Beschädigte hat also keinen Anspruch auf Feststellung einer ziffernmäßig bestimmten MdE, unabhängig von der Rentengewährung (ebenso zu Faktoren der Rentenberechnung in der Rentenversicherung bereits BSG, Urteil vom 11. Dezember 1956 – 1 RA 109/55 –, juris, Rz. 7).
Eine Klage auf MdE-Feststellung kommt auch nicht deswegen in Betracht, weil der Kläger meint, diese Feststellung für seinen parallelen Rechtsstreit vor dem VG Sigmaringen auf Ausgleichzahlung im Falle eines Einsatzunfalls zu benötigen.
Der Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach §§ 80 ff. SVG und die diesbezügliche MdE sind nicht vorgreiflich in Bezug auf das dort anhängige Verfahren betreffend die Einsatzversorgung nach § 63f SVG. Diese ist eigenständig geregelt in §§ 63c bis 63g, 87 SVG, die Beschädigtenversorgung in §§ 80 bis 86, 88 SVG. § 63f SVG ist Teil des II. Teiles ("Berufsförderung und Dienstzeitversorgung") des SVG (dort: VI. Abschnitt "Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen"), während die §§ 80 bis 86 SVG den III. Teil ("Beschädigtenversorgung") des SVG bilden. Dass es sich bei der "Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen" nach §§ 63c ff. SVG einerseits und §§ 80 ff. SVG andererseits um jeweils eigenständige Regelungsbereiche handelt, zeigt sich auch an den divergierenden Regelungen von Organisation, Verfahren und Rechtsweg im V. Teil des SVG. Während § 87 SVG die beim VG Sigmaringen anhängige Ausgleichzahlung (II. Teil des SVG) betrifft, bezieht sich der streitgegenständliche Bescheid vom 13. September 2004 auf den Ausgleich nach § 85 SVG auf die Beschädigtenversorgung (III. Teil des SVG). Dementsprechend kommt eine Bindungswirkung oder Vorgreiflichkeit nicht zum Tragen (vgl. OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. September 2011 – 1 O 135/11 –, juris, Rz. 3). Die Regelungen des Beschädigtenversorgungsbescheides vom 13. September 2004 über die MdE haben also keine Tatbestandswirkung für die Einsatzversorgung, zumal nach § 85 Abs. 1 SVG einzig die Folgen einer "Wehrdienstbeschädigung" relevant sind, während für § 63f Abs. 1 SVG die MdE infolge des "Einsatzunfalles" zu bemessen ist.
Dass das hiesige Verfahren ggf. allgemein "Aufschlüsse" für das Verfahren vor dem VG Sigmaringen bringen mag (vgl. richterlichen Hinweis des VG Sigmaringen vom 4. März 2016, Bl. 100 der VG-Akte), führt zu keinem besonderen Feststellungsinteresse. Vielmehr wird dieses selbst zu prüfen haben, wie hoch die MdE des Klägers aufgrund eines Einsatzunfalles war. Es darf in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass es auch nicht - wie der Kläger meint - den Rechtsstreit ausgesetzt, sondern im Einverständnis der Beteiligten nur zum Ruhen gebracht hat.
Weiter ist die Klage auf Abänderung des Bescheids vom 13. September 2004 und MdE-Feststellung im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens auch unbegründet. Dem Kläger stand bereits kein Überprüfungsanspruch nach § 44 SGB X zu.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 44 Abs. 4 SGB X enthält folgende - einschränkende - Regelung: Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
Sind Leistungen wegen Ablauf des Vierjahreszeitraums rückwirkend (überhaupt) nicht mehr zu erbringen, kann regelmäßig trotz Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Bescheide kein Anspruch auf deren Rücknahme nach § 44 Abs. 1 SGB X anerkannt werden. Die Regelung zielt im Ergebnis auf die Ersetzung des rechtswidrigen Verwaltungsakts, mit dem die Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, durch einen die Leistung gewährenden Verwaltungsakt. Einem Antragsteller, der über § 44 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten kann, kann regelmäßig kein rechtliches Interesse an der Rücknahme i.S. von § 44 Abs. 1 SGB X zugebilligt werden. Die Unanwendbarkeit der "Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X" steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen (BSG, Urteil vom 6. März 1991 – 9b RAr 7/90 –, juris, Rz. 14; BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 16/08 R –, juris, Rz. 22).
Vorliegend konnte der Kläger zum Zeitpunkt der Stellung seines Überprüfungsantrages im September 2012 keine Leistungen mehr für die streitige Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2004 erlangen. Der Vierjahreszeitraum war deutlich abgelaufen. Die Rücknahme bzw. Abänderung des Bescheides vom 13. September 2004 hätte also keinerlei leistungsrechtliche Auswirkungen mehr. Ein sonstiges rechtliches Interesse oder rechtliche Auswirkungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 6. März 1991 – a. a. O., Rz. 13) durch die Rücknahme sind auch nicht durch das Ausweichen des Klägers vom Leistungsanspruch auf einen (MdE-) Feststellungsanspruch gegeben. Unabhängig davon, dass die MdE-Feststellungsklage unzulässig ist (s.o.), würde eine solche den Kläger in keine günstigere Rechtsposition versetzen. Die Feststellung einer MdE für eine Beschädigungsversorgung hat nach obigen Ausführungen keine rechtliche Bindungswirkung für eine mögliche Einsatzversorgung. Ein derartiger Verwaltungsakt wäre insoweit wirkungslos. Von der Verwaltung darf jedoch keine unnötige, überflüssige Tätigkeit verlangt werden, die hier auch die - mitunter recht schwierige und aufwendige - Prüfung auf eine Unrichtigkeit einbezöge (BSG, Urteil vom 6. März 1991 – a. a. O.).
Insoweit führt auch nicht der vom Kläger herangezogene sozialrechtliche Herstellungsanspruch weiter. Soweit nämlich die Vierjahresfrist des § 44 SGB X eine Leistung im Wege der Zugunstenregelung ausschließt, kann eine Leistung ebenso nicht unter dem Gesichtspunkt des Herstellungsanspruchs begehrt werden (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 1989 – 11 RAr 21/88 –, juris, Rz. 24 m. w. N.).
Schließlich ist der Überprüfungsantrag auch in der Sache unbegründet. Unabhängig davon, ob sich die Beklagte im Überprüfungsverfahren ohne Eintritt in die Sachprüfung auf die Bindungswirkung des zu überprüfenden Bescheides vom 13. September 2004 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 17. Februar 2009 berufen konnte (vgl. hierzu Bayerisches LSG, Urteil vom 8. April 2014 - L 15 VK 2/11 -, juris), ist in diesem Bescheid das Recht zutreffend angewendet worden, so dass bereits aus diesem Grund diese Entscheidung nicht abzuändern ist. Die MdE wurde von der Beklagten im allein streitigen Zeitraum vom 1. Mai bis 30. September 2004 zutreffend auf unter 25 v.H. festgesetzt.
Die Beklagte war über ihre Behörden der Bundeswehrverwaltung nach der bis 31. Dezember 2014 gültigen Fassung des § 88 Abs. 1 Satz 1 SVG für die Durchführung der Beschädigtenversorgung für Wehrdienstleistende wie den Kläger jedenfalls für die hier allein streitigen Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während des Wehrdienstes zuständig (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 – B 9 VS 2/09 R –, juris, Rz. 34 ff.; vgl. zur Rechtslage ab 1. Januar 2015: Senatsurteil vom 27. August 2015 – L 6 VS 4569/14 –, juris, Rz. 32).
Gemäß § 85 Abs. 1 SVG erhalten Soldaten wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Absatz 1 und § 31 BVG. Nach § 81 Abs. 1 SVG ist Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG (in der bis 20. Dezember 2007 gültigen Fassung) ist die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen; dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Für die Beurteilung ist maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt waren (Satz 2 der Vorschrift).
Der Senat orientiert sich bei der Beurteilung der MdE für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 an den im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP) in der jeweils geltenden Fassung (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 –, juris, Rz. 43).
Wie in allen Zweigen des sozialen Entschädigungsrechts müssen auch im Recht der Soldatenversorgung die anspruchsbegründenden Tatsachen nachgewiesen, d. h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (st. Rspr. BSG, so zum Opferentschädigungsgesetz - OEG -: BSG SozR 1500 § 128 Nr. 34 m. w. N.; SozR 1500 § 128 Nr. 35; zur Kriegsopferversorgung BSG SozR 3-3100 § 1 Nr. 18; zum SVG: BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 16; SozR 3-3200 § 81 Nr. 6; zum Impfschadensrecht: BSG SozR 3850 § 51 Nr. 9 und § 52 Nr. 1), soweit nichts anderes bestimmt ist. Für Ansprüche nach §§ 85, 81 SVG bedeutet dies, dass sich - mit dem jeweils maßgeblichen Beweisgrad - zumindest drei Tatsachenkomplexe oder Glieder der Kausal-(Ursachen)kette sowie zwei dazwischenliegende Kausalzusammenhänge feststellen lassen müssen (vgl. Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl. 1992, § 1 BVG Rz. 56 und 61; Rohr/Strässer, Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, Stand: Februar 2013, § 1 BVG Anm. 8 ff, § 1 - 52 ff). Der erste Komplex ist die geschützte Tätigkeit, hier also die Wehrdienstverrichtung oder die Ausübung einer gleichgestellten Tätigkeit. Infolge dieser Verrichtung muss ein schädigendes Ereignis eine gesundheitliche Schädigung hervorgerufen haben. Aufgrund dieser Schädigung muss es dann zu der in MdE/GdS-Graden zu bewertenden Schädigungsfolge gekommen sein. Das "schädigende Ereignis" wird üblicherweise als weiteres selbständiges Glied der Kausalkette zwischen geschützter Tätigkeit und Primärschaden angesehen (BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 16 m. w. N.). Auch dieses bedarf grundsätzlich des Vollbeweises. Dagegen genügt für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs, jedenfalls desjenigen zwischen Schädigung und Schädigungsfolge (sog. "haftungsausfüllende Kausalität") der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit (§ 81 Abs. 6 Satz 1 SVG; Senatsurteil vom 18. Dezember 2014 – a. a. O., Rz. 44).
Wie sich aus § 30 Abs. 1 BVG ergibt, sind bei der Beurteilung des Grades der MdE die von dem Versorgungsträger als Schädigungsfolgen bestandskräftig anerkannten Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen; an diese rechtlich selbständigen Feststellungen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – B 9 VS 2/98 R –, juris, Rz. 11) ist die Beklagte ebenso gebunden wie der Senat (vgl. dazu u.a. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – B 9 V 26/98 R –, juris, Rz. 13; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2012 – L 11 VU 47/08 –, juris, Rz. 27).
Dies zu Grunde gelegt, sind die von der Beklagten als Folge einer Wehrdienstbeschädigung festgestellten Gesundheitsstörungen in Form einer posttraumatische Belastungsstörung, Innen-ohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich beider Ohren, dekompensierter Tinnitus aurium beider Ohren und Zähneknirschen mit Substanzverminderung für den Zeitraum von Mai bis September 2004 unter Beachtung der maßgeblichen AHP mit keiner MdE von mindestens 25 v. H. zu beurteilen.
Hinsichtlich der hier allein streitigen, das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" betreffenden Funktionsbeeinträchtigungen durch die posttraumatische Belastungsstörung sind nach Nr. 26.3 AHP 2004 Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einer MdE von 0 bis 20 v.H., bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einer MdE von 30 bis 40 v.H. sowie bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einer MdE von 50 bis 70 v.H. und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einer MdE von 80 bis 100 v.H. zu bewerten.
Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass für die posttraumatische Belastungsstörung im streitigen Zeitraum eine höhere (Teil-) MdE als 10 v.H. besteht. Dies ergibt sich aus der Gesamtheit der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere aber unter Würdigung der Stellungnahmen bzw. Gutachten von Dr. B. vom 31. August 2004 und 20. Dezember 2006 und den Entlassungsberichten des Bundeswehrkrankenhauses aus dem Jahr 2004.
Nach dem Anschlag in Afghanistan bestanden bei dem Kläger über Monate Schädigungsfolgen im Umfang einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Er hatte Schlafstörungen mit Alpträumen und häufigem schreckhaften Erwachen, ständiges Grübeln, Flash-backs mit aufgedrängten Bildern, Gefühlen und Gerüchen, sowie körperlichen Reaktionen mit Schwitzen, innerer Unruhe und Angstzuständen. Weiter bestanden Vermeidungsverhalten, emotionale Taubheit mit Interessensverlust und Taubheit als solche sowie erhöhte Reizbarkeit (vgl. Bericht des Bundeswehrkrankenhauses Ulm vom 14. Oktober 2003). Auch der behandelnde Arzt in der Psychosomatischen Fachklinik Bad P. berichtete am 17. Dezember 2013 über Schlafstörungen, insbesondere Einschlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Alpträume, innere Unruhe und Reizbarkeit. Ähnliches wird nach der Untersuchung im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg am 29. Januar 2004 mit massiven Einschlafstörungen, häufigen Alpträume, massiven Konzentrationsstörungen und Stimmungsschwankungen beschrieben. In dieser Zeit war der Kläger auch durchgehend dienstunfähig, so dass die von der Beklagten angenommene MdE von 50 überzeugt. Insoweit besteht auch kein Streit.
Dieser Befund verbesserte sich jedoch deutlich durch die stationäre Behandlung im Bundeswehkrankenhaus im März/April 2004. Die depressive und traumaspezifische Problematik war dort deutlich zurückgegangen, wie auch die abschließende testpsychologische Befragung zeigte. Der Kläger konnte nun über die Terrorereignisse erstmalig erzählen, ohne von Gefühlen überflutet zu werden. Er zeigte wieder Interessen und sah Zukunftsaufgaben. Er wurde als dienstfähig entlassen. Die Verbesserung findet Bestätigung im Befundbericht des Bundeswehrkrankenhauses von Juni 2004, wonach die Stimmungslage ausgeglichen und das Antriebsniveau normal waren. Bilder des Attentats kamen ihm nicht mehr ungebeten in den Kopf. Er konnte sich von dem Erlebnis weitgehend distanzieren und seine Konzentrationsfähigkeit hatte sich deutlich verbessert. Auch im weiteren Verlauf im Juli und August 2004 wurden in den kurzstationären Kontrollterminen im Bundeswehrkrankenhaus keine Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung mehr erhoben. Der Kläger hatte seinen Dienst wieder aufgenommen. Angesichts der Umstände überzeugt die Einschätzung des durchgehend behandelnden Arztes Dr. B. vom 31. August 2004, der nun nur noch von einer leichteren psychovegetativen Störung mit einer MdE von 10 v.H. ausging.
Der Einschätzung des Nervenarztes K. in seinem - nach Aktenlage erstellten - Gutachten vom 13. Februar 2015 folgt der Senat nicht. Aus den soeben beschriebenen Kontrollbefunden des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg wird eine deutliche Befundbesserung sichtbar. Trotz der damals zwar weiterhin vom Kläger geäußerten beruflichen Sorgen und Beziehungsproblemen war seine Konzentration verbessert. Er hatte kein unwillkürliches Wiedererinnern mehr und sein Antriebsniveau war nun normal. Außerdem konnte er bis Ende September 2004 seiner Diensttätigkeit nachgehen und war ausschließlich bis zur Tumordiagnose im November 2004 noch im zivilen Teil der Bundeswehr als Angestellter beschäftigt. Eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit oder gar eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten lässt sich daraus zumindest für den hier alleine streitigen Zeitraum von Mai bis September 2004 nicht mehr ableiten. Angesichts der dichten, monatlichen Kontrolltermine im Juni, Juli und August 2004 in Hamburg ist die Befundlage zudem - anders als der Gutachter K. annimmt - jedenfalls im hier streitigen Zeitraum sehr klar. Erstmals im Gutachten des MDK von August 2005 sind beim Kläger wieder deutliche Konzentrationsschwierigkeiten und Schlafschwierigkeiten, Unausgeglichenheit und Ängstlichkeit erhoben worden. Insoweit ist die Einschätzung des Gutachters K. nachvollziehbar, dass zumindest zu diesem Zeitpunkt eine Verschlechterung zweifelsfrei dokumentiert ist. Für den Zeitraum davor fehlt eine solche Dokumentation. Der Kläger war nach seinen Angaben im Berufungsverfahren im streitigen Zeitraum alleine im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg nervenärztlich behandelt worden, so dass nur dessen Befunde zur Verfügung stehen. Aus den Angaben in seinem Einspruchsschreiben vom 10. Oktober 2004, in dem er ganz allgemein eine Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes in den letzten Wochen anführt, lässt sich kein Befund ableiten, aus dem ein höherer MdE-Wert für die posttraumatische Belastungsstörung in der hier streitigen Zeit zu bilden wäre, zumal sich die empfundene Verschlechterung des Gesundheitszustandes auch auf Beschwerden des wenige Wochen später diagnostizierten Tumors bezogen haben könnte.
Den Senat überzeugt das - nach persönlicher Untersuchung erstellte und im Rahmen eines Urkundenbeweises verwertete - Gutachten von Dr. B. vom 20. Dezember 2006, wenn er nachvollziehbar davon ausgeht, dass der Kläger erst durch die Hirntumordiagnose, d.h. nach September 2004, wieder psychisch aus dem Gleichgewicht geworfen worden ist. Diese Erkrankung, die genauso wie das Busattentat als lebensbedrohlich empfunden wurde, hatte die Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung offensichtlich wieder stark getriggert. Auch die Kliniken Sch. berichteten am 29. Dezember 2005 von einem "Wiederaufleben" der posttraumatischen Belastungsstörung unter Bedrohung u.a. durch den Tumor. Und der Kläger selbst spricht in seinem Schreiben vom 28. November 2005 von einem "Wiederausbruch" der posttraumatischen Belastungsstörung, so dass sich der Senat - jedenfalls im hier streitigen Zeitraum von Mai bis September 2004 - nur noch von einer leichten psychischen Störung überzeugen konnte.
Der Senat geht insoweit auch nicht von einem schwankenden Gesundheitszustand aus, dem ggf. mit einem Durchschnittswert bei der MdE-Bewertung Rechnung getragen werden müsste (vgl. Nr. 18 Abs. 5 AHP 2004). Der Therapieerfolg nach der Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg im März/April 2004 war vielmehr stabil, wie die Kontrolltermine noch Monate später im Juni, Juli und August 2004 zeigten. Erst durch die (nicht absehbare) Tumorerkrankung im November 2004, die dann auch zu einer Arbeitsunfähigkeit führte, hat sich in der Folge der Gesundheitszustand wieder verschlechtert. Dies betrifft den streitgegenständlichen Zeitraum bis Ende September 2004 jedoch nicht.
Eine höhere MdE als 10 v.H. lässt sich nach alledem für die posttraumatische Belastungsstörung von Mai bis September 2004 nicht begründen. Diese Teil-MdE im psychischen Bereich erhöht die MdE von 20 v.H. für den Tinnitus mit erheblichen psycho-vegetativen Begleiterscheinungen wegen deutlicher Überschneidungen nicht, so dass die Annahme einer Gesamt-MdE von unter 25 v.H. im Bescheid vom 13. September 2004 nicht zu beanstanden ist.
Der von Klägerseite angeführte § 62 Abs. 2 BVG (i. V. m. § 85 Abs. 4 SVG) ist hier nicht - auch nicht analog - anwendbar. Diese spezialgesetzliche Regelung zu den §§ 45, 48 SGB X soll den Entzug bzw. die Herabbemessung von Versorgungsleistungen erschweren und einen besonderen Bestandsschutz gewähren (vgl. Knörr in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 62 BVG, Rz. 9). Vorliegend wurden im Bescheid vom 13. September 2004 jedoch keine Leistungen entzogen, sondern (erstmals) bewilligt. Ein besonderes, schützenswertes Vertrauen auf den (Fort-) Bestand der Sozialleistung konnte der Kläger also gar nicht erst entwickeln.
Nach alledem waren das Urteil des SG vom 26. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ihre Verurteilung zur Feststellung eines Grades der Schädigungsfolgen (GdS) von 50 auch für die Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2004 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.
Der im Jahr 1961 geborene Kläger leistete ab dem 23. April 2003 als Hauptfeldwebel der Reserve eine Wehrübung ab. Am 7. Juni 2003 war er im Rahmen des ISAF-Einsatzes in Afghanistan in der Konvoiführung eingesetzt, als die Kolonne, bestehend aus einem W. (Mercedes Geländewagen) als Führungsfahrzeug, in dem er selbst saß, und zwei Bussen auf dem Weg von einem Lager zum Flughafen Kabul Ziel eines terroristischen Bombenangriffs wurde. Dabei wurden vier deutsche Soldaten getötet und 29 zum Teil schwer. Das Fahrzeug, in dem der Klägers saß, dem angegriffenen Bus voraus, so dass er einer der ersten Helfer am Tatort war, wo er mit den Bildern der Bombenauswirkung, Tod, Verwundungen und Zerstörung unmittelbar konfrontiert wurde (vgl. Bericht Oberstarzt Dr. B. vom 4. Juli 2003).
Der Kläger befand sich darauf zunächst noch in Afghanistan in mehrfacher ambulanter psychologischer Behandlung. Im nervenfachärztlichen Befund des Oberstarztes Dr. B. vom 4. uli 2003 wurden eine ausgeprägte akute Belastungsreaktion nach dem Terroranschlag vom 7. Juni 2003 und die Differentialdiagnose einer beginnenden posttraumatischen Belastungsstörung angenommen.
In der Folge wurde der Auslandeinsatz des Klägers Ende Juli 2003 vorzeitig beendet. Vom 20. August bis 11. September 2003 befand er sich in stationärer Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus in Ulm. Dort wurde im Entlassungsbericht eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Er sei beim Erstkontakt psychisch sehr angespannt gewesen und hätte mit erheblichem Leidensdruck über Schlafstörungen mit Alpträumen und häufigem schreckhaften Erwachen berichtet. Der Kläger sei nach der Traumabearbeitung psychisch stabilisiert entlassen worden. Eine Erholungsphase von ca. 14 Tagen kzH ("krank zu Hause") und eine anschließende Präventivkur wurden empfohlen.
In der Zeit vom 13. November bis 11. Dezember 2003 befand sich der Kläger zur stationären psychotherapeutischen Behandlung in der Psychosomatischen Fachklinik Bad P ... Im Entlassungsbericht wurde eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Er wurde als weiterhin dienstunfähig aufgrund der weiterbestehenden Symptomatik (Schlafstörungen, Alpträume, vegetative Symptome, Gereiztheit, Intrusionen und Vermeidungsverhalten) entlassen. Eine ambulante Psychotherapie bzw. eine stationäre Intervallbehandlung sei zu empfehlen. Die Prognose sei bei guter Therapiemotivation und bereits bestehenden Ressourcen und Potentialen zur Traumabewältigung eher günstig.
In der Folge suchte der Kläger die neurologische und psychiatrische Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg auf, in der sein bereits in Afghanistan behandelnder Arzt Dr. B. tätig war. Dort wurde ebenfalls die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt und eine längere stationäre traumaspezifische Psychotherapie empfohlen (vgl. Bericht vom 29. Januar 2004). In der Zeit vom 24. März bis 28. April 2004 führte der Kläger diese Psychotherapie stationär in Hamburg durch. Hierüber berichtete der Oberstarzt Dr. B. am 19. Mai 2004, dass die Traumatherapie schon nach wenigen Sitzungen einen guten Erfolg gezeigt habe, so dass der Kläger deutlich entlastet worden sei. Er habe nun nach seinen Angaben über das Terrorereignis erstmalig im Familienkreis erzählen können, ohne von seinen Gefühlen überflutet zu werden. Er habe wieder Lust zu lesen und mit Kameraden Spiele zu spielen. Er sähe wieder Zukunftsaufgaben. Auch die abschließend erneut durchgeführte testpsychologische Befragung habe einen deutlichen Rückgang sowohl der depressiven als auch der traumaspezifischen Problematik gezeigt. Eine deutliche Befindlichkeitsverbesserung habe festgestellt werden können. Eine ambulante Wiedervorstellung sollte in 4 bis 6 Wochen stattfinden. Der Kläger sei von keinen Dienstverrichtungen zu befreien.
In einer Kontrolluntersuchung im Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg vom 1. bis 4. Juni 2004 wurde eine abklingende posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Der Kläger habe angegeben, sich weiterhin symptomfrei zu fühlen, insbesondere was die Folgen des Terroraktes betreffe. Es gehe ihm gut. Die Bilder des Attentats kämen nicht mehr ungebeten in seinen Kopf. Wenn er darauf angesprochen werde, habe er nicht mehr das Gefühl, davon in unangemessener Weise angeflutet zu werden. Er habe sich durch die Traumatherapie weitgehend von dem Erlebnis distanziert, so dass er dadurch in seinem täglichen Leben und seiner Lebensqualität nicht mehr wesentlich beeinträchtigt sei. Der Kläger sei als freundlich zugewandter Patient mit ausgeglichener Stimmungslage ohne Hinweise auf emotionale Veränderungen oder Anzeichen für Ängste, Zwänge oder Wahn gesehen worden. Insgesamt habe sich das Ergebnis der Traumabearbeitung als stabil erwiesen. Lasten blieben bei ihm weiterhin die Existenzsorgen, die sich solange halten würden, wie sich keine berufliche Perspektive für ihn ergebe. Die Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung habe sich fast vollständig zurückgebildet, die Stimmungslage sei wieder ausgeglichen und das Antriebsniveau normal. Der Kläger solle sofort wieder dienstlich eingesetzt werden und eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme durchführen.
In zwei weiteren Kontrolluntersuchungen in Hamburg vom 5. bis 8. Juli und vom 2. bis 4. August 2004 wurde von Dr. B. schließlich eine abgeklungene posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Er berichtete ferner, dass der Kläger wie schon im Juni keine aktuellen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung gezeigt habe, so dass sich der Therapieerfolg von März/April 2004 als stabil erwiesen habe. Er habe aber weiterhin Probleme, eine angemessene berufliche Stellung zu finden. Aufgrund des guten psychischen Befindens sei eine Verlängerung der Wehrübung nicht indiziert (vgl. Bericht vom 30. August 2004).
Zwischenzeitlich hatte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen des Ereignisses im Juni 2003 beantragt.
Im darauf eingeholten truppenärztlichen Versorgungsgutachten des Sozialmediziners Dr. U. vom 14. Juli 2004 wurde zusammenfassen festgehalten, dass beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung nachgewiesen worden sei, die nach zehn Monaten habe gebessert werden können. In einer psychiatrischen Stellungnahme vom 31. August 2004 für die Beklagte bewertete Dr. B. die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen der posttraumatischen Belastungsstörung vom 7. Juni 2003 bis zum 28. April 2004, dem Ende der Traumatherapie im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, mit 50 vom Hundert (v.H.), da eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen vorgelegen habe. Seit dem 29. April 2004 liege nur noch eine leichtere psychovegetative/psychische Störung vor, für die eine MdE von 10 v.H. angebracht sei.
Mit Bescheid vom 13. September 2004 stellte die Beklagte fest, dass die beim Kläger vorliegende posttraumatische Belastungsstörung Folge einer Wehrdienstbeschädigung sei. Ihm werde daher ein Ausgleich nach § 85 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) vom 1. Juni 2003 bis 30. April 2004 gewährt. Die MdE aufgrund der Wehrdienstbeschädigungsfolge betrage 50 v.H. ab 7. Juni 2003 und unter 25 v.H. ab 1. Mai 2004.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 11. Oktober 2004 Beschwerde mit der Begründung, dass er wegen der Schwere seiner erlittenen Gesundheitsstörungen eine MdE von unter 25 v.H. nicht für gerechtfertigt halte. Sein Gesundheitszustand habe sich in den letzten Wochen verschlimmert. Außerdem verlangte er Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist.
Am 30. September 2004 wurde der Kläger aus dem Wehrdienst entlassen. Ab dem 1. Oktober 2004 arbeitete er auf einer zivilen Arbeitsstelle in der Wehrbereichsverwaltung. Anfang November 2004 wurde bei ihm ein gutartiges Meningeom (Hirntumor) diagnostiziert und anschließend chirurgisch inkomplett entfernt.
In der Folge stellte der Kläger wegen des Hirntumors und einer Gehör- und Zahnschädigung, die er in Zusammenhang mit dem Vorfall in Kabul sah, einen Antrag auf Beschädigtenversorgung, den die Beklagte nach Einholung einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme mit Bescheid vom 24. Januar 2006 ablehnte. Das inkomplett entfernte Meningeom rechts parietal, das Anbringen einer Aufbissschiene und eine Gehörschädigung seien nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung.
Auch hiergegen erhob der Kläger am 1. Februar 2006 Widerspruch. Diesen begründete er u.a. damit, dass etwa drei bis vier Wochen nach der letzten Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg das posttraumatische Belastungssyndrom wieder aufgetreten sei. Er sei also seit mindestens Oktober 2004 wieder daran erkrankt.
In einem sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 2. August 2005 zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit und der Einleitung von Rehabilitationsmaßnahmen wurden ein posttraumatisches Belastungssyndrom und ein Zustand nach Meningeom-Operation im Dezember 2014 diagnostiziert. Der Kläger sei psychisch weiterhin in einem sehr instabilen Zustand. Es sollte dringend eine nervenfachärztliche Betreuung bzw. psychotherapeutische Behandlung wieder aufgenommen werden.
Am 20. September 2005 stellte sich der Kläger dem Nervenarzt P. vor, der den dringenden Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung sah, bei der aktuell Ängste, Depressivität und schwere Schlafstörungen das Bild bestimmen würden (vgl. Schreiben an die Beklagte vom 7. Oktober 2005). Im November 2005 konsultierte der Kläger den Psychiater und Psychotherapeut Dr. B., der ebenfalls von einer posttraumatischen Belastungsstörung ausging, die auf den Anschlag in Afghanistan zurückzuführen sei (vgl. Schreiben an die Beklagte vom 20. Januar 2006).
Am 29. November 2005 informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass die posttraumatische Belastungsstörung durch den Anschlag in Kabul bei ihm wieder in vollem Umfang ausgebrochen sei.
In einem Bericht der Kliniken Sch. Gailingen, in denen sich der Kläger anschließend stationär aufhielt, vom 29. Dezember 2005 wurde beim Kläger die bekannte posttraumatische Belastungsstörung nach Kriegstrauma am 7. Juni 2003, ein parieto-occipitales Meningeom rechts und Tinnitus beidseits diagnostiziert und berichtet, dass es unter der Bedrohung durch den Tumor und der existenziellen Verunsicherung durch die missglückte berufliche und gesellschaftliche Wiedereingliederung zu einem Wiederaufleben der posttraumatischen Belastungsstörung gekommen sei.
Im Auftrag der Beklagten erstattete Dr. B. vom Bundeswehrkrankenhaus Hamburg am 20. Dezember 2006 im Rahmen eines stationären Aufenthaltes ein psychiatrisch-psychotraumatologisches Gutachten über den Kläger. Er habe berichtet, dass er seit Oktober 2004 wieder vermehrt u.a. unter Alpträumen, Flashbacks, gereizter Grundstimmung und massiven Konzentrationsstörungen leide. Nach der früheren Therapie im Bundeswehrkrankenhaus sei es Mitte 2004 zu einem deutlichen Abklingen der Symptomatik gekommen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger uneingeschränkt dienst- bzw. arbeitsfähig gewesen. Der später diagnostizierte Hirntumor, der in keinem Zusammenhang mit der psychischen Traumatisierung stehe, hätte dann dazu geführt, dass er psychisch wieder völlig aus dem Gleichgewicht geworfen worden sei. Es sei nicht selten, dass die posttraumatischen Belastungsstörungen abhängig von anderen psycho-sozialen Belastungen einen schwankenden Verlauf nehme. Offensichtlich sei er durch die Tumorkrankheit, die er auch als Bedrohung seines Lebens empfunden habe, genauso wie das Attentat in Kabul, in der gesamten Symptomatik wieder stark getriggert worden. Derzeit entspreche die psychiatrische Symptomatik einer schweren Störung mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten und sei mit einer MdE von 70 v.H. ab November 2005, dem Zeitpunkt der Meldung des Klägers, dass die Symptomatik wieder ausgebrochen sei und der Feststellung der Kliniken in Gailingen, dass die PTBS-Symptomatik wieder im Vordergrund gestanden habe, zu bewerten. Vorher verbleibe es ab 7. Juni 2003 bei einer MdE von 50 v.H. und ab 1. Mai 2004 bei einer MdE von unter 25 v.H.
Der Kieferchirurg Prof. Dr. Dr. H. vom Bundeswehrkrankenhaus Hamburg kam am 8. November 2006 zu dem Ergebnis, dass der Bruxismus (Zähneknirschen) des Klägers als Folge des posttraumatischen Belastungssyndroms sehr wahrscheinlich sei.
In der versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 13. Februar 2007 urteilte Dr. U., dass sich aus dem Bruxismus insbesondere unter Berücksichtigung der Zahnfunktion keine nennenswerte MdE-Erhöhung ergebe.
In einem HNO-ärztlichen Gutachten von Prof. Dr. Z. vom Universitätsklinikum Tübingen vom 15. Dezember 2008 wurden eine hochtonbetonte Innenohrschwerhörigkeit beidseits mit C5-Senke nach Explosionstrauma und ein dekompensierter Tinnitus aurium beidseits diagnostiziert. Für beide Erkrankungen sei der Anschlag in Kabul als Auslöser anzunehmen. Der beidseitige prozentuale Hörverlust entspreche einer MdE von 0 v.H. Der Tinnitus mit erheblichen psycho-vegetativen Begleiterscheinungen sei mit einer MdE von 20 v.H. einzuschätzen.
Mit "Beschwerde- und Widerspruchsbescheid" vom 17. Februar 2009 gab die Beklagte zunächst dem Wiedereinsetzungsantrag statt und wies dann die Beschwerde gegen den Bescheid vom 13. September 2004 zurück. Außerdem anerkannte sie auf den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. Januar 2006 zusätzlich als weitere Folgen einer Wehrdienstbeschädigung eine "Innen-ohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich beider Ohren, dekompensierten Tinnitus aurium beider Ohren, Zähneknirschen mit Substanzverminderung". Die Bewertung des GdS ab 1. Mai 2004 mit unter 25 v.H. sei zutreffend. Im Anschluss an die durchgeführte stationäre Traumatherapie habe am 29. April 2004 nur noch eine leichte psychovegetative/psychische Störung vorgelegen. Eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung habe sich durch die nun zusätzlich anerkannte Innenohrschwerhörigkeit/Tinnitus und das Zähneknirschen nicht ergeben. Die Verschlimmerung der posttraumatischen Belastungsstörung, die ab November 2005 zu einer Höherbewertung des GdS auf 70 v.H. führe, sei nach Entlassung aus der Bundeswehr eingetreten und falle somit in den Zuständigkeitsbereich der Versorgungsverwaltung. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Zwischenzeitlich waren dem Kläger vom Landratsamt Tübingen – Versorgungsamt – ab 1. November 2005 eine Grundrente nach einer MdE von 70 v.H. und ab 1. Juni 2006 eine Versorgung nach einer MdE von 80 v.H. unter Anerkennung besonderer beruflicher Betroffenheit, eine Ausgleichsrente und ein Berufsschadensausgleich gewährt worden. Die MdE in der Zeit vom 1. Oktober 2004 bis 31. Oktober 2005 wurde vom Versorgungsamt mit unter 25 v.H. bewertet. Weiter bezieht der Klägers rückwirkend seit September 2005 von der Deutschen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Einen im Jahr 2010 gestellten Antrag des Klägers auf eine Ausgleichszahlung nach § 63f SVG lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Dezember 2010 und Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2011 ab, da er nicht die hierfür zum Dienstzeitende am 30. September 2004 erforderliche MdE von mindestens 50 v.H. gehabt habe. Das diesbezügliche Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht (VG) Sigmaringen (Az.: 8 K 5323/15, früheres Az.: 8 K 470/11) ruht derzeit.
Am 10. September 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheids vom 13. September 2004 mit dem Ziel der Anerkennung eines GdS von 50 für den Zeitraum 1. Mai bis 30. September 2004. Die medizinische Einschätzung, er sei ab Mai 2004 sozusagen wieder vollständig gesund gewesen, sei falsch. Möglicherweise habe ein therapeutisches Interesse bestanden, durch "Gesundschreibung" den weiteren Heilungsprozess zu fördern. Dabei sei seine tatsächlich bestehende Not aber nicht richtig wahrgenommen worden.
Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 12. Oktober 2012 ab. Eine Überprüfungspflicht bestehe nur, wenn der Betroffene zum Zeitpunkt des Rücknahmeantrags noch vermeintlich vorenthaltene Sozialleistungen verlangen könne. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, da der hierfür geltende Rückwirkungszeitraum von vier Jahren abgelaufen sei.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass er ein Feststellungsinteresse habe, da die Wehrdienstbeschädigung Voraussetzung für die Ausgleichszahlung gem. § 63f SVG sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da der Kläger keine neuen Tatsachen oder Aspekte vorgebracht habe, die nicht schon bei Erteilung des Beschwerde- und Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2009 Berücksichtigung gefunden hätten.
Deswegen hat der Kläger am 31. Dezember 2012 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Er hat verlangt, dass die Beklagte feststelle, dass in der Zeit von Mai bis September 2004 ein GdS von mindestens 50 bei ihm vorgelegen habe. Zur Begründung hat er vorgetragen, nach dem Abschluss der Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg im Frühjahr 2004 hätten seine Lebensverhältnisse nicht die ärztlicherseits angenommene Stabilität erreicht. Dagegen spreche auch der ab 1. November 2005 festgestellte GdS von 70 v.H. Die Beklagte habe über die Wehrdienstbeschädigung schon im Januar 2004 entscheiden müssen, dann hätte für ihn die Schutzvorschrift des § 62 Abs. 2 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) gegolten, die nun analog zu seinen Gunsten anzuwenden sei und der Herabbemessung des GdS ab 1. Mai 2004 entgegenstehe. Die Vier-Jahres-Frist des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) stehe der Überprüfung nicht entgegen. Wegen des parallel anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, in dem es um eine Ausgleichszahlung für seinen Einsatzunfall gehe, habe er an der rückwirkenden Korrektur ein Feststellungsinteresse, auch wenn er von der Beklagten selbst keine Leistungen mehr erhalten könne. Das VG habe das Verfahren ausgesetzt, da dort die hier geltend gemachte Feststellung vorgreiflich sei.
Das SG hat den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie K., Oberfeldarzt beim Bundeswehrkrankenhaus Koblenz, mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser hat in seiner Expertise vom 13. Februar 2015 ausgeführt, dass die zwischenzeitlich zusätzlich anerkannten Gesundheitsstörungen (Innenohrschwerhörigkeit, Tinnitus und Zähneknirschen) Ausdruck einer durchgängig bestehenden psychischen Belastung seien. Die Einschätzung der MdE hinsichtlich der posttraumatischen Belastungsstörung und der daraus resultierenden Auswirkungen im Zeitraum von Mai bis Oktober 2004 mit 10 v.H. bzw. unter 25 v.H. sei nicht nachzuvollziehen. Es sei ein zwischenzeitlich (unbewusster) kompensatorischer Umgang mit PTBS-spezifischen Symptomen zu berücksichtigten. Der Kläger habe damals versucht, so schnell wie möglich den "status ante" zu erreichen. Bereits im seinem Widerspruch im November 2004 habe er aber ausgeführt, dass die Beschwerden in den letzten Wochen wieder zugenommen hätten. Erst im MDK-Gutachten von August 2005 würden die psychischen Beeinträchtigungen erneut ärztlich dokumentiert. Für den Zeitraum Sommer 2004 bis Sommer 2005 stünden somit nur die Angaben des Klägers zur Verfügung. Dass in dieser Zeit die spezifischen Beeinträchtigungen der posttraumatischen Belastungsstörung weniger stark im Vordergrund gestanden hätten, sei wegen der Diagnose und Behandlung des Meningeoms verständlich. Das Nichtwahrnehmen bedeute aber kein zwischenzeitliches Verschwinden der Beeinträchtigungen. Insgesamt sei eine wesentliche Verbesserung der psychischen Beeinträchtigungen zum Mai 2004 nach Auswertung der Akte nicht erkennbar. Die Herabbemessung wirke willkürlich. Zweifelsfrei sei eine wesentliche Verschlechterung allerdings erst ab Ende 2005 (August-Dezember 2015) dokumentiert. Die nicht mehr so klare Befundlage sei wahrscheinlich der Meningeombehandlung geschuldet. Für die Zeit vom 1. Mai 2004 bis 31. Oktober 2005 sollte im Sinne eines Durchschnittswerts am GdS von 50 festgehalten werden.
Die Beklagte hat eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Dr. G. vom 23. April 2015 vorgelegt, wonach das Widerspruchsschreiben von Oktober 2004 bei Fehlen sonstiger Unterlagen als Hinweis zu werten sei, dass etwa seit September 2004 eine Zustandsverschlechterung eingetreten sei. Retrospektiv könne von einer anhaltenden Besserung nicht ausgegangen werden. Ein sicheres Bild zur tatsächlichen psychischen Beeinträchtigung könne jedoch im diskutierten Zeitraum aufgrund des zeitlichen Abstands und fehlender Befundbeschreibung nicht gewonnen werden. Es sei von einem Durchschnitts-GdS von 50 auszugehen.
Die Beklagte ist der Klage mit der Begründung entgegengetreten, dass es keine Anhaltspunkte gebe, die eine Neubewertung des GdS erfordern würden. § 62 BVG könne nicht analog angewandt werden, da es schon an einer Regelungslücke fehle. § 44 SGB X löse nur dann eine Überprüfungspflicht aus, wenn diese den Weg für eine Leistung der Behörde, die den vermeintlich rechtswidrigen Verwaltungsakt erlassen habe, freimache. Das im Gerichtsverfahren eingeholte Gutachten beinhalte keine neuen Tatsachen, sondern nur eine anderweitige Bewertung der aktenkundigen Tatsachen. Sofern § 44 SGB X für anwendbar erachtet werde, weise es für den streitbefangenen Zeitraum jedenfalls keinen GdS von 50 im Vollbeweis nach. Der Sachverständige habe diesen nur für wahrscheinlich erachtet. Dies reiche nicht aus.
Mit Urteil vom 26. Oktober 2015, der Beklagten zugestellt am 9. November 2015, hat das SG – mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung – die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Dezember 2012, beim Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 13. September 2004 verurteilt, auch für die Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2004 einen GdS von 50 festzustellen. Die in § 44 Abs. 4 SGB X geregelte Vier-Jahres-Frist stehe einer Überprüfung nicht entgegen. Zwar könne der Kläger selbst bei Korrektur des Bescheids vom 13. September 2004 keine Leistungen von der Beklagten mehr erhalten. Eine Überprüfung einer bestandskräftig gewordenen Entscheidung sei aber auch bei einer ausgeschlossenen rückwirkenden Leistungserbringung dann vorzunehmen, wenn die Rücknahme über die Leistungserbringung hinaus weitere Folgen zeitige. Hier seien die Korrektur des GdS für eine Ausgleichszahlung vorgreiflich und die Prüfung trotz des Ablaufs der Vier-Jahres-Frist vorzunehmen. Im Rahmen einer Überprüfung nach § 44 Abs. 1 SGB X sei es zudem nicht zwingend erforderlich, dass neue Tatsachen benannt oder anderweitig bekannt würden. Ausreichend sei, dass der bestandskräftig gewordenen Entscheidung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegen habe. Bei der Entscheidung vom 13. September 2004 sei dies der Fall gewesen. Die Beklagte sei nämlich damals ab Mai 2004 von einer Stabilisierung des Zustands des Klägers im Hinblick auf die bei ihm eingetretene posttraumatische Belastungsstörung ausgegangen, die tatsächlich so nicht vorgelegen habe. Deswegen sei der GdS für den streitbefangenen Zeitraum mit unter 25 v.H. zu niedrig statt richtig mit 50 v.H. festgestellt worden. Das SG hat sich dabei auf das Gutachten des Oberfeldarztes und die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Dr. G. gestützt. Ersterer habe nachvollziehbar dargelegt, dass eine wesentliche Verbesserung der psychischen Beeinträchtigungen aufgrund der posttraumatischen Belastungsstörung zum Mai 2004 nach Auswertung der Akten nicht erkennbar sei. Das Ergebnis des Gutachtens sei trotz der von ihm so bezeichneten "nicht mehr so klaren Befundlage" hinsichtlich des Zustands des Klägers im streitbefangenen Zeitraum überzeugend. Ein nicht stabilisierter Gesundheitszustand und funktionelle Beeinträchtigungen, die einen GdS von 50 rechtfertigten, seien trotz dieser Unwägbarkeit belegt. Dem stehe nicht entgegen, dass Dr. Dr. G. ausgeführt habe, im Nachhinein könne ein sicheres Bild zur tatsächlichen psychischen Beeinträchtigung in dem diskutierten Zeitraum aufgrund des zeitlichen Abstands und fehlender Befundbeschreibungen nicht gewonnen werden. Zwar könne nicht mehr für jeden Tag des schon lange zurück liegenden streitbefangenen Zeitraums genau gesagt werden, wie es dem Kläger gegangen sei. Das sei jedoch gar nicht erforderlich. Bei der Höhe des GdS sei vielmehr für einen längeren Zeitraum von mindestens sechs Monaten eine Bewertung der funktionellen Beeinträchtigungen vorzunehmen. Schwankungen im Gesundheitszustand sei mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Auf den Streit zwischen den Beteiligten über die Anwendung des § 62 BVG komme es nicht an.
Am 7. Dezember 2015 hat die Beklagte beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Sie führt an, dass die Bescheide über die Beschädigtenversorgung für eine Ausgleichzahlung im Rahmen der Dienstzeitversorgung nicht vorgreiflich seien. Deren Voraussetzungen seien in einem getrennten Verfahren davon unabhängig vorzunehmen. Außerdem sei das SG nicht befugt gewesen, den Verwaltungsakt vollständig neu zu prüfen. § 44 SGB X gebe nur der Verwaltung, aber nicht dem Gericht die Möglichkeit, sich über eine frühere negative Entscheidung zu Gunsten des Versorgungsberechtigten hinwegzusetzen. Im SG-Verfahren hätten auch keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgelegen. Die Einholung eines Gutachtens sei hierfür nicht ausreichend. Der Wert des Beschwerdegegenstandes belaufe sich auf fünf Monate zu je 243 EUR, mithin 1.215 EUR.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er gibt an, dass er von der Beklagten von Amts wegen habe darauf hingewiesen werden müssen, dass er bereits früher einen Verschlimmerungsantrag mit Rückwirkung ab 1. Mai 2004 zu stellen gehabt habe. Insoweit habe er einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Die Berufung der Beklagten sei ferner wegen Nichterreichens des Beschwerdewertes bereits nicht statthaft, da aus dem SG-Urteil nichts vollstreckt werden könne, das - für sich gesehen - einen Wert habe. Weiter führt er aus, dass er in der streitigen Zeit von Mai bis Oktober 2004 lediglich im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg in psychotherapeutischer Behandlung gewesen sei.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des SG aus dem vorliegenden Rechtsstreit sowie dem angeführten VG-Verfahren und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG), ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG).
Gegen das Urteil des SG vom 26. Oktober 2015 ist die Berufung statthaft, da sie nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht zulassungsbedürftig ist (§ 143 SGG). Die Berufung ist unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes nach Maßgabe von §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Klage ist nicht auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG gerichtet, sondern auf eine Verurteilung zur Feststellung eines GdS von mindestens 50. Insoweit ist der Verurteilung, gegen die sich die Beklagte wendet, kein bezifferbarer wirtschaftlicher Wert zugeordnet. Selbst wenn aber auf die mögliche Beschädigtenversorgung im Zeitraum von Mai bis September 2004 abgestellt würde - die der Kläger jedoch ausdrücklich nicht begehrt -, würde der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 1.090 EUR (5 Monate à 218 EUR für eine Grundrente bei einer MdE von 50 v. H. nach § 31 Abs. 1 BVG in der hier relevanten Fassung vom 1. Juli 2003) die erforderlichen 750 EUR übersteigen und die Berufung statthaft sein.
Passiv legitimiert ist die Bundesrepublik Deutschland. Sie ist Rechtsträgerin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2016 – B 9 V 4/15 R –, juris, Rz. 13). Aus dem Charakter als Bundesoberbehörde ergibt sich keine eigene Rechtsträgerschaft (vgl. Oberverwaltungsgericht [OVG] für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Juli 2008 – 19 A 3506/07 –, juris, Rz. 12f m. w. N.).
Die Berufung ist begründet. Das SG hat zu Unrecht die Beklagte zu der Feststellung eines GdS für die Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2004 verurteilt. Die zugrundeliegende Klage ist bereits unzulässig, jedenfalls unbegründet.
Zunächst war die Klage auf Feststellung eines GdS dahingehend sachdienlich auszulegen, dass sie auf Feststellung einer MdE von mindestens 50 v.H. im Zeitraum vom 1. Mai bis 30. September 2004 gerichtet ist, da bis zum Inkrafttreten des BVGÄndG vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) am 21. Dezember 2007 in § 30 BVG von einer MdE und nicht eines GdS gesprochen wurde. Diese Klage ist bereits unzulässig. Eine unabhängig von einer Leistungsgewährung gerichtete Klage auf Feststellung eines bestimmten Grades der MdE ist nicht zulässig (so bereits BSG, Urteil vom 22. März 1983 – 2 RU 37/82 –, juris, Rz. 18; BSG, Urteil vom 17. April 1958 – 9 RV 434/55 –, juris, Rz. 11). Die Versorgungsbehörde hat nur über die im BVG und SVG geschaffenen Versorgungsansprüche zu entscheiden. Die Ausgleichsansprüche für Wehrdienstbeschädigung sind in § 85 SVG aufgezählt. Sie sind auf Leistungen gerichtet. Mit der Feststellung einer bestimmten MdE in der Vergangenheit beansprucht der Kläger aber lediglich die Feststellung eines der Tatbestandsmerkmale des § 85 SVG i.V.m. §§ 30, 31 BVG. Es handelt sich damit um eine unzulässige Elementenfeststellung (vgl. hierzu LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Januar 2009 – L 10 P 72/08 –, juris, Rz. 28). Einen sachlichrechtlichen Anspruch allein auf Zuerkennung eines bestimmten Grades der MdE gibt es nicht. Der Grad der MdE ist nur von Bedeutung hinsichtlich der Bemessung der Rente (§ 31 BVG). Eine andere selbständige Bedeutung hat die Höhe der MdE nicht. Sie nur eines von mehreren Tatbestandsmerkmalen bei bestimmten Ansprüchen (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 1958 – a. a. O.). Der Beschädigte hat also keinen Anspruch auf Feststellung einer ziffernmäßig bestimmten MdE, unabhängig von der Rentengewährung (ebenso zu Faktoren der Rentenberechnung in der Rentenversicherung bereits BSG, Urteil vom 11. Dezember 1956 – 1 RA 109/55 –, juris, Rz. 7).
Eine Klage auf MdE-Feststellung kommt auch nicht deswegen in Betracht, weil der Kläger meint, diese Feststellung für seinen parallelen Rechtsstreit vor dem VG Sigmaringen auf Ausgleichzahlung im Falle eines Einsatzunfalls zu benötigen.
Der Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach §§ 80 ff. SVG und die diesbezügliche MdE sind nicht vorgreiflich in Bezug auf das dort anhängige Verfahren betreffend die Einsatzversorgung nach § 63f SVG. Diese ist eigenständig geregelt in §§ 63c bis 63g, 87 SVG, die Beschädigtenversorgung in §§ 80 bis 86, 88 SVG. § 63f SVG ist Teil des II. Teiles ("Berufsförderung und Dienstzeitversorgung") des SVG (dort: VI. Abschnitt "Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen"), während die §§ 80 bis 86 SVG den III. Teil ("Beschädigtenversorgung") des SVG bilden. Dass es sich bei der "Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen" nach §§ 63c ff. SVG einerseits und §§ 80 ff. SVG andererseits um jeweils eigenständige Regelungsbereiche handelt, zeigt sich auch an den divergierenden Regelungen von Organisation, Verfahren und Rechtsweg im V. Teil des SVG. Während § 87 SVG die beim VG Sigmaringen anhängige Ausgleichzahlung (II. Teil des SVG) betrifft, bezieht sich der streitgegenständliche Bescheid vom 13. September 2004 auf den Ausgleich nach § 85 SVG auf die Beschädigtenversorgung (III. Teil des SVG). Dementsprechend kommt eine Bindungswirkung oder Vorgreiflichkeit nicht zum Tragen (vgl. OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. September 2011 – 1 O 135/11 –, juris, Rz. 3). Die Regelungen des Beschädigtenversorgungsbescheides vom 13. September 2004 über die MdE haben also keine Tatbestandswirkung für die Einsatzversorgung, zumal nach § 85 Abs. 1 SVG einzig die Folgen einer "Wehrdienstbeschädigung" relevant sind, während für § 63f Abs. 1 SVG die MdE infolge des "Einsatzunfalles" zu bemessen ist.
Dass das hiesige Verfahren ggf. allgemein "Aufschlüsse" für das Verfahren vor dem VG Sigmaringen bringen mag (vgl. richterlichen Hinweis des VG Sigmaringen vom 4. März 2016, Bl. 100 der VG-Akte), führt zu keinem besonderen Feststellungsinteresse. Vielmehr wird dieses selbst zu prüfen haben, wie hoch die MdE des Klägers aufgrund eines Einsatzunfalles war. Es darf in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass es auch nicht - wie der Kläger meint - den Rechtsstreit ausgesetzt, sondern im Einverständnis der Beteiligten nur zum Ruhen gebracht hat.
Weiter ist die Klage auf Abänderung des Bescheids vom 13. September 2004 und MdE-Feststellung im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens auch unbegründet. Dem Kläger stand bereits kein Überprüfungsanspruch nach § 44 SGB X zu.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 44 Abs. 4 SGB X enthält folgende - einschränkende - Regelung: Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
Sind Leistungen wegen Ablauf des Vierjahreszeitraums rückwirkend (überhaupt) nicht mehr zu erbringen, kann regelmäßig trotz Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Bescheide kein Anspruch auf deren Rücknahme nach § 44 Abs. 1 SGB X anerkannt werden. Die Regelung zielt im Ergebnis auf die Ersetzung des rechtswidrigen Verwaltungsakts, mit dem die Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, durch einen die Leistung gewährenden Verwaltungsakt. Einem Antragsteller, der über § 44 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten kann, kann regelmäßig kein rechtliches Interesse an der Rücknahme i.S. von § 44 Abs. 1 SGB X zugebilligt werden. Die Unanwendbarkeit der "Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X" steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen (BSG, Urteil vom 6. März 1991 – 9b RAr 7/90 –, juris, Rz. 14; BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 16/08 R –, juris, Rz. 22).
Vorliegend konnte der Kläger zum Zeitpunkt der Stellung seines Überprüfungsantrages im September 2012 keine Leistungen mehr für die streitige Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2004 erlangen. Der Vierjahreszeitraum war deutlich abgelaufen. Die Rücknahme bzw. Abänderung des Bescheides vom 13. September 2004 hätte also keinerlei leistungsrechtliche Auswirkungen mehr. Ein sonstiges rechtliches Interesse oder rechtliche Auswirkungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 6. März 1991 – a. a. O., Rz. 13) durch die Rücknahme sind auch nicht durch das Ausweichen des Klägers vom Leistungsanspruch auf einen (MdE-) Feststellungsanspruch gegeben. Unabhängig davon, dass die MdE-Feststellungsklage unzulässig ist (s.o.), würde eine solche den Kläger in keine günstigere Rechtsposition versetzen. Die Feststellung einer MdE für eine Beschädigungsversorgung hat nach obigen Ausführungen keine rechtliche Bindungswirkung für eine mögliche Einsatzversorgung. Ein derartiger Verwaltungsakt wäre insoweit wirkungslos. Von der Verwaltung darf jedoch keine unnötige, überflüssige Tätigkeit verlangt werden, die hier auch die - mitunter recht schwierige und aufwendige - Prüfung auf eine Unrichtigkeit einbezöge (BSG, Urteil vom 6. März 1991 – a. a. O.).
Insoweit führt auch nicht der vom Kläger herangezogene sozialrechtliche Herstellungsanspruch weiter. Soweit nämlich die Vierjahresfrist des § 44 SGB X eine Leistung im Wege der Zugunstenregelung ausschließt, kann eine Leistung ebenso nicht unter dem Gesichtspunkt des Herstellungsanspruchs begehrt werden (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 1989 – 11 RAr 21/88 –, juris, Rz. 24 m. w. N.).
Schließlich ist der Überprüfungsantrag auch in der Sache unbegründet. Unabhängig davon, ob sich die Beklagte im Überprüfungsverfahren ohne Eintritt in die Sachprüfung auf die Bindungswirkung des zu überprüfenden Bescheides vom 13. September 2004 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 17. Februar 2009 berufen konnte (vgl. hierzu Bayerisches LSG, Urteil vom 8. April 2014 - L 15 VK 2/11 -, juris), ist in diesem Bescheid das Recht zutreffend angewendet worden, so dass bereits aus diesem Grund diese Entscheidung nicht abzuändern ist. Die MdE wurde von der Beklagten im allein streitigen Zeitraum vom 1. Mai bis 30. September 2004 zutreffend auf unter 25 v.H. festgesetzt.
Die Beklagte war über ihre Behörden der Bundeswehrverwaltung nach der bis 31. Dezember 2014 gültigen Fassung des § 88 Abs. 1 Satz 1 SVG für die Durchführung der Beschädigtenversorgung für Wehrdienstleistende wie den Kläger jedenfalls für die hier allein streitigen Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während des Wehrdienstes zuständig (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2010 – B 9 VS 2/09 R –, juris, Rz. 34 ff.; vgl. zur Rechtslage ab 1. Januar 2015: Senatsurteil vom 27. August 2015 – L 6 VS 4569/14 –, juris, Rz. 32).
Gemäß § 85 Abs. 1 SVG erhalten Soldaten wegen der Folgen einer Wehrdienstbeschädigung während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Absatz 1 und § 31 BVG. Nach § 81 Abs. 1 SVG ist Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG (in der bis 20. Dezember 2007 gültigen Fassung) ist die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen; dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Für die Beurteilung ist maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt waren (Satz 2 der Vorschrift).
Der Senat orientiert sich bei der Beurteilung der MdE für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 an den im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP) in der jeweils geltenden Fassung (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 –, juris, Rz. 43).
Wie in allen Zweigen des sozialen Entschädigungsrechts müssen auch im Recht der Soldatenversorgung die anspruchsbegründenden Tatsachen nachgewiesen, d. h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (st. Rspr. BSG, so zum Opferentschädigungsgesetz - OEG -: BSG SozR 1500 § 128 Nr. 34 m. w. N.; SozR 1500 § 128 Nr. 35; zur Kriegsopferversorgung BSG SozR 3-3100 § 1 Nr. 18; zum SVG: BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 16; SozR 3-3200 § 81 Nr. 6; zum Impfschadensrecht: BSG SozR 3850 § 51 Nr. 9 und § 52 Nr. 1), soweit nichts anderes bestimmt ist. Für Ansprüche nach §§ 85, 81 SVG bedeutet dies, dass sich - mit dem jeweils maßgeblichen Beweisgrad - zumindest drei Tatsachenkomplexe oder Glieder der Kausal-(Ursachen)kette sowie zwei dazwischenliegende Kausalzusammenhänge feststellen lassen müssen (vgl. Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl. 1992, § 1 BVG Rz. 56 und 61; Rohr/Strässer, Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, Stand: Februar 2013, § 1 BVG Anm. 8 ff, § 1 - 52 ff). Der erste Komplex ist die geschützte Tätigkeit, hier also die Wehrdienstverrichtung oder die Ausübung einer gleichgestellten Tätigkeit. Infolge dieser Verrichtung muss ein schädigendes Ereignis eine gesundheitliche Schädigung hervorgerufen haben. Aufgrund dieser Schädigung muss es dann zu der in MdE/GdS-Graden zu bewertenden Schädigungsfolge gekommen sein. Das "schädigende Ereignis" wird üblicherweise als weiteres selbständiges Glied der Kausalkette zwischen geschützter Tätigkeit und Primärschaden angesehen (BSG SozR 3-3200 § 81 Nr. 16 m. w. N.). Auch dieses bedarf grundsätzlich des Vollbeweises. Dagegen genügt für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs, jedenfalls desjenigen zwischen Schädigung und Schädigungsfolge (sog. "haftungsausfüllende Kausalität") der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit (§ 81 Abs. 6 Satz 1 SVG; Senatsurteil vom 18. Dezember 2014 – a. a. O., Rz. 44).
Wie sich aus § 30 Abs. 1 BVG ergibt, sind bei der Beurteilung des Grades der MdE die von dem Versorgungsträger als Schädigungsfolgen bestandskräftig anerkannten Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen; an diese rechtlich selbständigen Feststellungen (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – B 9 VS 2/98 R –, juris, Rz. 11) ist die Beklagte ebenso gebunden wie der Senat (vgl. dazu u.a. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – B 9 V 26/98 R –, juris, Rz. 13; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Januar 2012 – L 11 VU 47/08 –, juris, Rz. 27).
Dies zu Grunde gelegt, sind die von der Beklagten als Folge einer Wehrdienstbeschädigung festgestellten Gesundheitsstörungen in Form einer posttraumatische Belastungsstörung, Innen-ohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich beider Ohren, dekompensierter Tinnitus aurium beider Ohren und Zähneknirschen mit Substanzverminderung für den Zeitraum von Mai bis September 2004 unter Beachtung der maßgeblichen AHP mit keiner MdE von mindestens 25 v. H. zu beurteilen.
Hinsichtlich der hier allein streitigen, das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" betreffenden Funktionsbeeinträchtigungen durch die posttraumatische Belastungsstörung sind nach Nr. 26.3 AHP 2004 Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einer MdE von 0 bis 20 v.H., bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einer MdE von 30 bis 40 v.H. sowie bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einer MdE von 50 bis 70 v.H. und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einer MdE von 80 bis 100 v.H. zu bewerten.
Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass für die posttraumatische Belastungsstörung im streitigen Zeitraum eine höhere (Teil-) MdE als 10 v.H. besteht. Dies ergibt sich aus der Gesamtheit der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere aber unter Würdigung der Stellungnahmen bzw. Gutachten von Dr. B. vom 31. August 2004 und 20. Dezember 2006 und den Entlassungsberichten des Bundeswehrkrankenhauses aus dem Jahr 2004.
Nach dem Anschlag in Afghanistan bestanden bei dem Kläger über Monate Schädigungsfolgen im Umfang einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Er hatte Schlafstörungen mit Alpträumen und häufigem schreckhaften Erwachen, ständiges Grübeln, Flash-backs mit aufgedrängten Bildern, Gefühlen und Gerüchen, sowie körperlichen Reaktionen mit Schwitzen, innerer Unruhe und Angstzuständen. Weiter bestanden Vermeidungsverhalten, emotionale Taubheit mit Interessensverlust und Taubheit als solche sowie erhöhte Reizbarkeit (vgl. Bericht des Bundeswehrkrankenhauses Ulm vom 14. Oktober 2003). Auch der behandelnde Arzt in der Psychosomatischen Fachklinik Bad P. berichtete am 17. Dezember 2013 über Schlafstörungen, insbesondere Einschlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Alpträume, innere Unruhe und Reizbarkeit. Ähnliches wird nach der Untersuchung im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg am 29. Januar 2004 mit massiven Einschlafstörungen, häufigen Alpträume, massiven Konzentrationsstörungen und Stimmungsschwankungen beschrieben. In dieser Zeit war der Kläger auch durchgehend dienstunfähig, so dass die von der Beklagten angenommene MdE von 50 überzeugt. Insoweit besteht auch kein Streit.
Dieser Befund verbesserte sich jedoch deutlich durch die stationäre Behandlung im Bundeswehkrankenhaus im März/April 2004. Die depressive und traumaspezifische Problematik war dort deutlich zurückgegangen, wie auch die abschließende testpsychologische Befragung zeigte. Der Kläger konnte nun über die Terrorereignisse erstmalig erzählen, ohne von Gefühlen überflutet zu werden. Er zeigte wieder Interessen und sah Zukunftsaufgaben. Er wurde als dienstfähig entlassen. Die Verbesserung findet Bestätigung im Befundbericht des Bundeswehrkrankenhauses von Juni 2004, wonach die Stimmungslage ausgeglichen und das Antriebsniveau normal waren. Bilder des Attentats kamen ihm nicht mehr ungebeten in den Kopf. Er konnte sich von dem Erlebnis weitgehend distanzieren und seine Konzentrationsfähigkeit hatte sich deutlich verbessert. Auch im weiteren Verlauf im Juli und August 2004 wurden in den kurzstationären Kontrollterminen im Bundeswehrkrankenhaus keine Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung mehr erhoben. Der Kläger hatte seinen Dienst wieder aufgenommen. Angesichts der Umstände überzeugt die Einschätzung des durchgehend behandelnden Arztes Dr. B. vom 31. August 2004, der nun nur noch von einer leichteren psychovegetativen Störung mit einer MdE von 10 v.H. ausging.
Der Einschätzung des Nervenarztes K. in seinem - nach Aktenlage erstellten - Gutachten vom 13. Februar 2015 folgt der Senat nicht. Aus den soeben beschriebenen Kontrollbefunden des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg wird eine deutliche Befundbesserung sichtbar. Trotz der damals zwar weiterhin vom Kläger geäußerten beruflichen Sorgen und Beziehungsproblemen war seine Konzentration verbessert. Er hatte kein unwillkürliches Wiedererinnern mehr und sein Antriebsniveau war nun normal. Außerdem konnte er bis Ende September 2004 seiner Diensttätigkeit nachgehen und war ausschließlich bis zur Tumordiagnose im November 2004 noch im zivilen Teil der Bundeswehr als Angestellter beschäftigt. Eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit oder gar eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten lässt sich daraus zumindest für den hier alleine streitigen Zeitraum von Mai bis September 2004 nicht mehr ableiten. Angesichts der dichten, monatlichen Kontrolltermine im Juni, Juli und August 2004 in Hamburg ist die Befundlage zudem - anders als der Gutachter K. annimmt - jedenfalls im hier streitigen Zeitraum sehr klar. Erstmals im Gutachten des MDK von August 2005 sind beim Kläger wieder deutliche Konzentrationsschwierigkeiten und Schlafschwierigkeiten, Unausgeglichenheit und Ängstlichkeit erhoben worden. Insoweit ist die Einschätzung des Gutachters K. nachvollziehbar, dass zumindest zu diesem Zeitpunkt eine Verschlechterung zweifelsfrei dokumentiert ist. Für den Zeitraum davor fehlt eine solche Dokumentation. Der Kläger war nach seinen Angaben im Berufungsverfahren im streitigen Zeitraum alleine im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg nervenärztlich behandelt worden, so dass nur dessen Befunde zur Verfügung stehen. Aus den Angaben in seinem Einspruchsschreiben vom 10. Oktober 2004, in dem er ganz allgemein eine Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes in den letzten Wochen anführt, lässt sich kein Befund ableiten, aus dem ein höherer MdE-Wert für die posttraumatische Belastungsstörung in der hier streitigen Zeit zu bilden wäre, zumal sich die empfundene Verschlechterung des Gesundheitszustandes auch auf Beschwerden des wenige Wochen später diagnostizierten Tumors bezogen haben könnte.
Den Senat überzeugt das - nach persönlicher Untersuchung erstellte und im Rahmen eines Urkundenbeweises verwertete - Gutachten von Dr. B. vom 20. Dezember 2006, wenn er nachvollziehbar davon ausgeht, dass der Kläger erst durch die Hirntumordiagnose, d.h. nach September 2004, wieder psychisch aus dem Gleichgewicht geworfen worden ist. Diese Erkrankung, die genauso wie das Busattentat als lebensbedrohlich empfunden wurde, hatte die Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung offensichtlich wieder stark getriggert. Auch die Kliniken Sch. berichteten am 29. Dezember 2005 von einem "Wiederaufleben" der posttraumatischen Belastungsstörung unter Bedrohung u.a. durch den Tumor. Und der Kläger selbst spricht in seinem Schreiben vom 28. November 2005 von einem "Wiederausbruch" der posttraumatischen Belastungsstörung, so dass sich der Senat - jedenfalls im hier streitigen Zeitraum von Mai bis September 2004 - nur noch von einer leichten psychischen Störung überzeugen konnte.
Der Senat geht insoweit auch nicht von einem schwankenden Gesundheitszustand aus, dem ggf. mit einem Durchschnittswert bei der MdE-Bewertung Rechnung getragen werden müsste (vgl. Nr. 18 Abs. 5 AHP 2004). Der Therapieerfolg nach der Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg im März/April 2004 war vielmehr stabil, wie die Kontrolltermine noch Monate später im Juni, Juli und August 2004 zeigten. Erst durch die (nicht absehbare) Tumorerkrankung im November 2004, die dann auch zu einer Arbeitsunfähigkeit führte, hat sich in der Folge der Gesundheitszustand wieder verschlechtert. Dies betrifft den streitgegenständlichen Zeitraum bis Ende September 2004 jedoch nicht.
Eine höhere MdE als 10 v.H. lässt sich nach alledem für die posttraumatische Belastungsstörung von Mai bis September 2004 nicht begründen. Diese Teil-MdE im psychischen Bereich erhöht die MdE von 20 v.H. für den Tinnitus mit erheblichen psycho-vegetativen Begleiterscheinungen wegen deutlicher Überschneidungen nicht, so dass die Annahme einer Gesamt-MdE von unter 25 v.H. im Bescheid vom 13. September 2004 nicht zu beanstanden ist.
Der von Klägerseite angeführte § 62 Abs. 2 BVG (i. V. m. § 85 Abs. 4 SVG) ist hier nicht - auch nicht analog - anwendbar. Diese spezialgesetzliche Regelung zu den §§ 45, 48 SGB X soll den Entzug bzw. die Herabbemessung von Versorgungsleistungen erschweren und einen besonderen Bestandsschutz gewähren (vgl. Knörr in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 62 BVG, Rz. 9). Vorliegend wurden im Bescheid vom 13. September 2004 jedoch keine Leistungen entzogen, sondern (erstmals) bewilligt. Ein besonderes, schützenswertes Vertrauen auf den (Fort-) Bestand der Sozialleistung konnte der Kläger also gar nicht erst entwickeln.
Nach alledem waren das Urteil des SG vom 26. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved