L 9 U 4718/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1449/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4718/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls.

Der 1942 geborene und als Landwirt bei der Beklagten gesetzlich unfallversicherte Kläger teilte der Beklagten mit Schreiben vom 12.11.2006 mit, am 17.08.2006 um 15:30 Uhr beim Futtererbsendreschen einen Arbeitsunfall erlitten zu haben. Aus unbekannter Ursache habe es den Strohauslass der Schüttler am Mähdrescher verstopft. Als der Kläger dies bemerkt habe, habe er den Mähdrescher abgestellt und versucht, das Erbsenstroh herauszuziehen. Da es etwas hoch gewesen sei, habe er sich sehr strecken müssen, und auf einmal sei sein Arm (rechte Seite) nicht mehr nach oben gegangen.

Wegen Beschwerden an der rechten Schulter konsultierte der Kläger am 25.08.2006 zunächst seine Hausärztin, die Fachärztin für Allgemeinmedizin und H-Ärztin R., die durch die Radiologen Dr. S. und Dr. W. ein MRT des rechten Schultergelenks veranlasste. In diesem MRT vom 30.08.2006 zeigten sich eine Ruptur der Rotatorenmanschette im Bereich der Supra- und Infraspinatussehne, eine AC-Gelenksarthrose, arthrotische Veränderungen im Schultergelenk selbst sowie eine große Zyste im lateralen Humeruskopf. Anschließend erfolgte eine Behandlung durch den Chefarzt Dr. B. der Kliniken Landkreis S., Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie. Am 16.10.2006 wurde die Rotatorenmanschettenruptur an der rechten Schulter operativ versorgt (Offene Acromioplastik nach Neer und transossäre Rotatorenmanschetten-Reinsertion rechter Humerus).

Gegenüber der L. Krankenkasse B. lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 28.11.2006 das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ab, weil kein Unfallereignis vorliege. Ein an den Kläger gerichteter Bescheid wurde nicht erlassen.

Am 11.04.2009 stürzte der Kläger während der Arbeit und versuchte, sich mit rückwärtsgestreckten Händen abzufangen. Aufgrund anhaltender Beschwerden an der rechten Schulter begab sich der Kläger in hausärztliche Behandlung. Die am 28.04.2009 erfolgte Kernspintomografie zeigte eine chronische Ruptur der Supraspinatussehne mit Retraktion und Muskelathrophie.

Mit Schreiben vom 05.10.2009 wandte sich der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten an die Beklagte mit der Bitte um Anerkennung der Ereignisse aus August 2006 bzw. April 2009 als Arbeitsunfälle. Ebenfalls übermittelt wurde hierbei ein Nachschaubericht des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. B. vom 18.09.2009 sowie eine Anlage hierzu, worin Dr. B. zu dem Ereignis am 17.08.2006 ausführt, der Häcksler eines Mähdreschers sei verstopft gewesen. Der Kläger sei hochgesprungen, habe das Stroh mit der rechten Hand gefasst und dieses aus dem Häcksler gerissen. Er sei oft hoch gesprungen. Nach ca. 20 Mal sei ein heftiger Schmerz in der rechten Schulter aufgetreten, sodass er diese Tätigkeit nicht mehr habe ausüben können. Am 11.04.2009 sei der Kläger auf den Rücken gefallen, als während der Prüfung des Wasserstandes der Batterie am Schlepper der Stuhl umgefallen sei, auf dem er gestanden habe. Der Kläger habe versucht, sich mit beiden, nach rückwärts gestreckten Händen abzufangen. Im NMR nach drei Wochen sei eine chronische Ruptur der Supraspinatussehne mit Sehnenretraktion festgestellt worden. Das Ereignis vom 17.08.2006 sei geeignet gewesen, eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen. Die histologische Untersuchung beweise eine frische Ruptur.

Die Beklagte befragte zunächst den behandelnden Arzt Dr. B. zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls, der in seiner Stellungnahme vom 16.11.2009 ausführte, den Kläger erstmalig am 04.09.2006 behandelt und als Diagnose eine ausgedehnte Rotatorenmanschettenläsion im Supraspinatus- und Infraspinatusbereich mit Ruptur der langen Bizepssehne und ausgedehnter Zyste im Humeruskopf gestellt zu haben. Ihm gegenüber habe der Kläger angegeben, im Mähdrescher sei am 15.08.2006 der Strohauslass verstopft gewesen. Er habe den Mähdrescher abgestellt und das Stroh herausgezogen. Es hätten schon länger Beschwerden in der rechten Schulter bestanden, ein "Schnellen" habe er nicht bemerkt. Am nächsten Tag habe er den rechten Arm nicht mehr hochnehmen können. Zwei Tage später habe er sich im Bad abstützen wollen, dabei seien plötzlich verstärkte Schmerzen aufgetreten. Eine weitere Vorstellung des Klägers sei am 15.07.2009 erfolgt. Hierbei habe der Kläger ein Sturzereignis vom 11.05.2009 auf die rechte Schulter erwähnt.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. B. anschließend ein Zusammenhangsgutachten zu dem Ereignis am 17.08.2006. Darin führte er am 15.08.2010 unter Wiederholung des bereits zuvor geschilderten Unfallhergangs aus, es liege ein Arbeitsunfall vor. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Schulterdistorsion rechts mit Ruptur der Supra- und Infraspinatussehne sowie die Reruptur der Supraspinatussehne rechts nach transossärer Fixierung mit Wahrscheinlichkeit auch ohne jede äußere Einwirkung bzw. ohne das Ereignis am 17.08.2006 eingetreten wäre. Die spontane Entstehung einer Rotatorenmanschettenläsion sei in einem Alter von 64 Jahren noch nicht zu häufig. Wenn der Kläger das Stroh während seiner Sprünge mit der rechten Hand zu fassen bekommen habe, sei es zu einem ruckartigen axialen Zug am gestreckten rechten Arm durch die Rückhaltekraft des festsitzenden Strohs einerseits und das in der Luft hängende Gewicht des Klägers andererseits gekommen. Im Sprungvorgang bestehe keine kontinuierliche Muskelkontrolle. Nach Löw, Habermeyer und ihren "Empfehlungen zur Diagnostik und Begutachtung der traumatischen Rotatorenmanschettenläsion" sprächen für das Vorliegen eines Zusammenhangs der frühzeitige Arztbesuch, die erhebliche Funktionsstörung von Anfang an, der eindeutige NMR Befund, der intraoperative Befund einer zerrissenen Sehne sowie die frische Läsion. Dagegen sprächen lediglich das Alter über 50 Jahre sowie eine subtotale Ruptur der Supraspinatussehne sowie entzündliche Veränderungen an der Rotatorenmanschette und eine mäßiggradige Arthrose im linken Schultergelenk. Diese Veränderungen seien bei der gutachterlichen Untersuchung indes nahezu stumm gewesen, sodass die Prokriterien eindeutig überwögen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage ab der 14. Woche bis zum 10.04.2009 20 % und ab dem 11.04.2009 30 %.

Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsfachärztliche Stellungnahme beim Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. S. ein. Dieser führte darin am 15.11.2010 aus, nach den Hergangsschilderungen des Klägers sei es am 17.08.2006 zu keiner mittelbaren Gewalteinwirkung auf Gewebsstrukturen des rechten Schultergelenks gekommen. Das mehrmalige Reißen gehöre zu den arbeitsüblichen Abläufen ebenso wie der Versuch, das Erbsenstroh herauszuziehen. Selbst wenn eine mittelbare Gewalteinwirkung unterstellt werden sollte, so wäre diese nicht geeignet, eine Zusammenhangstrennung von Gewebsstrukturen und der Rotatorenmanschette zu bewirken. Anamnestisch habe der Kläger im Rahmen der Erstuntersuchung durch Dr. B. zusätzlich angegeben, dass er schon länger Beschwerden in der rechten Schulter gehabt habe. Die im histologischen Bericht beschriebenen Verkalkungen sprächen ebenfalls für eine Vorschädigung.

Mit Bescheid vom 18.02.2011 lehnte die Beklagte eine Entschädigung des Ereignisses vom 17.08.2006 ab, weil ein Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) nicht vorgelegen habe.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, zwar sei die Sehne massiv vorgeschädigt und der Kläger zum Unfallzeitpunkt 64 Jahre alt gewesen, doch sei sie in dem Zustand versichert gewesen. Löse also eine geringe Anstrengung wie hier das geschilderte Reißen im Arm einen Sehnenriss aus und sei dies nicht lediglich eine Gelegenheitsursache, so sei es ein Unfallereignis und dem Unfall zuzurechnen.

Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres Zusammenhangsgutachten bei dem Chefarzt der S.klinik W. Prof. Dr. E. ein. Dieser kam darin am 18.10.2011 zu dem Ergebnis, bei dem Ereignis vom 17.08.2006 habe es sich um eine Gelegenheitsursache gehandelt, bei der zwar bei der Arbeit, aber nicht im Sinne eines Arbeitsunfalles eine Rotatorenmanschettenruptur eingetreten sei. Bereits zu diesem Zeitpunkt müsse bei dem Kläger ein deutlicher Vorschaden bestanden haben, zumal das Unfallereignis an sich, aber auch die Tatsache, dass es kein Ereignis gegeben habe, das plötzlich unerwartet auf den Körper von außen eingewirkt habe, dazu geführt habe, dass die Rotatorenmanschette insuffizient geworden sei. Lediglich die Schulterdistorsion rechts sei korrekterweise auf die Tätigkeit des Versicherten bei dem Entfernen des Strohs aus dem Drechsler zurückzuführen.

Der Kläger führte zu diesem Gutachten aus, Prof. Dr. E. habe den Unfallhergang falsch verstanden. Er sei am Mähdrescher hochgesprungen und habe versucht, die Strohballen herauszuziehen. Als er den Strohballen zu fassen bekommen habe, habe er in der Luft gehangen, d. h. das volle Körpergewicht sei über den gestreckten Arm in die Schulter verlagert worden. Ein solcher Sachverhalt sei geeignet, den Unfall hervorzurufen.

Der daraufhin erneut konsultierte Beratungsarzt Dr. S. führte hierzu am 24.04.2012 aus, der nun geschilderte Hergang passe nicht zu den bisherigen Angaben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Hinweis auf das Gutachten des Prof. Dr. E. sowie die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. S. als unbegründet zurück, da die Gesundheitsstörung lediglich bei einer betriebsüblichen Tätigkeit aufgetreten sei.

Hiergegen hat der Kläger am 04.06.2012 Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung. Gleichzeitig ist auch Klage eingereicht worden gegen die Ablehnung der Anerkennung des Ereignisses vom 11.04.2009 als Arbeitsunfall (Bescheid vom 18.04.2011, Widerspruchsbescheid vom 05.08.201; S 11 U 2360/11). Das Verfahren ruht derzeit aufgrund Beschlusses vom 28.10.2011.

Das SG hat Dr. K. mit der Erstellung eines unfallchirurgisch/orthopädischen Gutachtens betraut, der darin am 29.03.2013 eine Omarthrose der rechten Schulter bei kompletter Defektsituation der Rotatorenmanschette diagnostiziert hat. Zur Frage eines Vorschadens hat der Gutachter ausgeführt, diese Frage könne nur indirekt beantwortet werden. Schulterspezifische Erkrankungen und Beschwerden seien vor dem Unfall dokumentiert, Untersuchungsergebnisse von bildgebenden Verfahren bestünden jedoch nicht. Durch die zeitnah durchgeführte MRT-Untersuchung vom 30.08.2006 müsse von einer erheblichen Vorschädigung der Sehne ausgegangen werden. Es sei deshalb in einer ersten Stufe festzustellen, dass der nach dem Schadensereignis festgestellte Defekt in der Rotatorenmanschette wahrscheinlich auch ohne das Schadensereignis vom 17.08.2006 verursacht bzw. aufgetreten wäre. Für einen Unfallzusammenhang sprächen der Arztbesuch innerhalb von 24 Stunden, die aktive Bewegung unter 90-90-0°, ein nicht eindeutig geklärtes Drop-Arm-Zeichen sowie die Progredienz der radiologischen Sekundärveränderungen. Gegen einen Unfallzusammenhang ließe sich anführen, dass ein Unfallereignis mit einem geeigneten Ereignisablauf für eine akute Ruptur einer Rotatorenmanschette nicht vorliege (ein Hochspringen mit dem gestreckten Arm, um einen festsitzenden Gegenstand herauszuziehen, der über dem Kopf liege, auch wenn man sich an den Gegenstand mit vollem Körpergewicht hängen würde), dass beim klinischen Erstbefund deutliche Sekundärveränderungen im Röntgenbild festgestellt worden seien, dass bei der MRT-Untersuchung erhebliche degenerative Veränderungen vorgelegen hätten bei Ruptur der Supraspinatus- und Infraspinatussehne mit schon fortgeschrittener Retraktion der Sehne. Intraoperativ hätten sich zwei Monate nach dem Unfallereignis massive degenerative Veränderungen im Schultergelenk und eine erhebliche Retraktion der teilrupturierten Sehnenenden sowie eine massive Einengung des Raumes unter dem Schulterdach gefunden. Auch an der Gegenseite sei ein Schaden an der Rotatorenmanschette nachgewiesen. Weiterhin habe sich eine Cuff-Tear-Arthropathie im Röntgenbild zum Zeitpunkt der ersten Begutachtung gefunden. Bei der Gegenüberstellung der Pro- und Kontrakriterien überwögen die Kriterien, die gegen einen Unfallzusammenhang sprächen. Insbesondere die erhöhte Kraftanstrengung mit dem rechten Arm ohne Trauma gelte als ungeeignet, eine Läsion einer gesunden Rotatorenmanschette zu verursachen. Hinzu kämen die nachgewiesene erhebliche Vorschädigung der Rotatorenmanschette, die intraoperativen Veränderungen an der Rotatorenmanschette sowie die Unmöglichkeit, den Defekt während der Operation vollständig zu schließen, da sich die Manschette schon zu weit zurückgezogen habe und nicht mehr elastisch genug gewesen sei, um diese an dem ursprünglichen Ort zu befestigen. Dem Gutachten des Dr. B. sei nicht zu folgen, da in diesem die Eignung des Unfallhergangs nicht beurteilt und ein Unfallmechanismus beschrieben worden sei, der im Wesentlichen nur eine vermehrte Kraftanstrengung beinhalte. Auch sei keinerlei Bewertung der kernspintomografisch und radiologisch beschriebenen vorbestehenden degenerativen Veränderungen erfolgt, und seien zudem der intraoperativ gefundene Befund sowie das Ergebnis der histologischen Untersuchung nicht in die Beurteilung mit einbezogen worden.

Im Anschluss hieran hat das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Orthopäden und Chirurgen Dr. P. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens betraut. In diesem Gutachten vom 17.07.2013 hat Dr. P. zunächst erneut nach Befragung des Klägers den Unfallhergang im Einzelnen beschrieben. Das festsitzende Stroh habe manuell mit dem rechten Arm aus einer Höhe von deutlich über 2,2 m herausgezogen werden müssen, sodass der Kläger etwa 20, evtl. auch 30 Mal hochgesprungen sei, mit dem rechten Arm das Stroh fixiert habe, um es dann mit Körpergewicht und Armkraft unter Drehung herauszuziehen. Plötzlich habe er ohne Vorwarnung den Arm nicht mehr heben können. Es sei zwar ein Schmerz bemerkt worden, dieser sei jedoch nicht über die Maßen unerträglich gewesen, sodass er sogar noch weiter gearbeitet habe unter Benutzung des linken Arms. Hierzu hat der Gutachter ausgeführt, es liege ein biomechanisch geeigneter Unfallmechanismus vor. Schönberger/Mertens/Valentin (8. Auflage) erwähnten als geeignete Hergänge überfallartige, d. h. passive, ruckartige und plötzliche Krafteinwirkungen bzw. ein massives plötzliches Rückwärtsreißen oder Heranführen des Armes (z. B. Absturz beim Fensterputzen aus der Höhe mit noch festhaltender Hand) und starke Zugbelastungen bei gewaltsamer Rotation des Armes. Hierunter falle nach diesen Autoren u.a. der Absturz beim Fensterputzen aus der Höhe mit noch festhaltender Hand. Der hier vorliegende Unfallhergang sei daher ein geeigneter Verletzungsmechanismus. Ein relevanter Vorschaden liege beim Kläger nicht vor. Klinisch anamnestisch sei als Ursache einer Krankheitsanlage lediglich ein 2001 eingetretener Arbeitsunfall mit Prellung der rechten Schulter durch eine Kuh bekannt, doch hätten sich die Beschwerden kurzzeitig folgenlos zurückgebildet. Radiologische Untersuchungen lägen aus den Jahren 2001 sowie 2002 lediglich am linken Schultergelenk vor. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Dr. K. von einer erheblichen Vorschädigung der Sehnen ausgehe. Zwar seien radiologisch zwei Wochen nach dem Unfall eine AC-Gelenksdegeneration sowie eine subacromiale Enge beschreiben worden, doch habe keine über das altersentsprechende Ausmaß hinaus gehende Veränderung - außer der akuten Ruptur - vorgelegen. Da die Rotatorenmanschette in hohem Maße der Degeneration unterliege, entsprächen die Veränderungen im Bereich der Sehnenplatte und Sehnen bei einem 64jährigen Mann der Norm. Die weit zurückgezogene Sehne sei das Ergebnis der akut eingetretenen Ruptur, die Abnutzung des Schultereckgelenks eher gering. Lokaler Befund, histologischer Befund und die Zerreißung passten zusammen.

Mit Urteil vom 17.10.2013 hat das SG die Klage ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit der Begründung abgewiesen, das Gericht habe sich nicht davon überzeugen können, dass der Kläger tatsächlich mehrfach hochgesprungen sei, sich mit dem ausgestreckten Arm an das Stroh gehängt habe und damit sein gesamtes Körpergewicht auf die Schulter eingewirkt habe. Dies sei erst Jahre später so vorgetragen worden. Damit fehle es an einem von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis und damit an der haftungsbegründenden Kausalität. Zudem seien einschlägige Vorerkrankungen nachgewiesen. Bei Dr. B. habe der Kläger Schmerzen an der Schulter bereits vor dem Unfall angegeben.

Hiergegen richtet sich die am 31.10.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingegangene Berufung, die nach erneuter Schilderung des Unfallhergangs damit begründet worden ist, der Kläger sei in dem Zustand versichert, in dem er sich bei der Aufnahme der Tätigkeit befunden habe. Darin eingebunden seien alle zum Unfallzeitpunkt bestehenden Krankheiten, Anlagen, konstitutionelle und degenerativ bedingte Schwächen und Krankheitsdispositionen. Es sei also nicht zu klären, ob ein gesunder, nicht vorgeschädigter Mensch beim Strohherausziehen einen Schaden erlitten hätte, sondern ob der Kläger mit seiner vorgegebenen biologischen Anlage bei dem Herausreißen des Strohs einen Schaden erlitten habe, der als Unfallfolge anzusehen sei. Der Gutachter Dr. P. habe zu Recht darauf verwiesen, dass ein zurechenbarer Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden anzunehmen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Oktober 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2012 aufzuheben und festzustellen, dass er eine Rotatorenmanschettenruptur an der rechten Schulter als Folge eines Arbeitsunfalls vom 17. August 2006 erlitten hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe zunächst bei der Schilderung des Unfallhergangs angegeben, er habe versucht, das Erbsenstroh herauszuziehen und sich dabei sehr strecken müssen. Auf einmal sei sein Arm nicht mehr nach oben gegangen. Erst drei Jahre später habe er hinzugefügt, mehrfach hochgesprungen zu sein und sich mit ausgestrecktem Arm an das Stroh gehängt zu haben, sodass sein gesamtes Körpergewicht auf die Schulter eingewirkt habe. Den Gutachten des Prof. Dr. E. sowie Dr. K. sei zu folgen.

Der Senat hat die behandelnde Hausärztin R. als sachverständige Zeugin befragt, die im Schreiben vom 17.01.2017 ausgeführt hat, 2006 habe es noch das H-Arzt-Verfahren in Deutschland gegeben und sie sei von der BG zugelassene H-Ärztin gewesen. Hätte der Kläger sie in dieser Zeit wegen eines Arbeitsunfalls aufgesucht, hätte sie einen H-Arztbericht erstellt. Vorliegend sei weder eine BG-Behandlung eingeleitet worden, noch sei ein Unfall bekannt. In der beigefügten Karteikarte ist für den 25.08.2006 die Diagnose Omarthritis rechts vermerkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte, der Akte des SG sowie des Senats verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie der angefochtene Bescheid vom 18.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.05.2012 sind nicht zu beanstanden, so dass das SG die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach den §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr.1 SGG (vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 02.12.2008, B 2 U 26/06, luris) zulässig.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII - sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach grundsätzlich erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

Hinsichtlich des Beweismaßstabs müssen die Tatbestandsmerkmale der "versicherten Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", des "Unfallereignisses" sowie des "Gesundheits(erst)schadens" im Grad des Vollbeweises, d. h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2012, B 2 U 9/11 R, juris). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Tatsache in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (§ 128 SGG; BSGE 103, 99, 104 ). Demgegenüber genügt für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, juris).

Der Kläger war am 15.08.2006 oder 17.08.2006 mit dem Futtererbsendreschen beschäftigt. Diese Tätigkeit stellt ebenso wie das Entfernen der Verstopfung am Strohauslass des Mähdreschers eine versicherte Tätigkeit des damals als landwirtschaftlicher Unternehmer versicherten Klägers dar (Versicherung des Unternehmers kraft Gesetz, § 3 Abs. 1 Nr. 5 a SGB VII).

Es kann dahinstehen, ob es im Rahmen dieser Tätigkeit überhaupt zu einer (schädigenden) Einwirkung auf den rechten Oberarm/das rechte Schultergelenk und insbesondere auf die Rotatorenmanschette im Bereich der rechten Schulter gekommen ist, da sich der Senat nicht vom Vorliegen eines Gesundheitserstschadens im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem behaupteten Ereignis am 17.08.2006 überzeugen konnte.

Nicht überzeugen konnte sich der Senat zunächst vom Vorliegen einer Distorsion. Zwar wird diese von Dr. B. in seinem Gutachten vom 15.08.2010 erwähnt und wird diese Diagnose auch von Prof. Dr. E. wiederholt, doch finden sich in der Akte keinerlei ärztliche Unterlagen, denen sich unmittelbar nach dem Unfall die Diagnose einer Distorsion entnehmen lässt. Nach dem Unfall wurde der Kläger am 04.09.2006 von Dr. B. behandelt, der aber eine Distorsion in seiner Stellungnahme vom 16.11.2009 nicht erwähnt, sondern vielmehr ausdrücklich Zeichen einer Gewalteinwirkung oder Verletzung von außen verneint. Auch die behandelnde Ärztin R. diagnostizierte am 25.08.2006 eine Omarthrose, nicht eine Distorsion. Dr. B. untersuchte den Kläger erstmalig erst drei Jahre nach dem hier streitigen Unfall, so dass er kaum eine Distorsion festgestellt haben konnte.

Dass eine Rotatorenmanschettenläsion im Sinne eines Erstschadens unmittelbar nach dem Strohherausziehen eintrat, ist ebenfalls nicht erwiesen. Dagegen spricht vor allem, dass der Kläger nicht innerhalb von 24 Stunden einen Arzt aufgesucht hat, sondern erst eine Woche später am 25.08.2006 bei seiner Ärztin Frau R. vorstellig wurde. Gerade ein sofortiger Arztbesuch ist aber ein wesentliches Indiz dafür, dass eine unfallbedingte Verletzung eingetreten ist. Hierbei stützt sich der Senat nicht nur auf die Ausführungen in der Literatur (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 434 ff m. w. N.), sondern auch auf das Gutachten des Dr. K. (Gutachten Seite 35), der allerdings fälschlicherweise von einem zeitnahen Arztbesuch ausgegangen war. Weiterhin gibt es widersprüchliche Angaben zum Drop-Arm-Zeichen, das einerseits bereits direkt nach dem Strohherausziehen eingetreten sein soll (so Angabe in der Unfallanzeige und gegenüber dem Gutachter Dr. P.), andererseits aber erst einen Tag danach (so Angabe gegenüber Dr. B.). Für eine ältere Rotatorenmanschettenläsion, also eine nicht am Unfalltag eingetretene, sprechen u.a. auch verzögert auftretende Schmerzen (s. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. Seite 434). Gegenüber Dr. B. hatte der Kläger diesbezüglich angegeben, verstärkte Schmerzen seien erst zwei Tage später eingetreten, während gegenüber Dr. B. von sofortigen Schmerzen die Rede war. Zu einer älteren Rotatorenmanschettenläsion passt auch der Umstand, dass der Kläger gegenüber Dr. B. erwähnte, schon länger unter Beschwerden in der Schulter gelitten zu haben.

Hierzu passt auch die Einschätzung des Gutachters Dr. K., der nach Auswertung der MRT-Aufnahme sowie des OP-Berichts eine erhebliche Retraktion der Sehnenenden festgestellt hat, die darauf schließen lassen, dass sich die Manschette wegen Zeitablaufs schon weit zurückgezogen hatte und folglich nicht mehr "frisch" war. Zum gleichen Ergebnis kam auch Dr. S. in seiner beratungsfachärztlichen Stellungnahme vom 15.11.2010, worin er zusätzlich als Argument für eine schon ältere Erkrankung eine chronische Metaplasie mit Verkalkungen ins Feld geführt hat. Dr. K. erwähnte zudem eine sog. Cuff-tear-Arthropathie, die nur bei lange bestehenden großen Defekten in den Sehnen der Rotatorenmanschette vorkommt und damit ebenfalls gegen eine frische Läsion spricht. Einzig Dr. P. beurteilte die weit zurückgezogenen Sehnen und die chondroide Metaplasie ebenso wie die Cuff-Tear-Arthropathie als Ergebnis der akut eingetretenen Ruptur. Dies überzeugt vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen (nicht nachgewiesene Pseudoparalyse [Drop-Arm-Zeichen], fehlender sofortiger Arztbesuch und ungeeigneter Unfallhergang, hierzu sogleich] nicht.

Darüber hinaus spricht gegen eine frische Rotatorenmanschettenruptur, dass der Unfallmechanismus nicht geeignet war, eine solche Ruptur überhaupt auszulösen. Bei der Frage, ob ein Unfallhergang dazu geeignet ist, einen bestimmten Gesundheitsschaden zu verursachen, ist zu prüfen, ob es einen anerkannten wissenschaftlichen Erfahrungssatz über den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, also die Frage der "generellen Eignung" zwischen der konkreten Einwirkung und dem tatsächlichen Gesundheitserstschaden, gibt. Im vorliegenden Fall muss daher die - als Anknüpfungstatsache im Vollbeweis nachzuweisende - konkrete Einwirkung ihrer Intensität nach geeignet sein, zu einer traumatischen Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette zu führen (vgl. BSG, Urteile vom 09.05.2006 a.a.O. und vom 24.07. 2012, a. a. O.).

Der Senat stützt sich bei der Beurteilung eines geeigneten Schädigungsablaufes auf die Ausführungen des im Verwaltungsverfahren beauftragten Gutachters Prof. E., dessen Gutachten im Wege des Urkundsbeweises zu verwerten war. Er hat darin am 18.10.2011 dargelegt, es habe kein Ereignis gegeben, das plötzlich unerwartet auf den Körper von außen eingewirkt habe. Dass Prof. Dr. E. den vom Kläger geschilderten Geschehensablauf falsch verstanden hat, wie dies der Kläger im Widerspruchsverfahren vorträgt, trifft nicht zu. Prof. Dr. E. schildert auf Seite 2 seines Gutachtens als Unfallhergang, dass der Kläger beim Versuch, eingeklemmte Strohballen aus dem Mähdrescher herauszuholen, habe hochspringen müssen und mit dem nach oben ausgestreckten Arm versucht habe, das Stroh herauszuziehen. Anders als Dr. S. und auch Dr. B. hat Prof. Dr. E. damit das Hochspringen, das, soll es überhaupt einen Sinn ergeben, notwendigerweise ein kurzzeitiges "Hängen" am Stroh beinhaltet, in seine Beurteilung einbezogen und dennoch das Vorliegen eines geeigneten Unfallereignisses abgelehnt. Dies stimmt mit der Beurteilung durch den erstinstanzlich bestellten Gutachter Dr. K. überein, der in seinem Gutachten vom 29.03.2013 ebenfalls ein Unfallereignis mit einem geeigneten Ereignisablauf für eine akute Ruptur der Rotatorenmanschette verneint hat. Auch Dr. K. ging hier ausdrücklich von dem Geschehen aus, das der Kläger beschrieben hat, nämlich von einem "Hochspringen mit dem gestreckten Arm, um einen festsitzenden Gegenstand herauszuziehen, der über Kopf liegt, auch wenn man sich an den Gegenstand mit vollem Körpergewicht hängen würde." Dabei kann nicht unerwähnt bleiben, dass die Angaben des Klägers zum Unfallzeitpunkt und Unfallhergang uneinheitlich gewesen sind. So bleibt schon das genaue Datum dieses Ereignisses unklar: In seiner Unfallanzeige vom 12.11.2006 gab der Kläger den 17.08.2006 an, während Dr. B., den der Kläger am 04.09.2006 wegen Schulterbeschwerden aufsuchte, den 15.08.2006 erwähnt. Gegenüber seiner Hausärztin R., die der Kläger am 25.08.2006 aufsuchte und die zunächst eine Omarthritis rechts diagnostizierte (vgl. Auszug aus den medizinischen Daten, vorgelegt von Frau R. in der Anlage zum Schreiben vom 17.01.2017), erwähnte er keinen Arbeitsunfall, obwohl Frau R. H-Ärztin, d.h. an der besonderen Heilbehandlung beteiligte Ärztin war und insofern befugt gewesen wäre, den Kläger zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung zu behandeln. Als Frau R. den Kläger an den Facharzt Dr. B. überwiesen hatte, gab er diesem gegenüber an, er habe den Mähdrescher abgestellt und versucht, das verstopfte Stroh herauszuziehen. In seinem Arztbrief vom 11.09.2006 teilte Dr. B. der Ärztin Frau R. dann auch entsprechend mit, der Kläger habe über ein Bagatelltrauma bei verstopftem Stroh im Mähdrescher berichtet. Einen Durchgangsarztbericht erstellte Dr. B., anders als bei dem Unfallereignis im Jahr 2009, nicht. In seiner Unfallanzeige vom 12.11.2006 gab der Kläger an, am 17.08.2006 um 15.30 Uhr sei der Strohauslass am Mähdrescher verstopft gewesen. Da dieser etwas hoch sei, habe er sich sehr strecken müssen, und auf einmal sei sein Arm (rechte Seite) nicht mehr nach oben gegangen. Diese Schilderung stimmt mit der gegenüber Dr. B. überein. Eine Veränderung des Vortrags tritt ein, als der Kläger gegenüber Dr. B. über drei Jahre später Angaben macht: Hier ist nun nicht mehr von einem bloßen Strohherausziehen die Rede, sondern erstmals von einem 20maligen Hochspringen und dem Eintreten eines heftigen Schmerzes nach dem ca. 20. Sprung, so dass die Arbeit nicht mehr habe fortgeführt werden können (vgl. Anlage zum Nachschaubericht des Dr. B. vom 18.09.2009). Auch gegenüber den gerichtlich bestellten Gutachtern Dr. K. und Dr. P. beschrieb der Kläger einen ähnlichen Unfallhergang.

Angesichts dieser Widersprüchlichkeiten und vor allem angesichts des Umstands, dass der Kläger gegenüber den Ärzten, die ihn zeitnah nach dem verstärkten Auftreten der Schulterbeschwerden behandelt haben, gar kein auslösendes Ereignis erwähnt oder nur von einem Strohherausziehen bzw., wie Dr. B. es beschreibt, einem "Bagatelltrauma" gesprochen hat, konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Kläger tatsächlich mehrfach hochgesprungen und im Fallen versucht hat, das Stroh herauszuziehen. Wenn der Kläger während der Arbeit 20mal hochgesprungen wäre, um Stroh herauszuziehen, dann ein starkes Reißen in der Schulter verspürt hätte mit unmittelbar eintretender Unbrauchbarkeit des rechten Armes, wäre nicht nur zu erwarten gewesen, dass er sofort bzw. spätestens am nächsten Tag (und nicht erst am 25.08.2006) einen Arzt aufsucht, sondern auch, dass er diesem gegenüber den Unfallhergang nicht als "Bagatelltrauma" schildert bzw. überhaupt kein auslösendes Ereignis erwähnt.

Die Ausführungen des Prof. Dr. E. und Dr. K. zum ungeeigneten Unfallmechanismus sieht der Senat unter Berücksichtigung der einschlägigen Fachliteratur bestätigt. Danach sind folgende wissenschaftliche Grundsätze als aktueller Kenntnisstand zu berücksichtigen (vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., S. 429 ff m. w. N.; s. hierzu auch Loew, Zur traumatischen Entstehung der Rotatorenmanschettenläsion, Der Orthopäde 2000, S. 881 ff.):

Aus kinematischer Sicht (Bewegungslehre ) ergeben sich zwei unterschiedliche Schädigungsabläufe, die zu einem Riss der Rotatorenmanschette führen können:

1. Die ungeplante, überfallartige, exentrische, d.h. außerhalb des Mittelpunkts liegende Belastung von durch aktive Muskelkontraktion angespannten Anteilen der Rotatorenmanschette, die bei Überschreiten des physiologischen Dehnungsvermögens zum Zerreißen der Sehen in ihrer "kritischen Zone" führt.

2. Das Abscheren der Rotationsmanschette von innen, wenn der maximal zulässige Rotationswinkel des Schultergelenks überschritten wird und dabei die Ansätze der Sehnen mit dem Pfannenrand in Konflikt geraten (inneres Impingement).

Nach diesen Erkenntnissen können neben Stürzen auch abrupte und passiv erzwungene Bewegungen des Armes zu einer Schädigung der Rotatorenmanschette führen. Dabei muss

- das Schultergelenk unter Einsatz der Rotatorenmanschette unmittelbar vor der Einwirkung muskulär fixiert gewesen sein und

- eine plötzliche passive Bewegung hinzukommen, die überfallartig eine Zugbelastung der Sehnen der Rotatorenmanschette bewirkt.

Potenziell geeignete Verletzungsmechanismen sind (Seite 432 ff.):

- massives plötzliches Rückwärtsreißen oder Heranführen des Arms, wenn dieser zuvor fixiert war, z.B. beim Rückschlag einer Maschine, beim Hängenbleiben mit dem Arm bei erheblicher Beschleunigung des Körpers; stehender Fahrgast, der sich mit nach oben gestrecktem Arm in einem fahrenden Fahrzeug festhält, bei abruptem Geschwindigkeitsverlust oder massiver Beschleunigung des Fahrzeugs;

- Sturz aus der Höhe nach vorn und Festhalten mit der Hand oder Treppensturz mit Festhalten mit der Hand am Geländer, sodass der Arm nach hinten gerissen wird;

- ungeplantes Auffangen eines schweren stürzenden Gegenstandes;

- Sturz auf den nach hinten ausgestreckten Arm mit Aufprall auf Hand oder Ellenbogen.

Ungeeignete Hergänge sind u.a. die direkte Krafteinwirkung auf die Schulter (Sturz, Prellung, Schlag), der Sturz auf den ausgestreckten Arm oder angewinkelten Ellenbogen, die fortgeleitete Krafteinwirkung bei seitlicher oder vorwärtsgeführter Armhaltung, aktive Tätigkeiten, die zu einer abrupten, aber planmäßigen Muskelkontraktion führen (Heben, Halten, Werfen) sowie plötzliche Muskelanspannungen.

Das bloße Strecken des Armes sowie das gewollte Herausziehen von Stroh beinhaltet nach Überzeugung des Senats lediglich eine planmäßige Muskelkontraktion ohne weitere Einwirkung von außen, so dass ein geeigneter Unfallmechanismus nicht vorliegt.

Der Vollständigkeit halber ist hier hinzuzufügen, dass der Senat auch bei Zugrundelegung des alternativen Unfallereignisses, also des Hochspringens und Herauszerrens von Stroh in der Fallbewegung, keinen geeigneten Unfallmechanismus zu erkennen vermag. Es liegt auch hierbei kein geeigneter Schädigungsablauf vor: Wie oben dargelegt, beschreibt Schönberger/Mehrtens/Valtentin diesen als eine ungeplante, überfallartige exentrische Belastung von durch aktive Muskelkontraktion angespannten Anteilen der Rotatorenmanschette, die bei Überschreiten des physiologischen Dehnungsvermögens zum Zerreißen der Sehnen in ihrer "kritischen Zone" führt. Zur muskulären Fixierung muss somit eine plötzliche, passive Bewegung hinzukommen, die überfallartig eine Zugbelastung der Sehnen der Rotatorenmanschette bewirkt. Vorliegend hingegen ist der Kläger nach seinem eigenen Vortrag ganz bewusst hochgesprungen, hat sich am Stroh festgehalten und ist wieder zu Boden gerutscht - es fehlt damit an dem ungeplanten, überfallartigen Moment, also an einer Kraft, die plötzlich auf die gewollt angespannten Muskel von außen einwirkt. Schönberger/Mehrtens/Valentin beschreiben hier als möglichen Verletzungsmechanismus einen stehenden Fahrgast, der sich mit nach oben gestrecktem Arm in einem fahrenden Fahrzeug festhält, als es zu einer Kollision kommt. Auch in diesem Beispiel kommt zu der gewollten muskulären Fixierung eine plötzliche und ungeplante Einwirkung von außen hinzu, die beim Kläger fehlt. Auch der von Dr. P. (Gutachten vom 10.06.2013) unter Verweis auf die Vorauflage von Schöneberger/Mehrtens/Valentin (8. Auflage 2010; in der jetzigen Auflage ist dieses Beispiel nicht mehr aufgeführt) als Beispiel für einen Verletzungsmechanismus geschilderte Sturz beim Fensterputzen aus der Höhe nach vorn mit noch festhaltender Hand führt hier nicht zu einer anderen Bewertung: auch bei diesem Fenstersturz kommt es zu einer plötzlichen, passiven Bewegung, die überfallartig eine Dehnungsbelastung der Supraspinatussehne bewirkt - anders als beim Kläger ist der Sturz in diesem Beispiel eben nicht geplant und damit auch nicht bewusst beherrschbar.

Im Ergebnis konnte sich der Senat somit schon nicht vom Vollbeweis eines Erstschadens überzeugen. Die Feststellung eines Arbeitsunfalles scheidet daher bereits aus diesem Grund aus, ohne dass es auf die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfall und Gesundheitserstschaden im Sinne der Wesentlichkeitstheorie unter Würdigung rechtlich wesentlicher (Mit-)Ursachen, wie der degenerativen Vorschädigung der rechten Schulter ankommt.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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