Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 5821/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 152/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine eingetretene weitere Hörminderung ist ein abgrenzbarer Teil einer Schwerhörigkeit.
2. Das Ausmaß und die Entwicklung einer Hörstörung können einer beruflich lärmbedingten Einwirkung entgegenstehen.
2. Das Ausmaß und die Entwicklung einer Hörstörung können einer beruflich lärmbedingten Einwirkung entgegenstehen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen der Folgen der bei ihm anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1961 geborene Kläger wuchs in der Türkei auf, siedelte Ende der 1970er Jahre in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) über und ist mittlerweile deutscher Staatsangehöriger. Von März 1980 bis zur Betriebsschließung im Mai 2011 arbeitete er bei der D.-m. GmbH & Co. KG in U. in Vollzeit als Eisen- und Metallerzeuger, Schmelzer sowie Staplerfahrer. Er hielt sich dort überwiegend in einer jeweiligen Entfernung von etwa ein bis drei Metern zu den Druckgussmaschinen und einem Schmelzofen auf. Nach den Ermittlungen des Mitarbeiters E. des Präventionsdienstes der Beklagten von Februar 2011 war der Kläger einer Lärmbelastung durch Druckgussmaschinen, welche er mit flüssigem Metall befüllte, und Pressen, mit denen Werkstücke nachbearbeitet wurden, ausgesetzt. Die Lärmbelastung wurde im August 2000 in der gesamten Halle mit einem Lärmexpositionspegel von 96 dB (A) ermittelt. Ab 18. Juli 2011 war der Kläger in Vollzeit als Maschinenführer in der Gießerei und im Bereich der Steuerung des Regenerierungsprozesses im M. B. Werk M. der D. AG beschäftigt. Dabei reinigte er auch die Kokillen mit Druckluft und legte die Kerne in die Maschinen ein. Bei einer von dieser Arbeitgeberin im September 2012 veranlassten Messung mit dem Gerät Norsonic Nor131 (Serien-Nr. 1313377), welches Ende Juni 2012 kalibriert wurde, wurden an verschiedenen Gießkarussellen, in deren unmittelbarer Nähe sich der Kläger aufhielt, Lärmexpositionspegel zwischen 96 und 100 dB (A) ermittelt. Während der Überwachung der Anlagen war er einem Lärmexpositionspegel zwischen 93 und 95 dB (A) unterlegen. Nach den Angaben dieser Arbeitgeberin bewegen sich die Gießkarusselle; die daran arbeitenden Personen, welche umhergingen, seien von allen Seiten einer Lärmexposition ausgesetzt. Bei den Arbeitsplätzen, an denen der Kläger tätig sei, gebe es hinsichtlich der einzelnen Arbeitsschichten keine Unterschiede der Lärmexposition. Wenn er sich in der Nachtschicht befunden habe, sei es gelegentlich vorgekommen, dass er eine zusätzliche, so genannte "16. Schicht" geleistet habe.
Der den Kläger behandelnde Arzt für Hals-, Nasen- und Ohren (HNO)-Heilkunde Dr. R. zeigte der Beklagten im September 2010 den Verdacht auf eine Berufskrankheit unter Hinweis darauf an, dass er eine beidseitige Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit und einen Tinnitus festgestellt habe. Ergänzend legte er am 7. September 2010 erstellte Audiogramme vor.
Der Kläger teilte der Beklagten Mitte November 2010 mit, die Ohrgeräusche habe er vor etwa drei Monaten wahrgenommen. Er nehme sie als Summen wahr. Es träten auch weniger hörbare Geräusche auf. Er fühle sich bei hoher Lautstärke belästigt, vor allem in der Gießerei. Es seien beide Ohren betroffen. Die Schwerhörigkeit habe sich ebenfalls erstmals vor etwa drei Monaten bemerkbar gemacht. Ein Hörgerät trage er nicht. Dr. R. gab Ende dieses Monats, unter Vorlage von am 7. September und 17. November 2010 erstellten Audiogrammen, die Auskunft, zuletzt habe er den Kläger Anfang September 2010 untersucht. Es habe sich eine für einen Lärmschaden typische Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit gefunden, so dass ein Zusammenhang mit einem Lärmschaden naheliege. Eine genetisch bedingte Schwerhörigkeit, welche genauso zur Darstellung komme, sei möglich, aber deutlich unwahrscheinlicher. Weitere Erkrankungen, die mit der Hörstörung im Zusammenhang stehen könnten, seien ihm nicht bekannt. Wegen der von ihm festgestellten typischen Lärmzacke sei ein Lärmschaden bei langjähriger beruflicher Lärmbelastung ebenso wahrscheinlich wie eine zusätzliche altersbedingte Schwerhörigkeit. Der Beklagten lag des Weiteren das von Dr. W. veranlasste Audiogramm von Mitte Juli 2007 vor.
Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2011 beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV fest, lehnte indes ein Recht auf Rente wegen der Folgen dieses Versicherungsfalls ab. Die Berufskrankheit habe keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zur Folge. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2011 zurückgewiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid, welcher den vormaligen Bevollmächtigten des Klägers am 8. September 2011 zugestellt wurde, hat dieser am Montag, 10. Oktober 2011 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, welches Dr. R. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt hat. Dieser hat im Juni 2013 ausgeführt, der Kläger habe ihn zuletzt Anfang Juni 2011 konsultiert. Es habe eine beidseitige Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit bestanden. Außerdem habe er einen Tinnitus rechts beklagt. Bei der Vorstellung in seiner Praxis Anfang September 2010 habe er erklärt, dass ihm etwa einen Monat zuvor ein eingeschränktes Hören rechts aufgefallen sei. Das am 7. September 2010 erstellte Tonaudiogramm ergebe gemäß der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 einen Hörverlust von 0 % rechts und 5 % links. Hieraus folge eine MdE von 0 v. H. Werde der Tinnitus dazu genommen, könne eine MdE von 10 v. H. begründet werden. Da bei der Drei-Frequenz-Tabelle die bei einer Lärmschwerhörigkeit so wichtige Frequenz von 4 kHz unberücksichtigt bleibe, ergebe die Einschätzung mittels der Vier-Frequenz-Tabelle nach Röser 1973 für die rechte Seite einen Hörverlust von 21 % und für die linke von 18 %. Mit diesen Werten errechne sich nach der Empfehlung von Feldmann 1995 ebenfalls noch eine MdE von 0 vom Hundert (v. H.) Bei Auswertung des Tonaudiogrammes von Mitte November 2010 ergebe sich nach der Vier-Frequenz-Tabelle rechts ein Hörverlust von 30 % rechts und 26 % links. Anhand der Tabelle nach Feldmann 1995 liege eine MdE von 15 v. H. vor. Werde der Tinnitus mit 10 v. H. hinzuaddiert, errechne sich die Gesamt-MdE mit 25 v. H. Sprachaudiometrische Daten lägen ihm indes nicht vor, weshalb gegebenenfalls eine HNO-ärztliche Begutachtung durchzuführen sei.
Das SG hat Prof. Dr. S., Ärztlicher Direktor der Klinik für HNO-Krankheiten des K.-Hospitals S., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 21. Mai 2014 hat er ausgeführt, dieser leide an einer Schallempfindungsschwerhörigkeit beiderseits. Nach den Maßstäben von Lüpke 1975 sei vorliegend ein Lärmbeurteilungspegel zwischen 96 und 100 dB (A) zugrunde zu legen. Damit liege das Risikomaß 5 vor, wonach die Entstehung einer entschädigungspflichtigen Lärmschwerhörigkeit wahrscheinlich sei. Für eine cochleäre Hörstörung sprächen eine adäquate Lärmexposition, die Entstehung der Schwerhörigkeit während dieser, der Umstand, dass sich die Gesundheitsstörung im Vergleich zur Voruntersuchung 2007 und damit im Lärm verschlechtert habe, sowie ein Schrägabfall im Hochtonbereich, initial mit einer typischen c4-Senke. Die subjektiven Hörtests seien von den objektiven gestützt worden. Bei der gutachtlichen Untersuchung habe sich keine morphologische Veränderung der Ohren gezeigt. Es seien keine Anzeichen für eine chronische oder akute Entzündung zu erkennen gewesen. Audiometrisch habe eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits vorgelegen. Eine Lärmschwerhörigkeit bestehe damit insgesamt zweifelsfrei. Der Befund sei jedoch erheblich schlechter gewesen als bei den Untersuchungen 2007 und 2010. Insbesondere die tiefen Frequenzen seien bei der aktuellen Erhebung als deutlich betroffener angegeben worden. Anhand der sprachaudiometrischen Untersuchung, welche zwar für den Kläger wegen der relativen Sprachbarriere mühsam und in der Durchführung langwierig, aber dennoch möglich gewesen sei, errechne sich entsprechend der Tabelle nach Röser aus dem einfachen und gewichteten Gesamtwortverstehen eine MdE von 40 v. H. Nach der Audiometrie von 2007 ergebe sich keine MdE in messbarem Grad. Auch bei den Tests von 2010, welche tendenziell eine Verschlechterung zeigten, habe noch keine maßgebliche MdE objektiviert werden können. Allerdings seien damals jeweils keine sprachaudiometrischen Untersuchungen durchgeführt worden, welche sicher exakter gewesen wären. Anamnestisch habe der Kläger ein phasenweise störendes und rauschendes Ohrgeräusch angeführt. Am Tag der gutachtlichen Untersuchung habe dieses gemessen und audiometrisch verdeckt werden können. Es sei allerdings nicht konstant wahrgenommen worden. Da es den Tagesablauf nicht beeinflusst habe, könne es auf der Intensitätsskala nach Brusis dem Typ VI von möglichen XII zugeordnet werden. Ein Anspruch auf eine MdE lasse sich hieraus nicht ableiten. Der Kläger habe angegeben, vor etwa sechs oder sieben Jahren erstmals eine Hörminderung beidseits bemerkt zu haben. Diese sei seitdem langsam progredient verlaufen. Seit etwa zehn Jahren bestünde ein Ohrgeräusch rechts, welches unter Stress lauter sei. Hörgeräte trage er nicht. Seit etwa fünf oder sechs Jahren habe er etwa zweimal im Monat eine Drehschwindelattacke für etwa drei Minuten. Dann verspüre er einen Druck im Ohr. Die Durchführung des SISI-Tests sei für den Kläger schwer verständlich gewesen, weshalb das Ergebnis nur eingeschränkt beurteilbar sei.
Hiergegen hat die Beklagte, im Wesentlichen gestützt auf die beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Prof. Dr. J. von September 2014, eingewandt, es sei zutreffend, dass die Schwerhörigkeit des Klägers, dokumentiert durch die Tonaudiogramme von Juli 2007 und September 2010, zumindest wesentlich durch Lärm verursacht worden sei. Es habe zwar bereits zu diesem Zeitpunkt eine konkurrierende Bedingung Einfluss hierauf genommen, was sich an der Beteiligung der tiefen Frequenzen mit einem Hörverlust von 25 dB gezeigt habe, obwohl die hohen Frequenzen mit einem Hörverlust von 60 dB erst einen mittleren Schädigungsgrad ausgewiesen hätten. Ein solches Übergreifen der Lärmeinwirkungen auf die tiefen Frequenzen werde sonst erst bei größeren Hörverlusten in den hohen Frequenzen erwartet. Die massive Verschlimmerung der Schwerhörigkeit des Klägers von September 2010 bis zur gutachtlichen Untersuchung durch Prof. Dr. S. im Mai 2014 mit tonaudiometrisch gemessenen Hörverlusten von 0 % rechts und 15 % links auf 50 % rechts und 35 % links in nur dreieinhalb Jahren könne der weiteren beruflichen Lärmbelastung nicht zugeschrieben werden. Eine Lärmschwerhörigkeit schreite nur langsam, nie aber in großen Sprüngen voran. Der Kläger sei während dieser Zeit bereits mit hochwirksamen, individuell angepassten Gehörschutzplastiken versorgt gewesen. Das von Prof. Dr. S. erstellte Tonaudiogramm weise darüber hinaus lärmuntypische Verlaufskurven aus. Zutreffend sei zwar, dass die Schwerhörigkeit des Klägers bis 2010 zumindest wesentliche Folge seiner beruflichen Lärmexposition gewesen sei. Danach sei allerdings eine berufslärmfremde Gehörerkrankung für die Weiterentwicklung verantwortlich. Die von Prof. Dr. S. getroffene Feststellung, dass das Ergebnis der Langenbeck-Audiometrie für ein negatives Recruitment spreche und damit für eine Schädigung des Corti-Organs durch Lärm, sei falsch. Alle überschwelligen Tests bei einer Begutachtung dienten allein dem Nachweis oder Ausschluss eines Recruitments. Einzig der positive Nachweis spreche für einen cochleären Schaden, der bei einer Lärmschwerhörigkeit zu fordern sei. Prof. Dr. S. habe zudem herausgestellt, dass die Untersuchung beim SISI-Test für den Kläger schwer verständlich sowie die sprachaudiometrische Erhebung wegen der Sprachbarriere mühsam und in der Durchführung langwierig gewesen sei. Gleichwohl habe er diesen Test für exakter als das Tonaudiogramm gehalten. Nach der Königsteiner Empfehlung seien demgegenüber bei Personen, die nur über geringe Deutschkenntnisse verfügten, die prozentualen Hörverluste hilfsweise aus dem Tonaudiogramm zu ermitteln. Es sei zu berücksichtigen, dass sich dabei zumeist etwas höhere prozentuale Hörverluste als aus dem Sprachaudiogramm ergäben. Die Vorgehensweise von Prof. Dr. S., das Sprach- anstelle des Tonaudiogrammes zu verwenden, sei folglich nicht korrekt gewesen. Ohnehin habe er sich auf die veraltete Auflage von Feldmann aus dem Jahre 2001 gestützt und nicht auf die aktuelle von 2012. Er habe zudem eine Vorauflage der Königsteiner Empfehlung herangezogen, ohne die jüngere von 2012 zu berücksichtigen. Ein lärmbedingter Tinnitus könne zwar anfänglich nur ein Ohr betreffen, beziehe dann aber nach längstens zwei bis drei Jahren das andere Ohr ein. Der Kläger habe nur auf dem rechten Ohr Beschwerden geäußert. Eine solche Gesundheitsstörung äußere sich nie, wie vorliegend, als Rauschen bei 1 kHz, sondern als hoher Ton, meist ein Pfeifen, im Bereich des Maximums des Hörverlustes. Daraus folge, dass der Tinnitus des Klägers unabhängig davon keine Lärmfolge sein könne, ob er für die MdE überhaupt von Relevanz sei.
In der mündlichen Verhandlung beim SG am 4. Dezember 2014, bei welcher auch der Kläger und ein Dolmetscher für die türkische Sprache anwesend gewesen sind, hat Ersterer erklärt, erst seit zehn Jahren ausreichenden Gehörschutz zu tragen. Bei der D.-m. GmbH & Co. KG seien ihm Kopfhörer und später Ohrstöpsel angeboten worden. Bei der D. AG habe er ebenfalls Gehörschutz getragen. Den speziell angepassten, welchen ihm die Beklagte seit 2012 gewährt habe, trage er seither dauerhaft während der Arbeit. Diese hat den nach einem mit dem Sohn des Klägers Ende April 2012 geführten Gespräch erstellten Erhebungsbogen "Individualprävention Lärm" des Mitarbeiters E. ihrer Präventionsabteilung vorgelegt, wonach der Gehörschutz ausreichend und dieser bereits länger als fünf Jahre getragen worden sei. Er werde weder zur Kommunikation noch zum Hören von Maschinengeräuschen herausgenommen und korrekt verwendet. Die Otoplastiken seien durch die D.-m. GmbH und Co. KG finanziert worden. Inzwischen arbeite der Kläger bei der D. AG. Dort trage er den individuell angepassten Gehörschutz Phonak Senerity Classic, welcher nach den Angaben des Sohnes des Klägers gut sei.
Das SG hat die Klage daraufhin mit Urteil vom selben Tag abgewiesen. Der Kläger habe wegen der Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente. Die mittels des Gutachtens von Prof. Dr. S. nachgewiesene Verschlechterung der Hörleistung sei nicht kausal auf die berufliche Lärmbelastung zurückzuführen. Der Hörverlust zwischen 2007 und 2010 sei nicht wesentlich gewesen, demgegenüber habe sich wiederum dreieinhalb Jahre später eine erhebliche Verschlechterung gezeigt, welche sich bei permanenter Benutzung des für den Kläger individuell angepassten Gehörschutzes nicht mit einer Lärmeinwirkung in Einklang bringen lasse. Er selbst habe angegeben, seit etwa zehn Jahren durchgehend Gehörschutz zu tragen. Damit sei bei den Arbeitsbedingungen im Gegensatz zum weiter vorangeschrittenen Hörverlust keine wesentliche Änderung eingetreten. Das von Prof. Dr. S. festgestellte negative Recruitment spräche nicht für das Vorliegen einer cochleären und damit lärmbedingten Schwerhörigkeit. Außerdem habe beim Kläger eine Schwerhörigkeit im Tieftonbereich bestanden, welche ebenfalls gegen eine lärmbedingte Einwirkung anzuführen sei. Die durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit habe kein solches Ausmaß, dass bereits eine MdE von 20 v. H. gerechtfertigt sei.
Gegen die den vormaligen Bevollmächtigten des Klägers am 18. Dezember 2014 zugestellte Entscheidung hat dieser am 14. Januar 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Der Berichterstatter hat den Kläger, unter Anwesenheit eines Dolmetschers für die türkische Sprache, in der nichtöffentlichen Sitzung am 22. Dezember 2015 ergänzend gehört. Bei der D. AG sei er zwar mit Gehörschutz ausgestattet gewesen. Er haben diesen jedoch abnehmen müssen, wenn er kommuniziert oder sich in der Pause befunden habe. Er habe dort dreimal in der Woche abgestrahlt. Diese Tätigkeit habe pro Arbeitsschicht einen Zeitraum von zwei Stunden umfasst und sei bis vor zwei Jahren montags, mittwochs und freitags, seit zwei Jahren nur noch freitags ausgeübt worden. An einer Anlage sei unter Einschluss seiner Person gleichzeitig zu dritt gearbeitet worden.
Das LSG hat daraufhin Prof. Dr. S. beauftragt, ergänzend ein Gutachten nach Aktenlage zu erstatten. Im Oktober 2016 hat er kundgetan, gegenüber den Voruntersuchungen im Jahre 2007 und 2010 hätten sich die Hörschwellen auf beiden Ohren bis 2014 trotz Verwendung von Gehörschutz erheblich verschlechtert, was nicht typisch für eine Lärmschädigung sei. Allerdings gebe es bis aktuell keine klaren medizinischen Erkenntnisse darüber, was zu plötzlichen symmetrischen Hörminderungen führen könne, obgleich ihm solche Krankheitsbilder von Zeit zu Zeit begegneten, auch ohne Lärmexposition. Prof. Dr. J. habe als Alternativursache nur unspezifisch eine berufslärmfremde Gehörerkrankung angeführt. Letztlich bleibe unklar, was zu der raschen Hörverschlechterung im Innenohr zwischen 2010 und 2014 geführt habe. Die von ihm ermittelten Hörkurven seien für eine lärmbedingte Einwirkung untypisch. Insgesamt verbleibe eine nicht definierbare, auffällig rasche Progredienz der Innenohrschwerhörigkeit zwischen 2010 und 2014. Sei eine konkurrierende Ursache nicht erwiesen, könne diese nicht zur Ablehnung des Anspruches herangezogen werden, wie dies der aktuellen Auflage der Königsteiner Empfehlung zu entnehmen sei. Die Bestimmung der Hörminderung gemäß der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 rechtfertige ab seiner gutachtlichen Untersuchung mit einem ermittelten Hörverlust von 50 % rechts und 35 % links eine MdE von 20 v. H. Wegen der Sprachbarriere und des Umstandes, dass Sprachaudiogramme aus früheren Jahren nicht vorlägen, verzichte er auf die Auswertung desjenigen von 2014. In Bezug auf die Ohrgeräusche habe Prof. Dr. J. zutreffend ausgeführt, dass der Charakter des Geräusches nicht typisch für einen Lärmschaden sei, gleichwohl sei es vorhanden. Für die MdE sei der Tinnitus nicht von Relevanz.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, das gesamte Ausmaß seiner Hörminderung sowie das Ohrgeräusch rechts seien Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV, weshalb ihm eine Rente zustehe.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 2014 aufzuheben und den Bescheid vom 5. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2011 teilweise aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, die nach 2010 eingetretene Hörverschlechterung lasse sich genauso wenig wie der Tinnitus rechts auf die beruflich bedingte Lärmeinwirkung zurückführen, weshalb eine MdE von wenigstens 20 v. H. nicht begründbar sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 9. März 20017 über die Berufung des Klägers entscheiden, da dieser als Beteiligter (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG) anwesend war. Seine Bevollmächtigten haben zuvor mitgeteilt, dass dieser den Termin alleine wahrnehmen wird, womit er sich einverstandene erklärte.
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.
Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens ist das Urteil des SG vom 4. Dezember 2014, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 5. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2011 wegen der Folgen der bei ihm mit Bescheid vom 5. April 2011 bindend (§ 77 SGG) anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV ("Lärmschwerhörigkeit") die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. verfolgt hat, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34).
Die Berufung ist nicht bereits mangels Zulässigkeit der Klage unbegründet, da der Widerspruchsbescheid vom 6. September 2011 den vormaligen Bevollmächtigten des Klägers zwei Tage danach zugestellt wurde und daher die am Montag, 10. Oktober 2011 beim SG erhobene Klage noch fristgerecht war (§ 87 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG).
Das Rechtsmittel ist indes wegen der Unbegründetheit der Klage nicht begründet. Der Kläger hat wegen der Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Rechtsgrundlage für die begehrte Rentengewährung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), da der Versicherungsfall frühestens 2010, also nach Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997, eingetreten ist (§ 212 SGB VII; Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG), BGBl I 1996, S. 1254), als der sachverständige Zeuge Dr. R. eine beidseitige Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit und einen Tinnitus feststellte, weshalb er der Beklagten im September dieses Jahres den Verdacht auf eine Berufskrankheit anzeigte. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier einer Berufskrankheit - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren (§ 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Entscheidend ist, in welchem Ausmaß Versicherte durch die Folgen des Versicherungsfalls in ihrer Fähigkeit gehindert sind, zuvor offenstehende Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 123). Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, BSGE 93, 63 (65)). Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass die Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV beim Kläger eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat. Die Feststellung der Höhe der MdE erfordert als tatsächliche Feststellung stets eine Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel (BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R -, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8).
Bei allen medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, ist der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand maßgebend, welcher die Grundlage bildet, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen der konkret geschädigten Personen zu bewerten sind. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 (200 f.) und vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 20) sowie im sozialen Entschädigungsrecht und Schwerbehindertenrecht (vgl. BSG, Urteile vom 17. Dezember 1997 - 9 RVi 1/95 -, SozR 3-3850 § 52 Nr. 1 S. 3 und vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 9, Rz. 25; Urteil des Senats vom 21. April 2015 - L 6 VJ 1460/13 -, juris, Rz. 66). Dieser Erkenntnistand ergibt sich indes noch nicht durch wissenschaftliche Einzelmeinungen (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 21).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, welche das Tatbestandsmerkmal des Gesundheitsschadens der haftungsausfüllenden Kausalität, also der Folge einer anerkannten Berufskrankheit, erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den der Theorie der wesentlichen Bedingung zugrunde liegenden naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhang indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 25/10 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4111 Nr. 3, Rz. 14 m. w. N.).
Nach diesen Maßstäben berechtigen die Folgen der beim Kläger anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht zu einer Rente, da sie mit einer MdE unter 10 v. H. zu bewerten sind.
Der Kläger war bei seinen in Vollzeit ausgeübten beruflichen Tätigkeiten als Eisen- und Metallerzeuger, Schmelzer und Staplerfahrer bei der D.-m. GmbH & Co. KG von März 1980 bis zur Betriebsschließung im Mai 2011 sowie als Maschinenführer in der Gießerei und im Bereich der Steuerung des Regenerierungsprozesses im M. B. Werk M. der D. AG seit Mitte Juli 2011 jeweils als Arbeitnehmer und damit als Beschäftigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert. Für die Folgen der Einwirkungen aufgrund dieser versicherten Tätigkeiten ist die Beklagte verbandszuständig (§ 114 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 121 Abs. 1, § 133 Abs. 1, § 136 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Nr. 2 der Anlage 1 zu § 114 SGB VII i. V. m. § 3 Abs. 1 ihrer am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Satzung).
Bei der D.-m. GmbH & Co. KG war der Kläger einem arbeitstäglichen Lärmexpositionspegel von 96 dB (A) ausgesetzt, was der Senat den Ermittlungen des Mitarbeiters E. des Präventionsdienstes der Beklagten von Februar 2011 entnimmt, wonach von den Druckgussmaschinen, welche der Kläger mit flüssigem Metall befüllte, und den Pressen, mit denen Werkstücke nachbearbeitet wurden, in deren Nähe er sich ebenfalls aufhielt, ein Lärmexpositionspegel in dieser Höhe ausging, was bei der Messung im August 2000 in der gesamten Halle, in der sich die Maschinen befanden, ermittelt wurde. Bei der D. AG hat der Kläger Kerne in die Gießkarusselle eingelegt, bis 2013 Gussteile dreimal in der Woche mit einem zeitlichen Umfang von jeweils zwei Stunden und seither einmal je Woche abgestrahlt, die Anlagen überwacht sowie Kokillen mit Druckluft gereinigt, was der Senat der Auskunft dieser Arbeitgeberin im Berufungsverfahren und der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung beim LSG im Dezember 2015, als der Kläger vom Berichterstatter angehört wurde, entnimmt. Bei der Überwachung der Anlagen war er einem arbeitstäglichen Lärmexpositionspegel zwischen 93 und 95 dB (A) sowie bei den sonstigen überwiegenden Tätigkeiten einem solchen zwischen 96 und 100 dB (A) ausgesetzt, was sich aufgrund der von dieser Arbeitgeberin im September 2012 veranlassten Messung mit dem Gerät Norsonic Nor131 (Serien-Nr. 1313377), welches kurz zuvor auf das Präzisionsmaß gebracht wurde, ergeben hat. Der Kläger trug seit 2004 bis aktuell durchweg Gehörschutz, bei der D.-m. GmbH & Co. KG zunächst Kopfhörer und später Ohrstöpsel sowie bei der D. AG nach vergleichbaren Schutzmaßnahmen ab August 2012 mit den Phonak Senerity Classic statische, individuell angepasste Modelle, welche er nur abgenommen hat, wenn er mit anderen Personen am Arbeitsplatz kommuniziert oder Pausen eingelegt hat. Hiervon geht der Senat aufgrund der Niederschriften über seine Einlassungen in der mündlichen Verhandlung beim SG und in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG aus. Den Gerätetypus, den die Beklagte gewährt hat, bestätigte der Sohn des Klägers gegenüber dem Mitarbeiter E. ihres Präventionsdienstes bei einem Gespräch im Frühjahr 2012.
Die Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV hat beim Kläger zwar zu einem Hörverlust links von 15 % geführt, welcher sich mittels der von dem sachverständigen Zeugen Dr. R. veranlassten Tonaudiogrammen von September und November 2010 nach der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 ermitteln ließ. Zu dieser Auswertung gelangten übereinstimmend Prof. Dr. J. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme von September 2014 und der Sachverständige Prof. Dr. S ... Soweit Dr. R. in seiner schriftlichen Auskunft im erstinstanzlichen Verfahren einen Hörverlust von 5 % links anführte, geht der Senat von einem Wiedergabefehler aus. Hieraus folgt indes nach der Berechnung der MdE aus den Schwerhörigkeitsgraden beider Ohren nach Feldmann, 1995 (vgl. Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit, Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV, Königsteiner Empfehlung, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V., 2. Aufl., Juli 2012 (im Folgenden: Königsteiner Empfehlung), S. 34) ein Grad von 0 v. H., wie auch Prof. Dr. S. bestätigt hat.
Die Ermittlung des Hörverlustes konnte vorliegend aus den Tonaudiogrammen erfolgen, da der 1961 geborene Kläger, welcher in der Türkei aufwuchs, zwar bereits seit mehr als dreißig Jahren in der BRD lebte, als die audiometrischen Untersuchungen durchgeführt wurden. Er hat aber dennoch über so geringe Deutschkenntnisse verfügt, dass etwa für die Wahrnehmung der gerichtlichen Termine in diesem Verfahren jeweils ein Dolmetscher für die türkische Sprache benötigt wurde. In der mündlichen Verhandlung beim LSG hat sich dies anschaulich dadurch bestätigt, dass er sich bei seiner Einlassung nicht einmal bruchstückhaft in der deutschen Sprache verständigte. So hat auch der sprachaudiometrische Befund als die in der Regel wichtigste Grundlage für die Bewertung der MdE keine verlässlichen Werte ergeben (vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 25, 30 und 33; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 360). Beim Kläger fiel das Ergebnis der gutachtlichen sprachaudiometrischen Untersuchung im Mai 2014 wegen der mangelnden Beherrschung der Sprache im Vergleich zu anderen Ergebnissen der Hörprüfungen zu schlecht aus, als dass sich der Hörverlust hierdurch hätte objektivieren lassen. Prof. Dr. S. ermittelte bei der sprachaudiometrischen Untersuchung beidseits prozentuale Hörverluste, welche eine MdE von 40 v. H. zur Folge hätten, wohingegen der tonaudiometrische Befund lediglich einen Hörverlust von 50 % rechts und 35 % links ergab, woraus sich eine MdE von 20 v. H. ergäbe. Demgegenüber ergibt sich aus dem Tonaudiogramm zumeist ein etwa höherer prozentualer Hörverlust als aus dem Sprachaudiogramm. Seine Bewertung, die sprachaudiometrischen Tests seien für den Kläger durchführbar gewesen, obwohl sie wegen der Sprachbarriere mühsam und in der Durchführung langwierig von statten gegangen seien, überzeugt daher nicht, zumal der bei der gutachtlichen Untersuchung eingesetzte SISI-Test, eine audiometrische Methode zur Bestimmung des Recruitments, für den Kläger sprachlich schwer verständlich war und daher nach Auffassung von Prof. Dr. S. nur eingeschränkt beurteilbar ist.
Die nach dem Spätsommer 2010 bis Frühjahr 2014 eingetretene beidseitige Hörminderung mit Hörverlusten von 0 % rechts und 15 % links auf 50 % rechts und 35 % links als abgrenzbare Anteile der beim Kläger eingetretenen Schwerhörigkeit (vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 29) ist demgegenüber nicht hinreichend wahrscheinlich auf die Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV zurückzuführen. Für einen Zusammenhang spricht einzig, dass der Kläger an einer beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit vom Haarzelltyp, also einer Innenohrschwerhörigkeit, leidet, wie sie der behandelnde HNO-Arzt Dr. R. bereits 2010 und Prof. Dr. S. nach der gutachtlichen Untersuchung im Mai 2014 diagnostiziert haben (vgl. hierzu und zum Folgenden: Königsteiner Empfehlung, S. 28 f.). Relativiert wird dies indes bereits dadurch, dass sich schon im Spätsommer 2010 eine Beteiligung der tiefen Frequenzen mit einem Hörverlust von 25 dB zeigte, obwohl die hohen Frequenzen mit einem Hörverlust von 60 dB erst einen mittleren Schädigungsgrad aufwiesen. Ein solches Übergreifen der Lärmeinwirkungen auf die tiefen Frequenzen ist erst bei größeren Hörverlusten in den hohen Frequenzen zu erwarten, worauf Prof. Dr. J. nachvollziehbar hingewiesen hat. Ferner entwickelte sich die weitere Hörminderung zwar während der anhaltenden Lärmexposition mit einem arbeitstäglichen Lärmexpositionspegel von bis zu 100 dB (A), bei dem für einen beträchtlichen Teil der Betroffenen die Gefahr einer Gehörschädigung besteht (vgl. Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV, Bek. des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales - BMAS - vom 1. Juli 2008 - Iva 4-45222-2301, GMBl Nr. 39 vom 5. August 2008, S. 798 ff.). Allerdings stehen das Ausmaß und die Entwicklung der Hörstörung ab September 2010 nicht in einem adäquaten Verhältnis zu der Lärmeinwirkung, zumal der Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt bis aktuell durchgängig adäquaten Gehörschutz verwendet, seit Frühjahr 2012 sogar individuell angepassten, wie er in der mündlichen Verhandlung beim LSG bestätigt hat, welchen er in der Nähe der Arbeitsmaschinen als lärmverursachende Quellen nur abnimmt, wenn er mit anderen Personen kommuniziert. Prof. Dr. S. hat zuletzt, in Übereinstimmung mit Prof. Dr. J., eingeräumt, dass sich die Hörschwellen gegenüber den Voruntersuchung im Jahre 2010 auf beiden Ohren bis 2014 trotz Verwendung von Gehörschutz erheblich verschlechtert haben, und diese rasche Verschlechterung für eine Lärmschädigung nicht typisch ist. Lärmuntypisch ist des Weiteren die Entwicklung der Hörminderung. Die Hörverluste betrugen im Herbst 2010, unverändert zu denjenigen mehr als drei Jahre zuvor, 0 % rechts und 15 % links. Demgegenüber verschlechterten sie sich in den folgenden dreieinhalb Jahren auf 50 % rechts und 35 % links, wobei allerdings die doppelseitig aufgetretene chronische Schwerhörigkeit nicht streng symmetrisch ausgebildet sein muss (vgl. Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV, a. a. O.). Ebenfalls untypisch für eine lärmbedingte Einwirkung sind die von Prof. Dr. S. im Mai 2014 ermittelten Hörkurven (vgl. Feldmann/Brusis, Das Gutachten des HNO-Arztes, 7. Aufl. 2012, S. 94; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 350 f.), wie bereits Prof. Dr. J. angemerkt hat. Ein Recruitment (vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 27, Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV, a. a. O.) ist überdies auch von Prof. Dr. S. nicht nachgewiesen worden. Da nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kein Wissen darüber vorliegt, was zu plötzlichen symmetrischen Hörminderungen führen kann, insbesondere dass diese lärmbedingt entstehen können, wie von Prof. Dr. S. herausgestellt worden ist, der darauf hingewiesen hat, dass ihm solche Krankheitsbilder von Zeit zu Zeit begegnen, auch ohne Lärmexposition, ergibt sich auch insoweit kein weiteres Indiz für die Kausalität. Damit spricht sogar deutlich mehr gegen den naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhang zwischen den versicherten beruflich lärmbedingten Einwirkungen und der nach dem Spätsommer 2010 eingetretenen weiteren Hörminderung. Damit kommt es nicht darauf an, ob eine nicht versicherte Alternativursache diesen Gesundheitsschaden zumindest mit bewirkt hat. Denn es ist nur zu prüfen, ob der Kläger wegen eines Gesundheitsschadens Anspruch auf eine Leistung nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung hat, nicht aber auf welche andere, nicht versicherte Bedingung er zurückzuführen ist.
Der Tinnitus rechts, wie ihn der Kläger jedenfalls seit Juni 2011, als er bei Dr. R. in Behandlung war, bis zuletzt im Berufungsverfahren ausschließlich beklagt hat, ist ebenfalls nicht auf die versicherten lärmbedingten Einwirkungen zurückzuführen. Hiergegen spricht bereits, dass das Ohrgeräusch vom Kläger nicht als Charakter eines hohen Tones oder Geräuschbandes eingeordnet worden ist (vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 29; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 367). Prof. Dr. J. hat schlüssig dargelegt, dass sich eine solche Gesundheitsstörung nie, wie vom Kläger beschrieben, als Rauschen bei 1 kHz, sondern als hoher Ton, meist ein Pfeifen, im Bereich des Maximums des Hörverlustes äußert. Prof. Dr. S. hat dies bestätigt, indem er Prof. Dr. J. beigepflichtet hat, dass der Charakter des Geräusches für einen Lärmschaden nicht typisch ist. Gleichgewichtsstörungen wie die vom Kläger gegenüber Prof. Dr. S. angeführten Drehschwindelattacken gehören nicht zum Krankheitsbild (Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV, a. a. O.). Es erklärt sich für den Senat in Bezug auf einen angeblich lärmbedingten Tinnitus auch nicht, weshalb nur das rechte Ohr betroffen ist, obwohl er an einer beidseitige Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit leidet. Der Kläger hat den Tinnitus rechts gegenüber Prof. Dr. S. nur als phasenweise störendes und rauschendes, also nicht dauerhaftes Geräusch angeführt. Am Tag der gutachtlichen Untersuchung konnte dieses zwar gemessen und audiometrisch verdeckt werden. Es wurde aber nicht konstant wahrgenommen. Da es den Tagesablauf nach der Einschätzung von Prof. Dr. S. nicht beeinflusst hat, ist es auf der Intensitätsskala nach Brusis nachvollziehbar dem Typ VI von möglichen XII zuzuordnen. Hierdurch bedingte Funktionseinschränkungen sind nicht erheblich und damit für die MdE ohnehin nicht von Relevanz (vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 37; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 367).
Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen der Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV besteht damit nicht.
Daher war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen der Folgen der bei ihm anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der 1961 geborene Kläger wuchs in der Türkei auf, siedelte Ende der 1970er Jahre in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) über und ist mittlerweile deutscher Staatsangehöriger. Von März 1980 bis zur Betriebsschließung im Mai 2011 arbeitete er bei der D.-m. GmbH & Co. KG in U. in Vollzeit als Eisen- und Metallerzeuger, Schmelzer sowie Staplerfahrer. Er hielt sich dort überwiegend in einer jeweiligen Entfernung von etwa ein bis drei Metern zu den Druckgussmaschinen und einem Schmelzofen auf. Nach den Ermittlungen des Mitarbeiters E. des Präventionsdienstes der Beklagten von Februar 2011 war der Kläger einer Lärmbelastung durch Druckgussmaschinen, welche er mit flüssigem Metall befüllte, und Pressen, mit denen Werkstücke nachbearbeitet wurden, ausgesetzt. Die Lärmbelastung wurde im August 2000 in der gesamten Halle mit einem Lärmexpositionspegel von 96 dB (A) ermittelt. Ab 18. Juli 2011 war der Kläger in Vollzeit als Maschinenführer in der Gießerei und im Bereich der Steuerung des Regenerierungsprozesses im M. B. Werk M. der D. AG beschäftigt. Dabei reinigte er auch die Kokillen mit Druckluft und legte die Kerne in die Maschinen ein. Bei einer von dieser Arbeitgeberin im September 2012 veranlassten Messung mit dem Gerät Norsonic Nor131 (Serien-Nr. 1313377), welches Ende Juni 2012 kalibriert wurde, wurden an verschiedenen Gießkarussellen, in deren unmittelbarer Nähe sich der Kläger aufhielt, Lärmexpositionspegel zwischen 96 und 100 dB (A) ermittelt. Während der Überwachung der Anlagen war er einem Lärmexpositionspegel zwischen 93 und 95 dB (A) unterlegen. Nach den Angaben dieser Arbeitgeberin bewegen sich die Gießkarusselle; die daran arbeitenden Personen, welche umhergingen, seien von allen Seiten einer Lärmexposition ausgesetzt. Bei den Arbeitsplätzen, an denen der Kläger tätig sei, gebe es hinsichtlich der einzelnen Arbeitsschichten keine Unterschiede der Lärmexposition. Wenn er sich in der Nachtschicht befunden habe, sei es gelegentlich vorgekommen, dass er eine zusätzliche, so genannte "16. Schicht" geleistet habe.
Der den Kläger behandelnde Arzt für Hals-, Nasen- und Ohren (HNO)-Heilkunde Dr. R. zeigte der Beklagten im September 2010 den Verdacht auf eine Berufskrankheit unter Hinweis darauf an, dass er eine beidseitige Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit und einen Tinnitus festgestellt habe. Ergänzend legte er am 7. September 2010 erstellte Audiogramme vor.
Der Kläger teilte der Beklagten Mitte November 2010 mit, die Ohrgeräusche habe er vor etwa drei Monaten wahrgenommen. Er nehme sie als Summen wahr. Es träten auch weniger hörbare Geräusche auf. Er fühle sich bei hoher Lautstärke belästigt, vor allem in der Gießerei. Es seien beide Ohren betroffen. Die Schwerhörigkeit habe sich ebenfalls erstmals vor etwa drei Monaten bemerkbar gemacht. Ein Hörgerät trage er nicht. Dr. R. gab Ende dieses Monats, unter Vorlage von am 7. September und 17. November 2010 erstellten Audiogrammen, die Auskunft, zuletzt habe er den Kläger Anfang September 2010 untersucht. Es habe sich eine für einen Lärmschaden typische Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit gefunden, so dass ein Zusammenhang mit einem Lärmschaden naheliege. Eine genetisch bedingte Schwerhörigkeit, welche genauso zur Darstellung komme, sei möglich, aber deutlich unwahrscheinlicher. Weitere Erkrankungen, die mit der Hörstörung im Zusammenhang stehen könnten, seien ihm nicht bekannt. Wegen der von ihm festgestellten typischen Lärmzacke sei ein Lärmschaden bei langjähriger beruflicher Lärmbelastung ebenso wahrscheinlich wie eine zusätzliche altersbedingte Schwerhörigkeit. Der Beklagten lag des Weiteren das von Dr. W. veranlasste Audiogramm von Mitte Juli 2007 vor.
Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2011 beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV fest, lehnte indes ein Recht auf Rente wegen der Folgen dieses Versicherungsfalls ab. Die Berufskrankheit habe keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zur Folge. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2011 zurückgewiesen.
Gegen den Widerspruchsbescheid, welcher den vormaligen Bevollmächtigten des Klägers am 8. September 2011 zugestellt wurde, hat dieser am Montag, 10. Oktober 2011 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, welches Dr. R. schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt hat. Dieser hat im Juni 2013 ausgeführt, der Kläger habe ihn zuletzt Anfang Juni 2011 konsultiert. Es habe eine beidseitige Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit bestanden. Außerdem habe er einen Tinnitus rechts beklagt. Bei der Vorstellung in seiner Praxis Anfang September 2010 habe er erklärt, dass ihm etwa einen Monat zuvor ein eingeschränktes Hören rechts aufgefallen sei. Das am 7. September 2010 erstellte Tonaudiogramm ergebe gemäß der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 einen Hörverlust von 0 % rechts und 5 % links. Hieraus folge eine MdE von 0 v. H. Werde der Tinnitus dazu genommen, könne eine MdE von 10 v. H. begründet werden. Da bei der Drei-Frequenz-Tabelle die bei einer Lärmschwerhörigkeit so wichtige Frequenz von 4 kHz unberücksichtigt bleibe, ergebe die Einschätzung mittels der Vier-Frequenz-Tabelle nach Röser 1973 für die rechte Seite einen Hörverlust von 21 % und für die linke von 18 %. Mit diesen Werten errechne sich nach der Empfehlung von Feldmann 1995 ebenfalls noch eine MdE von 0 vom Hundert (v. H.) Bei Auswertung des Tonaudiogrammes von Mitte November 2010 ergebe sich nach der Vier-Frequenz-Tabelle rechts ein Hörverlust von 30 % rechts und 26 % links. Anhand der Tabelle nach Feldmann 1995 liege eine MdE von 15 v. H. vor. Werde der Tinnitus mit 10 v. H. hinzuaddiert, errechne sich die Gesamt-MdE mit 25 v. H. Sprachaudiometrische Daten lägen ihm indes nicht vor, weshalb gegebenenfalls eine HNO-ärztliche Begutachtung durchzuführen sei.
Das SG hat Prof. Dr. S., Ärztlicher Direktor der Klinik für HNO-Krankheiten des K.-Hospitals S., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 21. Mai 2014 hat er ausgeführt, dieser leide an einer Schallempfindungsschwerhörigkeit beiderseits. Nach den Maßstäben von Lüpke 1975 sei vorliegend ein Lärmbeurteilungspegel zwischen 96 und 100 dB (A) zugrunde zu legen. Damit liege das Risikomaß 5 vor, wonach die Entstehung einer entschädigungspflichtigen Lärmschwerhörigkeit wahrscheinlich sei. Für eine cochleäre Hörstörung sprächen eine adäquate Lärmexposition, die Entstehung der Schwerhörigkeit während dieser, der Umstand, dass sich die Gesundheitsstörung im Vergleich zur Voruntersuchung 2007 und damit im Lärm verschlechtert habe, sowie ein Schrägabfall im Hochtonbereich, initial mit einer typischen c4-Senke. Die subjektiven Hörtests seien von den objektiven gestützt worden. Bei der gutachtlichen Untersuchung habe sich keine morphologische Veränderung der Ohren gezeigt. Es seien keine Anzeichen für eine chronische oder akute Entzündung zu erkennen gewesen. Audiometrisch habe eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits vorgelegen. Eine Lärmschwerhörigkeit bestehe damit insgesamt zweifelsfrei. Der Befund sei jedoch erheblich schlechter gewesen als bei den Untersuchungen 2007 und 2010. Insbesondere die tiefen Frequenzen seien bei der aktuellen Erhebung als deutlich betroffener angegeben worden. Anhand der sprachaudiometrischen Untersuchung, welche zwar für den Kläger wegen der relativen Sprachbarriere mühsam und in der Durchführung langwierig, aber dennoch möglich gewesen sei, errechne sich entsprechend der Tabelle nach Röser aus dem einfachen und gewichteten Gesamtwortverstehen eine MdE von 40 v. H. Nach der Audiometrie von 2007 ergebe sich keine MdE in messbarem Grad. Auch bei den Tests von 2010, welche tendenziell eine Verschlechterung zeigten, habe noch keine maßgebliche MdE objektiviert werden können. Allerdings seien damals jeweils keine sprachaudiometrischen Untersuchungen durchgeführt worden, welche sicher exakter gewesen wären. Anamnestisch habe der Kläger ein phasenweise störendes und rauschendes Ohrgeräusch angeführt. Am Tag der gutachtlichen Untersuchung habe dieses gemessen und audiometrisch verdeckt werden können. Es sei allerdings nicht konstant wahrgenommen worden. Da es den Tagesablauf nicht beeinflusst habe, könne es auf der Intensitätsskala nach Brusis dem Typ VI von möglichen XII zugeordnet werden. Ein Anspruch auf eine MdE lasse sich hieraus nicht ableiten. Der Kläger habe angegeben, vor etwa sechs oder sieben Jahren erstmals eine Hörminderung beidseits bemerkt zu haben. Diese sei seitdem langsam progredient verlaufen. Seit etwa zehn Jahren bestünde ein Ohrgeräusch rechts, welches unter Stress lauter sei. Hörgeräte trage er nicht. Seit etwa fünf oder sechs Jahren habe er etwa zweimal im Monat eine Drehschwindelattacke für etwa drei Minuten. Dann verspüre er einen Druck im Ohr. Die Durchführung des SISI-Tests sei für den Kläger schwer verständlich gewesen, weshalb das Ergebnis nur eingeschränkt beurteilbar sei.
Hiergegen hat die Beklagte, im Wesentlichen gestützt auf die beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Prof. Dr. J. von September 2014, eingewandt, es sei zutreffend, dass die Schwerhörigkeit des Klägers, dokumentiert durch die Tonaudiogramme von Juli 2007 und September 2010, zumindest wesentlich durch Lärm verursacht worden sei. Es habe zwar bereits zu diesem Zeitpunkt eine konkurrierende Bedingung Einfluss hierauf genommen, was sich an der Beteiligung der tiefen Frequenzen mit einem Hörverlust von 25 dB gezeigt habe, obwohl die hohen Frequenzen mit einem Hörverlust von 60 dB erst einen mittleren Schädigungsgrad ausgewiesen hätten. Ein solches Übergreifen der Lärmeinwirkungen auf die tiefen Frequenzen werde sonst erst bei größeren Hörverlusten in den hohen Frequenzen erwartet. Die massive Verschlimmerung der Schwerhörigkeit des Klägers von September 2010 bis zur gutachtlichen Untersuchung durch Prof. Dr. S. im Mai 2014 mit tonaudiometrisch gemessenen Hörverlusten von 0 % rechts und 15 % links auf 50 % rechts und 35 % links in nur dreieinhalb Jahren könne der weiteren beruflichen Lärmbelastung nicht zugeschrieben werden. Eine Lärmschwerhörigkeit schreite nur langsam, nie aber in großen Sprüngen voran. Der Kläger sei während dieser Zeit bereits mit hochwirksamen, individuell angepassten Gehörschutzplastiken versorgt gewesen. Das von Prof. Dr. S. erstellte Tonaudiogramm weise darüber hinaus lärmuntypische Verlaufskurven aus. Zutreffend sei zwar, dass die Schwerhörigkeit des Klägers bis 2010 zumindest wesentliche Folge seiner beruflichen Lärmexposition gewesen sei. Danach sei allerdings eine berufslärmfremde Gehörerkrankung für die Weiterentwicklung verantwortlich. Die von Prof. Dr. S. getroffene Feststellung, dass das Ergebnis der Langenbeck-Audiometrie für ein negatives Recruitment spreche und damit für eine Schädigung des Corti-Organs durch Lärm, sei falsch. Alle überschwelligen Tests bei einer Begutachtung dienten allein dem Nachweis oder Ausschluss eines Recruitments. Einzig der positive Nachweis spreche für einen cochleären Schaden, der bei einer Lärmschwerhörigkeit zu fordern sei. Prof. Dr. S. habe zudem herausgestellt, dass die Untersuchung beim SISI-Test für den Kläger schwer verständlich sowie die sprachaudiometrische Erhebung wegen der Sprachbarriere mühsam und in der Durchführung langwierig gewesen sei. Gleichwohl habe er diesen Test für exakter als das Tonaudiogramm gehalten. Nach der Königsteiner Empfehlung seien demgegenüber bei Personen, die nur über geringe Deutschkenntnisse verfügten, die prozentualen Hörverluste hilfsweise aus dem Tonaudiogramm zu ermitteln. Es sei zu berücksichtigen, dass sich dabei zumeist etwas höhere prozentuale Hörverluste als aus dem Sprachaudiogramm ergäben. Die Vorgehensweise von Prof. Dr. S., das Sprach- anstelle des Tonaudiogrammes zu verwenden, sei folglich nicht korrekt gewesen. Ohnehin habe er sich auf die veraltete Auflage von Feldmann aus dem Jahre 2001 gestützt und nicht auf die aktuelle von 2012. Er habe zudem eine Vorauflage der Königsteiner Empfehlung herangezogen, ohne die jüngere von 2012 zu berücksichtigen. Ein lärmbedingter Tinnitus könne zwar anfänglich nur ein Ohr betreffen, beziehe dann aber nach längstens zwei bis drei Jahren das andere Ohr ein. Der Kläger habe nur auf dem rechten Ohr Beschwerden geäußert. Eine solche Gesundheitsstörung äußere sich nie, wie vorliegend, als Rauschen bei 1 kHz, sondern als hoher Ton, meist ein Pfeifen, im Bereich des Maximums des Hörverlustes. Daraus folge, dass der Tinnitus des Klägers unabhängig davon keine Lärmfolge sein könne, ob er für die MdE überhaupt von Relevanz sei.
In der mündlichen Verhandlung beim SG am 4. Dezember 2014, bei welcher auch der Kläger und ein Dolmetscher für die türkische Sprache anwesend gewesen sind, hat Ersterer erklärt, erst seit zehn Jahren ausreichenden Gehörschutz zu tragen. Bei der D.-m. GmbH & Co. KG seien ihm Kopfhörer und später Ohrstöpsel angeboten worden. Bei der D. AG habe er ebenfalls Gehörschutz getragen. Den speziell angepassten, welchen ihm die Beklagte seit 2012 gewährt habe, trage er seither dauerhaft während der Arbeit. Diese hat den nach einem mit dem Sohn des Klägers Ende April 2012 geführten Gespräch erstellten Erhebungsbogen "Individualprävention Lärm" des Mitarbeiters E. ihrer Präventionsabteilung vorgelegt, wonach der Gehörschutz ausreichend und dieser bereits länger als fünf Jahre getragen worden sei. Er werde weder zur Kommunikation noch zum Hören von Maschinengeräuschen herausgenommen und korrekt verwendet. Die Otoplastiken seien durch die D.-m. GmbH und Co. KG finanziert worden. Inzwischen arbeite der Kläger bei der D. AG. Dort trage er den individuell angepassten Gehörschutz Phonak Senerity Classic, welcher nach den Angaben des Sohnes des Klägers gut sei.
Das SG hat die Klage daraufhin mit Urteil vom selben Tag abgewiesen. Der Kläger habe wegen der Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente. Die mittels des Gutachtens von Prof. Dr. S. nachgewiesene Verschlechterung der Hörleistung sei nicht kausal auf die berufliche Lärmbelastung zurückzuführen. Der Hörverlust zwischen 2007 und 2010 sei nicht wesentlich gewesen, demgegenüber habe sich wiederum dreieinhalb Jahre später eine erhebliche Verschlechterung gezeigt, welche sich bei permanenter Benutzung des für den Kläger individuell angepassten Gehörschutzes nicht mit einer Lärmeinwirkung in Einklang bringen lasse. Er selbst habe angegeben, seit etwa zehn Jahren durchgehend Gehörschutz zu tragen. Damit sei bei den Arbeitsbedingungen im Gegensatz zum weiter vorangeschrittenen Hörverlust keine wesentliche Änderung eingetreten. Das von Prof. Dr. S. festgestellte negative Recruitment spräche nicht für das Vorliegen einer cochleären und damit lärmbedingten Schwerhörigkeit. Außerdem habe beim Kläger eine Schwerhörigkeit im Tieftonbereich bestanden, welche ebenfalls gegen eine lärmbedingte Einwirkung anzuführen sei. Die durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit habe kein solches Ausmaß, dass bereits eine MdE von 20 v. H. gerechtfertigt sei.
Gegen die den vormaligen Bevollmächtigten des Klägers am 18. Dezember 2014 zugestellte Entscheidung hat dieser am 14. Januar 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt.
Der Berichterstatter hat den Kläger, unter Anwesenheit eines Dolmetschers für die türkische Sprache, in der nichtöffentlichen Sitzung am 22. Dezember 2015 ergänzend gehört. Bei der D. AG sei er zwar mit Gehörschutz ausgestattet gewesen. Er haben diesen jedoch abnehmen müssen, wenn er kommuniziert oder sich in der Pause befunden habe. Er habe dort dreimal in der Woche abgestrahlt. Diese Tätigkeit habe pro Arbeitsschicht einen Zeitraum von zwei Stunden umfasst und sei bis vor zwei Jahren montags, mittwochs und freitags, seit zwei Jahren nur noch freitags ausgeübt worden. An einer Anlage sei unter Einschluss seiner Person gleichzeitig zu dritt gearbeitet worden.
Das LSG hat daraufhin Prof. Dr. S. beauftragt, ergänzend ein Gutachten nach Aktenlage zu erstatten. Im Oktober 2016 hat er kundgetan, gegenüber den Voruntersuchungen im Jahre 2007 und 2010 hätten sich die Hörschwellen auf beiden Ohren bis 2014 trotz Verwendung von Gehörschutz erheblich verschlechtert, was nicht typisch für eine Lärmschädigung sei. Allerdings gebe es bis aktuell keine klaren medizinischen Erkenntnisse darüber, was zu plötzlichen symmetrischen Hörminderungen führen könne, obgleich ihm solche Krankheitsbilder von Zeit zu Zeit begegneten, auch ohne Lärmexposition. Prof. Dr. J. habe als Alternativursache nur unspezifisch eine berufslärmfremde Gehörerkrankung angeführt. Letztlich bleibe unklar, was zu der raschen Hörverschlechterung im Innenohr zwischen 2010 und 2014 geführt habe. Die von ihm ermittelten Hörkurven seien für eine lärmbedingte Einwirkung untypisch. Insgesamt verbleibe eine nicht definierbare, auffällig rasche Progredienz der Innenohrschwerhörigkeit zwischen 2010 und 2014. Sei eine konkurrierende Ursache nicht erwiesen, könne diese nicht zur Ablehnung des Anspruches herangezogen werden, wie dies der aktuellen Auflage der Königsteiner Empfehlung zu entnehmen sei. Die Bestimmung der Hörminderung gemäß der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 rechtfertige ab seiner gutachtlichen Untersuchung mit einem ermittelten Hörverlust von 50 % rechts und 35 % links eine MdE von 20 v. H. Wegen der Sprachbarriere und des Umstandes, dass Sprachaudiogramme aus früheren Jahren nicht vorlägen, verzichte er auf die Auswertung desjenigen von 2014. In Bezug auf die Ohrgeräusche habe Prof. Dr. J. zutreffend ausgeführt, dass der Charakter des Geräusches nicht typisch für einen Lärmschaden sei, gleichwohl sei es vorhanden. Für die MdE sei der Tinnitus nicht von Relevanz.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, das gesamte Ausmaß seiner Hörminderung sowie das Ohrgeräusch rechts seien Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV, weshalb ihm eine Rente zustehe.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 2014 aufzuheben und den Bescheid vom 5. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2011 teilweise aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, die nach 2010 eingetretene Hörverschlechterung lasse sich genauso wenig wie der Tinnitus rechts auf die beruflich bedingte Lärmeinwirkung zurückführen, weshalb eine MdE von wenigstens 20 v. H. nicht begründbar sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 9. März 20017 über die Berufung des Klägers entscheiden, da dieser als Beteiligter (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG) anwesend war. Seine Bevollmächtigten haben zuvor mitgeteilt, dass dieser den Termin alleine wahrnehmen wird, womit er sich einverstandene erklärte.
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.
Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens ist das Urteil des SG vom 4. Dezember 2014, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 5. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2011 wegen der Folgen der bei ihm mit Bescheid vom 5. April 2011 bindend (§ 77 SGG) anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV ("Lärmschwerhörigkeit") die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. verfolgt hat, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34).
Die Berufung ist nicht bereits mangels Zulässigkeit der Klage unbegründet, da der Widerspruchsbescheid vom 6. September 2011 den vormaligen Bevollmächtigten des Klägers zwei Tage danach zugestellt wurde und daher die am Montag, 10. Oktober 2011 beim SG erhobene Klage noch fristgerecht war (§ 87 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG).
Das Rechtsmittel ist indes wegen der Unbegründetheit der Klage nicht begründet. Der Kläger hat wegen der Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Rechtsgrundlage für die begehrte Rentengewährung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), da der Versicherungsfall frühestens 2010, also nach Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997, eingetreten ist (§ 212 SGB VII; Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG), BGBl I 1996, S. 1254), als der sachverständige Zeuge Dr. R. eine beidseitige Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit und einen Tinnitus feststellte, weshalb er der Beklagten im September dieses Jahres den Verdacht auf eine Berufskrankheit anzeigte. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier einer Berufskrankheit - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren (§ 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Entscheidend ist, in welchem Ausmaß Versicherte durch die Folgen des Versicherungsfalls in ihrer Fähigkeit gehindert sind, zuvor offenstehende Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 123). Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, BSGE 93, 63 (65)). Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass die Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV beim Kläger eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat. Die Feststellung der Höhe der MdE erfordert als tatsächliche Feststellung stets eine Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel (BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R -, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8).
Bei allen medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, ist der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand maßgebend, welcher die Grundlage bildet, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen der konkret geschädigten Personen zu bewerten sind. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 (200 f.) und vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 20) sowie im sozialen Entschädigungsrecht und Schwerbehindertenrecht (vgl. BSG, Urteile vom 17. Dezember 1997 - 9 RVi 1/95 -, SozR 3-3850 § 52 Nr. 1 S. 3 und vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 9, Rz. 25; Urteil des Senats vom 21. April 2015 - L 6 VJ 1460/13 -, juris, Rz. 66). Dieser Erkenntnistand ergibt sich indes noch nicht durch wissenschaftliche Einzelmeinungen (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 21).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, welche das Tatbestandsmerkmal des Gesundheitsschadens der haftungsausfüllenden Kausalität, also der Folge einer anerkannten Berufskrankheit, erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den der Theorie der wesentlichen Bedingung zugrunde liegenden naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhang indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 25/10 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4111 Nr. 3, Rz. 14 m. w. N.).
Nach diesen Maßstäben berechtigen die Folgen der beim Kläger anerkannten Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht zu einer Rente, da sie mit einer MdE unter 10 v. H. zu bewerten sind.
Der Kläger war bei seinen in Vollzeit ausgeübten beruflichen Tätigkeiten als Eisen- und Metallerzeuger, Schmelzer und Staplerfahrer bei der D.-m. GmbH & Co. KG von März 1980 bis zur Betriebsschließung im Mai 2011 sowie als Maschinenführer in der Gießerei und im Bereich der Steuerung des Regenerierungsprozesses im M. B. Werk M. der D. AG seit Mitte Juli 2011 jeweils als Arbeitnehmer und damit als Beschäftigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert. Für die Folgen der Einwirkungen aufgrund dieser versicherten Tätigkeiten ist die Beklagte verbandszuständig (§ 114 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 121 Abs. 1, § 133 Abs. 1, § 136 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Nr. 2 der Anlage 1 zu § 114 SGB VII i. V. m. § 3 Abs. 1 ihrer am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Satzung).
Bei der D.-m. GmbH & Co. KG war der Kläger einem arbeitstäglichen Lärmexpositionspegel von 96 dB (A) ausgesetzt, was der Senat den Ermittlungen des Mitarbeiters E. des Präventionsdienstes der Beklagten von Februar 2011 entnimmt, wonach von den Druckgussmaschinen, welche der Kläger mit flüssigem Metall befüllte, und den Pressen, mit denen Werkstücke nachbearbeitet wurden, in deren Nähe er sich ebenfalls aufhielt, ein Lärmexpositionspegel in dieser Höhe ausging, was bei der Messung im August 2000 in der gesamten Halle, in der sich die Maschinen befanden, ermittelt wurde. Bei der D. AG hat der Kläger Kerne in die Gießkarusselle eingelegt, bis 2013 Gussteile dreimal in der Woche mit einem zeitlichen Umfang von jeweils zwei Stunden und seither einmal je Woche abgestrahlt, die Anlagen überwacht sowie Kokillen mit Druckluft gereinigt, was der Senat der Auskunft dieser Arbeitgeberin im Berufungsverfahren und der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung beim LSG im Dezember 2015, als der Kläger vom Berichterstatter angehört wurde, entnimmt. Bei der Überwachung der Anlagen war er einem arbeitstäglichen Lärmexpositionspegel zwischen 93 und 95 dB (A) sowie bei den sonstigen überwiegenden Tätigkeiten einem solchen zwischen 96 und 100 dB (A) ausgesetzt, was sich aufgrund der von dieser Arbeitgeberin im September 2012 veranlassten Messung mit dem Gerät Norsonic Nor131 (Serien-Nr. 1313377), welches kurz zuvor auf das Präzisionsmaß gebracht wurde, ergeben hat. Der Kläger trug seit 2004 bis aktuell durchweg Gehörschutz, bei der D.-m. GmbH & Co. KG zunächst Kopfhörer und später Ohrstöpsel sowie bei der D. AG nach vergleichbaren Schutzmaßnahmen ab August 2012 mit den Phonak Senerity Classic statische, individuell angepasste Modelle, welche er nur abgenommen hat, wenn er mit anderen Personen am Arbeitsplatz kommuniziert oder Pausen eingelegt hat. Hiervon geht der Senat aufgrund der Niederschriften über seine Einlassungen in der mündlichen Verhandlung beim SG und in der nichtöffentlichen Sitzung beim LSG aus. Den Gerätetypus, den die Beklagte gewährt hat, bestätigte der Sohn des Klägers gegenüber dem Mitarbeiter E. ihres Präventionsdienstes bei einem Gespräch im Frühjahr 2012.
Die Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV hat beim Kläger zwar zu einem Hörverlust links von 15 % geführt, welcher sich mittels der von dem sachverständigen Zeugen Dr. R. veranlassten Tonaudiogrammen von September und November 2010 nach der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 ermitteln ließ. Zu dieser Auswertung gelangten übereinstimmend Prof. Dr. J. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme von September 2014 und der Sachverständige Prof. Dr. S ... Soweit Dr. R. in seiner schriftlichen Auskunft im erstinstanzlichen Verfahren einen Hörverlust von 5 % links anführte, geht der Senat von einem Wiedergabefehler aus. Hieraus folgt indes nach der Berechnung der MdE aus den Schwerhörigkeitsgraden beider Ohren nach Feldmann, 1995 (vgl. Empfehlung für die Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit, Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV, Königsteiner Empfehlung, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V., 2. Aufl., Juli 2012 (im Folgenden: Königsteiner Empfehlung), S. 34) ein Grad von 0 v. H., wie auch Prof. Dr. S. bestätigt hat.
Die Ermittlung des Hörverlustes konnte vorliegend aus den Tonaudiogrammen erfolgen, da der 1961 geborene Kläger, welcher in der Türkei aufwuchs, zwar bereits seit mehr als dreißig Jahren in der BRD lebte, als die audiometrischen Untersuchungen durchgeführt wurden. Er hat aber dennoch über so geringe Deutschkenntnisse verfügt, dass etwa für die Wahrnehmung der gerichtlichen Termine in diesem Verfahren jeweils ein Dolmetscher für die türkische Sprache benötigt wurde. In der mündlichen Verhandlung beim LSG hat sich dies anschaulich dadurch bestätigt, dass er sich bei seiner Einlassung nicht einmal bruchstückhaft in der deutschen Sprache verständigte. So hat auch der sprachaudiometrische Befund als die in der Regel wichtigste Grundlage für die Bewertung der MdE keine verlässlichen Werte ergeben (vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 25, 30 und 33; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 360). Beim Kläger fiel das Ergebnis der gutachtlichen sprachaudiometrischen Untersuchung im Mai 2014 wegen der mangelnden Beherrschung der Sprache im Vergleich zu anderen Ergebnissen der Hörprüfungen zu schlecht aus, als dass sich der Hörverlust hierdurch hätte objektivieren lassen. Prof. Dr. S. ermittelte bei der sprachaudiometrischen Untersuchung beidseits prozentuale Hörverluste, welche eine MdE von 40 v. H. zur Folge hätten, wohingegen der tonaudiometrische Befund lediglich einen Hörverlust von 50 % rechts und 35 % links ergab, woraus sich eine MdE von 20 v. H. ergäbe. Demgegenüber ergibt sich aus dem Tonaudiogramm zumeist ein etwa höherer prozentualer Hörverlust als aus dem Sprachaudiogramm. Seine Bewertung, die sprachaudiometrischen Tests seien für den Kläger durchführbar gewesen, obwohl sie wegen der Sprachbarriere mühsam und in der Durchführung langwierig von statten gegangen seien, überzeugt daher nicht, zumal der bei der gutachtlichen Untersuchung eingesetzte SISI-Test, eine audiometrische Methode zur Bestimmung des Recruitments, für den Kläger sprachlich schwer verständlich war und daher nach Auffassung von Prof. Dr. S. nur eingeschränkt beurteilbar ist.
Die nach dem Spätsommer 2010 bis Frühjahr 2014 eingetretene beidseitige Hörminderung mit Hörverlusten von 0 % rechts und 15 % links auf 50 % rechts und 35 % links als abgrenzbare Anteile der beim Kläger eingetretenen Schwerhörigkeit (vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 29) ist demgegenüber nicht hinreichend wahrscheinlich auf die Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV zurückzuführen. Für einen Zusammenhang spricht einzig, dass der Kläger an einer beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit vom Haarzelltyp, also einer Innenohrschwerhörigkeit, leidet, wie sie der behandelnde HNO-Arzt Dr. R. bereits 2010 und Prof. Dr. S. nach der gutachtlichen Untersuchung im Mai 2014 diagnostiziert haben (vgl. hierzu und zum Folgenden: Königsteiner Empfehlung, S. 28 f.). Relativiert wird dies indes bereits dadurch, dass sich schon im Spätsommer 2010 eine Beteiligung der tiefen Frequenzen mit einem Hörverlust von 25 dB zeigte, obwohl die hohen Frequenzen mit einem Hörverlust von 60 dB erst einen mittleren Schädigungsgrad aufwiesen. Ein solches Übergreifen der Lärmeinwirkungen auf die tiefen Frequenzen ist erst bei größeren Hörverlusten in den hohen Frequenzen zu erwarten, worauf Prof. Dr. J. nachvollziehbar hingewiesen hat. Ferner entwickelte sich die weitere Hörminderung zwar während der anhaltenden Lärmexposition mit einem arbeitstäglichen Lärmexpositionspegel von bis zu 100 dB (A), bei dem für einen beträchtlichen Teil der Betroffenen die Gefahr einer Gehörschädigung besteht (vgl. Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV, Bek. des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales - BMAS - vom 1. Juli 2008 - Iva 4-45222-2301, GMBl Nr. 39 vom 5. August 2008, S. 798 ff.). Allerdings stehen das Ausmaß und die Entwicklung der Hörstörung ab September 2010 nicht in einem adäquaten Verhältnis zu der Lärmeinwirkung, zumal der Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt bis aktuell durchgängig adäquaten Gehörschutz verwendet, seit Frühjahr 2012 sogar individuell angepassten, wie er in der mündlichen Verhandlung beim LSG bestätigt hat, welchen er in der Nähe der Arbeitsmaschinen als lärmverursachende Quellen nur abnimmt, wenn er mit anderen Personen kommuniziert. Prof. Dr. S. hat zuletzt, in Übereinstimmung mit Prof. Dr. J., eingeräumt, dass sich die Hörschwellen gegenüber den Voruntersuchung im Jahre 2010 auf beiden Ohren bis 2014 trotz Verwendung von Gehörschutz erheblich verschlechtert haben, und diese rasche Verschlechterung für eine Lärmschädigung nicht typisch ist. Lärmuntypisch ist des Weiteren die Entwicklung der Hörminderung. Die Hörverluste betrugen im Herbst 2010, unverändert zu denjenigen mehr als drei Jahre zuvor, 0 % rechts und 15 % links. Demgegenüber verschlechterten sie sich in den folgenden dreieinhalb Jahren auf 50 % rechts und 35 % links, wobei allerdings die doppelseitig aufgetretene chronische Schwerhörigkeit nicht streng symmetrisch ausgebildet sein muss (vgl. Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV, a. a. O.). Ebenfalls untypisch für eine lärmbedingte Einwirkung sind die von Prof. Dr. S. im Mai 2014 ermittelten Hörkurven (vgl. Feldmann/Brusis, Das Gutachten des HNO-Arztes, 7. Aufl. 2012, S. 94; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 350 f.), wie bereits Prof. Dr. J. angemerkt hat. Ein Recruitment (vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 27, Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV, a. a. O.) ist überdies auch von Prof. Dr. S. nicht nachgewiesen worden. Da nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kein Wissen darüber vorliegt, was zu plötzlichen symmetrischen Hörminderungen führen kann, insbesondere dass diese lärmbedingt entstehen können, wie von Prof. Dr. S. herausgestellt worden ist, der darauf hingewiesen hat, dass ihm solche Krankheitsbilder von Zeit zu Zeit begegnen, auch ohne Lärmexposition, ergibt sich auch insoweit kein weiteres Indiz für die Kausalität. Damit spricht sogar deutlich mehr gegen den naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhang zwischen den versicherten beruflich lärmbedingten Einwirkungen und der nach dem Spätsommer 2010 eingetretenen weiteren Hörminderung. Damit kommt es nicht darauf an, ob eine nicht versicherte Alternativursache diesen Gesundheitsschaden zumindest mit bewirkt hat. Denn es ist nur zu prüfen, ob der Kläger wegen eines Gesundheitsschadens Anspruch auf eine Leistung nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung hat, nicht aber auf welche andere, nicht versicherte Bedingung er zurückzuführen ist.
Der Tinnitus rechts, wie ihn der Kläger jedenfalls seit Juni 2011, als er bei Dr. R. in Behandlung war, bis zuletzt im Berufungsverfahren ausschließlich beklagt hat, ist ebenfalls nicht auf die versicherten lärmbedingten Einwirkungen zurückzuführen. Hiergegen spricht bereits, dass das Ohrgeräusch vom Kläger nicht als Charakter eines hohen Tones oder Geräuschbandes eingeordnet worden ist (vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 29; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 367). Prof. Dr. J. hat schlüssig dargelegt, dass sich eine solche Gesundheitsstörung nie, wie vom Kläger beschrieben, als Rauschen bei 1 kHz, sondern als hoher Ton, meist ein Pfeifen, im Bereich des Maximums des Hörverlustes äußert. Prof. Dr. S. hat dies bestätigt, indem er Prof. Dr. J. beigepflichtet hat, dass der Charakter des Geräusches für einen Lärmschaden nicht typisch ist. Gleichgewichtsstörungen wie die vom Kläger gegenüber Prof. Dr. S. angeführten Drehschwindelattacken gehören nicht zum Krankheitsbild (Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV, a. a. O.). Es erklärt sich für den Senat in Bezug auf einen angeblich lärmbedingten Tinnitus auch nicht, weshalb nur das rechte Ohr betroffen ist, obwohl er an einer beidseitige Hochtonschallempfindungsschwerhörigkeit leidet. Der Kläger hat den Tinnitus rechts gegenüber Prof. Dr. S. nur als phasenweise störendes und rauschendes, also nicht dauerhaftes Geräusch angeführt. Am Tag der gutachtlichen Untersuchung konnte dieses zwar gemessen und audiometrisch verdeckt werden. Es wurde aber nicht konstant wahrgenommen. Da es den Tagesablauf nach der Einschätzung von Prof. Dr. S. nicht beeinflusst hat, ist es auf der Intensitätsskala nach Brusis nachvollziehbar dem Typ VI von möglichen XII zuzuordnen. Hierdurch bedingte Funktionseinschränkungen sind nicht erheblich und damit für die MdE ohnehin nicht von Relevanz (vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 37; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 367).
Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen der Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV besteht damit nicht.
Daher war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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