L 6 U 5239/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 3521/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 5239/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. November 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen der Heilbehandlung über den 16. August 2012 hinaus.

Der 1980 geborene Kläger war als Maschinenführer bei der D. AG im Bereich der Kernmacherei für die Bremsscheibenfertigung tätig. Am 20. April 2012 wollte er einen Kernbruch aus der Pelletieranlage entfernen. Dabei stieg er in den noch im Automatikbetrieb befindlichen Teil der Anlage. Ein Roboter erfasste ihn, wodurch er zwischen dem Ofenrost und dem Greifer eingeklemmt wurde.

Anschließend wurde er in die Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Klinikums Esslingen verbracht, wo er sich stationär bis zum 8. Mai 2012 aufhielt. Nach dem Zwischenbericht des Chefarztes dieser Klinik, Prof. Dr. D., wurden eine Thoraxquetschung beidseits, aber rechtsbetont, eine Defektwunde im Bereich des linken Handgelenkes, Bewusstlosigkeit mit Verdacht auf einen Krampfanfall, eine subjektive, postakzidentielle Sehminderung sowie eine postakzidentielle Armparese rechts mit Hypästhesie des rechten Armes und der rechten Hand diagnostiziert. Danach wurde der Kläger bis 26. Juni 2012 in den Fachkliniken Hohenurach stationär neurologisch und rehabilitativ behandelt. Nach dem Entlassungsbericht des Chefarztes Prof. Dr. A. wurde er als weiterhin arbeitsunfähig mit verbesserter Bewegung im Handgelenks- und Schulterbereich entlassen.

Nach einer augenärztlichen Untersuchung Anfang Juli 2012 durch die Dres. Sch./R. wurde ein Skotom, also ein Gesichtsfeldausfall, diagnostiziert. Ein vom Schädel des Klägers erstelltes Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 19. Juli 2012 wegen des beklagten Gesichtsfeldausfalles ergab keine Auffälligkeiten, insbesondere keinen Hinweis auf einen raumfordernden Prozess und eine Einblutung. Ein MRT der rechten Schulter vom 9. August 2012 zeigte keine Kompression des Plexus brachialis. Der Radiologe Dr. J. beschrieb eine unauffällige Thoraxapertur unter Berücksichtigung des Verlaufes des rechten Plexus brachialis.

Nach einer klinischen Untersuchung des Klägers Mitte August 2012 berichtete Prof. Dr. St. in einem neurologisch-psychiatrischen Befundbericht im Rahmen der Heilverfahrenskontrolle über einen völlig regelrecht neurologischen Befund bei dem körperlich total gepflegten und muskelkräftig trainierten Kläger. Dieser habe bei der Untersuchung das Bild einer zentralmotorischen Halbseitenstörung gezeigt, allerdings nicht durchgehend. Wechselnd sei eine spastische und eine schlaffe Lähmung der gesamten rechten Körperhälfte demonstriert worden. Objektiv bestünden jedoch keine Ausfälle auf neurologischem Gebiet, was durch die elektrophysiologischen Untersuchungen bestätigt worden sei. Auch ein Schwindel bestehe nach den klinischen und apparativen Befunderhebungen nicht, zumindest nicht im Sinne einer Funktionsstörung der Gleichgewichtsorgane. Der psychiatrische Befund sei, bis auf das offensichtliche Bestreben, erhebliche Krankheitserscheinungen vorzutäuschen, unauffällig. Bei der psychologischen Untersuchung hätten sich ähnlich wie bei der klinischen Untersuchung dramatische Ausgestaltungstendenzen gezeigt. Eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit bestehe nicht. Der Kläger sei offensichtlich bemüht gewesen, die Krankenrolle einzunehmen, obwohl keine Krankheit vorliege. Die Dipl.-Psych. Dr. V.-Th. führte im Befundbericht vom 5. September 2012 eine massive Aggravation mit Bejahung einer Vielzahl untypischer und unplausibler Symptome an.

Die Orthopädin Dr. B. erwähnte nach einer Abschlussuntersuchung Ende August 2012 in Bezug auf die durchgeführte erweiterte ambulante Physiotherapie eine massive Schonhaltung mit linkskonvexer Wirbelsäulenausbiegung. Der rechte Arm sei an den Oberkörper herangepresst worden. Bei allen Bewegungen hätten sich eine sofortige vegetative Reaktion mit Hyperhidrosis, also eine unphysiologisch starke Schweißbildung, und eine Zunahme der Grundspannung der Muskulatur gezeigt. Wegen der schnellen vegetativen Körperreaktion und der Ermüdung sowie der deutlichen Leistungsminderung sei eine zusätzliche psychologische Mitbehandlung dringend empfohlen.

Bei einer Nachuntersuchung Mitte September 2012 gab der Kläger gegenüber dem Chirurgen Dr. Y. weiterhin Probleme am linken Arm und der linken Hand an. Zudem lägen Depressionen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche und Angst vor. Er diagnostizierte einen Zustand nach Quetschung des rechten Hemithorax mit Parese und Läsion des Nervus radialis im Bereich der rechten oberen Extremität, eine Sehstörung rechts sowie ein posttraumatisches Durchgangssyndrom mit Depressionen und Schlafstörungen.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen der Heilbehandlung über den 16. August 2012 hinaus mit der Begründung ab, bei den von Prof. Dr. St. und Dr. V.-Th. vorgenommenen Untersuchungen seien die vom Kläger geäußerten Beschwerden nicht mit den Untersuchungsergebnissen in Einklang zu bringen gewesen. Objektiv krankhafte Befunde hätten nicht festgestellt werden können. Des Weiteren hätten die kernspintomographischen Untersuchungen des Schädels von Mitte Juli 2012 und der rechten Schulter von Anfang August 2012 ebenfalls unauffällige Befunde gezeigt. Insbesondere habe keine Schädigung des Plexus brachialis rechts festgestellt werden können. Eine Verletzung im Bereich des rechten Auges habe nicht nachgewiesen werden können. Ein Anspruch auf Heilbehandlung über den 16. August 2012 hinaus bestehe daher nicht.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Während des Widerspruchsverfahrens erhielt die Beklagte vom Ärztlichen Direktor der Sonnenberg Klinik in Stuttgart, Priv.-Doz. Dr. H., ein Schreiben, wonach sich der Kläger Ende Februar 2013 bei ihm im Rahmen eines Kooperationsprojektes der D. BKK, wo er gegen Krankheit gesetzlich versichert sei, vorgestellt habe. Im Vordergrund hätten nach wie vor eine bestehende erhebliche Schmerzsymptomatik im Bereich des rechten Armes, Schulter-Nacken-Schmerzen und Rückenschmerzen rechts bestanden. Hieraus resultiere nach Auffassung des Klägers eine erhebliche Bewegungseinschränkung, die letztlich in den vergangenen neun Monaten zu erheblichen psychischen und sozialen Folgen geführt habe, nicht zuletzt mit einem völligen sozialen Rückzug. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Schmerzstörung.

Nach einem für die D. BKK erstatteten sozial-medizinischen Gutachten von Dr. D., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg, von April 2013, diagnostizierte er neben einem Zustand nach Quetschung des rechten Hemithorax jeweils den Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), eine dissoziative Bewegungsstörung des rechten Armes (ICD-10 F44.4) und eine somatoforme Schmerzstörung. Er führte aus, die beim Kläger vorliegenden Antriebsstörungen und Belastbarkeitsminderungen begründeten weiterhin Arbeitsunfähigkeit. Es liege ein klarer Zusammenhang der die aktuelle Arbeitsunfähigkeit stützenden Diagnosen in Form einer dissoziativen Bewegungsstörung, einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer somatoformen Schmerzstörung mit dem Unfallereignis vor. Dieses sei eindeutig auslösend gewesen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2013 mit der Begründung zurückgewiesen, ein nur in zeitlicher Hinsicht bestehender Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Auftreten von Beschwerden, wie ihn Priv.-Doz. Dr. H. und Dr. D. annähmen, genüge nicht, von der Wesentlichkeit der versicherten Einwirkung auszugehen.

Hiergegen hat der Kläger am 24. Juni 2013 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben.

Das SG hat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. V. eingeholt. Nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 5. Dezember 2013 hat er eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und eine rückläufige dissoziative Bewegungsstörung des rechten Armes (ICD-10 F44.4) diagnostiziert. Beide Gesundheitsstörungen könnten mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückgeführt werden. Zuvor seien psychische Erkrankungen offensichtlich nicht gegeben gewesen. Der Kläger habe über einige Minuten eine Thoraxquetschung erlitten gehabt, bei der er zweifelsohne Todesängsten ausgesetzt gewesen sei. Dies erkläre zwanglos die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung, die bisher nicht behandelt worden sei. Zusätzlich habe im vergangenen Jahr eine dissoziative Bewegungsstörung des rechten Armes bestanden, die inzwischen rückläufig sei und die gleichfalls im Rahmen der psychischen Belastung auf den Unfall zurückgeführt werden könne. Untermauert würden die Diagnosen durch eine psychometrische Testung. Der von Prof. Dr. St. Mitte September 2012 erhobene körperliche Befund sei auch bei seiner Untersuchung nachvollziehbar gewesen. Es hätten sich auch bei ihm keine eindeutigen motorischen Defizite gefunden. Der Kläger habe noch eine Gefühlsstörung geschildert und beim Gehen sei die Bewegung des rechten Armes eingeschränkt gewesen. Die von Prof. Dr. St. angenommene beträchtliche Verdeutlichung erfasse nach seiner Auffassung die Krankheitsursache nicht wirklich. Bei seiner Untersuchung habe er beim Kläger eine aufgehobene affektive Schwingungsfähigkeit festgestellt. Die Stimmungslage sei massiv gedrückt gewesen. Die psychische Symptomatik sei einer ausgeprägten depressiven Störung vergleichbar. Demgegenüber habe Prof. Dr. St. die bei seiner Untersuchung noch deutlich ausgeprägtere dissoziative Störung mit einer Gehbeeinträchtigung als Verdeutlichung interpretiert, ohne die zugrundeliegende posttraumatische Belastungsstörung zu erfassen.

Nach der von Prof. Dr. St. für die Beklagte erstellten beratungsärztlichen Stellungnahme von Februar 2014 habe Dr. V. keine klare Trennung zwischen den Beschwerdeschilderungen des Klägers und den von ihm erhobenen Befunden vorgenommen. Die von Dr. V. gestellte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung fuße einzig auf den Schilderungen des Klägers und der spekulativen Unterstellung von Todesängsten während der Zeit, in der der Kläger angeblich eingequetscht gewesen sei. Er habe weiter die Ergebnisse der Zusatzuntersuchung SCL-90-R (Symptom-Checkliste nach Derogatis) und des strukturierten Fragebogens simulierter Symptome, SFSS, nicht hinreichend beachtet. Beide verdeutlichten eine massive Aggravation und Beschwerdeübertreibung.

Unter Vorlage eines Aufsatzes von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. F. zur forensisch-psychiatrischen Beurteilung posttraumatischer Belastungsstörungen hat Dr. V. im April 2014 ergänzend zu seinem Gutachten Stellung genommen. Mittels des psychischen Befundes seien eine aufgehobene affektive Schwingungsfähigkeit, eine verarmte Psychomotorik, eine erschwerte Auffassung und ein sehr zurückhaltendes Kontaktverhalten objektiviert worden. Bereits Dr. V.-Th. habe in ihrem Befundbericht von September 2012 ein eingeschränktes affektives Schwingungsvermögen und eine mürrische Stimmungslage dokumentiert. Beim SCL-90-R habe der Kläger alle Items, also Aufgaben eines psychologischen Tests, als maximal ausgeprägt angegeben, mit Ausnahme eines nur mittleren Wertes bei der Aggressivität. Dies sei mit dem Klägerverhalten bei der Untersuchung konsistent gewesen und habe nicht auf eine typische Aggravationssimulation hingewiesen, bei der typischerweise Maximalwerte für alle Items angegeben würden. Beim SFSS seien 31 von 75 Fragen mit ja beantwortet worden, was zwar auf eine Aggravation oder Simulation hinweisen könne, jedoch im Zusammenhang mit den anderen Befunden gesehen und beachtet werden müsse. So würden bei einer massiven Aggravation oder Simulation häufig 35 oder 40 Fragen positiv beantwortet.

Das SG hat die Klage, nachdem es den Kläger in der mündlichen Verhandlung gehört hat, mit Urteil vom 27. November 2014 abgewiesen. Wie die Beklagte sei die Kammer aus den von Prof. Dr. St. dargelegten Gründen und ihres Eindruckes vom Kläger in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass die von dem Sachverständigen Dr. V. angenommene posttraumatische Belastungsstörung sowie die rückläufige dissoziative Bewegungsstörung des rechten Armes nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen seien. Mit Prof. Dr. St. habe die Kammer erhebliche Zweifel an der Interpretation der von Dr. V. durchgeführten Testungen des Klägers. Der Kläger habe einige Minuten nach Verhandlungsbeginn den Sitzungssaal verspätet betreten. Hierbei sei die Bewegung vollkommen flüssig, dynamisch, sehr schnell und natürlich erfolgt. Der Kläger habe sich sofort, ohne jede körperliche Schonung und sichtbare Bewegungseinschränkung neben seinen Bevollmächtigten gesetzt. Nach kurzer Zeit habe er eine demonstrativ gebückte Haltung eingenommen. Bei der gut halbstündigen Befragung durch den Vorsitzenden habe er konzentriert, ohne Ermüdungserscheinungen, sachlich und situationsadäquat geantwortet. Die von Dr. V. berichtete aufgehobene affektive Schwingungsfähigkeit und eine massiv gedrückte Stimmungslage seien von der Kammer nicht beobachtet worden. Auch die von ihm angesprochene Vergleichbarkeit der seelischen Situation des Klägers mit einer ausgeprägten depressiven Störung habe die Kammer, ebenso wie Prof. Dr. St., nach dem adäquaten und sachlich konzentrierten Verhalten des Klägers während der gesamten Dauer der mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen können. Der Kläger habe die Fragen des Gerichts zum Unfallhergang, seiner jetzigen Tätigkeit bei der D. AG, seinem Privatleben und seinem Zusammenleben mit der Schwester klar, und zumindest auf Nachfrage, relativ detailliert beantwortet. Gegen eine ausgeprägte depressive Störung spreche die Tatsache, dass er nach eigenen Angaben seit August 2013 bei der D. AG in der Qualitätssicherung im Schichtdienst arbeite und dabei, etwa bei der Frühschicht von 6 Uhr bis 14:30 Uhr tätig sei, dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahre, das in der Regel von seiner Schwester vorgekochte Essen zu sich nehme und danach sehr viel fernsehe. Manchmal, so der Kläger, erhalte er Besuch von Freunden. Auf Nachfrage habe er mitgeteilt, dass er drei Freunde habe und neben seiner Schwester zu vier weiteren Geschwistern regelmäßig Kontakt pflege. Zudem sei die Kammer von der Begründung der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung durch Dr. V. allein mit den Schilderungen des Klägers und der von ihm aufgrund der Unfallumstände angenommenen Todesangst nicht überzeugt. Dieser habe den Unfallhergang gegenüber der Kammer ausführlich geschildert und angegeben, dass er nach der fünf- bis zehnminütigen Quetschung das Bewusstsein verloren habe und die Erinnerung erst dann wieder eingesetzt sei, als er auf dem Hallenboden gelegen und von Kollegen umgeben gewesen sei. Von Angst oder Todesangst bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit habe der Kläger gegenüber der Kammer nichts erwähnt. Er habe auch nicht geschildert, dass er immer wieder an das Unfallgeschehen denke oder davon träume. Damit seien zwei wesentliche Merkmale für eine posttraumatische Belastungsstörung nicht gegeben. Mit Prof. Dr. St. sei eine psychiatrisch-relevante Gesundheitsstörung nicht als mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unfallbedingt verursacht anzusehen.

Hiergegen hat der Kläger am 18. Dezember 2014 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, insbesondere die Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet stünden im Ursachenzusammenhang mit dem Arbeitsunfall am 20. April 2012 und seien über den 16. August 2012 hinaus behandlungsbedürftig gewesen.

Er beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. November 2014 und den Bescheid vom 19. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2013 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, über Leistungen der Heilbehandlung ab 17. August 2012 zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, das Klagebegehren, welches im Berufungsverfahren weiterverfolgt werde, könne nicht zum Erfolg führen.

Auf Nachfrage des Berichterstatters hat die D. AG im April 2015 mitgeteilt, dass der Kläger im Rahmen des betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements vom 8. bis 21. Juli 2013 einen Arbeitsversuch im Messraum der Qualitätssicherung vorgenommen habe, welcher vom Werksärztlichen Dienst als leidensgerecht eingestuft worden sei. Dieser Arbeitsversuch habe erfolgreich abgeschlossen werden können, so dass der Kläger ab 22. Juli 2013 wieder arbeitsfähig gewesen sei. Er sei nicht mehr in seinem ehemaligen Arbeitsumfeld der Kernmacherei eingesetzt worden, auch nicht temporär als Urlaubsvertretung oder als Ersatz für Kollegen, die sich im Krankenstand befunden hätten. Eine direkte räumliche Verbindung zum früheren Arbeitsbereich gebe es nicht.

Dem vormaligen Bevollmächtigten des Klägers ist vom Berichterstatter mitgeteilt worden, dass sich, gestützt auf dessen Anhörung in der mündlichen Verhandlung beim SG, aus der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt, dass der Kläger seit Ende 2013 bei einem Psychologen in der Sonnenberg Klinik in Stuttgart in Behandlung ist. Es ist um die Angabe des vollständigen Namens gebeten worden. Ferner ist dem Kläger ein Erklärungsvordruck zur Entbindung der ihn behandelnden Personen von der Schweigepflicht übersandt und gleichzeitig gebeten worden, diesen unterschrieben wieder zurückzusenden.

Nachdem der vormalige Bevollmächtigte des Klägers das Mandat unter Hinweis auf dessen fehlende Mitwirkung niedergelegt hat, ist dieser mit gerichtlichem Schreiben vom 2. Juli 2015 gleichen Inhaltes angeschrieben worden, wiederum unter Beifügung eines Erklärungsvordruckes für die Entbindung von der Schweigepflicht. Zu einem Erörterungstermin am 9. Oktober 2015 ist der Kläger mit Postzustellungsurkunde geladen worden, jedoch nicht erschienen. Mit Übersendung der Niederschrift, die ebenfalls mittels Postzustellungsurkunde vorgenommen worden ist, ist dem Kläger der Hinweis erteilt worden, dass in medizinischer Hinsicht weiterer Aufklärungsbedarf besteht, ohne seine Erklärung, die ihn behandelnden Personen von der Schweigepflicht zu entbinden, aber nicht weiter ermittelt werden kann. Auf der Grundlage der vorliegenden medizinischen Befundunterlagen ist sein Klagebegehren, welches er im Berufungsverfahren weiterverfolgt hat, als nicht erfolgversprechend angesehen worden. Er ist zudem darauf hingewiesen worden, dass über das Rechtsmittel ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden wird. Den Beteiligten ist Gelegenheit gegeben worden, hierzu Stellung zu nehmen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichterinnen und -richter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten.

Diese durch Art. 8 Nr. 6 Buchst d des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege in das SGG eingefügte Regelung stimmt, mit Ausnahme der dort nunmehr vorgesehenen Möglichkeit, der Berufung auch stattzugeben, mit der in § 130a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) überein, die sich nach Auffassung des Gesetzgebers als wirksame Maßnahme zur Entlastung der Oberverwaltungsgerichte erwiesen hat (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 29/00 R -, SozR 3-1500 § 153 Nr. 13). Sie soll den Landessozialgerichten die Möglichkeit geben, eindeutig aussichtslose Berufungen rasch und ohne unangemessenen Verfahrensaufwand zu bearbeiten (BT-Drucks 12/1217, S. 53 zu Nr. 7 Buchst d). Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat zu § 130a VwGO und zu dessen Vorgängervorschrift (Art. 2 § 5 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit), wiederholt entschieden, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts, bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, in seinem pflichtgemäßen Ermessen ("kann") steht. Von diesem Ermessen wird lediglich dann erkennbar fehlerhaft Gebrauch gemacht, wenn der ihr vorausgehenden Beurteilung sachfremde Erwägungen oder eine grobe Fehleinschätzung zugrunde liegen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. März 1999 - 4 B 112/98 -, NVwZ 1999, 763 m. w. N.). Dieser Rechtsprechung ist der für das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zuständige 2. Senat des Bundessozialgerichts hinsichtlich der Auslegung des § 153 Abs. 4 SGG gefolgt (Beschluss vom 13. Oktober 1993 - 2 BU 79/93 -, SozR 3-1500 § 153 Nr. 1).

Die mündliche Verhandlung, aufgrund der die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit regelmäßig entscheiden (§ 124 Abs. 1 SGG), ist das "Kernstück" des gerichtlichen Verfahrens und verfolgt den Zweck, dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz - GG) zu genügen und mit ihnen den Streitstoff erschöpfend zu erörtern (BSG, Urteil vom 22. September 1977 - 10 RV 79/76 -, BSGE 44, 292). Nur wenn die Sach- und Rechtslage eine mündliche Erörterung mit den Beteiligten überflüssig erscheinen lässt und das Gericht nur noch darüber zu befinden hat, wie das Gesamtergebnis des Verfahrens gemäß § 128 SGG zu würdigen und rechtlich zu beurteilen ist, ist daher das Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG sinnvoll (BSG, a. a. O.). Nicht erforderlich wird eine mündliche Verhandlung dagegen in der Regel nur dann sein, wenn der Sachverhalt umfassend ermittelt worden ist, so dass Tatsachenfragen in einer mündlichen Verhandlung nicht mehr geklärt werden müssen oder wenn etwa im Berufungsverfahren lediglich der erstinstanzliche Vortrag wiederholt wird (vgl. Wagner, in Hennig, Kommentar zum SGG, Stand: Oktober 2011, § 153 Rz. 67). Diese Funktion und Bedeutung der mündlichen Verhandlung sind bei der Entscheidung, ob im vereinfachten Verfahren gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden soll, zu berücksichtigen. Demgemäß sind für die Ermessensentscheidung die Schwierigkeit des Falles und die Bedeutung von Tatsachenfragen relevant (vgl. BSG, Beschluss vom 13. Oktober 1993 - 2 BU 79/93 -, SozR 3-1500 § 153 Nr. 1; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 153 Rz. 15). Zu beachten ist auch der Anspruch der Beteiligten auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG), nach dem die Gestaltung des Verfahrens in einem angemessenen Verhältnis zu dem auf Sachverhaltsaufklärung und Verwirklichung des materiellen Rechts gerichteten Verfahrensziel stehen muss (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 2. März 1993 - 1 BvR 249/92 -, BVerfGE 88, 118 (124, 126 ff.)). Daher kann es die Fürsorge- und Hinweispflicht des Gerichts gebieten, die Sache mündlich zu erörtern (vgl. BSG, Beschlüsse vom 8. November 2005 - B 1 KR 76/05 B -, SozR 4-1500 § 158 Nr. 2, Rz. 7 und 18. November 2008 - B 2 U 44/08 B -, juris, Rz. 8).

Unter Abwägung aller danach zu berücksichtigender Umstände ist die Entscheidung im vereinfachten Verfahren ohne mündliche Verhandlung erfolgt, da zwar ob der gegebenen medizinischen Sachlage weiterer Aufklärungsbedarf in Bezug auf die Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. April 2012 bestanden hat, weswegen ein Anspruch des Klägers auf Leistungen der Heilbehandlung über den 16. August 2012 hinaus nicht gänzlich auszuschließen war. Hierfür hätte der Kläger jedoch insbesondere den Berufspsychologen, der ihn nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG seit Ende 2013 einmal monatlich behandelt hat, von der Schweigepflicht entbinden müssen. Diese Erklärung, die Voraussetzung dafür ist, dass neben Ärzten auch Berufspsychologen ein zum persönlichen Lebensbereich einer anderen Person gehörendes Geheimnis, also etwa ihnen anvertraute medizinische Daten, preisgeben dürfen (§ 203 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 Strafgesetzbuch - StGB), hat der Kläger im gesamten gerichtlichen Verfahren nicht vorgelegt. Wegen dieser Erklärung ist der vormalige Bevollmächtigte des Klägers und, nachdem er das Mandat unter Hinweis auf dessen fehlende Mitwirkung niedergelegt hat, dieser selbst angeschrieben worden, wobei beiden Schreiben ein Erklärungsvordruck für die Entbindung von der Schweigepflicht beigefügt war. Zu einem Anfang Oktober 2015 anberaumten Erörtertungstermin, in dem ihm die Notwendigkeit der Vorlage der Erklärung verdeutlicht werden sollte, ist der Kläger, trotz mittels Postzustellungsurkunde zugestellter Ladung, nicht erschienen. In der auf dieselbe Weise zugestellten Niederschrift über den Termin ist ihm mitgeteilt worden, dass ohne Vorlage der Entbindungserklärung nicht weiter ermittelt werden kann und nach der bestehenden Sachlage das Klagebegehren, welches im Berufungsverfahren weiterverfolgt worden ist, nicht zum Erfolg führen dürfte. Eine Reaktion des Klägers ist weiterhin nicht erfolgt. Da dieser somit nach abgeschlossenem erstinstanzlichen Verfahren weder auf schriftliche Hinweise des Gerichts noch seines vormaligen Bevollmächtigten, der unter Hinweis auf dessen fehlende Mitwirkung das Mandat niedergelegt hat, reagiert und eine Entbindungserklärung vorgelegt hat sowie ohne Angabe von Hinderungsgründen einen bei Gericht anberaumten Erörterungstermin nicht wahrgenommen hat, hat es auch die Fürsorge- und Hinweispflicht des Senats nicht mehr geboten, einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Zudem ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufung - ohne Vorlage der Entbindungserklärung - wenig aussichtsreich erscheint (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1999 - B 13 RJ 25/99 R -, SozR 3-1500 § 153 Nr. 9, S. 27).

Die Berufung ist form- und nach § 151 Abs. 1 SGG auch fristgereicht eingelegt worden. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet. Denn die in Form der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobene Klage, mit welcher der Kläger sinngemäß die Verpflichtung der Beklagten verfolgt, über Leistungen der Heilbehandlung ab 17. August 2012 zu entscheiden (vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 29. November 2011 - B 2 U 21/10 R -, juris, Rz. 16), ist nicht begründet. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist für Verpflichtungsklagen bei Ermessensentscheidungen, wie vorliegend, an sich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 R -, BSGE 104, 116 (124); Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34a), mangels Durchführung einer solchen indes der Zeitpunkt der Entscheidung. In Bezug darauf ist nicht nachgewiesen, dass beim Kläger über den 16. August 2012 hinaus eine Gesundheitsstörung vorgelegen hat, die auf den Arbeitsunfall am 20. April 2012 zurückzuführen ist, und die eine Heilbehandlung erforderlich gemacht hat.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, auf ergänzende Leistungen, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII hat die Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig ergänzende Leistungen zur Heilbehandlung und zu den Leistungen zur Teilhabe zu erbringen. Zum Umfang der Heilbehandlung zählt unter anderem nach § 27 Abs. 1 Nr. 2, § 28 SGB VII die ärztliche Behandlung, worunter auch die Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung im Rahmen des so genannten "Psychotherapeutenverfahrens" fällt (vgl. Ricke, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: Juni 2015, § 28 SGB VII Rz. 2 m. w. N.).

Leistungen zur Heilbehandlung müssen infolge des Eintritts des Versicherungsfalls (§§ 7 ff. SGB VII) erforderlich werden. Dies ergibt sich schon aus der Überschrift des Dritten Kapitels des Siebten Buches Sozialgesetzbuch, in dem § 27 SGB VII enthalten ist. Voraussetzung ist somit, dass die versicherte Einwirkung einen Gesundheitsschaden objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat, weswegen eine Heilbehandlung erforderlich wurde.

Die Zurechnung setzt somit erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, objektiv (mit-)verursacht hat. Für Einbußen der Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine (Wirk-)Ursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und haben die Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einzustehen. (Wirk-)Ursache sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele ("conditio sine qua non"). Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die im Sinne der "Conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges war, darüber hinaus in seiner besonderen tatsächlichen und rechtlichen Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss (Wirk-)Ursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine im Einzelfall nicht wegdenkbare zufällige Randbedingung gewesen sein.

Ob die versicherte Verrichtung eine (Wirk-)Ursache für die festgestellte Einwirkung und die Einwirkung eine (Wirk-)Ursache für den Gesundheitserstschaden (oder den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht ("ex post") nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen, gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten, beantwortet werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 61 ff.).

Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln von Verletzten, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar und subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht, zumindest auch auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Als objektives Handeln der Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder den Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder im Sinne von § 11 SGB VII, der für die zweite Prüfungsstufe andere Zurechnungsgründe als die Wesentlichkeit regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie etwa auch zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 31).

Erst wenn die Verrichtung, die möglicherweise dadurch verursachte Einwirkung und der möglicherweise dadurch verursachte Gesundheitsschaden festgestellt sind, kann und darf auf der ersten Prüfungsstufe der Zurechnung, also der objektiven Verursachung, über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung zwischen der Verrichtung und der Einwirkung mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und gegebenenfalls mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung, gegebenenfalls neben anderen konkret festgestellten unversicherten (Wirk-)Ursachen, eine (Wirk-)Ursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper von Versicherten war (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 32).

Zweitens muss der letztlich durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 33).

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage, ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, also wesentlich, war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 34). Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 – B 2 U 16/11 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 21, Rz. 21 ff.). Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als wesentliche Ursache (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 44, Rz. 37).

Diese Voraussetzungen müssen für jede einzelne Gesundheitsstörung erfüllt sein. Eine solche ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht worden ist, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden, die infolge ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 39).

Der Gesundheitsschaden muss darüber hinaus nicht nur sicher feststehen. Er muss auch durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18). Darüber hinaus muss eine Heilbehandlung erforderlich sein.

Es steht nicht zur Überzeugung des Senats sicher fest, dass beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, wovon der Sachverständige Dr. V. ausgegangen ist. Er hat diese Gesundheitsstörungen zwar nach dem Diagnoseklassifikationssystem ICD-10, welches aktuell in der deutschen Fassung "GM-2016" vorliegt, mit "F43.1" und "F44.4" verschlüsselt. Prof. Dr. St. weist hingegen in seiner im erstinstanzlichen Verfahren von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme zutreffend darauf hin, dass Dr. V. weitestgehend keine klare Trennung zwischen den Beschwerdeschilderungen des Klägers und den von ihm erhobenen Befunden vorgenommen hat, welche allein zu einer Diagnose führen können, wie sich auch aus dem von Dr. V. vorgelegten Aufsatz von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. F. ergibt (Der Nervenarzt 2014, S. 279 (280)). Zudem ist die von Dr. V. unterstellte Todesangst, welche der Kläger während der Zeit, in der er angeblich eingequetscht war, gehabt haben will, nicht nachgewiesen. So hat der Kläger insbesondere in der mündlichen Verhandlung beim SG nicht erwähnt, dass am Unfalltag bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit Angst oder gar Todesangst aufgetreten war. Soweit dem Gutachten von Dr. V. überhaupt ein psychopathologischer Befund entnommen werden kann, so beschränkt sich dieser auf eine aufgehobene affektive Schwingungsfähigkeit, eine verarmte Psychomotorik, eine erschwerte Auffassung und ein sehr zurückhaltendes Kontaktverhalten. Selbst auf der Grundlage dieser Befunde, unterstellt sie sind überhaupt objektiviert worden, ist eine posttraumatische Belastungsstörung indes nicht nachvollziehbar. Nach Auffassung des Senats hat Dr. V. zwar den Versuch unternommen, die notwendige Abgrenzung der sich anhand der subjektiven Beschreibungen des Klägers ergebenden Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung zu Simulation, Aggravation und Verdeutlichungstendenzen vorzunehmen (vgl. hierzu D./F., Der Nervenarzt, 2014, S. 279 (284)). Er hat die Ergebnisse der von ihm hierfür eingesetzten Zusatzuntersuchung SCL-90-R und des strukturierten Fragebogens simulierter Symptome, SFSS, hingegen nicht hinreichend beachtet, worauf auch Prof. Dr. St. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme von Februar 2014 hingewiesen hat. Dr. V. hat weiter ausgeführt, dass der Kläger bei der Zusatzuntersuchung SCL-90-R hinsichtlich der Aggressivität nur einen mäßig erhöhten und damit noch im mittleren Bereich liegenden Wert angegeben hat, was mit dem Klägerverhalten bei der Untersuchung konsistent gewesen sei und nicht auf eine typische "Aggravationssimulation" hingewiesen habe, da damit nicht durchweg Maximalwerte angegeben worden seien. Er hat sich aber nicht damit auseinandergesetzt, dass der Kläger alle anderen 89 Fragen als maximal ausgeprägt beantwortet hat und bei der Aggressivität möglicherweise nur deshalb kein Maximalwert angegeben worden ist, weil er ein solches Ergebnis als für ihn ungünstig eingeschätzt hat. Für den Senat nachvollziehbar weist Prof. Dr. St. darauf hin, dass es keine psychische Störung gibt, bei der es in nahezu allen abgefragten Bereichen zu Auffälligkeiten kommt, wie dies beim Kläger zum Ausdruck gekommen ist. Da nach den Ausführungen von Dr. V. in der Gesamtauswertung der 75 Fragen des SFSS bereits eine Anzahl von mehr als achtzehn positiven Antworten ein Hinweis auf eine Simulation ist - nach Prof. Dr. St. ist dies schon ab siebzehn der Fall, deuten die vom Kläger 31 bejahten Fragen zudem darauf hin, dass dieser bei der gutachterlichen Untersuchung bewusst Beschwerden und Störungen vorgetäuscht hat. Das Ergebnis dieses Fragebogens ist jedenfalls nicht damit zu relativieren, wie Dr. V. angenommen hat, dass der Kläger nicht wenigstens 35 Fragen positiv beantwortet hat, was, so der Sachverständige, auf eine massive Aggravation oder Simulation hingedeutet hätte. Eine beim Kläger vorliegende posttraumatische Belastungsstörung hat überdies nicht durch das im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung - ZPO) verwertete Gutachten von Dr. D. untermauert werden können. Darin äußert er als Diagnose lediglich den Verdacht auf eine solche Gesundheitsstörung. Da der Kläger trotz mehrfachen Hinweises des Berichterstatters die für die weiteren Ermittlungen erforderliche Erklärung zur Entbindung der ihn behandelnden Personen von der Schweigepflicht nicht abgegeben hat, ist es dem Senat nicht möglich gewesen, den Berufspsychologen der Sonnenberg Klinik in Stuttgart, bei dem er nach eigenen Angaben seit Ende 2013 in Behandlung gewesen ist, zu befragen. Anhaltspunkte für diese Erkrankung haben sich folglich auch nicht aus einem von diesem möglicherweise erhobenen psychopathologischen Befund ergeben können.

Es steht zudem nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Kläger an einer dissoziativen Bewegungsstörung des rechten Armes gelitten hat, die von Dr. V. diagnostiziert und als rückläufig eingestuft worden ist. Mit dieser nach ICD-10-GM-2016 als Unterform zu den dissoziativen Störungen (F44.-) anzusehenden Gesundheitsstörung ist nach der Umschreibung häufig der vollständige oder teilweise Verlust der Bewegungsfähigkeit eines oder mehrerer Körperglieder verbunden, wobei sie als ursächlich psychogen, also von der Psyche ausgehend, angesehen wird. Wegen der Simulation des Klägers bei der von Dr. V. im Dezember 2013 vorgenommenen Untersuchung, können die von diesem erhobenen Befunde einen solchen psychogenen Ursprung indes nicht stützen, weshalb es auch für diese Diagnose an einer ausreichenden Grundlage fehlt.

Sonstige Gesundheitsstörungen, die Folgen des Arbeitsunfalls vom 20. April 2012 sind und über den 16. August 2012 hinaus eine Heilbehandlung erfordert haben, sind ebenfalls nicht nachgewiesen. Der Nachweis für eine somatoforme Schmerzstörung fehlt, Dr. D. hat lediglich den Verdacht auf diese Gesundheitsstörung diagnostiziert. Soweit Prof. Dr. D. nach dem stationären Aufenthalt des Klägers in der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Klinikums Esslingen bis 8. Mai 2012 eine Thoraxquetschung beidseits, aber rechtsbetont, eine Defektwunde im Bereich des linken Handgelenkes, Bewusstlosigkeit mit Verdacht auf einen Krampfanfall, eine subjektive, postakzidentielle Sehminderung sowie eine postakzidentielle Armparese rechts mit Hypästhesie des rechten Armes und der rechten Hand diagnostiziert hat, sind in der Folge jedenfalls keine auf den Arbeitsunfall am 20. April 2012 zurückzuführenden gesundheitsbedingten Einschränkungen objektiviert worden, die eine Heilbehandlung über den 16. August 2012 hinaus erfordert haben. Insbesondere hat ein vom Schädel des Klägers erstelltes MRT von Mitte Juli 2012 wegen des von ihm beklagten und von den Dres. Sch./R. zuvor diagnostizierten Gesichtsfeldausfalles keine Auffälligkeiten ergeben, insbesondere keinen Hinweis auf einen raumfordernden Prozess und eine Einblutung. Ein MRT der rechten Schulter von Anfang August 2012 hat keine Kompression des Plexus brachialis gezeigt. Der Radiologe Dr. J. hat über eine unauffällige Thoraxapertur unter Berücksichtigung des Verlaufes des rechten Plexus brachialis berichtet.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, da sich der vom Kläger erhobene Anspruch auf Heilbehandlung ab 17. August 2012 als unbegründet erwiesen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved