L 7 SO 5057/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 3637/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 5057/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege des sog. Zugunstenverfahrens die Gewährung höherer Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. September 2013, wobei er sich ausschließlich gegen die Anrechnung des von der gesetzlichen Rentenversicherung gewährten Zuschusses zur privaten Krankenversicherung als Einkommen wendet.

Der Kläger ist am 2. Oktober 1943 geboren. Er hat bis zum 31. Dezember 2004 über einen längeren Zeitraum laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von der Beklagten bezogen. Er ist bei der Deutschen Krankenversicherung AG K. (DKV) privat kranken- und pflegeversichert. Die Krankenversicherung umfasst seit dem 1. Januar 2012 die Tarife AM3 (ambulante ärztliche Leistungen, Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel inkl. Heilpraktikerleistungen, 24-Stunden-Notrufservice bei Auslandsreisen, Gesundheitstelefon) mit jährlicher Selbstbeteiligung von 840,00 EUR, ZM2 (zahnärztliche Leistungen Zahnbehandlung/Zahnersatz bis zu 75 Prozent, Kieferorthopädie zu 50 Prozent) und SM (stationäre Behandlung Ein- oder Zweibettzimmer und Privatarzt). Die monatlichen Beiträge zur privaten Krankenversicherung betrugen ab dem 1. Januar 2012 521,30 EUR (Versicherungsschein der xxx vom 6. März 2012), zur privaten Pflegeversicherung ab dem 1. Januar 2012 46,34 EUR und ab dem 1. Januar 2013 49,11 EUR.

Seit dem 1. November 2008 bezieht der Kläger eine Regelaltersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund); diese mit Bescheid vom 8. Oktober 2008 bewilligte Rente wurde erstmals zum 1. Dezember 2008 laufend ausgezahlt, für November 2008 erfolgte eine Nachzahlung. Die DRV Bund gewährt dem Kläger seitdem auch einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung (PKV). Die Rente betrug ab dem 1. Juli 2011 288,23 EUR, der Zuschuss zur PKV 21,04 EUR (insgesamt: 309,27 EUR), ab dem 1. Juli 2012 294,53 EUR (Rente) bzw. 21,50 EUR (Zuschuss zur PKV) und damit insgesamt 316,03 EUR, sowie ab dem 1. Juli 2013 295,26 EUR (Rente) bzw. 21,56 EUR (Zuschuss zur PKV, insgesamt also 316,82 EUR. Außerdem erhält der Kläger Bezüge des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Versorgungswerk) und zwar ab dem 1. Januar 2012 in Höhe von monatlich 189,30 EUR.

Der Kläger bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum eine Mietwohnung in K ... Er hatte hierfür monatlich eine Kaltmiete in Höhe von 248,00 EUR, Heizkosten in Höhe von 6,00 EUR (bis September 2012) bzw. 5,00 EUR (ab Oktober 2012), Nebenkosten in Höhe von 45,00 (bis Februar 2012) bzw. 55,00 EUR (ab März 2012) sowie Kosten für Garage/Stellplatz in Höhe von 30,70 EUR zu zahlen.

Seit dem 1. März 2005 bezieht der Kläger ununterbrochen Leistungen nach dem SGB XII, zunächst Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel und seit dem 1. Oktober 2008 Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel. Die Beklagte berücksichtigte dabei einerseits stets nur einen Betrag von 115,00 EUR als Kosten der privaten Krankenversicherung (Standardtarif der DKV in der im Fall des Klägers individuell geschuldeten Höhe, nämlich unter Abzug des Anrechnungsbeitrages wegen langjähriger Versicherungsdauer) und andererseits die Altersrente der DRV Bund einschließlich des Zuschusses für die PKV (sowie die Bezüge aus dem Versorgungswerk) als zu berücksichtigendes Einkommen. Auf die Klage und Berufung des Klägers entschied das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 24. Oktober 2012 (L 1 SO 6/12), dass der Kläger für die Zeit vom 1. März 2005 bis zum 31. Dezember 2007 keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen unter Ansatz höherer Beiträge zur privaten Krankenversicherung hat.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung mit Bescheid vom 20. Oktober 2008 (für Oktober 2008 bis September 2009), mit Änderungsbescheid vom 9. September 2009 (für Juli bis September 2009), mit Änderungsbescheid vom 29. September 2009 (für Januar bis September 2009), mit Bescheid vom 29. September 2009 (für Oktober 2009 bis September 2010), mit Änderungsbescheid vom 10. Februar 2010 (für März bis September 2010), mit Änderungsbescheid vom 18. Februar 2010 (für Januar bis September 2010), mit Änderungsbescheid vom 24. Juni 2010 (für Juni bis September 2010), mit Bescheid vom 20. September 2010 (für Oktober 2010 bis September 2011), mit Änderungsbescheid vom 10. Januar 2011 (für November 2010 bis September 2011), mit Änderungsbescheid vom 31. Januar 2011 (für Januar bis September 2011), mit Änderungsbescheid vom 6. April 2011 (für Januar bis September 2011), mit Änderungsbescheid vom 22. Juni 2011 (für Juli bis September 2011) und mit Änderungsbescheid vom 8. Juli 2011 (für Januar bis September 2011).

Aus Anlass seines Folgeantrages vom 13. September 2011 legte der Kläger Kontoauszüge des von ihm verwendeten, auf den Namen seiner geschiedenen Ehefrau lautenden Kontos xxx bei der Sparkasse H. für die Zeit vom 18. Juli bis 9. September 2011 vor, in denen Gutschriften in Höhe von jeweils 300,00 EUR am 8. August und 8. September 2011 dokumentiert sind; der Name des Überweisenden ist jeweils geschwärzt; als Verwendungszweck ist "Umbuchung DKV Monatsbeitrag" angegeben.

Aus Anlass seines Folgeantrages vom 11. September 2012 legte der Kläger Kontoauszüge des Kontos xxx bei der Sparkasse H. für die Zeit vom 23. Juli bis 10. September 2011 vor, in denen Gutschriften in Höhe von jeweils 300,00 EUR am 7. August und am 7. September 2012 dokumentiert sind; Überweisender ist jeweils die geschiedene Ehefrau des Klägers; als Verwendungszweck ist "Umbuchung DKV Monatsbeitrag" angegeben, wobei bei der Überweisung vom 7. August 2012 der Begriff "Umbuchung" geschwärzt ist.

Mit Bescheid vom 16. September 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII für Oktober 2011 bis September 2012 in Höhe von 328,92 EUR monatlich.

Unter Aufhebung zwischenzeitlich ergangener Änderungsbescheide (vom 5. Oktober 2011 und vom 20. Januar 2012) bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 28. Februar 2012 Leistungen für Januar bis Februar 2012 in Höhe von monatlich 338,14 EUR (Regelbedarf: 374,00 EUR, Beitrag zur Krankenversicherung: 115,00 EUR, Beitrag zur Pflegeversicherung: 45,84 EUR, Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserversorgung: 2,87 EUR, Kosten der Unterkunft: 299,00 EUR; Rente der DRV Bund: 309,27 EUR, Versorgungswerk: 187,44 EUR) und für März bis September 2012 in Höhe von monatlich 348,14 EUR (Regelbedarf: 374,00 EUR, Beitrag zur Krankenversicherung: 115,00 EUR, Beitrag zur Pflegeversicherung: 45,84 EUR, Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserversorgung: 2,87 EUR, Kosten der Unterkunft: 309,00 EUR; Rente der DRV Bund: 309,27 EUR; Versorgungswerk: 187,44 EUR).

Mit Änderungsbescheid vom 19. Juni 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für Juli bis September 2012 in Höhe von monatlich 341,38 EUR aufgrund einer Erhöhung seiner Rente der DRV Bund (Regelbedarf: 374,00 EUR, Beitrag zur Krankenversicherung: 115,00 EUR, Beitrag zur Pflegeversicherung: 45,84 EUR, Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserversorgung: 2,87 EUR, Kosten der Unterkunft: 309,00 EUR; Rente der DRV Bund: 316,03 EUR, Versorgungswerk: 189,30 EUR).

Unter Aufhebung eines ersten Bewilligungsbescheides vom 21. September 2012 bewilligte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 9. Oktober 2012 dem Kläger Leistungen für Oktober 2012 bis September 2013 in Höhe von 340,38 EUR (Regelbedarf: 374,00 EUR, Beitrag zur Krankenversicherung: 115,00 EUR, Beitrag zur Pflegeversicherung: 45,84 EUR, Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserversorgung: 2,87 EUR, Kosten der Unterkunft: 308,00 EUR; Rente der DRV Bund: 316,03 EUR, Versorgungswerk: 189,30 EUR).

Mit Änderungsbescheid vom 5. Dezember 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für Januar bis September 2013 in Höhe von 351,65 aufgrund einer Änderung des Regelbedarfs (Regelbedarf: 382,00 EUR, Beitrag zur Krankenversicherung: 115,00 EUR, Beitrag zur Pflegeversicherung: 49,11 EUR, Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserversorgung: 2,87 EUR, Kosten der Unterkunft: 308,00 EUR; Rente der DRV Bund: 316,03 EUR, Versorgungswerk: 189,30 EUR).

Mit Änderungsbescheid vom 27. Februar 2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für März bis September 2013 in Höhe von 351,65 EUR aufgrund der Berücksichtigung geänderter Nebenkosten (Regelbedarf: 382,00 EUR, Beitrag zur Krankenversicherung: 115,00 EUR, Beitrag zur Pflegeversicherung: 49,11 EUR, Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserversorgung: 2,87 EUR, Kosten der Unterkunft: 308,00 EUR; Rente der DRV Bund: 316,03 EUR, Versorgungswerk: 189,30 EUR).

Am 1. Juli 2013 übersandte der Kläger der Beklagten die Rentenanpassungsmitteilung der DRV Bund zum 1. Juli 2013. Die Berücksichtigung des in der Bruttorente enthaltenen Zuschusses zur privaten Krankenversicherung als Einkommen sei rechtswidrig gewesen. Er verlange die umgehende Auszahlung rückwirkend ab dem 1. Dezember 2008, den Beginn der monatlichen Rentenzahlung durch die Deutsche Rentenversicherung, bis zum 30. Juni 2013 in Höhe eines Gesamtbetrages von 1.136,77 EUR.

Die Beklagte lehnte die Auszahlung der Zuschüsse zur privaten Krankenversicherung der Altersrente des Klägers mit Bescheid vom 17. Juli 2013 ab. Nach § 82 Abs. 1 SGB XII gehörten zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Derzeit beziehe der Kläger eine monatliche Altersrente in Höhe von 295,26 EUR sowie einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung von 21,56 EUR, so dass der laufende Zahlbetrag in Höhe von insgesamt 316,82 EUR grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen sei. Zudem könnten nach § 32 SGB XII die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für freiwillig Versicherte vom Leistungsträger übernommen werden. Die Auszahlung der Beiträge könne an den Leistungsempfänger oder direkt an den Versicherungsträger erfolgen. Im Fall des Klägers würden seine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung durch sie – die Beklagte – übernommen. Die Auszahlung der Beiträge erfolge durch Zahlung des laufenden Leistungsanspruchs an den Kläger selbst, so dass daher der Zuschuss zur privaten Krankenversicherung zu seiner Altersrente als Einkommen anzurechnen sei. Eine Auszahlung dieser Zuschüsse sei nicht möglich.

Hiergegen erhob der Kläger am 30. Juli 2013 Widerspruch. Er wende sich nicht gegen die grundsätzliche Anrechnung des Zuschusses zu seiner privaten Krankenversicherung als Einkommen im Rahmen der dortigen Leistungsgewährung. Allerdings müsse und solle dieser nicht ohne Grund als Zuschuss zur privaten Krankenversicherung bezeichnete Zuschuss auch auf den von ihm tatsächlich zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrag angerechnet werden. Dieser von ihm tatsächlich zu zahlende Krankenversicherungsbeitrag betrage aktuell monatlich 436,41 EUR und übersteige somit bei weitem den von ihm dort zuerkannten monatlichen Leistungsbetrag von insgesamt 164,11 EUR. Der von dem Rentenversicherungsträger als Zuschuss zur privaten Krankenversicherung gezahlte Beitrag müsse – bezeichnungs- und zweckentsprechend verwendet – demzufolge auf den offenen Differenzbetrag zwischen dem vom tatsächlich für seine private Krankenversicherung zu zahlenden Beitrag und dem dortigen Zuschuss dazu in Höhe von nur 164,11 EUR angerechnet werden. Dies bedeute im Ergebnis, dass der Betrag bei der dortigen Leistungsgewährung außer Betracht zu bleiben habe, solange der von ihm für seine private Krankenversicherung tatsächlich zu zahlende Beitrag von dort nicht in voller Höhe zuerkannt und übernommen werde.

Der Stadtrechtsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2014 zurück. Der Widerspruch sei unbegründet. Bei dem Bescheid vom 17. Juni 2013 handele es sich um die Ablehnung eines Überprüfungsantrages nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bezogen auf den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. September 2013. Eine Neufestsetzung des Grundsicherungsanspruchs und die Erstattung vermeintlich zu Unrecht gewährter Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 31. Dezember 2011 sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil nach § 44 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 116a SGB XII die Leistung längstens rückwirkend für einen Zeitraum von einem Jahr erbracht werden könnten, wobei die Jahresfrist ab Beginn des Jahres, in dem der entsprechende Antrag gestellt worden sei, berechnet werde. Da der Kläger Anfang Juli 2013 um Korrektur der Bewilligungsentscheidungen der Vergangenheit gebeten habe, komme eine solche erst ab dem 1. Januar 2012 in Betracht. Aber auch für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. September 2013 sei die Ablehnung des Überprüfungsantrages rechtlich nicht zu beanstanden. Der von der Deutschen Rentenversicherung gezahlte Zuschuss zur privaten Krankenversicherung sei als Einkommen zu berücksichtigen. Er diene zwar nach dem Wortlaut einem bestimmten Zweck, falle jedoch nicht unter die anrechnungsfreien zweckbestimmten Einnahmen des § 83 Abs. 1 SGB XII. Danach seien Leistungen, die auf Grund öffentlich rechtlicher Vorschrift zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht würden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigten, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck diene. Der Zuschuss zur privaten Krankenversicherung werde dem Kläger nach § 106 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) gewährt, da er die Voraussetzung für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner nicht erfülle und somit – wie auch bei freiwillig gesetzlich versicherten Rentnern – an die Stelle des durch den Rentenversicherungsträger unmittelbar an die gesetzliche Kranken- und Pflegekassen zu entrichtenden Anteils zum Pflegebeitrag ein an den Rentner selbst auszuzahlender Zuschuss trete. Da der Kläger nicht in der Lage sei, für seinen privaten Versicherungsschutz selbst aufzukommen und der – sozialhilferechtlich nach § 32 Abs. 5 SGB XII berücksichtigungsfähige – angemessene Anteil der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers deshalb als Bedarf bei der Ermittlung seines Grundsicherungsanspruches anerkannt werde, diene die gewährte Sozialhilfe insoweit demselben Zweck wie der Beitragszuschuss der Deutschen Rentenversicherung, so dass dieser zu Recht als Einkommen berücksichtigt worden sei. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger seit Jahren trotz Sozialhilfebezugs einen weit über den Standardtarif hinausgehenden privatärztlichen Leistungsumfang seines Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes im Umfang einer Krankenvollkostenversicherung aufrecht erhalte mit der Folge einer ihn treffenden Verpflichtung zur Zahlung eines deutlich höheren – sozialhilferechtlich ungemessenen – Versicherungsbeitrages, könne nicht gefolgert werden, dass ihm der Beitragszuschuss zur teilweisen Finanzierung des Differenzbetrages belassen werden müsse. Denn dies würde im Ergebnis der Anerkennung eines höheren Bedarfs für die Kranken- und Pflegeversicherung gleich kommen, was sozialhilferechtlich gerade ausgeschlossen sein solle.

Hiergegen hat der Kläger am 4. August 2014 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er hat sein bisheriges Vorbringen wiederholt und sich – nach einer entsprechenden Ankündigung des SG – gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid gewandt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2014 abgewiesen. Es hat sich der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2014 angeschlossen und von einer Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen. Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass der vom Kläger behauptete Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vorliege. Der Kläger sehe eine unzulässige Ungleichbehandlung darin, dass er einen Teil der Beiträge zur privaten Krankenversicherung selbst aufbringen müsse, während bei gesetzlich Versicherten die Krankenversicherungsbeiträge vollständig im Rahmen der Sozialhilfe übernommen würden. Diese Ungleichbehandlung finde ihre Rechtfertigung indes im Sozialgesetzbuch. Soweit die Krankenversicherungsleistungen nicht durch die Leistungen der Beklagten und der Deutschen Rentenversicherung gedeckt seien, sei dies nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass der Kläger eine Krankenkostenvollversicherung bei der DKV aufrechterhalte, deren Leistungen über den sozialhilferechtlich gedeckten Standardtarif hinausgingen.

Gegen den ihm am 29. Oktober 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, dem 1. Dezember 2014, beim SG Berufung eingelegt. Die Frist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X greife erst dann ein, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit bereits zurückgenommen worden sei. Diese Voraussetzung sei bislang gar nicht gegeben. Vielmehr sei die Rücknahme der beanstandeten Verwaltungsakte ja gerade das Ziel seiner Klage. Im Übrigen würde die Verkürzung der Vier-Jahres-Frist in § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X durch die relativ neue Vorschrift des § 116a SGB XII die von ihm beanstandeten älteren Bescheide der Beklagten überhaupt nicht betreffen, weil es bei deren Erlass die Vorschrift des § 116a SGB XII noch gar nicht gegeben habe. Der Gerichtsbescheid des SG sei nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen. Er gehe davon aus, dass der damalige Richter die umfangreichen Akten allenfalls überflogen haben könne und tatsächlich auch nur überflogen habe. Dies begründe für ihn die Besorgnis der Befangenheit. Das SG hätte deswegen nicht durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen. Das SG habe die besonderen Schwierigkeiten der Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht erkannt. Dies ergebe sich offenkundig aus den Ausführungen zu der von ihm geltend gemachten Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die Wiedergabe seines Vortrages sei vollkommen falsch. Entweder habe der erstinstanzliche Richter den Schriftsatz überhaupt nicht gelesen oder total missverstanden. Die im vorliegenden Verfahren zu entscheidende grundlegende Rechtsfrage sei, ob der von seiner Rentenversicherung zusätzlich zur reinen Rente gezahlte und genauso bezeichnete Zuschuss zur privaten Krankenversicherung im Rahmen der früheren Leistungsgewährung seitens der Beklagten von dieser als abzugsfähiges Fremdeinkommen habe behandelt und einschränkungslos von dem Betrag der zu gewährenden Leistungen habe abgezogen werden dürfen. Der Zuschuss zur privaten Krankenversicherung sei eine anrechnungsfreie zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 83 Abs. 1 SGB XII. Die Beklagte habe nur den sozialhilferechtlichen nach § 32 Abs. 5 SGB XII berücksichtigungsfähigen angemessenen Anteil seiner Krankenversicherungsbeiträge als Bedarf bei der Ermittlung seines Grundsicherungsanspruchs anerkannt. Dem gegenüber betreffe der von der Rentenversicherung gezahlte Zuschuss ausdrücklich seine private Krankenversicherung ohne jedwede Einschränkung in dem Umfang mit der Beitragshöhe, wie sie damals tatsächlich bestanden habe. Aus dieser unterschiedlichen Zweckbestimmung der damaligen Zahlung der Beklagten einerseits und der Zahlung seitens der Rentenversicherung andererseits folge logisch zwingend und offensichtlich, dass die damalige Zahlung der Beklagten und die Zahlung seitens der Rentenversicherung keinesfalls ganz und gar nicht demselben Zweck im Sinne des § 83 Abs. 1 SGB XII gedient haben könnten und auch nicht gedient hätten. Die Kritik der Beklagten am Umfang seiner Kranken- und Pflegeversicherung sei angesichts von Art und Umfang seiner Erkrankung und der deshalb in der Vergangenheit erforderlich gewesenen und auch zukünftig noch erforderlichen Behandlungsmaßnahmen und deren finanziellen Aufwand vollkommen unangemessen. Abgesehen davon betreffe diese Kritik der Beklagten überhaupt nicht die vorliegend einzig und allein zu entscheidende Rechtsfrage, ob der von der Rentenversicherung gezahlte Zuschuss zur privaten Krankenversicherung von der Beklagten als Einkommen auf die ihm zu gewährenden Grundsicherungsleistungen angerechnet werden dürften oder nicht. Entgegen der Ansicht der Beklagten würde eine Nichtanrechnung dieses Zuschusses nicht der Anerkennung eines höheren Bedarfs für die Kranken- und Pflegeversicherung gleichkommen, vielmehr würde die Beklagte damit lediglich den Willen des Gesetzgebers entsprechen, den dieser durch die Vorschriften des § 106 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zum Ausdruck gebracht habe. Die Berufung auf das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 24. Oktober 2012 liege neben der Sache. Das LSG Rheinland-Pfalz habe nämlich über seinen Antrag zu entscheiden gehabt, die Beklagte grundsätzlich zu ihren Grundsicherungsleistungen im Hinblick auf die Aufwendungen für seine private Krankenversicherung zu verpflichten. Dem habe ein ganz anderer Sachverhalt zu Grunde gelegen. Demgegenüber gehe es vorliegend nicht um höhere Leistung, sondern um die zutreffende rechtliche Beurteilung einer ganz bestimmten und nicht von der Beklagten zu erbringenden Leistung, nämlich um den von der Rentenversicherung gezahlten Zuschuss zur Krankenversicherung. Die Beklagte sei dabei nur insofern betroffen, als sie diesen Zuschuss in rechtswidriger Weise auf die früher für ihn erbrachten Leistungen als Einkommen angerechnet habe. Die Erhöhung seiner gesetzlichen Rente und damit zugleich Erhöhung des zusammen mit der Rente gezahlten Zuschusses zur privaten Krankenversicherung seien in der Vergangenheit grundsätzlich ab 1. Juli eines Kalenderjahres erfolgt.

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Oktober 2014 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 17. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2014 zu verurteilen, die Bescheide vom 20. Oktober 2008, vom 9. September 2009, vom 29. September 2009, vom 10. Februar 2010, vom 18. Februar 2010, vom 24. Juni 2010, vom 20. September 2010, vom 10. Januar 2011, vom 31. Januar 2011, vom 6. April 2011, vom 22. Juni 2011, vom 8. Juli 2012, vom 16. September 2012, vom 28. Februar 2012, vom 19. Juni 2012, vom 9. Oktober 2012, vom 5. Dezember 2012 und vom 27. Februar 2013 für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. September 2013 zurückzunehmen und ihm für diese Zeit höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ohne Anrechnung des vom Rentenversicherungsträger gezahlten Zuschusses zur privaten Krankenversicherung als Einkommen zu gewähren,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da der Kläger (höhere) Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), nämlich für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. September 2013.

2. Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2014, mit dem diese den Antrag des Kläger vom 1. Juli 2013 auf Auszahlung der Zuschüsse zur privaten Krankenversicherung abgelehnt hat. Jedenfalls aus der Begründung des Widerspruchsbescheides ergibt sich, dass die Beklagte damit eine Überprüfung der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. September 2013 nach § 44 SGB X vorgenommen und die Rücknahme ihrer für diesen Zeitraum ergangenen Bescheide vom 20. Oktober 2008, vom 9. September 2009, vom 29. September 2009, vom 10. Februar 2010, vom 18. Februar 2010, vom 24. Juni 2010, vom 20. September 2010, vom 10. Januar 2011, vom 31. Januar 2011, vom 6. April 2011, vom 22. Juni 2011, vom 8. Juli 2012, vom 16. September 2012, vom 28. Februar 2012, vom 19. Juni 2012, vom 9. Oktober 2012, vom 5. Dezember 2012 und vom 27. Februar 2013 abgelehnt hat. Die Beklagte hat in der Begründung des Widerspruchsbescheids ausdrücklich ausgeführt, dass es sich bei dem Bescheid vom 17. Juli 2013 um die Ablehnung eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X bezogen auf den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. September 2013 handelt. Streitgegenständlich ist damit nur die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. September 2013.

Der Kläger wendet sich dagegen, dass der Zuschuss der DRV Bund zur privaten Krankenversicherung als anspruchsminderndes Einkommen berücksichtigt wurde. Der Kläger hat dies bereits in seinem Schreiben vom 1. Juli 2013 gegenüber der Beklagten dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er um Auszahlung des jeweiligen Differenzbetrages gebeten hat. Im Berufungsverfahren hat er dies wiederholt bekräftigt, unter anderem indem er als "einzig und allein zu entscheidende Rechtsfrage" die Frage benannt hat, ob der von der Rentenversicherung gezahlte Zuschuss zur privaten Krankenversicherung von der Beklagten als Einkommen auf die ihm zu gewährenden Grundsicherungsleistungen angerechnet werden durfte oder nicht.

Da über die Frage der Anrechnung von Einkommen als bloßem Berechnungselement indes nicht isoliert entschieden werden kann, sondern nur im Rahmen der Geltendmachung eines Leistungsanspruchs, muss der Senat den Leistungsanspruch des Klägers umfassend prüfen.

3. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2014 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 44 SGB X auf Rücknahme der Bescheide vom 20. Oktober 2008, vom 9. September 2009, vom 29. September 2009, vom 10. Februar 2010, vom 18. Februar 2010, vom 24. Juni 2010, vom 20. September 2010, vom 10. Januar 2011, vom 31. Januar 2011, vom 6. April 2011, vom 22. Juni 2011, vom 8. Juli 2012, vom 16. September 2012, vom 28. Februar 2012, vom 19. Juni 2012, vom 9. Oktober 2012, vom 5. Dezember 2012 und vom 27. Februar 2013 für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. September 2013 und die Gewährung höherer Leistungen.

a) Richtige Beklagte ist – worauf diese zu Recht hingewiesen hat – die Stadtverwaltung K., die durch den Oberbürgermeister vertreten wird, und nicht der Oberbürgermeister selbst (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Mai 2015 – L 5 SO 102/14 – juris Rdnr. 16 f.; a.A. BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R – juris Rdnr. 11; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Oktober 2012 – L 1 SO 6/12 – n.v.). Gemäß § 70 Nr. 3 SGG sind Behörden beteiligtenfähig, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Nach § 2 des Ausführungsgesetzes zum SGG des Landes Rheinland-Pfalz sind alle Behörden fähig, an Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit im Sinne des § 70 SGG beteiligt zu sein. Gemäß § 28 Abs. 3 Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz (GO RLP) führt die vom Bürgermeister geleitete Behörde in den Gemeinden die Bezeichnung Gemeindeverwaltung, in den Städten die Bezeichnung Stadtverwaltung in Verbindung mit dem Namen der Gemeinde oder der Stadt. Der Bürgermeister leitet die Gemeindeverwaltung und vertritt die Gemeinde nach außen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GO RLP). Der Bürgermeister, der in den kreisfreien Städten (wie hier der Stadt K.), gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 GO RLP die Amtsbezeichnung Oberbürgermeister trägt, ist also nicht die Behörde selbst, sondern er vertritt sie lediglich (ebenso LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Mai 2015 – L 5 SO 102/14 – juris Rdnr. 17).

b) Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X). Für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts gilt § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X im Anwendungsbereich des SGB XII gemäß § 116a SGB XII in der vom 1. April 2011 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung mit der Maßgabe, dass anstelle eines Zeitraumes von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt.

aa) Für die Anwendbarkeit der auf ein Jahr verkürzten Frist, kommt es nicht auf das Datum der zu überprüfenden Bescheide an, sondern auf das Datum des Überprüfungsantrages. Dies hat § 136 SGB XII in der vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung ausdrücklich klargestellt, indem er bestimmt hat, dass § 116a SGB XII nicht anwendbar ist auf Anträge nach § 44 SGB X, die vor dem 1. April 2011 gestellt worden sind (vgl. auch BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – B 8 SO 24/14 R – juris Rdnr. 13 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juni 2015 – L 20 SO 130/13 – juris Rdnr. 53). Der Anspruch auf Rücknahme eines Bescheides nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X steht unter dem Vorbehalt, dass Sozialleistungen nach § 44 Abs. 4 SGB X noch zu erbringen sind (BSG, Urteil vom 23. Februar 2017 – B 4 AS 57/15 R – Terminsbericht Nr. 4/17; ständige Senatsrechtsprechung, z.B. Urteil vom 23. April 2015 – L 7 SO 481/15 – n.v.).

bb) Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X gemäß § 116a SGB XII in der vom 1. April 2011 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass anstelle eines Zeitraumes von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt, weil der Kläger seinen (sinngemäßen) Überprüfungsantrag erst am 1. Juli 2013 gestellt hat, so dass eine Rücknahme nur der Bescheide für die Zeit ab 1. Januar 2012 in Betracht kommt. Ein Anspruch des Klägers auf Rücknahme der Bewilligungsbescheide für die Zeit bis zum 31. Dezember 2011 besteht deswegen schon nicht, weil für diesen Zeitraum keine Sozialleistungen mehr zu erbringen sind.

Aber auch für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. September 2013 (Bewilligungsbescheide vom 16. September 2012, vom 28. Februar 2012, vom 19. Juni 2012, vom 9. Oktober 2012, vom 5. Dezember 2012 und vom 27. Februar 2013) hat der Kläger keinen Anspruch auf Rücknahme der genannten Bewilligungsbescheide und Bewilligung höherer Leistungen. Denn dem Kläger sind keine Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden. Dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die ausdrücklich vom Kläger als alleinig zu entscheidende Rechtsfrage benannte Frage, ob der Zuschuss des Rentenversicherungsträgers zur privaten Krankenversicherung bei der Bedarfsberechnung als Einkommen zu berücksichtigen ist.

(1) Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sowohl in der vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 als auch in der vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

Bei den Zuschüssen des Rentenversicherungsträgers nach § 106 SGB VI zur Krankenversicherung handelt es sich um Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 5 RE 1/15 R – juris Rdnr. 34; Schmidt in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 83 Rdnr. 14; zum Einkommensbegriff im SGB II BSG, Urteil vom 16. Oktober 2012 – B 14 AS 11/12 R – juris Rdnr. 37). Dies wird bestätigt durch einen Umkehrschluss zu § 83 Abs. 1 SGB XII, nach dem Leistungen, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. Die Zuschüsse des Rentenversicherungsträgers zur privaten Krankenversicherung dienen keinem anderen Zweck als die Leistungen nach § 42 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 32 Abs. 2 und 3 SGB XII, sondern ebenso dem Krankenversicherungsschutz des Klägers (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 16. Oktober 2012 – B 14 AS 11/12 R – juris Rdnr. 37).

Dass die Aufwendungen des Klägers für die private Kranken- und Pflegeversicherung nicht gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII einkommensmindernd zu berücksichtigen sind, folgt unmittelbar aus § 32 Abs. 2 Satz 3 SGB XII sowohl in der vom 1. Januar 2011 bis zum 31. März 2012 als auch in der vom 1. April 2012 bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung, wonach § 82 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGB XII bei Krankenversicherungsbeiträgen freiwillig Versicherter nicht anzuwenden ist.

Als Einkommen waren also zum einen die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich des Zuschusses zur Krankenversicherung in Höhe von monatlich 309,27 EUR (Januar bis Juni 2012), 316,03 EUR (Juli 2012 bis Juni 2013) bzw. 316,82 EUR (Juli 2013 bis September 2013) sowie die Bezüge des Versorgungswerkes in Höhe von monatlich 189,30 EUR zu berücksichtigen.

Außerdem waren Zuwendungen in Höhe von monatlich 300,00 EUR zu berücksichtigen, die der Kläger von seiner geschiedenen Ehefrau erhalten hat. Diese – vom Beklagten nicht berücksichtigten – Zuwendungen ergeben sich aus den vom Kläger vorgelegten Kontoauszügen des von ihm verwendeten Kontos xxx bei der Sparkasse H. für die Zeit vom 18. Juli bis 9. September 2011 und für die Zeit vom 23. Juli bis 10. September 2011, in denen Gutschriften in Höhe von jeweils 300,00 EUR am 8. August und 8. September 2011 EUR sowie am 7. August und am 7. September 2012 dokumentiert sind. Offensichtlich handelt es sich um einem monatlichen Dauerauftrag, da bereits im Jahr 2009 monatliche Zahlungen mit dem Verwendungszweck "DKV Monatsbeitrag", damals allerdings in Höhe von 250,00 EUR, sowie im Jahr 2010 erfolgt waren. Der Senat ist der Überzeugung, dass der Kläger diese Zuwendungen auch in den nicht durch Kontoauszüge dokumentierten Zeiträumen jedenfalls zwischen Januar 2012 und September 2013 monatlich erhalten hat. Der Kläger hat dies auch nicht bestritten, sondern sich trotz Anfrage des Berichterstatters geweigert, sich hierzu zu äußern.

Damit ergibt sich ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen des Klägers von monatlich 798,57 EUR (Januar bis Juni 2012), 805,33 EUR (Juli 2012 bis Juni 2013) bzw. 806,12 EUR (Juli bis September 2013).

(2) Der zu berücksichtigende monatliche Bedarf des Klägers setzte sich demgegenüber zusammen zum einen aus dem Regelbedarf von 374,00 EUR (im Jahr 2012) bzw. 382,00 EUR (im Jahr 2013), Kosten für die private Pflegeversicherung in Höhe von 46,34 EUR (im Jahr 2012) bzw. 49,11 EUR (im Jahr 2013), einem Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung von 2,79 EUR (im Jahr 2012) bzw. 2,87 (im Jahr 2013) sowie Kosten der Unterkunft (ohne Garagenkosten) in Höhe von 299,00 EUR (Januar bis September 2012) bzw. 308,00 EUR (Oktober 2012 bis September 2013).

Außerdem sind die Kosten für die private Krankenversicherung zu berücksichtigen. Während die Beklagte insoweit einen Betrag in Höhe von 115,00 EUR berücksichtigt hat, geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass der halbierte Höchstbeitrag im Basistarif in der Krankenversicherung gemäß § 12 Abs. 1c Sätze 1 und 2 VAG a.F. zugrundezulegen ist (dazu näher Urteil des Senats vom 23. Februar 2017 – L 7 SO 4844/16 – juris Rdnr. 31 ff.); dieser beträgt ab 1. Januar 2012 296,44 EUR und ab 1. Januar 2013 305,16 EUR monatlich.

Der Senat kann offen lassen, ob auch die Kosten der Garage in Höhe von 30,70 EUR als Bedarf zu berücksichtigen sind. Unterstellt man dies, ergibt sich ein monatlicher Bedarf des Klägers von insgesamt 1.049,27 EUR (Januar und Februar 2012), 1.059,27 EUR (März bis September 2012), 1.058,27 EUR (Oktober bis Dezember 2012) bzw. 1.077,84 EUR (Januar bis September 2013).

(3) Vor diesem Hintergrund hat der Kläger Ansprüche gegen die Beklagte auf Leistungen in Höhe von monatlich 250,70 EUR (Januar und Februar 2012), 260,70 EUR (April bis Juni 2012), 253,94 EUR (Juli bis September 2012), 252,94 EUR (Oktober bis Dezember 2012), 272,51 EUR (Januar 2013 bis Juni 2013) bzw. 271,72 (Juli bis September 2013).

(4) Die Beklagte hat dem Kläger jeweils zuletzt mit Bescheid vom 28. Februar 2012 Leistungen für Januar und Februar 2012 in Höhe von 338,14 EUR sowie für März bis Juni 2012 in Höhe von 348,14 EUR, mit Bescheid vom 19. Juni 2012 für Juli bis September 2012 in Höhe von 341,38 EUR, mit Bescheid vom 9. Oktober 2012 für Oktober bis Dezember 2012 in Höhe von 340,38 EUR, mit Bescheid vom 5. Dezember 2012 für Januar und Februar 2013 in Höhe von 351,64 EUR und mit Bescheid vom 27. Februar 2013 für März bis September 2013 in Höhe von 351,65 EUR bewilligt.

Die Beklagte hat dem Kläger also stets einen höheren Betrag bewilligt als ihm zugestanden hätte, selbst wenn man nicht lediglich einen Betrag von 115,00 EUR für die private Krankenversicherung berücksichtigt hätte und selbst wenn man die Kosten für die Garage als Bedarf berücksichtigen würde. Die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. September 2013 kommt daher nicht in Betracht, so dass auch kein Anspruch auf Rücknahme der für diesen Zeitraum ergangenen Bescheide besteht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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