L 7 SO 3426/16 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SO 2181/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3426/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 10. August 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

1. Die Beschwerde der Klägerin, mit der sie sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein inzwischen abgeschlossenes erstinstanzliches Klageverfahren wendet, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (§ 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1 SGG) eingelegt worden und auch nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der seit dem 25. Oktober 2013 geltenden Fassung ausgeschlossen, denn der Beschwerdeausschluss gilt danach nur, wenn – was hier nicht der Fall ist – das Gericht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist.

2. Die Beschwerde der Klägerin ist aber unbegründet.

a) Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen nicht überspannt werden, jedoch darf Prozesskostenhilfe unter diesem Gesichtspunkt bereits dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 – juris Rdnr. 26; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2012 – 1 BvR 2869/11 – juris Rdnr. 13; Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Beschluss vom 5. Januar 1994 – 1 A 14/92 – juris Rdnr. 3; Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2007 – L 10 B 1195/06 AS PKH – juris Rdnr. 4; Verwaltungsgerichtshof [VGH] Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Juli 2007 – 10 S 961/07 – juris Rdnr. 3).

Bei der Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe haben die Fachgerichte nach der Rechtsprechung des BVerfG die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Anforderungen zu beachten. Dabei ist keine vollständige Gleichheit Unbemittelter, sondern nur eine weitgehende Angleichung geboten (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 22. Januar 1959 – 1 BvR 154/55 – juris Rdnr. 22 f.; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 – juris Rdnr. 23, 25; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 2310/06 – juris Rdnr. 35). Vergleichsperson ist derjenige Bemittelte, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/98 – juris Rdnr. 25; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 2310/06 – juris Rdnr. 35). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG auch einer Besserstellung der Unbemittelten gegenüber Bemittelten entgegensteht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. November 2009 – 1 BvR 2455/08 – juris Rdnr. 9; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. September 2010 – 1 BvR 1974/08 – juris Rdnr. 13; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2011 – 1 BvR 2735/11 – juris Rdnr. 7; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2012 – 1 BvR 2869/11 – juris Rdnr. 13). Im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist bezüglich der Erfolgsaussichten in der Hauptsache eine summarische Prüfung geboten (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2006 – 1 BvR 2236/06 – juris Rdnr. 13; Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 14. Dezember 2006 – IX ZR 164/05 – juris Rdnr. 1; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. März 2006 – L 7 SO 96/06 PKH-B – juris Rdnr. 5; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Januar 2007 – L 10 B 1195/06 AS PKH – juris Rdnr. 4).

b) Zwar dürfte die Klage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts Mannheim (SG) über den Prozesskostenhilfeantrag hinreichende Erfolgsaussichten gehabt haben. Nachdem das erstinstanzliche Verfahren inzwischen abgeschlossen ist, kommt aber eine Gewährung von Prozesskostenhilfe für dieses erstinstanzliche Verfahren nicht mehr in Betracht, weil bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahren Bewilligungsreife nicht vorlag.

aa) Hinreichende Erfolgsaussichten dürften zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG über den Prozesskostenhilfeantrag bestanden haben. Dies ergibt sich daraus, dass das SG in der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2016 durch die Vernehmung eines Zeugen Beweis erhoben hat. Grundsätzlich ist dann, wenn eine Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung notwendig ist, von hinreichenden Erfolgsaussichten auszugehen (vgl. zur Abgrenzung aber LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Oktober 2016 – L 4 R 2840/16 B – juris Rdnr. 37). Ob im vorliegenden Fall ausnahmsweise etwas anderes gilt, bedarf aus den folgenden Erwägungen keiner Entscheidung.

bb) Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO setzt bereits begrifflich voraus, dass das entsprechende Rechtsschutzbegehren noch anhängig ist. Ist – wie hier – die Instanz, für die Prozesskostenhilfe begehrt wird, bereits beendet, dann ist eine Erfolg versprechende Rechtsverfolgung nicht mehr möglich (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. April 2010 – 1 BvR 362/10 – juris Rdnr. 13 m.w.N.).

Allerdings kommt eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausnahmsweise auch nach Abschluss der Instanz in Betracht, wenn das Gericht sie bereits vor Beendigung des Verfahrens hätte bewilligen müssen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. April 2010 – 1 BvR 362/10 – juris Rdnr. 14 m.w.N.). Indes setzt ein solcher Anspruch auf rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss der Instanz voraus, dass der Prozesskostenhilfeantrag zum Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens im Sinne der Bewilligung entscheidungsreif war (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. April 2010 – 1 BvR 362/10 – juris Rdnr. 14 m.w.N.).

Eine solche Bewilligungsreife lag hier bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nicht vor. Diese Bewilligungsreife liegt erst bei einem vollständigen Antrag vor. Dazu gehört neben der schlüssigen Begründung der Klage die Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. April 2010 – 1 BvR 362/10 – juris Rdnr. 15; BGH, Beschluss vom 18. November 2009 – XII ZB 152/09 – juris Rdnr. 10; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Februar 2014 – L 11 R 4217/13 B – juris Rdnr. 21; Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2016 – L 7 AS 3660/16 B – n.v.). Ggf. hat der Antragsteller vom Gericht gestellte Fragen zu beantworten (vgl. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO).

Gemessen daran lag bis zum Urteil des SG vom 13. Oktober 2016 keine Bewilligungsreife vor. Zwar hatte die Klägerin bereits am 22. Juli 2016 eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Sie gab dabei an, keinerlei Einkommen zu haben. Damit hat die Klägerin ihre finanziellen Verhältnisse indes nicht glaubhaft gemacht, denn die Angabe, keinerlei Einkommen zu haben, also "von nichts" zu leben, ist nicht plausibel (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Oktober 2016 – L 4 R 2840/16 B – juris Rdnr. 28), zumal die Klägerin angegeben hat, Wohnkosten in Höhe von monatlich 580,00 Euro und Belastungen durch Medikamentenkosten in Höhe von 120,00 Euro monatlich zu haben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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