Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2322/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1655/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach einem Arbeitsunfall tritt eine Verletztengeld ausschließende Arbeitsfähigkeit auch ein, wenn freiwillig eine andere Arbeit aufgenommen wird. Die neue Tätigkeit wird dann zur Grundlage für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit (Anschluss an BSG, Urteil vom 8. Februar 2000 – B 1 KR 11/99 R –, BSGE 85, 271, SozR 3-2500 § 49 Nr. 4, Rz. 14).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Verletztengeldzahlung ab dem 15. Januar 2015.
Der im Jahr 1943 geborene, verwitwete Kläger war Polizeibeamter und befindet sich seit Dezember 1983 wegen einer angeborenen Fehlbildung der rechten Hand im vorzeitigen Ruhestand. Im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses war der Kläger ab Juni 2010 für ein Sicherheitsunternehmen zunächst im Schließ- und Objektdienst tätig. Während seiner Arbeit stürzte er am 29. Oktober 2011 beim Übersteigen einer Sperrkette, fiel auf das Kopfsteinpflaster am Unfallort und schlug sich das rechte Knie sowie die linke Schulter an. Der Kläger arbeitete in der Folge weiter. Er wurde von seinem Arbeitgeber nun überwiegend im Pfortendienst eingesetzt. Am 15. Januar 2015 endete das Beschäftigungsverhältnis nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages.
Mehr als fünf Wochen nach dem Sturz, am 8. Dezember 2011, suchte der Kläger deswegen den Durchgangsarzt Prof. Dr. S. auf. Zunächst wurde der Verdacht auf eine Innenmeniskusvorderhornläsion des Kniegelenks rechts geäußert und eine Tendomyopathie der langen Bizepssehne links diagnostiziert (Durchgangsarztbericht vom 8. Dezember 2011). Der Kläger wurde als arbeitsfähig beurteilt. Die durchgeführte magnetresonanztomographische Untersuchung erbrachte einen breiten Riss im Innenmeniskushinterhorn und der Pars media rechts, einen Riss in der Pars intermedia des Außenmeniskus rechts, einen retropatellaren Knorpelschaden bei intaktem Bandapparat und ein Enchodrom im distalen Femur (Befundbericht des S. J.-Krankenhauses F. vom 15. Dezember 2011), woraufhin eine Kniegelenksdistorsion rechts und eine Schulterprellung links diagnostiziert wurden (Befundbericht des S ... J.-Krankenhauses F. vom 16. Dezember 2011).
Am 21. Mai 2012 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall und zog sich beim Sturz auf sein linkes Handgelenk eine distale Radiusfraktur zu. Danach war er deswegen vorübergehend bis zum 20. Juli 2012 arbeitsunfähig krank.
Gestützt auf die Stellungnahmen der Beratungsärzte Dr. S. vom 27. Februar 2012 und K. vom 6. April 2012 erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 1. August 2012 den Unfall vom 29. Oktober 2011 dem Grunde nach als Arbeitsunfall an und stellte eine "folgenlos verheilte Prellung des rechten Knies, folgenlos verheilte Stauchung der linken Hand und Schulter" als Unfallfolgen fest und bewilligte Heilbehandlung bis zum 25. November 2011. In seinem im Widerspruchsverfahren erstellten Gutachten vom 15. Oktober 2012 gelangte Prof. Dr. S., Ärztlicher Direktor am U.-Klinikum F., zu dem Ergebnis, dass lediglich eine Knieprellung rechts und eine Schulterprellung links, jeweils ausgeheilt, nicht aber der Einriss des Innenmeniskushinterhorns bis zur Pars intermedia reichend rechts, der Einriss des Außenmeniskus im Bereich der Pars intermedia rechts und die beginnende femoropatellare Arthrose rechts, Unfallfolge seien. Behandlungsbedürftigkeit habe drei Wochen bestanden. Der Kläger sei auf eigenen Wunsch die gesamte Zeit arbeitsfähig gewesen. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2011 zurück. Im Rahmen des hiergegen angestrengten Klageverfahrens beim Sozialgericht Freiburg (SG - S 9 U 6133/12), in dem es dem Kläger vor allem um die Kostenübernahme für eine durchgeführte Rehabilitationsbehandlung ging, wurde von Amts wegen ein Gutachten beim Orthopäden und Chirurgen Prof. Dr. S. eingeholt. Am 14. August 2013 berichtete dieser von einem aufrechten, ungehinderten Gangbild. Die Kniegelenksbeweglichkeit (Streckung/Beugung) habe rechts 0-0-130° mit deutlicher Innenmeniskus- und geringgradig ausgebildeter Außenmeniskussymptomatik betragen. Der Gutachter stellte ein belastungsabhängig funktionsbeeinträchtigtes rechtes Bein bei Innen- und Außenmeniskusschaden, eine endgradige und endgradig schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung der linken Schulter bei folgenlos ausgeheilter Schulterprellung und degenerativen Veränderungen im linken AC-Gelenk sowie eine als Arbeitsunfall anerkannte distale Radiusfraktur links mit endgradiger Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk fest. Die Meniskopathie im rechten Knie sei auf das Ereignis vom 29. Oktober 2011 zurückzuführen. Der Kläger sei auf eigenen Wunsch hin die gesamte Zeit arbeitsfähig gewesen und setze seine Erwerbstätigkeit auf einem Schonarbeitsplatz sitzend fort. Nachdem das SG im Urteil vom 9. Dezember 2013 die Meniskopathie des rechten Kniegelenks als Folge des Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 2011 festgestellt hatte, schlossen die Beteiligten beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 8 U 771/14) einen verfahrensbeendenden Vergleich, wonach zwar der Riss des Innenmeniskus am rechten Kniegelenk Folge des Arbeitsunfalls sei, nicht jedoch die Schäden am dortigen Außenmeniskus. Weiter anerkannte die Beklagte allgemein die "leistungsrechtlichen Folgen des Arbeitsunfalls im Hinblick auf die festgestellten Unfallfolgen". Im Weiteren erstattete die Beklagte dem Kläger den Eigenanteil für die Rehabilitation in der R.-Klinik (vgl. Bescheid vom 27. Oktober 2014), in der er sich in der Zeit vom 3. bis 31. Juli 2013 aufgehalten hatte. Im diesbezüglichen Entlassungsbericht wurde angeführt, dass der Kläger bei der Aufnahme von einer geländeabhängigen schmerzfreien Gehstrecke von 600 Metern gesprochen habe. Bei der Entlassung hätten die Kniegelenksbeschwerden rechts nachgelassen, die Gehstrecke hätte sich in der Ebene deutlich verbessert. Hauptproblem sei das Begehen von Treppen. Der Kläger sei arbeitsfähig entlassen worden. Der Kläger müsse in der Tätigkeit beim Sicherheitsdienst nächtliche Kontrollgänge durchführen. Hierbei werde insbesondere das häufige Ersteigen von Treppen problematisch. Der Kläger habe aber eine außerordentlich gute Motivationslage gezeigt.
Ein Verfahren auf Verletztenrente wegen des zwischenzeitlichen Unfalls vom 21. Mai 2012 blieb für den Kläger ohne Erfolg (Bescheid vom 25. November 2014 und Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2014). Im Klageverfahren beim SG (S 17 U 293/15) wurden orthopädische Gutachten von Dr. Dr. S. vom 23. Juni 2015 (unauffälliges Gangbild auf langem Flur, keine gravierenden Funktionsbeeinträchtigungen an der unteren Extremität mit angegebenem Überstreckungsschmerz am rechten Kniegelenk, Behandlung nur mit Voltarengel) und Dr. H. vom 18. September 2015 (unauffälliger Barfußgang sowie unauffällige verschiedene Stand- und Gangarten, keine gravierenden Bewegungseinschränkung der unteren Extremitäten bei Durchbewegung der Gelenke, keine auffälligen Muskelatrophien) eingeholt und die Klage später zurückgenommen.
Ein im Oktober 2014 gestellter Antrag auf Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalls vom 29. Oktober 2011 blieb ebenfalls ohne Erfolg (Bescheid vom 5. November 2014, Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2014). Im Klageverfahren beim SG (S 13 U 292/15) wurde auf Antrag des Klägers ein weiteres Gutachten bei Prof. Dr. S. vom 26. Februar 2016 eingeholt, der von aufrechtem Gehen ohne Hinken und einer endgradig eingeschränkten Kniegelenksbeweglichkeit im Sinne eines geringen Streck- und Beugedefizits (0-5-130° rechts), beidseits sicherem Einbein- und Hackenstand und rechtsseitig behindertem Zehenstand berichtete. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2016 abgewiesen. Die Berufung beim Senat (L 6 U 2658/16) wurde später für erledigt erklärt.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 teilte der Kläger der Beklagten schließlich mit, dass er sich derzeit bis zum 15. Januar 2015 in einem notwendigen Erholungsurlaub befinde und danach wegen Verschlimmerung der Schmerzzustände an beiden verletzten Gliedmaßen in ärztliche Behandlung begeben werde. Am 15. Januar 2015 werde er auch einen Aufhebungsvertrag mit seinem Arbeitgeber wegen seiner körperlichen Gebrechen abschließen. Er bitte um die Zusage von Verletztengeld ab dem 15. Januar 2015.
Der Kläger legte ein Arbeitszeugnis vor, wonach er die Tätigkeit bis zum 15. Januar 2015 zur vollen Zufriedenheit des Arbeitgebers verrichtet hätte. Das Arbeitsverhältnis sei auf eigenen Wunsch und in beiderseitigem Einvernehmen aufgrund einer altersbedingt eingeschränkten Einsatzfähigkeit beendet worden. Insbesondere hätte nach einem Arbeitsunfall ab 2012 keine Tätigkeit im Schließdienst mehr erfolgen können. Nach Wegfall des Pfortendienstes sei ausschließlich ein Einsatz im Rahmen von Bewachungstätigkeiten möglich gewesen. Diese Einsatzmöglichkeit sei nach Abschluss von Umbaumaßnahmen im Kundenobjekt auch weggefallen.
Das Tätigkeitsprofil des Klägers beschrieb der Arbeitgeber im November 2014 gegenüber der Beklagten dahingehend, dass der Kläger vor dem Unfall im Schließdienst mit großer Wegstrecke und vielen Treppen eingesetzt worden sei. Nach dem Unfall habe er Bewachungstätigkeit mit kurzer Wegstrecke (ca. 200-300 Metern) und in überwiegend sitzender Tätigkeit verrichtet. Falls ein Auftrag im Bewachungsbereich eingehe, sei eine Wiederbeschäftigung des Klägers geplant (vgl. Telefonvermerk vom 11. November 2014, Bl. 446 ff. der Verwaltungsakte).
Im Zwischenbericht von Prof. Dr. S. über die ambulante Behandlung vom 16. Januar 2015 wurde angegeben, dass sich beim Röntgen eine gute knöcherne Durchbauung der Scaphoidfraktur 2012 und eine beginnende Arthrose im rechten Kniegelenk gezeigt hätten.
Der Allgemeinmediziner Dr. D. teilte der Beklagten am 2. März 2015 mit, dass der Kläger momentan arbeitsunfähig aufgrund der Schmerzen und der Bewegungseinschränkungen im rechten Kniegelenk sei.
Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger am 20. März 2015 von dem Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. P. untersucht. Dieser führte aus, dass das rechte Bein voll belastbar sei, das rechte Kniegelenk zeige keine synoviale Reizung und keine pathologischen Meniskuszeichen. Bei normaler Beweglichkeit bestehe eine einfache Gehstrecke von 800 Metern am Stück ohne Gehhilfen. Am linken Handgelenk bestünden bei in günstiger Stellung knöchern fest verheilter Scaphoidfraktur keine Bewegungseinschränkung und keine posttraumatische Arthrose. Die linke Hand könne im Alltag eingesetzt werden. Es bestünde keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit. Es sei sozialrechtlich ausreichende Wege- und Gehfähigkeit vorhanden.
Mit Bescheid vom 31. März 2015 lehnte die Beklagte darauf die Zahlung von Verletztengeld ab. Es bestehe keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch u.a. mit der Begründung, dass ein Arbeitsgang bei ihm ca. 4000 Meter und die Überbrückung von 1.220 Stufen auf- und abwärts umfasst habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da der Kläger zuletzt im Bewachungsgewerbe eingesetzt worden sei. Es hätten nur kurze Strecken zurückgelegt werden müssen. Es habe sich um eine überwiegend sitzende Tätigkeit gehandelt. Diese Tätigkeit, die ihm mangels Auftragslage gekündigt worden sei, könne er noch uneingeschränkt ausüben.
Am 21. Mai 2015 hat der Kläger beim SG (S 3 U 2322/15) Klage erhoben. Er hat angeführt, dass seine zuletzt ausgeübte gesundheitsschonende Tätigkeit beendet und der Arbeitsvertrag aufgehoben worden sei. Seiner ursprünglichen Schließertätigkeit könne er ohne weitere Gesundheitsschädigung nicht mehr nachkommen.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 25. Februar 2016, dem Kläger zugestellt am 9. April 2016, hat das SG die Klage abgewiesen. Es fehle zunächst bereits an der erforderlichen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zum 15. Januar 2015. Prof. Dr. S., aufgesucht am 16. Januar 2015, habe die Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht zu bestätigen vermocht. Zu diesem Zeitpunkt sei das Arbeitsverhältnis des Klägers überdies bereits aufgelöst gewesen. Die zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit, die nach der Aussage des Klägers notwendig mit Gehen verbunden gewesen sei und eine gewisse Geschwindigkeit zwingend erfordert hätte, sei damit nicht mehr maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit. Bezugspunkt der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sei eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zu Recht habe Dr. P. keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit festgestellt, nachdem eine funktionelle Einschränkung des rechten Beins nicht ersichtlich sei und das rechte Kniegelenk keine synoviale Reizung und keine pathologischen Meniskuszeichen zeige. Einer überwiegend sitzenden geringfügigen Beschäftigung stehe daher nichts im Wege. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der behandelnden Ärzte Dr. D. und Dr. D. hätten nicht zu überzeugen vermocht. Dass die Belastbarkeit des Knies eingeschränkt sei, begründe plausibel Einschränkungen bei der Ausübung bestimmter Tätigkeiten. Eine Arbeitsunfähigkeit für überwiegend sitzende Überwachungstätigkeiten sei damit aber regelmäßig nicht verbunden.
Am 27. April 2016 hat der Kläger beim SG Berufung eingelegt. Nach Wegfall der knieschonenden Arbeiten hätte er wieder die Tätigkeiten im Sicherheitsdienst mit größerer Laufstrecke und vielen Treppenstufen ausüben sollen. Diese hätte er nicht verrichten können, so dass es zur einvernehmlichen Vertragsaufhebung gekommen sei.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Februar 2016 und den Bescheid vom 31. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 15. Januar 2015 Verletztengeld aufgrund des Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt an, dass Arbeitsfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit bestehe.
Der Berichterstatter des Senats hat am 12. Oktober 2016 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten S 9 U 6133/12, S 13 U 292/15, S 17 U 293/15, L 8 U 771/14 und L 6 U 2658/16 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Obgleich für die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, konnte der Senat verhandeln und entscheiden, denn die Beteiligten sind - mit Hinweis auf diese Möglichkeit - ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 9. März 2017 geladen worden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG; vgl. BSG, Beschluss vom 30. Mai 1958 – 2 RU 159/57 –, SozR Nr. 5 zu § 110 SGG, Rz. 6).
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 25. Februar 2016, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 31. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2015 von der Beklagten Gewährung von Verletztengeld ab 15. Januar 2015 verfolgt hat, abgewiesen worden ist.
Als Rechtsgrundlage für die von dem Kläger beanspruchte Gewährung von Verletztengeld ab 25. Juni 2011 kommt, da die Voraussetzungen für einen Anspruch auf das so genannte "Übergangs-Verletztengeld" nach § 45 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ersichtlich nicht vorliegen, einzig § 45 Abs. 1 SGB VII in Betracht. Danach wird Verletztengeld erbracht, wenn Versicherte infolge eines Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder die dort aufgeführten Sozialleistungen hatten. Gemäß § 46 Abs. 1 SGB VII wird Verletztengeld von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, welche die Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindern. Die Zahlung von Verletztengeld endet nach § 46 Abs. 3 Satz 1 SGB VII mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme (Nr. 1) oder mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht (Nr. 2). Wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, endet das Verletztengeld gemäß § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, dass die Versicherten eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen können (Nr. 1), mit Beginn der in § 50 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) genannten Leistungen, es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen (Nr. 2), im Übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung (Nr. 3).
Für die Zeit ab 15. Januar 2015 fehlt es an einer wegen des Ereignisses vom 29. Oktober 2011 bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zu diesem Begriff in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn Versicherte aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalls nicht in der Lage sind, ihrer zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (vgl. zur ständigen Rechtsprechung in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG, Urteile vom 30. Mai 1967 - 3 RK 15/65 -, BSGE 26, 288, 9. Dezember 1986 - 8 RK 12/85 -, BSGE 61, 66 und 8. Februar 2000 - B 1 KR 11/99 R -, BSGE 85, 271 (273); zur Übernahme dieses Begriffs in die gesetzliche Unfallversicherung: BSG, Urteile vom 29. November 1972 - 8/2 RU 123/71 -, BSGE 35, 65, 4. Dezember 1991 - 2 RU 76/90 -, SozR 3-2200 § 560 Nr. 1 und 13. August 2002 - B 2 U 30/01 R -, SozR 3-2700 § 46 Nr. 1). Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn Versicherte ihre zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht weiter verrichten können (vgl. hierzu und zum Folgenden: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 31/06 R -, SozR 4-2700 § 46 Nr. 3, Rz. 12). Dass sie möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben können, ist unerheblich. Geben sie nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle beziehungsweise bei selbstständiger Tätigkeit ihre Arbeitstätigkeit auf, ändert sich allerdings der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Versicherte dürfen dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten verwiesen werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeit entsprechend der Funktion des Kranken- oder Verletztengeldes eng zu ziehen ist (vgl. auch Senatsurteil vom 28. Juli 2016 – L 6 U 1013/15 –, juris, Rz. 60).
Der Kläger übte zum Zeitpunkt des von der Beklagten mit Bescheid vom 1. August 2012 anerkannten Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 2011 eine abhängige – geringfügig bezahlte - Beschäftigung bei einem Sicherheitsunternehmen aus. Er war dabei überwiegend im Schließ- und Objektdienst eingesetzt, eine leichtere körperliche Tätigkeit überwiegend im Stehen und Gehen, bei der er pro Arbeitsschicht allerdings mehrere Kilometer (ca. 2-3) zu Fuß zurücklegen und viele Treppenstufen (ca. 1.000) überwinden musste. Dies entnimmt der Senat der Arbeitgeberauskunft vom 11. November 2014, der Arbeitgeberbescheinigung vom 5. April 2014 und dem Arbeitszeugnis vom 14. Januar 2015.
Ob der Kläger in dieser Tätigkeit überhaupt direkt nach seinem Unfall am 29. Oktober 2011 arbeitsunfähig krank war – jedenfalls hatte er sich keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eines Arztes ausstellen lassen und war erst über fünf Wochen nach dem Unfall deswegen erstmals zu Unfallarzt Prof. Dr. S. gegangen – kann vorliegend dahingestellt bleiben, da er einvernehmlich mit seinem Arbeitgeber, was letzterer als "Kulanz" bezeichnete (vgl. Arbeitgeberbescheinigung vom 5. April 2014), nun nur noch in einer überwiegend sitzenden Bewachungs-, bzw. Pförtnertätigkeit eingesetzt wurde. Es erfolgte also eine (konkludente) Änderung der ursprünglich arbeitsvertraglich vereinbarten schwereren Arbeitsleistung in eine leichtere. Die nun über mehrere Jahre hinweg verrichtete Tätigkeit bestand aus überwiegend sitzender Bewachungs- bzw. Pförtnertätigkeit, die nur kurze Wegstrecken (ca. 200-300 m) erforderte. Dies folgt ebenfalls aus der bereits genannten Arbeitgeberbescheinigung vom 5. April 2014 und dem Arbeitszeugnis vom 14. Januar 2015.
Diese neue, leichtere Tätigkeit war und ist für den Kläger – was von ihm im Übrigen nicht in Abrede gestellt wird – gesundheitlich geeignet. Dies ergibt sich bereits aus dem Durchgangsarztbericht vom 8. Dezember 2011, in dem der Kläger als – weiterhin – arbeitsfähig beurteilt wurde. Auch in den Gutachten von Prof. Dr. S. vom 15. Oktober 2012 und Prof. Dr. S. vom 14. August 2013 wurde übereinstimmend von Arbeitsfähigkeit ausgegangen. Aus der Rehabilitation in der R.-Klinik im Juli 2013 wurde der Kläger ebenfalls arbeitsfähig entlassen. Und nicht zuletzt in dem Gutachten von Dr. P. vom 20. März 2015 wird eine ausreichende Leistungsfähigkeit zumindest für eine überwiegend sitzende Tätigkeit festgestellt. Dies überzeugt den Senat, da die Beschwerden im Kniebereich aufgrund der Folgen des von der Beklagten als unfallbedingt anerkannten Risses des Innenmeniskus am rechten Kniegelenk allenfalls bei besondere Geh- und Steigtätigkeiten problematisch werden. Kürzere Gehstrecken oder sitzende Tätigkeiten werden dadurch nicht behindert. So wird auch in den Gerichtsgutachten von Dr. S. vom 23. Juni 2015 und Dr. H. vom 18. September 2015 von einem unauffälligen Gangbild und keinen gravierenden Funktionsbeeinträchtigungen an der unteren Extremität berichtet. Der Kläger sprach während der Rehabilitation in der R.-Klinik selbst von einer schmerzfreien Gehstrecke von 600 Metern zumindest in der Ebene. Einschränkungen für sitzende Tätigkeiten, die den Hauptteil der Beschäftigung des Klägers ausgemacht haben, bestanden durch die Knieproblematik nicht.
Mit der Aufnahme der leichteren Bewachungs- und Pförtnertätigkeit in der Folge nach dem Unfall vom 29. Oktober 2011 endete auch eine etwaige Arbeitsunfähigkeit für die davor ausgeübte, anstrengendere Schließertätigkeit. Arbeitsfähigkeit tritt nämlich ohne weiteres (fiktiv) dadurch ein, dass freiwillig eine andere Arbeit aufgenommen wird. Die neue Tätigkeit wird dann zur Grundlage für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit (BSG, Urteil vom 8. Februar 2000 – B 1 KR 11/99 R –, BSGE 85, 271-278, SozR 3-2500 § 49 Nr. 4, Rz. 14; Knittel in Krauskopf, Soziale Kranken- und Pflegeversicherung, § 44 SGB V Rz. 10).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Kläger schon deswegen kein Verletztengeld für die Zeit ab 15. Januar 2015 verlangen kann, weil zu diesem Zeitpunkt für die Beurteilung seiner Arbeitsfähigkeit auf die bis zuletzt ausgeübte leichtere Bewachungs- und Pförtnertätigkeit abzustellen war und nicht auf die Jahre zuvor ausgeübte schwerere Schließertätigkeit. Für die letzte konkrete Tätigkeit bestand wegen der Verletzungen durch den allein streitgegenständlichen Unfall vom 29. Oktober 2011 keine Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit, was eindrücklich in dem Umstand Bestätigung findet, dass der Kläger weiterbeschäftigt worden wäre, wenn sein Arbeitgeber weitere Aufträgen im Bewachungsbereich erhalten hätte. Die Arbeitstätigkeit endete also nicht etwa wegen einer zwischenzeitlich eingetretenen gesundheitlichen Verschlechterung, sondern wegen Auftragsmangels des Arbeitsgebers.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass man selbst für den Fall, dass nicht auf die letzte, leichte Bewachungstätigkeit abzustellen wäre, für die Bestimmung des für die Arbeitsunfähigkeit maßgeblichen Anforderungsprofils nicht die frühere Schließertätigkeit, sondern den allgemeinen Arbeitsmarkt heranziehen müsste. Spätestens nach einem Zeitraum von drei Jahren endet nämlich ein "nachgehender" Berufsschutz für die vormals ausgeübte oder – bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses – eine dieser gleichwertigen Tätigkeit (Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 45 SGB VII, Rz. 17 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 5. Senats des BSG, Urteil vom 25. Februar 2004 – B 5 RJ 30/02 R –, BSGE 92, 199-206, SozR 4-2600 § 43 Nr. 2, Rz. 20). Für den allgemeinen Arbeitsmarkt ist der Kläger breit einsetzbar. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem ausführlichen Gutachten des Dr. P ... Die unfallbedingte Knieproblematik hindert dies nicht, da das rechte Bein normal beweglich ist. Es bestand keine synoviale Reizung und kein pathologisches Meniskuszeichen. Gehstrecken von 600 bis 800 m ohne Gehilfen sind am Stück zumutbar. Die sozialrechtlich relevante Wegefähigkeit (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R –, BSGE 110, 1-8, SozR 4-2600 § 43 Nr. 17, Rz. 20 m.w.N.) ist somit - wie Dr. P. nachvollziehbar ausführt - gegeben und der Kläger wäre breit in leichtere, überwiegend sitzende Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes einsetzbar, zumal die bei dem Unfall vom 29. Oktober 2011 ebenfalls erlittene Schulterprellung links folgenlos verheilt ist.
Nach alledem bestand ab 15. Januar 2015 kein Anspruch auf Verletztengeld aufgrund des Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 2011 und die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Verletztengeldzahlung ab dem 15. Januar 2015.
Der im Jahr 1943 geborene, verwitwete Kläger war Polizeibeamter und befindet sich seit Dezember 1983 wegen einer angeborenen Fehlbildung der rechten Hand im vorzeitigen Ruhestand. Im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses war der Kläger ab Juni 2010 für ein Sicherheitsunternehmen zunächst im Schließ- und Objektdienst tätig. Während seiner Arbeit stürzte er am 29. Oktober 2011 beim Übersteigen einer Sperrkette, fiel auf das Kopfsteinpflaster am Unfallort und schlug sich das rechte Knie sowie die linke Schulter an. Der Kläger arbeitete in der Folge weiter. Er wurde von seinem Arbeitgeber nun überwiegend im Pfortendienst eingesetzt. Am 15. Januar 2015 endete das Beschäftigungsverhältnis nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages.
Mehr als fünf Wochen nach dem Sturz, am 8. Dezember 2011, suchte der Kläger deswegen den Durchgangsarzt Prof. Dr. S. auf. Zunächst wurde der Verdacht auf eine Innenmeniskusvorderhornläsion des Kniegelenks rechts geäußert und eine Tendomyopathie der langen Bizepssehne links diagnostiziert (Durchgangsarztbericht vom 8. Dezember 2011). Der Kläger wurde als arbeitsfähig beurteilt. Die durchgeführte magnetresonanztomographische Untersuchung erbrachte einen breiten Riss im Innenmeniskushinterhorn und der Pars media rechts, einen Riss in der Pars intermedia des Außenmeniskus rechts, einen retropatellaren Knorpelschaden bei intaktem Bandapparat und ein Enchodrom im distalen Femur (Befundbericht des S. J.-Krankenhauses F. vom 15. Dezember 2011), woraufhin eine Kniegelenksdistorsion rechts und eine Schulterprellung links diagnostiziert wurden (Befundbericht des S ... J.-Krankenhauses F. vom 16. Dezember 2011).
Am 21. Mai 2012 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall und zog sich beim Sturz auf sein linkes Handgelenk eine distale Radiusfraktur zu. Danach war er deswegen vorübergehend bis zum 20. Juli 2012 arbeitsunfähig krank.
Gestützt auf die Stellungnahmen der Beratungsärzte Dr. S. vom 27. Februar 2012 und K. vom 6. April 2012 erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 1. August 2012 den Unfall vom 29. Oktober 2011 dem Grunde nach als Arbeitsunfall an und stellte eine "folgenlos verheilte Prellung des rechten Knies, folgenlos verheilte Stauchung der linken Hand und Schulter" als Unfallfolgen fest und bewilligte Heilbehandlung bis zum 25. November 2011. In seinem im Widerspruchsverfahren erstellten Gutachten vom 15. Oktober 2012 gelangte Prof. Dr. S., Ärztlicher Direktor am U.-Klinikum F., zu dem Ergebnis, dass lediglich eine Knieprellung rechts und eine Schulterprellung links, jeweils ausgeheilt, nicht aber der Einriss des Innenmeniskushinterhorns bis zur Pars intermedia reichend rechts, der Einriss des Außenmeniskus im Bereich der Pars intermedia rechts und die beginnende femoropatellare Arthrose rechts, Unfallfolge seien. Behandlungsbedürftigkeit habe drei Wochen bestanden. Der Kläger sei auf eigenen Wunsch die gesamte Zeit arbeitsfähig gewesen. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2011 zurück. Im Rahmen des hiergegen angestrengten Klageverfahrens beim Sozialgericht Freiburg (SG - S 9 U 6133/12), in dem es dem Kläger vor allem um die Kostenübernahme für eine durchgeführte Rehabilitationsbehandlung ging, wurde von Amts wegen ein Gutachten beim Orthopäden und Chirurgen Prof. Dr. S. eingeholt. Am 14. August 2013 berichtete dieser von einem aufrechten, ungehinderten Gangbild. Die Kniegelenksbeweglichkeit (Streckung/Beugung) habe rechts 0-0-130° mit deutlicher Innenmeniskus- und geringgradig ausgebildeter Außenmeniskussymptomatik betragen. Der Gutachter stellte ein belastungsabhängig funktionsbeeinträchtigtes rechtes Bein bei Innen- und Außenmeniskusschaden, eine endgradige und endgradig schmerzhafte Funktionsbeeinträchtigung der linken Schulter bei folgenlos ausgeheilter Schulterprellung und degenerativen Veränderungen im linken AC-Gelenk sowie eine als Arbeitsunfall anerkannte distale Radiusfraktur links mit endgradiger Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk fest. Die Meniskopathie im rechten Knie sei auf das Ereignis vom 29. Oktober 2011 zurückzuführen. Der Kläger sei auf eigenen Wunsch hin die gesamte Zeit arbeitsfähig gewesen und setze seine Erwerbstätigkeit auf einem Schonarbeitsplatz sitzend fort. Nachdem das SG im Urteil vom 9. Dezember 2013 die Meniskopathie des rechten Kniegelenks als Folge des Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 2011 festgestellt hatte, schlossen die Beteiligten beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 8 U 771/14) einen verfahrensbeendenden Vergleich, wonach zwar der Riss des Innenmeniskus am rechten Kniegelenk Folge des Arbeitsunfalls sei, nicht jedoch die Schäden am dortigen Außenmeniskus. Weiter anerkannte die Beklagte allgemein die "leistungsrechtlichen Folgen des Arbeitsunfalls im Hinblick auf die festgestellten Unfallfolgen". Im Weiteren erstattete die Beklagte dem Kläger den Eigenanteil für die Rehabilitation in der R.-Klinik (vgl. Bescheid vom 27. Oktober 2014), in der er sich in der Zeit vom 3. bis 31. Juli 2013 aufgehalten hatte. Im diesbezüglichen Entlassungsbericht wurde angeführt, dass der Kläger bei der Aufnahme von einer geländeabhängigen schmerzfreien Gehstrecke von 600 Metern gesprochen habe. Bei der Entlassung hätten die Kniegelenksbeschwerden rechts nachgelassen, die Gehstrecke hätte sich in der Ebene deutlich verbessert. Hauptproblem sei das Begehen von Treppen. Der Kläger sei arbeitsfähig entlassen worden. Der Kläger müsse in der Tätigkeit beim Sicherheitsdienst nächtliche Kontrollgänge durchführen. Hierbei werde insbesondere das häufige Ersteigen von Treppen problematisch. Der Kläger habe aber eine außerordentlich gute Motivationslage gezeigt.
Ein Verfahren auf Verletztenrente wegen des zwischenzeitlichen Unfalls vom 21. Mai 2012 blieb für den Kläger ohne Erfolg (Bescheid vom 25. November 2014 und Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2014). Im Klageverfahren beim SG (S 17 U 293/15) wurden orthopädische Gutachten von Dr. Dr. S. vom 23. Juni 2015 (unauffälliges Gangbild auf langem Flur, keine gravierenden Funktionsbeeinträchtigungen an der unteren Extremität mit angegebenem Überstreckungsschmerz am rechten Kniegelenk, Behandlung nur mit Voltarengel) und Dr. H. vom 18. September 2015 (unauffälliger Barfußgang sowie unauffällige verschiedene Stand- und Gangarten, keine gravierenden Bewegungseinschränkung der unteren Extremitäten bei Durchbewegung der Gelenke, keine auffälligen Muskelatrophien) eingeholt und die Klage später zurückgenommen.
Ein im Oktober 2014 gestellter Antrag auf Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalls vom 29. Oktober 2011 blieb ebenfalls ohne Erfolg (Bescheid vom 5. November 2014, Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2014). Im Klageverfahren beim SG (S 13 U 292/15) wurde auf Antrag des Klägers ein weiteres Gutachten bei Prof. Dr. S. vom 26. Februar 2016 eingeholt, der von aufrechtem Gehen ohne Hinken und einer endgradig eingeschränkten Kniegelenksbeweglichkeit im Sinne eines geringen Streck- und Beugedefizits (0-5-130° rechts), beidseits sicherem Einbein- und Hackenstand und rechtsseitig behindertem Zehenstand berichtete. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2016 abgewiesen. Die Berufung beim Senat (L 6 U 2658/16) wurde später für erledigt erklärt.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 teilte der Kläger der Beklagten schließlich mit, dass er sich derzeit bis zum 15. Januar 2015 in einem notwendigen Erholungsurlaub befinde und danach wegen Verschlimmerung der Schmerzzustände an beiden verletzten Gliedmaßen in ärztliche Behandlung begeben werde. Am 15. Januar 2015 werde er auch einen Aufhebungsvertrag mit seinem Arbeitgeber wegen seiner körperlichen Gebrechen abschließen. Er bitte um die Zusage von Verletztengeld ab dem 15. Januar 2015.
Der Kläger legte ein Arbeitszeugnis vor, wonach er die Tätigkeit bis zum 15. Januar 2015 zur vollen Zufriedenheit des Arbeitgebers verrichtet hätte. Das Arbeitsverhältnis sei auf eigenen Wunsch und in beiderseitigem Einvernehmen aufgrund einer altersbedingt eingeschränkten Einsatzfähigkeit beendet worden. Insbesondere hätte nach einem Arbeitsunfall ab 2012 keine Tätigkeit im Schließdienst mehr erfolgen können. Nach Wegfall des Pfortendienstes sei ausschließlich ein Einsatz im Rahmen von Bewachungstätigkeiten möglich gewesen. Diese Einsatzmöglichkeit sei nach Abschluss von Umbaumaßnahmen im Kundenobjekt auch weggefallen.
Das Tätigkeitsprofil des Klägers beschrieb der Arbeitgeber im November 2014 gegenüber der Beklagten dahingehend, dass der Kläger vor dem Unfall im Schließdienst mit großer Wegstrecke und vielen Treppen eingesetzt worden sei. Nach dem Unfall habe er Bewachungstätigkeit mit kurzer Wegstrecke (ca. 200-300 Metern) und in überwiegend sitzender Tätigkeit verrichtet. Falls ein Auftrag im Bewachungsbereich eingehe, sei eine Wiederbeschäftigung des Klägers geplant (vgl. Telefonvermerk vom 11. November 2014, Bl. 446 ff. der Verwaltungsakte).
Im Zwischenbericht von Prof. Dr. S. über die ambulante Behandlung vom 16. Januar 2015 wurde angegeben, dass sich beim Röntgen eine gute knöcherne Durchbauung der Scaphoidfraktur 2012 und eine beginnende Arthrose im rechten Kniegelenk gezeigt hätten.
Der Allgemeinmediziner Dr. D. teilte der Beklagten am 2. März 2015 mit, dass der Kläger momentan arbeitsunfähig aufgrund der Schmerzen und der Bewegungseinschränkungen im rechten Kniegelenk sei.
Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger am 20. März 2015 von dem Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. P. untersucht. Dieser führte aus, dass das rechte Bein voll belastbar sei, das rechte Kniegelenk zeige keine synoviale Reizung und keine pathologischen Meniskuszeichen. Bei normaler Beweglichkeit bestehe eine einfache Gehstrecke von 800 Metern am Stück ohne Gehhilfen. Am linken Handgelenk bestünden bei in günstiger Stellung knöchern fest verheilter Scaphoidfraktur keine Bewegungseinschränkung und keine posttraumatische Arthrose. Die linke Hand könne im Alltag eingesetzt werden. Es bestünde keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit. Es sei sozialrechtlich ausreichende Wege- und Gehfähigkeit vorhanden.
Mit Bescheid vom 31. März 2015 lehnte die Beklagte darauf die Zahlung von Verletztengeld ab. Es bestehe keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch u.a. mit der Begründung, dass ein Arbeitsgang bei ihm ca. 4000 Meter und die Überbrückung von 1.220 Stufen auf- und abwärts umfasst habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da der Kläger zuletzt im Bewachungsgewerbe eingesetzt worden sei. Es hätten nur kurze Strecken zurückgelegt werden müssen. Es habe sich um eine überwiegend sitzende Tätigkeit gehandelt. Diese Tätigkeit, die ihm mangels Auftragslage gekündigt worden sei, könne er noch uneingeschränkt ausüben.
Am 21. Mai 2015 hat der Kläger beim SG (S 3 U 2322/15) Klage erhoben. Er hat angeführt, dass seine zuletzt ausgeübte gesundheitsschonende Tätigkeit beendet und der Arbeitsvertrag aufgehoben worden sei. Seiner ursprünglichen Schließertätigkeit könne er ohne weitere Gesundheitsschädigung nicht mehr nachkommen.
Mit Urteil auf Grund mündlicher Verhandlung vom 25. Februar 2016, dem Kläger zugestellt am 9. April 2016, hat das SG die Klage abgewiesen. Es fehle zunächst bereits an der erforderlichen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zum 15. Januar 2015. Prof. Dr. S., aufgesucht am 16. Januar 2015, habe die Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht zu bestätigen vermocht. Zu diesem Zeitpunkt sei das Arbeitsverhältnis des Klägers überdies bereits aufgelöst gewesen. Die zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit, die nach der Aussage des Klägers notwendig mit Gehen verbunden gewesen sei und eine gewisse Geschwindigkeit zwingend erfordert hätte, sei damit nicht mehr maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit. Bezugspunkt der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit sei eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zu Recht habe Dr. P. keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit festgestellt, nachdem eine funktionelle Einschränkung des rechten Beins nicht ersichtlich sei und das rechte Kniegelenk keine synoviale Reizung und keine pathologischen Meniskuszeichen zeige. Einer überwiegend sitzenden geringfügigen Beschäftigung stehe daher nichts im Wege. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der behandelnden Ärzte Dr. D. und Dr. D. hätten nicht zu überzeugen vermocht. Dass die Belastbarkeit des Knies eingeschränkt sei, begründe plausibel Einschränkungen bei der Ausübung bestimmter Tätigkeiten. Eine Arbeitsunfähigkeit für überwiegend sitzende Überwachungstätigkeiten sei damit aber regelmäßig nicht verbunden.
Am 27. April 2016 hat der Kläger beim SG Berufung eingelegt. Nach Wegfall der knieschonenden Arbeiten hätte er wieder die Tätigkeiten im Sicherheitsdienst mit größerer Laufstrecke und vielen Treppenstufen ausüben sollen. Diese hätte er nicht verrichten können, so dass es zur einvernehmlichen Vertragsaufhebung gekommen sei.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Februar 2016 und den Bescheid vom 31. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 15. Januar 2015 Verletztengeld aufgrund des Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt an, dass Arbeitsfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit bestehe.
Der Berichterstatter des Senats hat am 12. Oktober 2016 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten S 9 U 6133/12, S 13 U 292/15, S 17 U 293/15, L 8 U 771/14 und L 6 U 2658/16 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Obgleich für die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, konnte der Senat verhandeln und entscheiden, denn die Beteiligten sind - mit Hinweis auf diese Möglichkeit - ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 9. März 2017 geladen worden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG; vgl. BSG, Beschluss vom 30. Mai 1958 – 2 RU 159/57 –, SozR Nr. 5 zu § 110 SGG, Rz. 6).
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 25. Februar 2016, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 31. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2015 von der Beklagten Gewährung von Verletztengeld ab 15. Januar 2015 verfolgt hat, abgewiesen worden ist.
Als Rechtsgrundlage für die von dem Kläger beanspruchte Gewährung von Verletztengeld ab 25. Juni 2011 kommt, da die Voraussetzungen für einen Anspruch auf das so genannte "Übergangs-Verletztengeld" nach § 45 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ersichtlich nicht vorliegen, einzig § 45 Abs. 1 SGB VII in Betracht. Danach wird Verletztengeld erbracht, wenn Versicherte infolge eines Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder die dort aufgeführten Sozialleistungen hatten. Gemäß § 46 Abs. 1 SGB VII wird Verletztengeld von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, welche die Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindern. Die Zahlung von Verletztengeld endet nach § 46 Abs. 3 Satz 1 SGB VII mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme (Nr. 1) oder mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht (Nr. 2). Wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, endet das Verletztengeld gemäß § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, dass die Versicherten eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs- oder Erwerbstätigkeit aufnehmen können (Nr. 1), mit Beginn der in § 50 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) genannten Leistungen, es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen (Nr. 2), im Übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung (Nr. 3).
Für die Zeit ab 15. Januar 2015 fehlt es an einer wegen des Ereignisses vom 29. Oktober 2011 bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zu diesem Begriff in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn Versicherte aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalls nicht in der Lage sind, ihrer zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (vgl. zur ständigen Rechtsprechung in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG, Urteile vom 30. Mai 1967 - 3 RK 15/65 -, BSGE 26, 288, 9. Dezember 1986 - 8 RK 12/85 -, BSGE 61, 66 und 8. Februar 2000 - B 1 KR 11/99 R -, BSGE 85, 271 (273); zur Übernahme dieses Begriffs in die gesetzliche Unfallversicherung: BSG, Urteile vom 29. November 1972 - 8/2 RU 123/71 -, BSGE 35, 65, 4. Dezember 1991 - 2 RU 76/90 -, SozR 3-2200 § 560 Nr. 1 und 13. August 2002 - B 2 U 30/01 R -, SozR 3-2700 § 46 Nr. 1). Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn Versicherte ihre zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht weiter verrichten können (vgl. hierzu und zum Folgenden: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 31/06 R -, SozR 4-2700 § 46 Nr. 3, Rz. 12). Dass sie möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben können, ist unerheblich. Geben sie nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle beziehungsweise bei selbstständiger Tätigkeit ihre Arbeitstätigkeit auf, ändert sich allerdings der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Versicherte dürfen dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten verwiesen werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeit entsprechend der Funktion des Kranken- oder Verletztengeldes eng zu ziehen ist (vgl. auch Senatsurteil vom 28. Juli 2016 – L 6 U 1013/15 –, juris, Rz. 60).
Der Kläger übte zum Zeitpunkt des von der Beklagten mit Bescheid vom 1. August 2012 anerkannten Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 2011 eine abhängige – geringfügig bezahlte - Beschäftigung bei einem Sicherheitsunternehmen aus. Er war dabei überwiegend im Schließ- und Objektdienst eingesetzt, eine leichtere körperliche Tätigkeit überwiegend im Stehen und Gehen, bei der er pro Arbeitsschicht allerdings mehrere Kilometer (ca. 2-3) zu Fuß zurücklegen und viele Treppenstufen (ca. 1.000) überwinden musste. Dies entnimmt der Senat der Arbeitgeberauskunft vom 11. November 2014, der Arbeitgeberbescheinigung vom 5. April 2014 und dem Arbeitszeugnis vom 14. Januar 2015.
Ob der Kläger in dieser Tätigkeit überhaupt direkt nach seinem Unfall am 29. Oktober 2011 arbeitsunfähig krank war – jedenfalls hatte er sich keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eines Arztes ausstellen lassen und war erst über fünf Wochen nach dem Unfall deswegen erstmals zu Unfallarzt Prof. Dr. S. gegangen – kann vorliegend dahingestellt bleiben, da er einvernehmlich mit seinem Arbeitgeber, was letzterer als "Kulanz" bezeichnete (vgl. Arbeitgeberbescheinigung vom 5. April 2014), nun nur noch in einer überwiegend sitzenden Bewachungs-, bzw. Pförtnertätigkeit eingesetzt wurde. Es erfolgte also eine (konkludente) Änderung der ursprünglich arbeitsvertraglich vereinbarten schwereren Arbeitsleistung in eine leichtere. Die nun über mehrere Jahre hinweg verrichtete Tätigkeit bestand aus überwiegend sitzender Bewachungs- bzw. Pförtnertätigkeit, die nur kurze Wegstrecken (ca. 200-300 m) erforderte. Dies folgt ebenfalls aus der bereits genannten Arbeitgeberbescheinigung vom 5. April 2014 und dem Arbeitszeugnis vom 14. Januar 2015.
Diese neue, leichtere Tätigkeit war und ist für den Kläger – was von ihm im Übrigen nicht in Abrede gestellt wird – gesundheitlich geeignet. Dies ergibt sich bereits aus dem Durchgangsarztbericht vom 8. Dezember 2011, in dem der Kläger als – weiterhin – arbeitsfähig beurteilt wurde. Auch in den Gutachten von Prof. Dr. S. vom 15. Oktober 2012 und Prof. Dr. S. vom 14. August 2013 wurde übereinstimmend von Arbeitsfähigkeit ausgegangen. Aus der Rehabilitation in der R.-Klinik im Juli 2013 wurde der Kläger ebenfalls arbeitsfähig entlassen. Und nicht zuletzt in dem Gutachten von Dr. P. vom 20. März 2015 wird eine ausreichende Leistungsfähigkeit zumindest für eine überwiegend sitzende Tätigkeit festgestellt. Dies überzeugt den Senat, da die Beschwerden im Kniebereich aufgrund der Folgen des von der Beklagten als unfallbedingt anerkannten Risses des Innenmeniskus am rechten Kniegelenk allenfalls bei besondere Geh- und Steigtätigkeiten problematisch werden. Kürzere Gehstrecken oder sitzende Tätigkeiten werden dadurch nicht behindert. So wird auch in den Gerichtsgutachten von Dr. S. vom 23. Juni 2015 und Dr. H. vom 18. September 2015 von einem unauffälligen Gangbild und keinen gravierenden Funktionsbeeinträchtigungen an der unteren Extremität berichtet. Der Kläger sprach während der Rehabilitation in der R.-Klinik selbst von einer schmerzfreien Gehstrecke von 600 Metern zumindest in der Ebene. Einschränkungen für sitzende Tätigkeiten, die den Hauptteil der Beschäftigung des Klägers ausgemacht haben, bestanden durch die Knieproblematik nicht.
Mit der Aufnahme der leichteren Bewachungs- und Pförtnertätigkeit in der Folge nach dem Unfall vom 29. Oktober 2011 endete auch eine etwaige Arbeitsunfähigkeit für die davor ausgeübte, anstrengendere Schließertätigkeit. Arbeitsfähigkeit tritt nämlich ohne weiteres (fiktiv) dadurch ein, dass freiwillig eine andere Arbeit aufgenommen wird. Die neue Tätigkeit wird dann zur Grundlage für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit (BSG, Urteil vom 8. Februar 2000 – B 1 KR 11/99 R –, BSGE 85, 271-278, SozR 3-2500 § 49 Nr. 4, Rz. 14; Knittel in Krauskopf, Soziale Kranken- und Pflegeversicherung, § 44 SGB V Rz. 10).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Kläger schon deswegen kein Verletztengeld für die Zeit ab 15. Januar 2015 verlangen kann, weil zu diesem Zeitpunkt für die Beurteilung seiner Arbeitsfähigkeit auf die bis zuletzt ausgeübte leichtere Bewachungs- und Pförtnertätigkeit abzustellen war und nicht auf die Jahre zuvor ausgeübte schwerere Schließertätigkeit. Für die letzte konkrete Tätigkeit bestand wegen der Verletzungen durch den allein streitgegenständlichen Unfall vom 29. Oktober 2011 keine Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit, was eindrücklich in dem Umstand Bestätigung findet, dass der Kläger weiterbeschäftigt worden wäre, wenn sein Arbeitgeber weitere Aufträgen im Bewachungsbereich erhalten hätte. Die Arbeitstätigkeit endete also nicht etwa wegen einer zwischenzeitlich eingetretenen gesundheitlichen Verschlechterung, sondern wegen Auftragsmangels des Arbeitsgebers.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass man selbst für den Fall, dass nicht auf die letzte, leichte Bewachungstätigkeit abzustellen wäre, für die Bestimmung des für die Arbeitsunfähigkeit maßgeblichen Anforderungsprofils nicht die frühere Schließertätigkeit, sondern den allgemeinen Arbeitsmarkt heranziehen müsste. Spätestens nach einem Zeitraum von drei Jahren endet nämlich ein "nachgehender" Berufsschutz für die vormals ausgeübte oder – bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses – eine dieser gleichwertigen Tätigkeit (Fischer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 45 SGB VII, Rz. 17 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 5. Senats des BSG, Urteil vom 25. Februar 2004 – B 5 RJ 30/02 R –, BSGE 92, 199-206, SozR 4-2600 § 43 Nr. 2, Rz. 20). Für den allgemeinen Arbeitsmarkt ist der Kläger breit einsetzbar. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem ausführlichen Gutachten des Dr. P ... Die unfallbedingte Knieproblematik hindert dies nicht, da das rechte Bein normal beweglich ist. Es bestand keine synoviale Reizung und kein pathologisches Meniskuszeichen. Gehstrecken von 600 bis 800 m ohne Gehilfen sind am Stück zumutbar. Die sozialrechtlich relevante Wegefähigkeit (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R –, BSGE 110, 1-8, SozR 4-2600 § 43 Nr. 17, Rz. 20 m.w.N.) ist somit - wie Dr. P. nachvollziehbar ausführt - gegeben und der Kläger wäre breit in leichtere, überwiegend sitzende Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes einsetzbar, zumal die bei dem Unfall vom 29. Oktober 2011 ebenfalls erlittene Schulterprellung links folgenlos verheilt ist.
Nach alledem bestand ab 15. Januar 2015 kein Anspruch auf Verletztengeld aufgrund des Arbeitsunfalls vom 29. Oktober 2011 und die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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