L 5 KR 1458/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2674/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1458/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.03.2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 1.863,86 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses.

Der bei der beklagten Krankenkasse (K.) versicherte, 2009 geborene A. H. (im Folgenden: Versicherter) erhielt als Notfall Krankenhausbehandlung verordnet. Das Krankenhaus der beklagten Trägerin behandelte ihn vollstationär vom 13.02. bis 16.02.2011.

Der Versicherte leidet seit seiner Geburt an einem cerebralen Krampfleiden, das mit Phenytoin behandelt wird. Am 04.02.2011 erhielt er eine Masern-Mumps-Röteln-Varizellen-Impfung. Ab dem 06.02.2011 fieberte der Versicherte, zuletzt bis max. 40°C trotz antipiretischer Maßnahmen. Am 12.02.2011 hatte der Versicherte einmal erbrochen, ebenso am Tag der Aufnahme einmal gallig. Eine Nahrungsaufnahme fand fast nicht mehr statt. Flüssigkeit nahm der Versicherte nur noch sehr wenig auf. Wegen des Fiebers und des galligen Erbrechens erfolgte durch die Eltern am 13.02.2011 gegen 23.00 Uhr die Anforderung des Notarztes. Die vom Notarzt dokumentierten Diagnosen lauteten "Fieber und Erbrechen, die DD (Differentialdiagnose) GE (Gastroenteritis, also Magen-Darm-Infekt) oder nach Impfung". Es erfolgte der Transport des Kindes - auch angesichts des bekannten cerebralen Anfallsleidens - in die Kinderklinik der Klägerin, worauf der Versicherte am 13.02.2011 um 23.45 Uhr stationär aufgenommen wurde. Eine Herzfrequenz von 156/Minute, eine Atemfrequenz von 50/Minute und eine Temperatur bis max. 39,2°C sind als Aufnahmebefund dokumentiert worden. Auf dem ärztlichen Aufnahmebogen sind als vorläufige Diagnose "hochfieberhafter Infekt, Verdacht auf akute GE, DD nach Impfreaktion" angegeben. Um 00.15 Uhr wurde der Versicherte von den Eltern auf die Kinderstation gebracht.

Therapeutisch erfolgte um 00:15 Uhr zur Flüssigkeitssubstitution der Beginn einer Dauertropfinfusion mit 40 ml pro Stunde und außerdem die Gabe von Paracetamol 75 mg. Um 00:40 Uhr wurde Vomex-A Supp 40 mg zur besseren Verträglichkeit des um 01:00 Uhr verabreichten Epanutin-Safts 4 ml (Phenytoin) gegeben. Um 02:30 Uhr wurde mit einer intravenösen antibiotischen Therapie mit Cefuroxim 3 x 350 mg/die begonnen. Darüber hinaus wurden um 09:30 Uhr 5 ml Ibuprofensaft gegeben. Unter der Therapie gelang die Temperatursenkung bereits um 01:15 Uhr auf 38,1 Grad. Um 03:00 Uhr betrug die Temperatur 36,5 Grad, der Puls lag bei 104/Minute, die Atemfrequenz bei 24/Minute. Um 07:15 Uhr wurde die Temperatur mit 38,1 Grad gemessen. Der Puls betrug 110/Minute, die Atemfrequenz 30/Minute und die Sauerstoffsättigung lag bei 100 %. Bei der Untersuchung um 15:45 Uhr betrug die Temperatur nur noch 36,5 Grad, der Puls lag bei 107/Minute, die Atmung bei 28/Minute und der Blutdruck bei 81/45 mmhg. Die Sauerstoffsättigung lag bei 97 %. Ab diesem Zeitpunkt war der Versicherte anhaltend fieberfrei. Der Allgemeinzustand besserte sich, Lunge und Abdomen waren unauffällig. Mit Beendigung der intravenösen Antibiotikatherapie wurde das Kind am 16.02.2015 mit der Empfehlung einer oralen Fortführung über dreieinhalb Tage entlassen, woraus sich eine Gesamtdauer der antibiotischen Therapie von sechs Tagen ergab.

Die Klägerin rechnete am 21.02.2011 die DRG (Diagnosis Related Groups) T 60 D (Sepsis ohne komplizierende Konstellation, außer bei Zustand nach Organtransplantation, ohne komplexe Diagnose, ohne äußerst schwere CC, Alter ( 10 Jahre) mit einem Betrag von 3.865,72 EUR ab. Dieser Betrag wurde zunächst vollständig von der Beklagten beglichen. Nach Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), Dr. O., teilte dieser am 15.04.2011 mit, dass nicht die DRG T 60 D, sondern T 64 C (andere infektiöse parasitäre Krankheiten ohne komplexe Diagnose) abzubilden sei, da die Hauptdiagnose Sepsis (A 41.9; Sepsis, nicht näher bezeichnet) nicht nachvollziehbar sei. Bei rascher Entfieberung, Entlassfähigkeit 63 Stunden nach Aufnahme und mangelndem Fokus sei als Hauptdiagnose A 49.9 (Bakterielle Infektion, nicht näher bezeichnet) zu kodieren, woraus sich die DRG T 64 C ergebe.

Am 27.06.2011 verrechnete die Beklagte einen Differenzbetrag in Höhe von 1.863,86 EUR mit einer weiteren unstreitigen Forderung der Klägerin.

Die Klägerin erhob am 30.07.2013 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG), mit welcher sie bzgl. des Versicherten einen Betrag in Höhe von 1.863,86 EUR zzgl. Zinsen seit 28.06.2011 sowie einen Betrag in Höhe von 1.394,89 EUR zzgl. Zinsen seit 31.05.2012 aus dem Behandlungsfall der Versicherten E. F. (im Folgenden: E.F.) geltend machte. Sie führte aus, dass die Abrechnung in beiden Behandlungsfällen korrekt gewesen sei, da in beiden Fällen Sepsis als Hauptdiagnose zu kodieren gewesen sei. Bei Erwachsenen sei eine Sepsis als Hauptdiagnose zu verschlüsseln, wenn die Kriterien für ein SIRS (Systemisches Inflatorisches Respons-Syndrom) gegeben seien. Dies sei dann der Fall, wenn die Infektion durch mikrobiologischen Nachweis oder klinische Kriterien belegt werden könne und wenn mindestens zwei weitere klinische Kriterien erfüllt seien. Beide Versicherte seien mit hohem Fieber aufgenommen worden. Zudem habe eine Leukozytose bestanden. Bei E.F. habe ein Erreger nachgewiesen werden können. Beim Versicherten habe zwar kein Erreger nachgewiesen werden können, er habe aber unter Tachykardie und Tachypnoe gelitten. Diese Auffassung werde auch durch das D. I. für M. D. und I. (D.) bestätigt. In seinen FAQ (frequently asked questions) weise es in Nr. 1007 auf folgendes hin:

"Da in der ICD-10-GM 2007 selbst keine Kriterien für die Definition des SIRS bei Patienten unter 16 Jahren festgelegt sind und seitens der Fachgesellschaft zur Zeit keine operationalisierbaren Kriterien für Patienten dieser Altersgruppe zur Verfügung gestellt werden können, obliegt es dem jeweiligen Arzt, ein SIRS zu diagnostizieren und zu verschlüsseln".

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die vorgenommenen Kürzungen seien im Hinblick auf die auch im MDK-Gutachten des Dr. Sch. vom 24.03.2014 erfolgten Ausführungen zutreffend.

Das SG erhob über die Frage der richtigen DRG-Ziffer Beweis durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach Aktenlage. Zum Gutachter ernannte das SG Dr. G., Facharzt für Innere Medizin und Lungen- und Bronchialheilkunde. In seinem Gutachten vom 03.11.2014 führte der Gutachter aus, dass die Klägerin bei der im Mai 2011 behandelten E.F. berechtigt gewesen sei, die DRG T 60 D zu kodieren, da eine Sepsis nach den SIRS-Kriterien und dem klinischen Gesamtbild vorgelegen habe. Hinsichtlich des im Februar 2011 behandelten Versicherten habe sie jedoch als Hauptdiagnose nicht Sepsis kodieren dürfen, da der klinische Verlauf mit rascher Entfieberung und einem stationären Aufenthalt von drei Tagen nicht dem klinischen Gesamtbild einer Sepsis entsprochen habe. Zwar hätten auch hier die SIRS-Kriterien vorgelegen; diese gälten jedoch nur für Patienten verbindlich, die älter als 16 Jahre seien. Für jüngere Patienten gelte der klinische Gesamteindruck.

Angesichts des Gerichtsgutachten war die Beklagte bereit, im Wege des Vergleichs bei Klagerücknahme bzgl. des Versicherten die Behandlungskosten im Fall der E.F. zu übernehmen. Die Klägerin lehnte jedoch einen Vergleichsabschluss mit der Begründung ab, von der raschen Entfieberung infolge wirksamer Therapie bei dem Versicherten könne keinesfalls auf ein Nichtvorliegen einer Sepsis geschlossen werden, denn ansonsten könne bei erfolgreicher Behandlung im Grunde nie die Diagnose Sepsis kodiert werden. Sie verwies auf die Veröffentlichung von Goldstein et al 2005 (Bl. 130 bis 136 der Gerichtsakte) und die abgewandelten SIRS-Kriterien für Kinder (Table 2 Bl. 132). Diese Kriterien der "International pediatric sepsis consensus conferenc" seien erfüllt, weshalb von einer Sepsis auszugehen sei.

Mit Urteil vom 26.03.2015 gab das SG der Klage teilweise statt. Die zutreffend als allgemeine Leistungsklage erhobene Klage sei im Fall der E.F. in Höhe von 1.394,89 EUR nebst Zinsen begründet, im Falle des Versicherten unbegründet. Dem von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch stehe in Höhe von 1.863,86 EUR die Aufrechnung der Beklagten mit einem späteren unstreitigen Vergütungsanspruch entgegen. Der Beklagten habe in Höhe der Klageforderung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zugestanden, denn in dieser Höhe habe sie die stationäre Behandlung der Versicherten ohne Rechtsgrund vergütet. Die Klägerin habe insoweit keinen weiteren Entgeltanspruch. Die Klägerin sei im Fall der E.F. berechtigt gewesen, die DRG T 60 D (Sepsis) abzurechnen. Dies ergebe sich nachvollziehbar und überzeugend aus den Ausführungen des gerichtlichen Gutachters Dr. G. sowie den klinischen Gesamtumständen. Im Fall des Versicherten sei sie jedoch nicht berechtigt gewesen, diese DRG abzurechnen. Sie sei lediglich berechtigt, die DRG T 64 C (andere infektiöse parasitäre Krankheiten ohne komplexe Diagnose) abzurechnen, weswegen der Beklagten ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe von 1.863,86 EUR zugestanden habe. Auch dies ergebe sich nachvollziehbar und überzeugend aus den Ausführungen des gerichtlichen Gutachters Dr. G. sowie den klinischen Gesamtumständen. Zwar seien bei dem 19 Monate (richtig: 14 Monate) alten Versicherten nach durchgeführter Masern-Mumps-Röteln-Varizellen-Impfung alle vier SIRS-Kriterien (Fieber 39,2 °, Herzfrequenz 156/Minute; Atemfrequenz 50/Minuten und erhöhte Leukozyten) erfüllt gewesen. Nach den Kodierrichtlinien und der Sepsis-Leitlinie sei eine Sepsis bei Erfüllung der SIRS-Kriterien jedoch nur bei Patienten über 16 Jahre verbindlich zu kodieren bzw. zu diagnostizieren. Für jüngere Patienten - wie hier - fehlten feste Diagnose- und Kodierkriterien, wie auch das D. in dem von der Klägerseite zitierten FAQ Nr. 1007 ausdrücklich ausgeführt habe. Da den Stellungnahmen des D. anders als den Kodierrichtlinien keine Rechtswirkung zukomme, habe das Gericht nicht einfach entsprechend dem FAQ Nr. 1007 dem einzelnen Arzt überlassen können, ein SIRS zu diagnostizieren und abzurechnen, denn dies wäre ohne genaue Kriterien schlicht willkürlich. Nach der Überzeugung des Gerichts könne bei jungen Patienten auch nicht auf die von Goldstein et al aufgestellten modifizierten SIRS-Kriterien abgestellt werden, da junge Patienten die Kriterien Fieber, Tachykardie und Tachypnoe schneller bzw. auch im Falle der vollständigen Gesundheit (vgl. Table 3 Bl. 132 Gerichtsakte) aufwiesen. Richtigerweise müsse bei Kindern neben den SIRS-Kriterien auch auf die Gesamtumstände sowie das klinische Erscheinungsbild abgestellt werden. Hierzu gehörten entgegen der Auffassung der Klägerin auch die rasche Entfieberung bei der Gabe von lediglich 75 mg Benuron nach nur einer Stunde und der lediglich kurze Krankenhausaufenthalt ohne Suche der behandelnden Ärzte nach einem Entzündungsherd.

Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 07.04.2015 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 13.04.2015 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung der Klägerin. Zur Begründung weist die Klägerin darauf hin, dass in der medizinischen Wissenschaft unter einer Sepsis eine komplexe systemische inflamatorische Wirtsreaktion auf eine Infektion verstanden werde. Um eine für die tägliche Praxis handhabbare Abgrenzung zwischen einer "einfachen" (bakteriellen) Infektion und einer Sepsis zu ermöglichen, seien auf einer internationalen Konsensuskonferenz bereits im Jahr 1992 Definition und Diagnosekriterien von SIRS bei Sepsis, schwerer Sepsis und septischem Schock einheitlich festgelegt worden. In der S2 Leitlinie der Deutschen Sepsis Gesellschaft (DSG) und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) vom 15.12.2005 seien die internationalen Definitionen sowie die Diagnosekriterien übernommen worden. Klargestellt worden sei, dass die Kriterien nur auf Personen älter als 16 Jahre anzuwenden seien. In Kenntnis dieses Umstandes weise das D. in seiner FAQ Nr. 1007 darauf hin, dass in der ICD-10-GM2007 selbst keine Kriterien für die Definition des SIRS bei Patienten unter 16 Jahren festgelegt seien und seitens der Fachgesellschaft zur Zeit keine operationalisierbaren Kriterien für Patienten dieser Altersgruppe zur Verfügung gestellt werden könnten. Insoweit obliege es dem jeweiligen Arzt, ein SIRS zu diagnostizieren und zu verschlüsseln. Die vom Gutachter Dr. G. vorgenommene Gesamtbetrachtung übersehe wie das D., dass eine internationale Konsensuskonferenz zur Definition von Sepsis in der Pädiatrie im Jahr 2005 - gestaffelt nach Altersgruppen - die SIRS-Kriterien zur Diagnose einer Sepsis bei Kindern modifiziert hätte. Individuell für einzelne Altersstufen seien die Kriterien angepasst und in zwei Tabellen dargestellt worden. Bei dem Versicherten hätten die modifizierten SIRS-Kriterien nach Goldstein et al für eine Sepsis vorgelegen. Soweit sich das SG ohne substantiierte Begründung anmaße, diese Kriterien außer Acht zu lassen und einen retrospektiven Gesamteindruck zugrunde zu legen, fehle es dem SG an medizinischer Vorkenntnis. Dies gelte auch für Dr. G., der kein Facharzt für Pädiatrie sei. Dementsprechend habe er sich auch mit der internationalen Konsensusdefinition zur Sepsis im Bereich der Pädiatrie nicht ausreichend auseinandergesetzt und stütze seine Auffassung auf keinerlei wissenschaftliche Publikationen oder ähnliches. Die Klägerin hat mehrere Veröffentlichungen zur kindlichen Sepsis vorgelegt (Bl. 97 - 174 der LSG-Akte).

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.03.2015 zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.863,86 EUR zuzüglich Zinsen hieraus seit 28.06.2011 in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu bezahlen,

hilfsweise, den Rechtsstreit zu vertagen und den Gutachter Dr. Sch. zur Befragung in der mündlichen Verhandlung zu laden,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Aus dem Gutachten des Dr. G. und den eingeholten MDK-Gutachten ergebe sich eindeutig, dass nach den Gesamtumständen die Kodierung einer Sepsis nicht erfolgen könne. Zwar lägen unstreitig die SIRS-Kriterien der internationalen Konsensuskonferenz aus dem Jahr 2005 vor. Diese könnten jedoch allein nicht ausschlaggebend sein. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass bereits im Jahr 2008 seitens der Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (AG BRG, im Folgenden: GPOH) ein Änderungsvorschlag für die ICD-10-GM 2008 eingebracht worden sei. Dieser Änderungsvorschlag hätte sich allein auf die von der Klägerin angeführte Publikation zur "International pediatric sepsis consensus conference: Definition for sepsis and organ dysfunction in pediatrics" gestützt. Obwohl dem D. bereits im Jahr 2008 der Vorschlag unterbreitet worden sei, sei eine entsprechende Umsetzung nicht erfolgt. Das D. habe die von der Klägerin angeführten SIRS-Kriterien für Patienten unter 16 Jahre also gerade nicht als verbindlichen Standard festgesetzt, sondern es bei der bisherigen Kodierung belassen.

Der Senat hat zunächst Dr. G. ergänzend gehört. Dieser hat in der ergänzenden Stellungnahme vom 22.09.2015 daran festgehalten, dass die Kodierrichtlinien maßgebend seien. Nicht entscheidend seien die SIRS-Kriterien, auch nicht die von 2005, sondern der klinische Gesamteindruck und der Krankheitsverlauf.

Mit Verfügung vom 18.12.2015 hat der Senat Dr. Sch., Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, mit der Begutachtung nach Aktenlage beauftragt. In seinem pädiatrisch-intensivmedizinischen Gutachten vom 22.03.2016 kommt er zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin vorgenommene Kodierung nicht zu beanstanden sei. Weder der MDK noch Dr. G. hätten die international anerkannte und gültige Definition der SIRS/Sepsis-Kriterien nach der "international pediatric sepsis consensus conferenz" in ihrer Argumentation berücksichtigt. Die antibiotische Therapie sei mit lediglich Cefuroxim intravenös für eine Sepsis unklarer Genese oder auch nur für den Verdacht auf eine solche zwar sehr schmal. Auch habe die klinische Besserung rasch eingesetzt, Fieber, Herz- und Atemfrequenz hätten sich zügig (dokumentierter Rückgang bereits um 03:00 Uhr: Puls 104/Minute, Temperatur 36,5 °C, Atemfrequenz 24/Minute) normalisiert. Weder der fehlende identifizierte Infektfokus noch die rasche Besserung nach erfolgter Therapie sei jedoch in der Lage, die erfüllten SIRS-Kriterien bei Infektionsverdacht zu widerlegen.

Die Beklagte hat daraufhin das sozialmedizinische Gutachten des MDK vom 07.11.2016 vorgelegt. Darin kommt Dr. W. zu dem Ergebnis, dass mangels anderer evidenzbasierter Parameter die nicht aufgrund einer wissenschaftlichen Erhebung gefundenen Parameter von Goldstein et al bzw. ihre in den Folgejahren durchgeführten Modifikationen als "Notbehelf" für das Vorliegen einer Sepsis anzuwenden seien. Entgegen der Sepsis-Kriterien im Erwachsenenalter seien die bestehenden Parameter aufgrund der sich altersbedingt ändernden Physiologie der Kinder und zusätzlich nur begrenzt ausschaltbarer Außenfaktoren (Angst, Schmerz, Aufregung, altersabhängig mangelnde Einsicht und Kooperation) störanfälliger und könnten deshalb nicht als einziges Kriterium unter Vernachlässigung des klinischen Gesamteindrucks herangezogen werden. Unter Berücksichtigung der Therapie und des Verlaufs sei insoweit im vorliegenden Fall festzustellen, dass zwar die SIRS-Kriterien nach Goldstein et al vorgelegen hätten. Der Gesamteindruck spreche jedoch gegen eine Sepsis. Angesichts der Umstellung der intravenösen Antibiose nach 2,5 Tagen auf orale Gabe und sofortiger Entlassung ohne weitere Nachbeobachtung sei gutachterlich auch nicht nachvollziehbar, dass die Klinik aus ex post-Sicht von einer stattgehabten Sepsis ausgegangen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Patientenakte der Klägerin sowie die Akten des SG und die Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (vgl. § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist nach § 143 SGG statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes den nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderlichen Betrag von 750,- EUR übersteigt, und auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung führt jedoch für die Klägerin nicht zum Erfolg. Die von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis erhobene (echte) Leistungsklage ist zulässig (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 8/11 R -, in juris), jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat der Klägerin 1.863,86 EUR Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund gezahlt, weil die Klägerin die zugunsten des Versicherten erbrachten Leistungen in dieser Höhe nicht abrechnen durfte. In dieser Höhe stand der Beklagten ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu (vgl. zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte Krankenhausvergütung z.B. BSG, Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 8/11 R -, in juris m.w.N., stRspr). Die Ver- bzw. Aufrechnung des Betrages mit (anderen und unstreitigen) Vergütungsforderungen der Klägerin (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.04.2016 - B 1 KR 23/15 R -, in juris) erfolgte zu Recht.

Der streitgegenständliche Vergütungsanspruch der Klägerin findet seine rechtliche Grundlage in § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) für das Jahr 2011 und deren Anlage 1 Teil a, § 17b Abs. 1 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) sowie dem am 01.01.2006 in Kraft getretenen Krankenhausbehandlungsvertrag für das Land Baden-Württemberg nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V (KHBV) vom 21.09.2005.

Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung sind dem Grunde nach erfüllt. Die Beklagte ist - was sie auch nicht bestreitet - verpflichtet, die stationäre Krankenhausbehandlung ihres Versicherten im Krankenhaus der Beklagten vom 13.02.2011 bis 16.02.2011 zu vergüten. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl BSG, Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 8/11 R -; Urteil vom 17.11.2015, - B 1 KR 41/14 R -, beide in juris m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Streitig ist allein die Höhe der Vergütung.

Die Höhe der Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich aus einem Fallpauschalen-Katalog, der Teil einer Vereinbarung ist, und Regelungen zur Ermittlung der jeweiligen Fallpauschale, auf die in dieser Vereinbarung Bezug genommen wird und die ihrerseits durch vertragliche Kodierrichtlinien erst operationabel sind. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich gesetzlich aus § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V (idF durch Art. 1 Nr. 74 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26.03.2007) iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz ((KHEntgG); idF durch Art. 8 Nr. 2 des Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz – GKV-FinG) vom 22.12.2010) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz ((KHG); idF durch Art. 18 Nr. 4 Buchst. d des Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 (Krankenhausfinanzierungsreformgesetz – KHRG) vom 26.03.2007). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge) konkretisiert. Nach § 1 Abs 1 KHEntgG (idF durch Art. 2 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 (Krankenhausfinanzierungsreformgesetz – KHRG) vom 17.03.2009) werden die vollstationären und teilstationären Leistungen der Krankenhäuser nach diesem Gesetz und dem KHG vergütet. § 7 S. 1 Nr. 1 KHEntgG bestimmt: "Die allgemeinen Krankenhausleistungen werden gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit folgenden Entgelten abgerechnet: 1. Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 9),." Mit diesen Entgelten werden alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet (§ 7 S. 2 KHEntgG). Die Spitzenverbände der K (ab 01.07.2008: Spitzenverband Bund der K) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG (idF durch Art. 2 Nr. 9 Buchst. a des KHRG vom 17.03.2009) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art. 2 Nr. 11 des KHRG vom 17.03.2009) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KHEntgG (idF durch Art 5 des Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalen-systems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz - FPG) vom 23.04.2002).

Vereinbarungen auf Landesebene zwischen den in § 18 Abs. 1 S. 2 KHG genannten Vertragsparteien mit Wirkung für die ("lokalen") Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 KHG (§ 10 KHEntgG idF durch Art. 8 Nr. 3 GKV-FinG vom 22.12.2010), Vereinbarungen zwischen den Krankenhausträgern und den Sozialleistungsträgern für das einzelne Krankenhaus (§§ 3 bis 6 KHEntgG, idF durch Art. 2 Nr. 3 des KHRG vom 17.03.2009 bzw. Art. 8 Nr. 1 GKV-FinG vom 22.12.2010 bzw. idF des Art. 258 der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.2006; § 11 KHEntgG) und vertragliche Regelungen nach § 112 SGB V können den Vergütungsanspruch ebenfalls konkretisieren.

Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien (DKR)) vereinbart haben. DKR und FPV bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folgt (vgl. näher dazu BSG, Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 8/11 R -, in juris m.w.N.). Im vorliegenden Fall sind maßgebend - jeweils normativ wirkend (vgl. dazu BSG, Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 8/11 R -, in juris m.w.N.) - die getroffene Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2011 (FPV 2011) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 (insbesondere: Anlage 1 (Fallpauschalen-Katalog gem. § 1 Abs. 1 Satz 1) und dort Teil a (Bewertungsrelationen bei Versorgung durch Hauptabteilungen); Anlage 3a (Nicht mit dem Fallpauschalen-Katalog vergütete vollstationäre Leistungen gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1)) und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2011. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zum Groupierungsvorgang unter Berücksichtigung von ICD-10-GM und OPS vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 8/11 R -; Urteil vom 19.04.2016, - B 1 KR 34/15 R -, beide in juris m.w.N.). Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (BSG, Urteil vom 14.10.2014, - B 1 KR 25/13 R -, in juris). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2009, - B 1 KR 11/09 R -, in juris m.w.N.; BSG, Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 8/11 R -, in juris; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl. BSG, Beschluss vom 19.07.2012, - B 1 KR 65/11 B -, in juris). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 S. 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 21.04.2015, - B 1 KR 9/15 R -; Urteil vom 08.11.2011, - B 1 KR 8/11 R -, beide in juris m.w.N.; siehe zum Ganzen auch BSG, Urteil vom 13.11.2012, - B 1 KR 14/12 R -, in juris m.w.N.).

Die Beklagte durfte die erfolgte stationäre Behandlung des Versicherten - ausgehend von den dargelegten generellen Vorgaben - zur Überzeugung des Senats nicht nach der DRG T 60 D (Sepsis), sondern nur nach der niedriger vergüteten DRG T 64 C abrechnen. Als Hauptdiagnose ist nicht ICD-10-GM A 41.9 (Sepsis, nicht näher bezeichnet) zu kodieren. Die dagegen von der Beklagten erhobenen Einwendungen greifen durch. Zu kodieren ist A 49.9 (Bakterielle Infektion nicht näher bezeichnet).

Die Hauptdiagnose ICD-10-GM A 41.9 ist für die Kodierung der betroffenen Behandlung des Versicherten nicht zutreffend. Denn sie veranlasste nicht objektiv nach dem Kenntnisstand am Ende der Krankenhausbehandlung die Aufnahme des Versicherten in das Krankenhaus der Beklagten. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 21.04.2015 (a.a.O.) ausgeführt, Hauptdiagnose sei nach den DKR D002d die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich sei. Zentraler Begriff sei hierbei die "Veranlassung" des stationären Krankenhausaufenthalts. Sie meine die ursächliche Auslösung des stationären Behandlungsgeschehens. Das zeitliche Moment als ein wesentliches Definitionsmerkmal grenze dabei von später hinzugetretenen Diagnosen ab, die ebenfalls stationäre Behandlungsbedürftigkeit bedingten. Ein bereits - objektiv zutreffend - veranlasster stationärer Krankenhausaufenthalt könne nicht später, nach Aufnahme in das Krankenhaus nochmals veranlasst, sondern allenfalls aufrechterhalten werden. Diagnosen, die erst nachfolgend Behandlungsbedürftigkeit begründen, seien irrelevant. Insbesondere komme es nicht darauf an, dass die den stationären Krankenhausaufenthalt veranlassende Diagnose zugleich den größeren Anteil am Ressourcenverbrauch habe. Soweit die Erläuterung der DKR hierbei darauf verweise, dass "der behandelnde Arzt" die Hauptdiagnose auszuwählen habe, sei dies nur in einem tatsächlichen Sinn zu verstehen. Die Beurteilung, ob eine Diagnose als Hauptdiagnose zu kodieren sei, bemesse sich nach objektiven Maßstäben. Sie unterliege im Streitfall der vollen richterlichen Nachprüfung. Das zweite wesentliche Definitionsmerkmal der Hauptdiagnose sei, so das BSG weiter, der Begriff "nach Analyse". Er verdeutliche, dass es weder auf die subjektive oder objektiv erzielbare Einweisungs- oder Aufnahmediagnose ankommt, sondern allein auf die objektive ex-post-Betrachtung der Aufnahmegründe am Ende der Krankenhausbehandlung. Es sei für die Bestimmung der Hauptdiagnose ohne Belang, dass die Diagnose des einweisenden Arztes und des aufnehmenden Krankenhausarztes unter Berücksichtigung der ex ante vorhandenen Informationen objektiv lege artis erfolgt sei. Maßgeblich sei allein die objektiv zutreffende ex-post-Betrachtung. Hingegen sei, so das BSG, eine Diagnose, die sich während des Krankenhausaufenthalts entwickelt habe, ungeachtet des damit verbundenen Ressourcenverbrauchs zwingend keine Hauptdiagnose.

Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat an und gelangt hiernach zu der Überzeugung, dass die Diagnose A 41.9 (Sepsis, nicht näher bezeichnet) die erfolgte stationäre Behandlung des Versicherten nicht veranlasst hat.

Dabei übersieht der Senat keineswegs, dass nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen die Kriterien der "International pediatric sepsis consensus conference" erfüllt sind und diese in zahlreichen Veröffentlichungen Widerhall gefunden haben. Allein das Vorliegen dieser Kriterien vermag jedoch die Kodierung einer Sepsis bei unter 16-jahrigen nicht zu begründen. In der ICD-10-GM2011 finden sich bei der Definition des SIRS für diese Altersgruppe keine Kriterien. Auch seitens der Fachgesellschaften bestehen zur Zeit keine operationalisierbaren Kriterien für Patienten dieser Altersgruppe. Hierauf hat nicht nur der Gutachter Dr. G., sondern auch Dr. W. in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 07.11.2016 zutreffend hingewiesen. Soweit Dr. Sch. demgegenüber in seinem Gutachten vom 22.03.2016 auf die von Goldstein et al veröffentlichten Ergebnissen der International Konsensuskonferenz hinweist, sind diese nicht in vergleichbarer Weise geeignet, verbindliche Kriterien festzulegen. So hat Dr. W. zutreffend darauf hingewiesen, dass die von Goldstein et al veröffentlichte altersangepasste Definition nicht auf evidenzbasierten Studien, sondern auf Expertenmeinungen beruhen, über die in der genannten Konferenz ein Konsensus hergestellt wurde. Die Definition wurde dabei in erster Linie zur Einteilung von Patienten für Studien und weniger für die klinische Anwendung konzipiert. Dementsprechend begrenzen Goldstein et al den Aussagewert ihrer Definition auch durch Berücksichtigung äußerer Faktoren, die die Parameter beeinflussen und damit zu einem falschen positiven Kriterium führen können (u. a. Schmerz, äußere Stimuli bei Tachykardie). Soweit die Konsensus-Definitionen sowohl den Empfehlungen zum Management der pädiatrischen Sepsis im Handbuch der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektologie (2013) als auch der AWMF-Leitlinie "Sepsis bei Kindern jenseits der Ionatalperiode" (2015) zugrunde gelegt werden, ergibt sich hieraus nichts anderes. Denn es handelt sich - entgegen der Ansicht der Klägerin - hierbei nicht um Parameter, die aufgrund einer wissenschaftlichen Erhebung gefunden wurden. Vielmehr wurde auf diese mangels anderer Parameter zurückgegriffen. Durch eine möglichst weitgehende Definition soll dabei eine möglichst frühzeitige umfassende Behandlung sichergestellt werden. Dementsprechend stellt o.g. AWMF-Leitlinie von 12/2015 zu Recht fest, dass die Sepsis einen pathogenen Zustand mit fließenden Übergängen und potentieller Zuspitzung in einen irreversiblen tödlichen Ausgang darstellt. Ausdrücklich heißt es dort: "Tatsächlich haben nicht alle pädiatrischen Patienten, die die Kriterien eines SIRS erfüllen, letztlich eine Sepsis. Dieses Problem der Spezialität wird bei den Definitionen bewusst in Kauf genommen, um frühzeitig eine Sepsis differenzialdiagnostisch in Erwägung zu ziehen". Insoweit wird hier eine ex-ante-Sicht eingenommen, wonach im Zweifelsfall bei Sepsisverdacht frühzeitig eine Diagnostik und Therapie begonnen werden soll. Vor diesem Hintergrund ist jedoch das Ergebnis der internationalen Konsensuskonferenz mit dem dargestellten Ansatz nicht ohne Weiteres mit der in Kodierrichtlinien vorgesehenen ex-post-Betrachtung in Einklang zu bringen. Daher ist in Übereinstimmung mit dem D. auf den klinischen Gesamteindruck abzustellen, wobei die Ergebnisse der Konsensuskonferenz nicht unbeachtet bleiben dürfen. Der Gesamteindruck muss jedoch in die notwendige ex-post-Betrachtung mit einbezogen werden und ist nach den obigen Ausführungen gerichtlich voll überprüfbar.

Vor diesem Hintergrund hatte der Senat zu beachten, dass zwar die Kriterien der Konsensus-Konferenz nach Goldstein et al nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten und Gutachter erfüllt sind. Weder die Diagnose des Notarztes noch die Aufnahmediagnose nennt freilich explizit einen Sepsisverdacht. Übereinstimmend haben im Übrigen Dr. G., Dr. Sch. und Dr. W. festgestellt, dass die Behandlung durch das verabreichte Antibiotika weder hinsichtlich der Art noch des Umfangs adäquat für eine Sepsis war. Auch die Entlassung nach 2,5 Tagen ohne weitere Nachsorge und lediglich unter Weitergabe oraler Antibiotika spricht in Übereinstimmung mit den genannten Ärzten gegen eine Sepsis. Dies gilt auch für das gewählte Überwachungsintervall von zunächst 3 und dann 4 Stunden. Schließlich weisen die genannten Ärzte auch zutreffend darauf hin, dass bereits nach Gabe von 75 mg Paracetamol es wenige Stunden nach Einlieferung zu einer deutlichen Fiebersenkung kam und sich auch Atmung und Herzfrequenz normalisierten. Die Aufnahme erfolgte im Übrigen auch nicht auf die Intensivstation der D.-Klinik. Insbesondere ist darüber hinaus auch eine intensive Suche nach einem Keim i.R. der Fokussuche nicht dokumentiert. Neben einer Blutkultur ist lediglich eine körperliche Untersuchung und die Kontrolle des Urinstatus erfolgt, wobei die Werte für Nitrit und Leukozyten, die einen Harnwegsinfekt ausschließen, nicht dokumentiert wurden. Der Senat folgt insoweit der Einschätzung von Dr. W. und Dr. G., wonach die genannten Umstände und damit der Gesamteindruck gegen das Vorliegen einer Sepsis sprechen.

Damit durfte die Klägerin die erfolgte stationäre Behandlung des Versicherten nicht nach der DRG 2011 T 60 D (Sepsis), sondern nur nach der niedriger vergüteten DRG 2011 T 64 C (andere infektiöse parasitäre Krankheiten ohne komplexe Diagnose) abrechnen. Hinsichtlich des überzahlten Betrags in Höhe von 1.863,86 EUR stand der Beklagten ein öffentlich-rechtlicher Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung zu, den sie mit einer anderen unstreitigen Vergütungsforderung auf- bzw. verrechnen durfte. Ein weitergehender Honoraranspruch der Klägerin besteht danach nicht.

Der Senat war auch nicht verpflichtet, auf den Hilfsantrag der Klägerin den Rechtsstreit zu vertagen und den Gutachter Dr. Sch. zur Befragung in der mündliche Verhandlung zu laden. Von der Möglichkeit des Gerichts, den Gutachter nach § 118 Abs. 1 iVm § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) zur Erläuterung des Gutachtens zu laden, ist das - vorliegend ausdrücklich beantragte - Fragerecht der Beteiligten §§ 116 S. 2, 118 Abs. 1 S. 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO zu unterscheiden. Erforderlich ist dabei, dass die Fragen objektiv sachdienlich sind (§ 116 S. 2 SGG, Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. A. § 118 Rdnr 12f m.w.N.). Eine Frage ist sachdienlich, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas hält und nicht abwegig oder bereits beantwortet ist (BSG, Urteil vom 27.11.2007, - B 5a/5 R 60/07 B -, in juris; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. A. § 118 Rdnr 12f m.w.N.). Die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 03.05.2017 gestellten Fragen sind bereits beantwortet oder bewegen sich nicht im Rahmen des Beweisthemas. So hat der Gutachter Dr. Sch. bereits angegeben, dass die Definition für Sepsis im Kindesalter nach Goldstein et al keinen klinischen Gesamteindruck vorsieht (2a aa). Dr. Sch. hat auch ausgeführt, dass die Berücksichtigung eines klinischen Gesamteindrucks bei der Diagnosestellung nicht angezeigt sei (2a cc). Ferner hat der Gutachter ausgeführt, dass bei der Diagnose Sepsis nach seiner Einschätzung nicht auf das therapeutische Management abzustellen sei (2b aa). Stellung genommen hat der Gutachter auch bereits zu der Fokussuche im Fall des Versicherten und diesbzgl. auf die Blutkultur, die körperliche Untersuchung und den Urinstatus hingewiesen (2b bb). Auch die Wahl des Antibiotikums und der Dosierung hat er bewertet (2b bb). Inwieweit in der Medizin allgemein bei Stellung einer Diagnose auf das therapeutische Management abzustellen ist, ist für den vorliegenden Fall nicht relevant und betrifft nicht das Beweisthema, das auf den Fall des Versicherten begrenzt ist (2b aa). Der Gutachter hat im Übrigen auch ausgeführt, dass nach seiner Einschätzung die Diagnosestellung nach den modifizierten Kriterien nach Goldstein et al der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion entspricht, die Kriterien verbindlich sind und damit ausdrücklich die Auffassung der Klägerin bestätigt (2a bb). Soweit der Senat hiervon abweicht, war nicht die Befragung des Gutachters in der mündlichen Verhandlung geboten, da Sachdienlichkeit nicht gegeben ist, wenn ein Beteiligter und der Gutachter in ihrer Beurteilung nicht übereinstimmen (BSG, Beschluss vom 10.12.2013, - B 13 R 198/13 B , in juris) und damit erst Recht nicht, wenn sie in ihrer Beurteilung übereinstimmen. Im Übrigen stellt die Frage der Kodierung einer Sepsis bei dem Versicherten und damit die Auslegung der Kodierrichtlinie in Abgrenzung zur Diagnosestellung eine Rechtsfrage dar, die vom medizinischen Gutachter nicht zu beantworten ist (Senatsurteil vom 22.03.2017, - L 5 KR 4740/15 -, in juris m.w.N.). Unabhängig von den vorgenannten Erwägung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass der Antrag auf Befragung des Gutachters in der mündlichen Verhandlung zwar am 04.04.2017 gestellt worden ist. Die zu stellenden Fragen wurden auf die am 05.04.2017 erfolgte Anforderung hingegen erst am 03.05.2017 per Fax und damit zwei Wochen vor dem Termin gestellt, so dass eine Ladung unter Einhaltung der Ladungsfrist nicht mehr hätte erfolgen können. Damit fehlt es auch an einer rechtzeitigen Antragstellung.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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