L 11 KR 4235/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 1693/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4235/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.10.2016 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Überprüfung der Buchhaltung der Beklagten auf Übereinstimmung mit den Vorschriften der §§ 238 ff Handelsgesetzbuch (HGB).

Der Kläger ist bei den Beklagten als Selbstständiger freiwillig gesetzlich krankenversichert und pflegeversichert. Seit dem 01.05.2007 zahlt er Höchstbeiträge. Die Beteiligten stritten über die Höhe der Beiträge, es kam zu Beitragsrückständen, die von den Beklagten über das Hauptzollamt H. vollstreckt wurden. Der Kläger kündigte die Versicherung bei den Beklagten wirksam zum 30.11.2014.

Am 24.11.2015 hat der Kläger zum Amtsgericht (AG) W. Klage erhoben mit den Anträgen, die Vollstreckung des Hauptzollamts für unzulässig zu erklären, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen und die Buchhaltung der Beklagten auf Rechtsverträglichkeit mit §§ 238 ff HGB zu prüfen. Mit Beschluss vom 22.02.2016 (14 C 1798/15) hat das AG W. das Verfahren an das Sozialgericht Stuttgart (SG) verwiesen.

Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das SG mit Beschluss vom 21.04.2016 ab (S 15 KR 1758/16 ER).

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger ausgeführt, die Eingangsbuchhaltung der Beklagten entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. Die Mitarbeiter seien nicht in der Lage, die Buchführung und Information zu den Kontodaten zu beeinflussen. Es sei möglich, dass sich ein Fehler über Jahre in der Buchführung halte und nicht entdeckt werde. Der Fehler werde erst bemerkt, nachdem der Versicherte den Gegenbeweis angetreten habe. Zudem habe eine Buchführung saldierte Zeiträume aufzuweisen, was bei der Beklagten nicht der Fall sei. Da die Eingangsbuchhaltung der Beklagten nicht rechtskonform sei, sei die Zuverlässigkeit des Abgleichs offener Positionen fraglich.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Diese beinhalte nach Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz nur noch die Überprüfung der Buchhaltung der Beklagten mit den Vorschriften der §§ 238 HGB. Hierfür sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben, denn der Kläger mache einen Anspruch aus seinem Versicherungsverhältnis zu den Beklagten geltend. Es könne dahinstehen, welche Klagearten einschlägig seien, denn es mangele jedenfalls an der Klagebefugnis des Klägers. Nach § 54 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei die Klage zulässig, wenn der Kläger behaupte, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein. Nach § 54 Abs 2 Satz 1 SGG sei der Kläger beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig sei. Für die echte Leistungsklage sei § 54 Abs 1 Satz 2 SGG entsprechend anwendbar. Der Kläger müsse geltend machen, dass ihm aus einem subjektiven Recht ein Anspruch gegen die Beklagten zustehe. Die Klagebefugnis sei ausgeschlossen, wenn dem Kläger die geltend gemachten Rechte unter Zugrundlegung seines Vorbringens nach keiner Betrachtungsweise zustehen könnten, die Verletzung seiner subjektiven Rechte also nicht möglich erscheine. Für einen Anspruch des Versicherten auf Überprüfung der Buchführung seiner Krankenkasse finde sich keinerlei Rechtsgrundlage. Ein solches subjektives Recht ergebe sich weder aus §§ 238 ff HGB noch aus sozialrechtlichen Vorschriften. Die Klage sei auch bei Auslegung als Feststellungsklage nach § 55 SGG unzulässig. Eine solche sei nur zulässig, wenn konkrete Rechte in Anspruch genommen oder bestritten würden, wenn also die Anwendung einer Norm auf einen konkreten, bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sei. Dies sei hier nicht der Fall. Der Kläger begehre abstrakt die Überprüfung der Vereinbarkeit der Buchführung der Beklagten mit den Buchführungspflichten des HGB. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 19.10.2016 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt worden.

Am 16.11.2016 ist bei der Poststelle des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg eine E-Mail des Klägers eingegangen mit dem Text: "anbei die Unterlagen zur anstehenden Revision für den Entscheid mit Az: 15 KR 1693/16" und weiteren Anlagen (ua Bundesministerium der Finanzen: Das System der öffentlichen Haushalte Stand August 2015). Nach Rückfrage der Verwaltung des LSG bei den einzelnen Sozialgerichten hat das SG auf den Gerichtsbescheid vom 14.10.2016 hingewiesen und mit Schreiben vom 18.11.2016 mitgeteilt, hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Erklärung der Vollstreckung für unzulässig habe der Kläger Urteilsergänzung beantragt. Das hierdurch eröffnete selbstständige Verfahren werde unter dem Az S 15 KR 6148/16 geführt.

Die Geschäftsstelle hat daraufhin unter dem 18.11.2016 eine Eingangsbestätigung versandt sowie unter dem 21.11.2016 ein Anschreiben des Vorsitzenden, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Einlegung der Berufung nicht formgerecht erfolgt und daher unzulässig sei.

Mit Schreiben vom 12.12.2016, eingegangen am gleichen Tag, hat der Kläger eine Berufungsschrift vom 13.11.2016 vorgelegt. Dazu hat er vorgetragen, er habe den Schriftsatz am 13.11.2016 zur Post gegeben und hierin darauf hingewiesen, dass die umfangreichen Anlagen in einer separaten Mail zugestellt würden. Am 08.12.2016 habe er ein Schreiben der Deutschen Post erhalten, dass das Schreiben vom 13.11.2016 unterfrankiert gewesen sei. Dies sei ein bedauerlicher Irrtum gewesen. Durch das nunmehr übersandte Berufungsschreiben würden die geforderten Voraussetzungen für eine Berufung komplettiert. Ergänzend hat der Kläger weiter zu den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Buchhaltung vorgetragen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.10.2016 aufzuheben und die Buchhaltung der Beklagten auf Übereinstimmung mit den Vorschriften der §§ 238 ff HGB zu überprüfen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, sie ist unzulässig.

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist nicht zulässig, da er die Berufung innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist (§ 151 Abs 1 SGG) nicht formgerecht eingelegt hat. Gründe, dem Kläger gemäß § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, liegen nicht vor. Die Berufung ist daher als unzulässig zu verwerfen.

Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist.

Nach § 151 Abs 1 SGG ist die Berufung beim Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder die Niederschrift mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor (§ 151 Abs 2 SGG).

Der Gerichtsbescheid des SG ist dem Kläger laut Postzustellungsurkunde (Blatt 56a der SG-Akte) am 19.10.2016 zugestellt worden. Der Gerichtsbescheid des SG hat eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung enthalten, weshalb die Rechtsmittelfrist am 18.10.2016 zu laufen begonnen (§§ 64 Abs 1, 66 Abs 1 SGG) und am 21.11.2016 (Montag) geendet hat (§ 64 Abs 2 und 3 SGG).

Die innerhalb dieser Frist eingegangene E-Mail vom 16.11.2016 entspricht weder der besonderen elektronischen Form, noch wurde die Schriftform eingehalten. Gemäß § 65a Abs 1 Satz 1 SGG können Schriftsätze in elektronischer Form übermittelt werden, soweit dies durch Rechtsverordnung zugelassen worden ist. Dies gilt auch für die Übermittlung von Berufungsschriften und ergänzt insoweit § 151 Abs 1 SGG, wonach die Berufung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen ist. Es handelt sich bei der elektronischen Form iSv § 65a SGG um eine eigenständige Kommunikationsform, die der Gesetzgeber als zusätzliche - gleichberechtigte - Option neben der herkömmlichen papiergebundenen Schriftform eingeführt hat (BT-Drs 15/4067 S 24, 27; Bundessozialgericht (BSG) 13.03.2013, B 13 R 19/12 R, SozR 4-1500 § 66 Nr 3). Die erforderliche Rechtsverordnung bestimmt den Zeitpunkt, von dem an Dokumente an ein Gericht elektronisch übermittelt werden können, sowie die Art und Weise, in der elektronische Dokumente einzureichen sind (§ 65a Abs 1 Satz 2 SGG). Für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, enthält § 65a Abs 1 Satz 3 SGG besondere Vorgaben. Danach ist für die Übermittlung solcher Dokumente eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr 3 des Signaturgesetzes (SigG) vorzuschreiben.

Nach der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr in Baden-Württemberg (ElekRVerkV BW) vom 11.12.2006 (GBl BW 2006, 393) können bei den in der Anlage bezeichneten Gerichten und Staatsanwaltschaften in den dort jeweils für sie näher bezeichneten Verfahrensarten und ab dem dort für sie angegebenen Datum elektronische Dokumente eingereicht werden. Das Landessozialgericht ist in der Anlage in der ab 19.12.2015 geltenden Fassung vom 07.12.2015 (GBl BW 2015, 1173) nicht genannt. Nach § 2 Abs 3 ElekRVerkV BW sind die Dokumente zudem mit einer elektronischen Signatur nach § 2 Nr 3 SigG zu versehen. Eine entsprechende Signatur hat der Kläger bei der Übermittlung nicht verwendet. Die Übermittlung mit E-Mail vom 16.11.20116 konnte daher keine formgemäße Einlegung der Berufung nach § 65a SGG bewirken.

Auch die Schriftform nach § 151 Abs 1 SGG ist durch Übersendung einer E-Mail nicht eingehalten (BSG 15.11.2010, B 8 SO 71/10 B, juris; LSG Baden-Württemberg, 09.06.2016, L 7 SO 4619/15 mwN; LSG Baden-Württemberg 12.04.2016, L 13 R 4912/15; LSG Nordrhein-Westfalen 23.06.2015, L 2 AS 642/15; Thüringer LSG 25.02.2014, L 6 KR 905/13; LSG Berlin-Brandenburg 21.01.2014, L 3 R 1020/08; LSG Hamburg 16.08.2013, L 4 AS 38/13 und 09.11.2011, L 1 KR 37/10, alle juris). Allein der Ausdruck eines (nur) elektronisch übermittelten Schriftsatzes vermag nicht die Anforderungen nach § 151 Abs 1 SGG an die Schriftform einer Berufungseinlegung erfüllen. Dies gilt unabhängig davon, ob die übermittelte Datei eine Unterschrift enthält oder auf welche Weise diese Unterschrift generiert wurde. Wenn ein Absender zur Übermittlung eines bestimmenden Schriftsatzes als prozessualen Weg die elektronische Übermittlung eines Dokuments wählt, sind für die Beurteilung der Formrichtigkeit allein die hierfür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen maßgebend (BSG 12.10.2016, B 4 AS 1/16 R, juris).

Durch die per Post übersandte, am 12.12.2016 eingegangene und vom Kläger persönlich unterschriebene Berufungsschrift, konnte die Berufungsfrist nicht gewahrt werden, denn zum Zeitpunkt des Eingangs dieses Schriftstücks war die Frist bereits abgelaufen.

Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen (§ 67 SGG), liegen nicht vor. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 67 Abs 1 SGG). Der Senat wertet das Schreiben des Klägers vom 12.12.2016 als Antrag auf Wiedereinsetzung in der vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist. Der Kläger hat jedoch auch unter Berücksichtigung des von ihm dargestellten Ablaufs die Berufungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann ihm daher nicht gewährt werden. Nach den eigenen Ausführungen des Klägers hat er die Berufungsschrift am 13.11.2016, damit nach den üblichen Postlaufzeiten rechtzeitig abgesandt, allerdings war der Brief unterfrankiert, weshalb er am 08.12.2016 einen entsprechenden Rücklauf erhielt. Die nicht ausreichende Frankierung liegt im Verschulden des Klägers. Nicht oder unfrankierte Sendungen müssen Gerichte und Behörden nicht annehmen (Bundesgerichtshof (BGH) 26.03.2007, II ZB 14/06, NJW 2007, 1751). Ohne Entrichtung eines Nachentgelts erhält der Empfänger in solchen Fällen die Sendung überhaupt nicht ausgehändigt, so dass es schon am Zugang fehlt. Der Kläger hat als Absender, nachdem die nicht angenommene Übersendung an ihn zurückgelangt ist, die durch die vergebliche Übermittlung eingetretene Verzögerung zu verantworten.

Da die Berufung nach alledem unzulässig ist, bleibt dem Senat eine Entscheidung in der Sache verwehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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