L 12 AS 3137/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 2936/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3137/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.06.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt für die Dauer eines stationären Aufenthalts in einer Rehabilitationseinrichtung die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1984 geborene Kläger hatte bereits seit Juni 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Arbeitslosengeld [Alg] II) bezogen. In der Zeit vom 16.11.2011 bis 16.05.2012 war er in der Justizvollzugsanstalt (JVA) M. inhaftiert. Mit Bescheid vom 30.03.2012 bewilligte ihm die D. R. (D.) B.-W. stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der Reha-Einrichtung J. in M.-Z. für die Dauer von 24 Wochen. Mit Bescheid gleichen Datums bewilligte die D. B.-W. (weitere) stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von 16 Wochen. In diesem Bescheid wurde darauf hingewiesen, bei der bewilligten Leistung handele es sich um eine Adaptionsmaßnahme. Der Bescheid ergehe in Ergänzung zur Kostenzusage über die vorhergehende stationäre Behandlungsphase. Die Adaption könne nur nach regulär beendeter stationärer Phase begonnen werden.

In der Zeit vom 16.05.2012 bis 05.10.2012 absolvierte der Kläger in der Reha-Einrichtung J. eine stationäre Maßnahme zur Behandlung seiner Suchtmittelabhängigkeit. Die Kernphase wurde regulär beendet; hieran schloss sich unmittelbar die 16-wöchige Adaptionsphase an, aus der der Kläger am 19.12.2012 regulär und arbeitsfähig entlassen wurde.

Am 29.05.2012 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung von Alg II. Vertreten durch den Verein für Jugendhilfe R.-J. gab er an, sei noch unklar, ob die Adaptionsphase in Anspruch genommen werde. Man gehe deshalb von einer am 31.10.2012 endenden Therapiezeit von 24 Wochen aus. Mithin dauere die Unterbringung nicht länger als sechs Monate. Mit Bescheid vom 31.05.2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, die stationäre Unterbringung dauere voraussichtlich länger als sechs Monate. Leistungen nach dem SGB II könne der Kläger deshalb nicht beanspruchen.

Die S. M. bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 21.06.2012 Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und übernahm in diesem Rahmen für die Dauer der Therapie von voraussichtlich 40 Wochen die Kosten der Unterkunft einschließlich Nebenkosten für die Wohnung des Klägers in M.; darüber hinaus gewährte sie dem Kläger einen monatlichen Barbetrag in Höhe von 100,98 EUR, eine monatliche Bekleidungspauschale in Höhe von 23,00 EUR und die Kosten für die Anmeldung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Leistungen erhielt der Kläger bis einschließlich 19.12.2012.

Gegen den Bescheid des Beklagten vom 31.05.2012 erhob der Kläger am 14.06.2012 Widerspruch. Die Reha-Einrichtung gehe im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung von einer Therapiezeit von 24 Wochen aus. Damit sei er nicht vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Im Fall des Klägers gehöre die Adaptionszeit zur Regelbehandlungsdauer der gesamten Behandlung. Die Therapie mit einer Dauer von 24 Wochen und die daran anschließende Adaptionszeit von 16 Wochen seien deshalb zusammenzurechnen. Damit ergebe sich eine Gesamtdauer von mehr als sechs Monaten; der Kläger sei dementsprechend von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

Mit der am 10.09.2012 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Der Beklagte habe bei seiner Entscheidung die bereits bei Antragstellung mitgeteilte Prognose der Reha-Einrichtung zu Unrecht außer Betracht gelassen. Außerdem sei ihm während der Adaptionsphase die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit möglich gewesen. Deshalb habe es sich während dieser Phase schon begrifflich nicht um eine Unterbringung in einer Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II gehandelt. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Bescheid vom 16.01.2013 hat er dem Kläger für die Zeit vom 20.12.2012 bis 30.06.2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 149,60 EUR (für die Zeit vom 20.12.2012 bis 31.12.2012) bzw. 734,00 EUR (für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012) bewilligt. Mit Urteil vom 04.06.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei der Reha-Einrichtung J. habe es sich während der gesamten Maßnahme von 40 Wochen um eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 SGB II gehandelt. Die Rückausnahme des § 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II greife nicht ein. Zum Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme sei von einer mehr als sechsmonatigen Aufenthaltsprognose auszugehen gewesen; die Aufteilung in eine Behandlungs- und eine Adaptionsphase ändere nichts an der Einheitlichkeit der stationären Maßnahme als solche. Bei den vom Kläger durchgeführten Praktika habe es sich zudem nicht um Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts, sondern lediglich um eine Erprobung in geschützter Umgebung gehandelt.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten gemäß Empfangsbekenntnis am 27.06.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens am 25.07.2014 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Um eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II handele es sich nur dann, wenn neben der Maßnahme die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit objektiv ausgeschlossen sei. Ein solcher Ausschluss habe in seinem Fall, wie die durchgeführten Praktika zeigten, nicht vorgelegen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 04.06.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 31.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.08.2012 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.05.2012 bis 19.12.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält seine Bescheide für rechtmäßig und die angegriffene Entscheidung des SG für zutreffend.

Der Senat hat die Reha-Akten der D. B.-W. beigezogen und von dieser eine schriftliche Auskunft eingeholt. Mit Schreiben vom 19.08.2016 hat diese mitgeteilt, die Adaption sei in der Zeit vom 05.10.2012 bis 19.12.2012 durchgeführt worden. Unterkunft und Verpflegung seien in den von der D. B.-W. übernommenen Kosten enthalten gewesen. Während der Adaption erfolge in der Regel eine Selbstversorgung; hierfür bekämen Versicherte von der Klinik ein Taschengeld. Dieses sei in den Pflegekosten, die von der D. B.-W. an die Klinik gezahlt würden, bereits enthalten. Ein separater Zahlungsfluss an den Versicherten erfolge nicht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] in der hier anzuwendenden ab 01.04. 2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der den Antrag der Kläger auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ablehnende Bescheid vom 31.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.08.2012. Dieser erweist sich als rechtmäßig und den Kläger nicht in subjektiven Rechten verletzend. Der Beklagte hat den Antrag des Klägers zu Recht abgelehnt; der Kläger hat für die Zeit vom 01.05.2012 bis 19.12.2012 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, denn in dieser Zeit steht der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II dem Anspruch entgegen, die Rückausnahme nach § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II greift nicht ein. In zeitlicher Hinsicht ist der Streitgegenstand wegen der mit Bescheid vom 16.01.2013 für den Zeitraum 20.12.2012 bis 30.06.2013 verfügten Bewilligung von Alg II auf die Zeit bis 19.12.2012 beschränkt.

Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl. I S. 2854) Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Nach den §§ 19 ff. SGB erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld (Alg) II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese Leistungen sind in § 20 (Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts), § 21 (Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt) und § 22 SGB II (Leistungen für Unterkunft und Heizung) näher ausgestaltet. Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden die Leistungen nach diesem Buch (nur) auf Antrag erbracht. Dies gilt nicht für Zeiten vor der Antragstellung; bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt der Antrag allerdings auf den Ersten des Monats zurück (§ 37 Abs. 2 SGB II).

Der Kläger erfüllte zwar sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Alg II; er war im streitigen Zeitraum vom 01.05.2012 bis 19.12.2012 aber nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift erhält keine Leistungen nach dem SGB II, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Abweichend hiervon erhält gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II Leistungen nach dem SGB II, wer (1.) voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) untergebracht ist oder (2.) wer in einer stationären Einrichtung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.

Nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 05.06.2014 – B 4 AS 32/13 R –, BSGE 116, 112-120, SozR 4-4200 § 7 Nr. 36), der der erkennende Senat sich anschließt, ergibt eine vom Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II ausgehende Auslegung, dass für das Eingreifen eines Leistungsausschlusses drei Voraussetzungen vorliegen müssen.

In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob es sich um eine Leistungserbringung in einer Einrichtung handelt. Hierbei ist vom sozialhilferechtlichen Begriffsverständnis des § 13 Abs. 2 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl. I S. 3022) auszugehen, wonach Einrichtungen alle Einrichtungen sind, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen. Nach der hierzu und zur Vorgängerregelung des § 97 Abs. 4 BSHG ergangenen Rechtsprechung ist eine Einrichtung daher bei einer auf Dauer angelegten Kombination von sächlichen und personellen Mitteln anzunehmen, die zu einem besonderen Zweck und unter der Verantwortung eines Trägers zusammengefasst wird und die für einen größeren wechselnden Personenkreis bestimmt ist, wobei die Bindung an ein Gebäude gegeben sein muss (BSG a.a.O, unter Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 24.02.1994 – 5 C 24/92BVerwGE 95, 149, 152).

In einem zweiten Schritt kommt es darauf an, ob Leistungen stationär erbracht werden. Auch hierfür ist zur näheren Bestimmung auf § 13 Abs. 1 SGB XII Bezug zu nehmen. Dessen Satz 2 lautete bis zum 6.12.2006 (in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl. I S. 3022): "Stationäre Einrichtungen sind Einrichtungen, in denen Leistungsberechtigte leben und die erforderlichen Hilfen erhalten." Hieraus folgt, von einer "stationären Leistungserbringung" ist auszugehen, wenn der Leistungsempfänger nach formeller Aufnahme in der Institution lebt und daher die Unterbringung Teil der Leistungserbringung ist. Die Streichung dieser Vorschrift mit Wirkung zum 7.12.2006 (durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006, BGBl I 2670) hat an dem Begriffsverständnis von einer "stationären Leistungserbringung" nichts geändert. Der Gesetzgeber wollte damit lediglich klarstellen, dass Satz 2 des § 13 SGB XII nicht den Begriff der "Einrichtung" definiert. Auch im SGB XII sollte weiterhin von dem Einrichtungsbegriff ausgegangen werden, der der gefestigten Rechtsprechung entspricht (BT-Drucks 16/2711 S. 10; BSG a.a.O. m.w.N.).

Als dritte Voraussetzung kommt es auf eine Unterbringung in der stationären Einrichtung an. § 7 Abs. 4 SGB II erhebt das Erfordernis der Unterbringung ausdrücklich zum Tatbestandsmerkmal; dem ist im Rahmen der Auslegung Rechnung zu tragen. Die dritte Voraussetzung bewirkt eine Einschränkung des im zweiten Schritt eröffneten weiten Anwendungsbereichs. Es kommt daher nicht allein darauf an, dass die Einrichtung (auch) stationäre Leistungen erbringt; ferner genügt nicht bereits ein geringes Maß an Unterbringung im Sinne einer formellen Aufnahme. Von einer Unterbringung ist nur auszugehen, wenn der Träger der Einrichtung nach Maßgabe seines Konzeptes die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration des Hilfebedürftigen übernimmt (BSG a.a.O.).

Alle drei Voraussetzungen sind im Falle des Klägers erfüllt. Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht davon aus, dass es sich bei der Reha-Einrichtung J. nach den vorgenannten Grundsätzen um eine Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II gehandelt hat, in der die dem Kläger gewährten Leistungen stationär erbracht worden sind. Inhalt der Therapie war die ganzheitliche Betreuung des Klägers, gerichtet auf ein suchtfreies Leben. Der Kläger ist in diese Einrichtung formell aufgenommen worden; er war dort während der gesamten Maßnahme untergebracht. Wie sich zur vollem Überzeugung des Senats aus der im Berufungsverfahren eingeholten Auskunft der D. B.-W. ergibt, sind die Kosten für Unterkunft und Verpflegung während der gesamten Maßnahme übernommen worden; die D. B.-W. hat damit auch die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Klägers im oben dargelegten Sinn übernommen.

Therapie und nachfolgende Adaptionsphase bildeten hier zudem eine einheitliche Maßnahme, sodass deren jeweilige Dauer zu addieren ist. Jedenfalls nahtlos aneinander anschließende Zeiträume der stationären Unterbringung sind bei der Ermittlung der Unterbringungsdauer zusammenzurechnen. Dies ergibt sich zunächst aus Sinn und Zweck des § 7 Abs. 4 SGB II. Die Regelung dient – im Einklang mit dem durch Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe verfolgten Ziel – dem Ausschluss von Personen aus dem Kreis der Leistungsberechtigten, die dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht zur Verfügung stehen (Verwaltungsgericht [VG] Bremen, Beschluss vom 28.08.2007 – S8 V 2167/07 –, juris m.w.N.). Es macht in tatsächlicher Hinsicht schon keinen Unterschied, ob eine Person wegen derselben Erkrankung zusammenhängend für länger als sechs Monate in derselben Einrichtung stationär untergebracht ist oder ob ein Wechsel in eine andere Einrichtung erfolgt. Der Leistungsausschluss muss daher bereits dann gelten, wenn der Anlass für die Unterbringung in den jeweiligen Einrichtungen derselbe ist, denn der Ort der Unterbringung spielt für die Nichtverfügbarkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt keine Rolle (VG Bremen a.a.O. m.w.N.). Von einer durchgehenden stationären Unterbringung ist erst recht auszugehen, wenn die beiden Phasen (Therapie- und Adaptionsphase) – wie hier – eine einheitliche aufeinander aufbauende Behandlung darstellen und beide Phasen in der selben Reha-Einrichtung durchgeführt werden.

Die vom Kläger während der Adaption durchgeführten Praktika stehen dem Leistungsausschluss nicht entgegen, denn bei diesen hat es sich nicht um eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts gehandelt. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob die bloße Möglichkeit bestanden hat, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, erforderlich ist vielmehr deren tatsächliche Ausübung. Dies ergibt sich, wie das BSG in der oben zitierten Entscheidung begründet hat, klar und eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut (§ 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II), den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucksache 16/1410 Seite 20), der Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck der Regelung (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.03.2016 – L 13 AS 4877/13 –, juris). Auch dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts hat der Kläger (auch) während der Adaptionsphase nicht ausgeübt.

Letztlich hatte der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt auch nicht in der Rehaeinrichtung mit der Folge, dass eine örtliche Zuständigkeit des Beklagten für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 36 SGB II nicht bestanden hätte. Ob ein Leistungsberechtigter einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat, richtet sich nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Den gewöhnlichen Aufenthalt hat danach jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Dabei sind in erster Linie objektive Lebensumstände und das zeitliche Element ("nicht nur vorübergehend") maßgebend. Eine Person begründet dann den gewöhnlichen Aufenthalt, wenn sie den Willen hat, diesen Ort oder dieses Gebiet bis auf Weiteres, also nicht nur vorübergehend oder besuchsweise, zum Mittelpunkt der Lebensbeziehung zu machen, und diesen Willen auch verwirklicht. Daran fehlt es generell in einer Einrichtung wie der vorliegenden, die auf einen zeitlich begrenzten wenn auch längere Dauer umfassenden Aufenthalt gerichtet ist. Ein hiervon abweichender Wille kann auch im Fall des Klägers, der seine Wohnung in M. während der gesamten Therapiezeit beibehalten hat, nicht angenommen werden.

Ergänzend nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des mit der Berufung angegriffenen Urteils des SG Bezug und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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