L 3 AS 646/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 3379/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 646/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufforderung des Beklagten, einen Antrag auf vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters zu stellen.

Der 1951 geborene Kläger bezieht seit längerem zusammen mit seiner Partnerin, mit der er eine Bedarfsgemeinschaft bildet, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seitens des Beklagten. Zuletzt bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 11.06.2014 der Bedarfsgemeinschaft Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von monatlich 1.147,70 EUR für Juli bis einschließlich Dezember 2014, wovon 573,84 EUR auf den Kläger entfielen.

Auf Aufforderung des Beklagten legte der Kläger eine Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) vom 27.08.2014 vor, ausweislich derer der Kläger Regelaltersrente abschlagsfrei ab 01.04.2017 mit einem monatlich 581,82 EUR betragenden Zahlbetrag und Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.11.2014 mit einer dauerhaften Minderung der Rente um dann 8,7 v.H. in Anspruch nehmen kann. Mit Bescheid vom 23.10.2014 forderte der Beklagte den Kläger auf, eine "geminderte Altersrente" spätestens bis zum 09.11.2014 bei der DRV Bund zu beantragen. Er habe nach den vorliegenden Unterlagen möglicherweise einen Anspruch auf eine "geminderte Altersrente" ab dem 01.11.2014. Der Kläger stellte daraufhin mit Schreiben vom 10.11.2014 bei der DRV Bund Antrag auf Rente ab Vollendung des 63. Lebensjahres und ergänzte, dass er diesen Antrag nicht freiwillig sondern auf Aufforderung des Beklagten hin stelle und er gegen die Entscheidung des Beklagten Widerspruch bzw. Klage erheben werde. Gerichtet gegen den Bescheid vom 23.10.2014 legte der Kläger dann am 24.11.2014 Widerspruch ein, den er damit begründete, eine Rente mit monatlichen Abschlägen von mindestens 8,7 v.H. lebenslang sei unwirtschaftlich und daher rechtswidrig und verfassungswidrig; dies insbesondere, da von seiner monatlichen Rente noch die Krankenversicherungs- und Pflegebeiträge abgehen würden und er dann dauerhaft deutlich unter Sozialhilfeniveau liegen würde. Eine Abwägung aller Gesichtspunkte sei aus der Begründung des Bescheides nicht ersichtlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er verwies zur Begründung auf die Ermessenserwägungen im angefochtenen Bescheid. Im Übrigen sei der Rentenanspruch des Klägers auch in ungeminderter Höhe so gering, dass dieser weiterhin aufstockend auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) angewiesen sein werde. Hiergegen hat der Kläger am 28.12.2014 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz gestellt.

Das SG hat den Eilantrag mit Beschluss vom 20.01.2015 abgelehnt (S 10 AS 154/15 R). Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 10.03.2015 zurückgewiesen (L 7 AS 737/15 ER-B).

Bereits mit Bescheid vom 09.01.2015 hat die DRV Bund dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.11.2014 mit einem monatlichen Auszahlbetrag von 475,16 EUR bewilligt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers hat die DRV Bund mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2016 zurückgewiesen. Die hiergegen am 01.07.2016 erhobene Klage ist derzeit beim SG anhängig (S 10 R 1690/16).

Zur Begründung der Klage gegen den Beklagten hat der Kläger vorgetragen, der lebenslange Abschlag von monatlich 8,7 v.H. bedeute für ihn, dass er seine persönliche Entscheidungs- und Wahlfreiheit mit Wohngeld und anderen Optionen für ein eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben bis zum Tode ohne staatliche Kontrolle, Aufsicht und Bevormundung nach dem Sozialhilferecht nicht mehr verwirklichen könne. Auch beabsichtige er, in absehbarer Zeit Deutschland zu verlassen, so dass die lebenslange Rentenkürzung ihn zusätzlich unverhältnismäßig hart treffe, da er keinen Anspruch auf Sozialhilfe im Ausland habe. Im Übrigen habe er Anspruch auf Grundsicherung im Alter gemäß § 41 SGB XII erst ab dem Alter von 65 Jahren und 5 Monaten, derzeit also ebenfalls nicht. Der Beklagte habe dies alles nicht in sein Ermessen eingestellt, weshalb mitnichten von einer Ausübung des Ermessens gesprochen werden könne. Die Verpflichtung zur Beantragung einer lebenslang geminderten Altersrente stelle eine grundgesetzwidrige Enteignung dar. Es liege eine Vielzahl von Fällen vor, bei denen ein Leistungsbezieher keine 35 Versicherungsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung aufweisen könne, weil er beispielsweise zugleich in berufsständischen Versorgungswerken versichert war. In diesen Fällen müsse eine verminderte vorgezogene Altersrente nicht in Anspruch genommen werden, weshalb ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) vorliege.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.01.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 19.08.2015 (B 14 AS 1/15 R, juris) gestützt. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG seien die Voraussetzungen nach § 12a SGB II gegeben und liege keine Unbilligkeit nach der Unbilligkeitsverordnung (UnbilligkeitsV) vor. Der Beklagte habe auch sein Ermessen erkannt und ausgeübt und sich dabei ausführlich mit der UnbilligkeitsV auseinandergesetzt. Zutreffend habe der Beklagte auch berücksichtigt, dass der Kläger auch im Falle einer ungeminderten Rentengewährung ergänzend auf Leistungen nach dem SGB XII angewiesen sei. Im Hinblick auf die behauptete Verfassungswidrigkeit schließe sich das Gericht der Beurteilung durch das BSG an, das eine solche verneint habe.

Gegen den dem Kläger am 25.01.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 18.02.2016 Berufung eingelegt und zur Begründung auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen. Das SG habe sich in der angefochtenen Entscheidung mit seinem Vorbringen in keinster Weise auseinandergesetzt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Januar 2016 sowie den Bescheid vom 23. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2014 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Zur weiteren Darstellung der Sach- und Rechtslage wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet.

Streitgegenständlich ist vorliegend der Bescheid vom 23.10.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2014, mit dem der Kläger zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufgefordert worden ist. Statthafte Klageart ist hierfür die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG (BSG a.a.O.). Die angefochtene Aufforderung hat sich vorliegend auch nicht im Sinne des § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) deswegen erledigt, weil der Kläger mittlerweile einen Rentenantrag gestellt hat und die DRV Bund hierauf gestützt dem Kläger mit Bescheid vom 09.01.2015 Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.11.2014 bewilligt hat. Solange das auf der Aufforderung des Beklagten beruhende Rentenverfahren nicht bestandskräftig abgeschlossen ist, begründet und erhält die angefochtene Aufforderung die Verfahrensführungsbefugnis des Beklagten für den Kläger im Rentenverfahren (BSG a.a.O.). Erst mit bestandskräftiger Rentenbewilligung kann das vom Kläger verfolgte Ziel, der Verpflichtung zur Rentenantragstellung nicht mehr nachkommen zu müssen, wegen des in § 7 Abs. 4 SGB II geregelten Leistungsausschlusses nicht mehr erreicht werden und ist damit die Frage, ob eine vorangegangene Aufforderung rechtswidrig war, nicht mehr von Belang (BSG, Beschluss vom 12.06.2013, B 14 AS 225/12 B, juris). Das Rentenverfahren ist vorliegend noch nicht abgeschlossen, weil der Kläger gegen den Rentenbescheid Widerspruch und gegen den hierauf ergangenen Widerspruchsbescheid vom 01.06.2016 Klage beim SG erhoben hat, die dort nach wie vor anhängig ist.

Die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 12a Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II liegen vor. Ein Ausnahmetatbestand nach der UnbilligkeitsV greift nicht ein, wobei diese die Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet sind, abschließend regelt (BSG, Urteil vom 19.08.2015, a.a.O.). Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab. Ergänzend ist noch auf folgendes hinzuweisen: Auch der Umstand, dass der Kläger bei Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente weiterhin hilfebedürftig nach dem SGB XII bleibt, ändert nichts an der Erforderlichkeit der Inanspruchnahme zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II. Dass die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente die Hilfebedürftigkeit des Klägers nach dem SGB II unabhängig von der Höhe der Rente beseitigt, folgt bereits aus dem in § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II bestimmten Leistungsausschluss, wonach Leistungen nach dem SGB II nicht erhält, wer Rente wegen Alters bezieht (BSG a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Dass der Kläger, abhängig von der Höhe der Rente, seinen notwendigen Lebensunterhalt gegebenenfalls dann nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten kann und ihm daher ergänzend ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zustehen kann, ändert daher nichts daran, dass der Kläger mit dem Bezug der vorzeitigen Altersrente seine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II beseitigt und aus diesem Leistungssystem ausscheidet. Dies beansprucht weiterhin auch insoweit Geltung, als der Kläger bei Bezug der Rente eine sogenannte gemischte Bedarfsgemeinschaft mit seiner derzeit gleichermaßen Alg II beanspruchenden Ehefrau bilden sollte, in der diese weiterhin Alg II wegen Hilfebedürftigkeit beziehen würde.

Die Aufforderung an Leistungsberechtigte zur Beantragung einer vorrangigen Leistung gemäß § 12a SGB II steht im Ermessen des Leistungsträgers; noch vor der Ermessensentscheidung des Leistungsträgers über eine Antragstellung gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist deshalb bereits über die Aufforderung der Leistungsberechtigten zur Antragstellung durch den Leistungsträger eine Ermessensentscheidung zu treffen (BSG a.a.O.). Die Ermessensausübung des Beklagten ist gerichtlich nur eingeschränkt darauf zu prüfen, ob er sein Ermessen überhaupt ausgeübt, ob er die gesetzlichen Grenzen des Ermessen überschritten oder ob er von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechendem Weise Gebrauch gemacht hat (§ 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]). Wie das SG und zuvor bereits das LSG im Beschluss vom 10.03.2015 zutreffend entschieden haben, hat der Beklagte das ihm eröffnete Ermessen erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt.

Bei der Überprüfung der Ermessenausübung im Rahmen der Aufforderung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente ist zu berücksichtigen, dass das Entschließungsermessen als Rechtsfolge letztlich tatbestandlich voraussetzt, dass die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente erforderlich und insbesondere nicht unbillig ist. Liegen daher - wie hier - die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Antragstellung nach § 12a SGB II vor, so entspricht es regelmäßig pflichtgemäßem Ermessen des Leistungsträgers, im Regelfall von der Ermächtigung zur Aufforderung zur Antragstellung Gebrauch zu machen (BSG a.a.O., auch zum Nachfolgenden). Relevante Ermessensgesichtspunkte können deshalb nur solche sein, die einen atypischen Fall begründen, in dem ausnahmsweise vom gesetzlichen Regelfall der Aufforderung zur Antragstellung zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen abzusehen ist. Eine solche Atypik kann sich nur aufgrund besonderer Härten im Einzelfall ergeben, die zwar keinen Unbilligkeitstatbestand im Sinne der UnbilligkeitsV begründen, aber die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente auf Grund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen.

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die Ermessensbetätigung des Beklagten nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt keine besondere Härte, die eine Atypik begründen könnte, vor. Der Beklagte hat sich mit dem Vorbringen des Klägers, der Abschlag von monatlich 8,7 v.H. zwinge ihn dauerhaft zur Inanspruchnahme von Sozialhilfe, auseinander gesetzt und auch diesen Aspekt in seine Ermessenserwägung eingestellt. Zutreffend hat der Beklagte dabei in seinen Ermessenerwägungen auf den Umstand abgestellt, dass der Kläger selbst bei Auszahlung einer ungeschmälerten Altersrente von laut Rentenauskunft prognostizierten 589,25 EUR dauerhaft seinen notwendigen Lebensunterhalt in nicht unerheblichem Umfang nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten könnte und deshalb auf einen ergänzenden Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII angewiesen bleiben würde. Denn die prognostizierte Bruttorentenhöhe von 589,25 EUR monatlich bei Inanspruchnahme einer unverminderten Altersrente ist um den Beitragsanteil des Klägers zur Krankenversicherung, einen von ihm zu tragenden Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung und seinen Beitrag zur Pflegeversicherung zu reduzieren, wobei sich diese monatlichen Beitragsanteile ausweislich des Rentenbescheids vom 09.01.2015 bereits bei der niedrigeren vorzeitigen Altersrente auf knapp 55,00 EUR monatlich belaufen. Bei einem monatlichen notwendigen Lebensunterhalt von zuletzt 573,83 EUR läge damit auch bei ungeschmälerter Altersrente eine Bedarfsunterdeckung von mehr als 40 EUR monatlich vor.

Im Übrigen ist eine isolierte Betrachtung der Höhe des Leistungsanspruchs nach dem SGB II oder SGB XII und der Höhe der vorrangigen Sozialleistung ohnehin nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit ihrer Inanspruchnahme auf Grund außergewöhnlicher Umstände zu begründen. Denn § 12a Satz 1 SGB II lässt schon eine Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Verpflichtung zur Inanspruchnahme genügen und das Nachrangprinzip gilt auch im SGB XII, weshalb eine nicht bedarfsdeckende vorzeitige Altersrente nicht nur wegen § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II die Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II beseitigt, sondern ihr Bezug im Sinne einer Verminderung auch auf die Hilfebedürftigkeit im Sinne des gleichrangig und selbständig neben dem SGB II stehenden SGB XII durchschlägt (BSG a.a.O.). Soweit der Kläger geltend macht, er habe vor Erreichen der in § 41 Abs. 2 SGB XII für ihn bestimmten Altersgrenze von 65 Jahren und 5 Monaten gemäß § 5 Abs. 2 SGB II und § 21 SGB XII keinen Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe, so trifft dies schon nicht zu. Denn der in § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II geregelte Leistungsausschluss für den Bezug von Renten wegen Alters, unter den auch die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente fällt, ist als eine Fiktion fehlender Erwerbsfähigkeit zu verstehen (Leopold in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB II, 4. Aufl. 2015 § 7 Rdnr. 253). Daher besteht beim Bezug einer nicht bedarfsdeckenden vorzeitigen Altersrente ein ergänzender Existenzsicherungsanspruch nach dem SGB XII (so auch BSG a.a.O.). Vor diesem Hintergrund war dieser Gesichtspunkt schon nicht in das Ermessen miteinzubeziehen.

Soweit der Kläger weiterhin durch die Aufforderung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente eine Einschränkung seiner persönlichen Entscheidungs- und Wahlfreiheit und insbesondere auch der ihm gebotenen Möglichkeiten, ins Ausland zu verziehen, sieht, so ist dies zwangsläufige Konsequenz des Umstandes, dass der Kläger nicht im Stande ist, seinen notwendigen Lebensunterhalt selbst zu decken; wie dargelegt, wäre er hierzu auch bei Bezug einer ungeschmälerten Altersrente nicht im Stande. Die mit der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII verbundene, wirtschaftlich vermittelte Einschränkung vollständiger Entscheidungs- und Wahlfreiheit trifft sämtliche Bezieher von solchen Leistungen gleichermaßen und kann keine Atypik begründen. Es ist dem Kläger freigestellt, auf die ergänzenden staatlichen Leistungen zur Existenzsicherung zu verzichten und sich dadurch dem ihm unerwünschten Regime des SGB II bzw. SGB XII zu entziehen.

Sonstige Ermessensfehler, insbesondere auch eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als gesetzliche Grenze des Ermessens sind nicht ersichtlich.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers teilt der Senat gleichfalls nicht. Das BSG hat sich in der genannten Entscheidung vom 19.08.2015 sehr ausführlich mit der Frage der Vereinbarkeit der Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrente mit den Grundrechten der Betroffenen auseinandergesetzt (BSG a.a.O.). Der Senat macht sich die dortigen Ausführungen in vollem Umfang zu eigen und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer neuerlichen Darstellung der dortigen Erwägungen ab. Soweit der Kläger im Besonderen einen Verstoß gegen Art. 3 GG im Hinblick auf diejenigen Betroffenen geltend macht, die die Voraussetzungen für einen vorzeitigen Rentenbezug nicht aufweisen, weil sie über viele Jahre beispielsweise nur in berufsständischen Versorgungswerken versichert waren, verkennt der Kläger, dass insoweit keine vergleichbaren Sachverhalte vorliegen. Zwar gehört der Kläger - so zutreffend das BSG in der genannten Entscheidung - mit Blick auf die Gruppe der Leistungsbezieher, die keinen Anspruch auf eine vorzeitige Altersrente haben, einer Vergleichsgruppe an, die unterschiedlich behandelt wird. Es fehlt hier indes an einem rechtlich wesentlich gleichen Sachverhalt. Die rechtlich verschiedene Behandlung rechtfertigt sich durch das Unterscheidungsmerkmal eines Anspruchs auf eine vorrangige Sozialleistung, das, da nur bei der klägerischen Vergleichsgruppe bestehend, beide Gruppen gerade nicht wesentlich gleich sein lässt (BSG a.a.O.).

Nach alledem sind die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten rechtmäßig und ist der Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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