Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 SB 5707/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2885/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.06.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grad der Behinderung (GdB; mindestens 50 statt 30) seit 21.02.2013 zusteht.
Der 1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger (zur Aufenthaltsberechtigung vgl. Blatt 4, 64 der Beklagtenakte). In Ausführung eines vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart geschlossenen Vergleichs stellte das Landratsamt B. (LRA) mit Bescheid vom 29.06.2011 (Blatt 67/68 der Beklagtenakte) den GdB mit 30 seit dem 07.12.2009 fest.
Am 21.02.2013 beantragte der Kläger beim LRA die höhere (Neu-)Feststellung des GdB (Blatt 76/78 der Beklagtenakte). Zur Begründung seines Antrags verwies er auf einen Tennisellenbogen, ein femoroacetabuläres Impingement der rechten Hüfte, eine acetabuläre Zyste rechte Hüfte, einen Bandscheibenvorfall der LWS, eine Operation an der linken Schulter und Depressionen und Schlafstörungen.
Das LRA holte vom Arzt für Allgemeinmedizin Dr. M. den Befundschein vom 06.03.2013 (dazu vgl. Blatt 83/85 der Beklagtenakte) ein. Der Versorgungsarzt Dr. Wi. schätzte in seiner Stellungnahme vom 30.04.2013 der GdB auf 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks (GdB 30); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 10); Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, operiert (GdB 10); Chronisches Schmerzsyndrom, funktionelle Organbeschwerden, psychovegetative Störungen (GdB 10)). Das LRA lehnte daraufhin mit Bescheid vom 11.06.2013 (Blatt 89/90 der Beklagtenakte) die höhere (Neu-)Feststellung des GdB ab.
Mit seinem Widerspruch vom 17.06.2013 (Blatt 93 der Beklagtenakte) wies der Kläger darauf hin, dass sich der Gesundheitszustand gravierend verschlechtert habe, es bestehe Multimorbidität.
Am 05.07.2013 beantragte der Kläger beim LRA erneut einen höheren GdB (Blatt 94/95 der Beklagtenakte); er verwies auf rezidivierende depressive Episoden, eine somatoforme Schmerzstörung und ein Impingement der Schulter.
Das LRA zog Befundunterlagen des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Ö. (dazu vgl. 98/100 der Beklagtenakte) und von Dr. Ma. (dazu vgl. Blatt 104/118 der Beklagtenakte) bei. Der Versorgungsarzt Dr. K. schätzte in seiner Stellungnahme vom 16.09.2013 (Blatt 120/121 der Beklagtenakte) den GdB auf 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks (GdB 30); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 10); Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, operiert (GdB 10); Chronisches Schmerzsyndrom, funktionelle Organbeschwerden, psychovegetative Störungen (GdB 10)).
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2013 (Blatt 123 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat hiergegen am 10.10.2013 beim SG Klage erhoben und auf einen Tennisellenbogen, ein femoroacetabuläres Impingement der rechten Hüfte, eine acetabuläre Zyste der rechten Hüfte, einen Bandscheibenvorfall der LWS, eine Operation der Schulter und Depressionen/Schlafstörungen sowie den Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung verwiesen.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 28/53, 54/57 und 58/66 der SG-Akte Bezug genommen. Der Chirurg Dr. Z. hat dem SG am 18.11.2013 geschrieben, die Beschwerden im Bereich der Hüftgelenke seien als mittelgradig einzustufen. 2009 seien Beschwerden im Bereich der Lumbosakralgegend und des Beckens mit verstärkter Kyphosierung der Brustwirbelsäule im Röntgen sowie einer Hypolordosierung der Lendenwirbelsäule angegeben worden. Hinsichtlich der GdB-Bewertung schloss er sich der ihm überlassenen Einschätzung des Versorgungsarztes Dr. K. an. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Ö. hat mit Schreiben vom 02.12.2013 eine als mittelgradig einzuschätzende depressive Episode mitgeteilt. Ein Teil-GdB von 30 erscheine angebracht. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. M. hat dem SG am 11.12.2013 schmerzhafte Bewegungseinschränkungen von Seiten des Hüftgelenks seit 2009, die bisher keiner effektiven Klärung und Therapie zugeführt worden seien, angegeben. Die Bewertung mit einem GdB von 30 sei nicht zu beanstanden.
Am 10.07.2015 hat der Kläger beim LRA erneut die höhere (Neu-)Feststellung des GdB beantragt (Blatt 130/132 der Beklagtenakte). Zu diesem Antrag gab er eine mittelgradige depressive Episode, eine Radikulopathie im Lumbalbereich, eine Koxarthrose, eine Entheropathie und "sonstige biomechanische Funktionsstörungen im Sakralbereich" an.
Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. E ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 27.08.2015 (Blatt 96/125 der SG-Akte) nach Untersuchung des Klägers am 13.05.2015 auf psychiatrisch-psychotherapeutisch-psychosomatischen Fachgebiet eine depressive Störung leichter bis mittelschwerer Ausprägung dargestellt und mit einem GdB von 20 bewertet und unter Berücksichtigung weiterer GdB-Werte von 30 für die Funktionsminderung des rechten Hüftgelenks, von 10 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und 10 für die Funktionsbehinderung beider Schultern den Gesamt-GdB seit Februar 2013 auf 40 geschätzt.
Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 30.12.2015 (Blatt 130/131 der SG-Akte) weiterhin an einem GdB von 30 festgehalten (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks (GdB 20); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 10); Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, operiert (GdB 10); Depressive Verstimmung, psychovegetative Störungen, funktionelle Organbeschwerden (GdB 20)). Dem ist der Kläger mit Schreiben vom 18.01.2016 (Blatt 133 der SG-Akte) unter Hinweis auf das Gutachten von Dr. E. entgegengetreten.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 27.06.2016 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 30. Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche sei der GdB mit 20 zu bewerten, was Dr. E. bestätigt habe. Die Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks sei ebenfalls mit einem GdB von 20 zu bewerten. Stärkere Bewegungseinschränkungen, die einen GdB von 30 bedingten, seien nicht nachgewiesen. Auch könnten die Beeinträchtigungen des Klägers nicht höher angesetzt werden, als bei einer beidseitigen Prothesenversorgung, die ebenfalls einen GdB von 20 bedingen würde. Dass zuvor ein GdB von 30 angenommen worden sei, sei unschädlich. Auch die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule und der Schultergelenke seien mit einem GdB von jeweils 10 ausreichend bewertet. Insgesamt sei der GdB mit 30 festzustellen.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 04.07.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 03.08.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Aufgrund falscher Beweiswürdigung sei das SG zu einem Gesamt-GdB von 30 gekommen. Zu Unrecht setze das SG für die Coxarthrose des rechten Hüftgelenks mit Zystenbildung einen GdB von 20 an, auch der Beklagte sei ursprünglich von einem höheren GdB ausgegangen. Ab Antragstellung sei mindestens von einem Teil-GdB 30 und ab einem späteren Zeitpunkt wegen weiterer Verschlechterungen des Gesundheitszustandes von einem Teil-GdB 40 auszugehen, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Wirbelsäulenerkrankung. Gehe man zusätzlich davon aus, dass mit Dr. Ö. auf psychiatrischem Fachgebiet ein Teil-GdB von 30 festzustellen sei, verbleibe ein Gesamt-GdB von 40 bzw. 50. Für die Bewertung von Dr. Ö. spreche durchaus auch diejenige von Dr. E. , der den GdB mit "mindestens 20" angegeben habe.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.06.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 11.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2013 zu verpflichten, bei ihm einen GdB von mindestens 50 seit 21.02.2013 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sachargumente, die eine abweichende Beurteilung begründeten, seien der Berufungsschrift nicht zu entnehmen. Eine zwischenzeitliche Verschlechterung des Hüftleidens sei nicht belegt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. H. sowie eines Gutachtens beim Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S ...
Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 30.12.2016 (Blatt 27/53 der Senatsakte) nach Untersuchung des Klägers am 20.12.2016 ein Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung, ohne höhergradige degenerative Veränderungen und ohne Nervenwurzelreiz- oder –ausfallserscheinungen, ein Impingementsyndrom beider Schultergelenke, ohne höhergradige Funktionsbeeinträchtigung, ein femoro-acetabulares Impingement der Hüftgelenke rechts, geringfügig links, mit sehr diskreten degenerativen Veränderungen und leichtem Bewegungsdefizit rechts, eine Adduktorentenopathie bds., ein femoropatellares Schmerzsyndrom bds. und eine diskrete Fehlstatik des rechten Fußes als Senk- und Spreizfuß dargestellt. Die Funktionsbeeinträchtigungen der oberen Extremitäten hat er mit einem GdB unter 10, diejenigen der Lendenwirbelsäule mit einem GdB von 10 und diejenigen der unteren Extremitäten mit einem GdB von 20 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er auf 30 seit der letzten Antragstellung geschätzt.
Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 10.04.2017 (Blatt 56/99 der Senatsakte) nach Untersuchung des Klägers am 27.03.2017 chronische depressive Verstimmungen im Sinne einer Dysthymia diagnostiziert und mit einem GdB von 10 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er mit 20 bewertet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 102, 104 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des LRA vom Bescheid vom 11.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf (Neu-)Feststellung eines höheren GdB als 30.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 30 nicht rechtfertigen.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen. Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulen-abschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.
Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand des Gutachtens von Dr. H. mit dem SG feststellen, dass beim Kläger ein Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung, ohne höhergradige degenerative Veränderungen und ohne Nervenwurzelreiz- oder -ausfallserscheinungen besteht, das mit einem GdB von 10 zu bewerten ist. Dr. H. konnte einen Fingerspitzen-Boden-Abstand (FBA) von 25 cm feststellen, das Schober’sche Zeichen betrug 10/14,5 cm. Die Rückneigefähigkeit des Oberkörpers gelang bis 30 Grad, die Rotation zur Beckenebene rechts und links ebenfalls jeweils 30 Grad mit Schmerzäußerungen der mittleren Brust- und auch der oberen Lendenwirbelsäule. Bei der betastenden Untersuchung konnte Dr. H. diskrete Muskelspannungsstörungen von der Übergangszone Brust-/Lendenwirbelsäule bis etwa in Höhe des 3. Lendenwirbels reichend feststellen. Tastbaren Muskelknötchen und Ausstrahlungen in die Beine bestanden nicht, ließen sich auch nicht auslösen. Die Brustwirbelsäule war mit einer Entfaltbarkeit nach Ott mit 30/32,5 cm frei beweglich, es bestand eine leicht vermehrte Tonuserhöhung der dorsalen Rückenstreckmuskulatur mit Druckschmerz etwa TH6 bis TH12, ohne tastbare Muskelknötchen und ohne isolierte Schmerzen über den Wirbelverbindungs- oder Rippenwirbelgelenken der Brustwirbelsäule und auch kein Thoraxkompressionsschmerz. Dr. H. hat folgende Bewegungsmaße gemessen: Halswirbelsäule Vornüberneigen/Rückführen Kinn-Jugulumabstand 0/16 cm Rotation rechts/links 60/0/60o Seitneigung rechts/links 40/0/40o Lendenwirbelsäule Seitneigung (aus Fingerspitzen-Kniegelenksabstand von 20 cm ) rechts und links jeweils 1 cm Rückneigung 30o Vorneigung (FBA) 25 cm Rotation rechts/links je 30 o
Damit hat Dr. H. lediglich Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt (LWS) mit geringen funktionellen Auswirkungen beschrieben. Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität sind gering ausgeprägt, es bestehen allenfalls seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome in einem Wirbelsäulenabschnitt, auch neurologisch Ausfallzeichen bestehen nicht (z.B. bds. negatives Lasègue), sodass der Senat den GdB in diesem Funktionssystem lediglich mit 10 feststellen konnte, was auch der Bewertung durch die Versorgungsärzte und den Befunden, die die behandelnden Ärzte mitgeteilt haben entspricht.
Im Funktionssystem der Arme hat der Senat das Impingementsyndrom beider Schultergelenke, ohne höhergradige Funktionsbeeinträchtigung, berücksichtigt. Der hierfür vom Beklagten bisher angenommene GdB von 10 ist nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig zu niedrig. Auf Grundlage der vorliegenden ärztlichen Befunde, insbesondere des Gutachtens von Dr. H. , konnte der Senat feststellen, dass eine Versteifung eines oder beider Schultergelenke, eine Instabilität eines oder beider Schultergelenke, eine Schlüsselbeinpseudarthrose, eine Verkürzung eines oder beider Arme, eine Oberarmpseudarthrose oder ein Riss der langen Bizepssehne nicht vorliegt. Es besteht insoweit lediglich eine gewisse Bewegungseinschränkung beider Schultergelenks bei der Armhebung als die Arme nur bis 140o (rechts) bzw. 150o (links) gehoben werden können. Soweit der Beklagte daher nach B Nr. 18.13 VG einen GdB von 10 angenommen hat, ist dieser nicht zu niedrig festgesetzt.
Im Funktionssystem der Beine hat der Senat die Gesundheitsstörungen der Hüfte, der Knie und der Füße insgesamt mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Hier konnte der Senat auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. H. ein femoro-acetabulares Impingement der Hüftgelenke rechts, geringfügig links, mit sehr diskreten degenerativen Veränderungen und leichtem Bewegungsdefizit rechts sowie eine Adduktorentenopathie bds. feststellen. An den Knien besteht ein femoropatellares Schmerzsyndrom bds. und an den Füßen eine diskrete Fehlstatik des rechten Fußes als Senk- und Spreizfuß. Letztere ist als andere Fußdeformität, da ihre statischen Auswirkungen lediglich geringen Grades sind, mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten.
Bezüglich der Knie konnte der Senat mit dem Gutachten von Dr. H. eine Versteifung eines oder beider Kniegelenke, eine Lockerung des Kniebandapparates, einen Kniescheibenbruch und eine habituelle Kniescheibenverrenkung nicht feststellen können. Bei Beweglichkeit der Kniegelenke von beidseits 0-0-140o (vgl. Blatt 39 der Senatsakte = Seite 13 des Gutachtens Dr. H. ) konnte der Senat auch keine GdB-relevanten Bewegungseinschränkungen feststellen. Es besteht weder eine Kapselschwellung, noch eine Überwärmung, auch keine intraarticuläre Flüssigkeitsansammlung. Der Kläger hatte dagegen Dr. H. Druckschmerzen am inneren und äußeren Kniescheibenrand, rechts mehr als links, angegeben. Dieses femoropatellare Schmerzsyndrom bds. bedingt daher mangels funktioneller Auswirkungen auf die Kniegelenksfunktion keinen Teil-GdB.
An den Hüftgelenken besteht ein femoro-acetabulares Impingement mit sehr diskreten degenerativen Veränderungen sowie eine Adduktorentenopathie bds. Es besteht hier eine Schmerzangabe im Bereich der Adduktorenmuskulatur an den Schambeinen bds. mit Dehnungsschmerzen. Als auffällig hat Dr. H. eine Außendrehhaltung des rechten Beins im Liegen beschrieben. Schmerzen über der ventralen Hüftgelenkskapsel bzw. dem großen Rollhügel beider Hüftgelenke konnte Dr. H. nicht feststellen. Der Senat konnte auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Befunden eine Versteifung eines oder beider Hüftgelenke, eine Hüftdysplasie, eine Hüftgelenksresektion, eine schnappende Hüfte und auch eine Beinverkürzung nicht feststellen. Dagegen besteht eine geringfügige Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke. Dr. H. hat hier folgende Werte gemessen: Beugung/Streckung Normal 130-0-0/10o rechts 120-5-0 o links 120-0-0 o Damit erreicht die Bewegungseinschränkung noch nicht das Mindestmaß der GdB-relevanten Einschränkung von 90-10-0 o nach B Nr. 18.14 VG.
Damit hat sich auch an den Hüftgelenken lediglich ein leichtes Funktionsdefizit und eine Muskelspannungsstörungen im Bereich der Anspreizmuskeln der sog. Adduktoren gezeigt. Röntgenologisch hatte Dr. H. ausgeführt, korreliere dies mit sehr diskreten Umbauvorgängen. Auch die bisherige Diagnostik mittels Kernspintomographie an mehreren Kliniken hatte Degenerationen des Weichteilapparats des Hüftgelenks, ein sog. femoro-acetabuläres Impingement, gezeigt. In diesem Zusammenhang können auch kleine Zysten entstehen, wie Dr. H. ausgeführt hat. Eine höhergradige Funktionsbehinderung lässt sich dem jedoch nicht entnehmen. So war eine Beeinträchtigung des Gangbilds und eine stärkere Beeinträchtigung der Gehstrecke oder der Mobilität bei Dr. H. nicht zu erkennen. Soweit Dr. H. daher den GdB mit 20 eingeschätzt hatte, muss dies als nachvollziehbar aber großzügig bewertet angesehen werden. Dieser großzügigen Einschätzung schließt sich der Senat an.
Soweit der Beklagte früher einen Teil-GdB von 30 für die Gesundheitsstörungen der Hüftgelenke angenommen hatte, so ist diese Annahme weder in Bestandskraft erwachsen noch bindet diese den Senat. Vielmehr hat der Senat auf Grundlage der vorliegenden Befunde die funktionellen Auswirkungen der Hüftgelenksschäden zu bewerten; diese funktionellen Auswirkungen sind, auch wenn sie schmerzhaft sind, lediglich gering. Soweit Prof. Dr. W. und Dr. E. in den Berichten vom 07.05.2010, 23.06.2010 und 05.11.2013 (Blatt 42/43, 44/45 und 65/66 der SG-Akte) eine Beweglichkeit der rechten Hüfte von 0-0-90o bzw. 0-20-90o angegeben hatten, stellt dies keinen anhaltenden Zustand dar, was sich gerade am Bericht von Dr. St. vom 08.07.2013 zeigt, der eine Beweglichkeit der rechten Hüfte von (Extension/Flexion) 0-0-120o (Blatt 30/31 der SG-Akte) beschrieben hatte. Damit konnte der Senat eine andauernde mehr als geringfügige Bewegungsbeeinträchtigung nicht feststellen. Ein höherer Teil-GdB als 20 für beide Hüften war daher nicht anzunehmen.
Insgesamt konnte der Senat im Funktionssystem der Beine – auch unter Berücksichtigung der gegenseitigen Auswirkungen und Überschneidungen – einen höheren Einzel-GdB als 20 nicht feststellen.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche hat der Senat keinen höheren GdB als 20 annehmen können. Hier besteht eine chronische depressive Verstimmungen i.S. einer Dysthymia, wie Dr. S. in seinem Gutachten feststellen konnte. Der Gutachter Dr. E. hat im SG-Verfahren im Ergebnis dieselbe Gesundheitsstörung mit der Diagnose einer depressiven Störung leichter bis mittelschwerer Ausprägung beschrieben, was im Ergebnis unter Berücksichtigung eines nachvollziehbar schwankenden Verlauf derartiger Erkrankungen mit der Beurteilung durch Dr. S. zusammen passt.
Nach B Nr. 3.7 VG sind Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen als leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 und als stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten.
Vorliegend ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht besteht.
In der Untersuchung bei Dr. S. waren Gestik und Mimik angemessen. Es ergab sich klinisch kein Anhalt für eine manifeste Simulation oder Dissimulation. Im interaktionellen Verhalten war der Kläger freundlich zugewandt und höflich. Die Sprache war regelrecht moduliert, fest. Es bestanden keine Sprechstörungen wie Stammeln oder Stottern. Es lagen keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Auffassung und der Konzentration vor. Ebenso ließen sich keine Gedächtnisstörungen nachweisen. Es hatte sich keine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung gezeigt, auch wenn der Kläger in der Gutachtenssituation nicht sehr lebhaft gewirkt hatte. In der Grundstimmung war er subdepressiv bzw. dysthym. Die affektive Resonanzfähigkeit war leicht eingeschränkt und eher zum negativen Pol hin verschoben aber nicht aufgehoben. So konnte der Kläger durchaus spontan und mehrfach authentisch lächeln. Das formale Denken war nicht verlangsamt, es war folgerichtig. Eine vermehrte Grübelneigung bzw. ein Gedankenkreisen wurde berichtet, inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen, dissoziative oder somatische Störungen bestehen ebenso wenig wie eine endogene circadiane Rhythmik der Stimmungslage.
Der Kläger verfügt über gute soziale Kontakte. So hat er gute Kontakte zur Familie, arbeitet in Vollzeit und hat einen geplanten und gut ausgefüllten Tagesablauf (dazu vgl. Blatt 66 der Senatsakte = Seite 11 des Gutachtens Dr. S. ). Dieser wird auch durch Moscheebesuche, Besuche der Kinder und Enkel, Spaziergänge, Gartenarbeit und Beschäftigung in der Garage geprägt; einen wesentlichen sozialen Rückzug oder eine Einengung auf das Krankheitsgeschehen konnte der Senat dabei nicht erkennen. Vielmehr ist der Kläger in der Lage, seinen Alltag mit Arbeit, Familie und Freizeit zu gestalten und zu erleben.
Dazu passt auch, dass eine kontinuierliche, fachärztlich betreute Therapie nicht stattfindet. Zwar verordnet der Hausarzt Ibuprofen 600 mg, wovon der Kläger eine bis drei Tabletten am Tag einnimmt, eine kontinuierliche Psychopharmakotherapie erfolgt aber nicht. Dr. S. hat der Kläger mitgeteilt, er nehme bei Bedarf – ebenfalls vom Hausarzt rezeptiert, Doxepin 25 mg 1/2 bis 1 Tablette etwa zweimal pro Woche. Ein relevanter antidepressiver Effekt kann bei der bedarfsweisen Einnahme von Doxepin und dann auch in dieser Dosis nicht erwartet werden, was Dr. S. in seinem Gutachten dargelegt hat; die übliche Tagesdosis in der Behandlung depressiver Syndrome bei erwachsenen Menschen liege für Doxepin bei 150 mg. Der Kläger hat sich auch zuletzt vor etwa zwei Jahren ambulant bei Dr. Ö. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in S. , vorgestellt und auch nach einer stationären Rehabilitation in der M.-B.-Klinik die Behandlung nicht wieder aufgenommen.
Eine stärker beeinträchtigende Erkrankung konnte der Senat auch den Ausführungen von Dr. E. nicht entnehmen. Dort ist berichtet, der Kläger habe die vom Nervenarzt verordneten Medikamente nicht bekommen und nehme stattdessen Ibuprofen und ein pflanzliches Mittel. Im Übrigen hat der Kläger einen der Schilderung bei Dr. S. vergleichbaren Tagesablauf mit Arbeit, Freizeit, Familie und Moscheebesuchen dargestellt. Auch sind die psychopathologisch erhobenen Befunde des Dr. E. (dazu vgl. Blatt 116/117 der SG-Akte = Seite 21/22 des Gutachtens) denjenigen des Gutachtens von Dr. S. gleichartig, sodass sich auch insoweit eine Abweichung nicht erheben lässt. Dagegen hat Dr. E. deutliche Rückzugs- und Isolationstendenzen und eine im familiären Umfeld deutlich reduzierte Alltagsbewältigung beschrieben (Blatt 120 der SG-Akte = Seite 25 des Gutachtens), doch konnte der Senat dies auch anhand seiner Angaben im Gutachten nicht nachvollziehen.
Soweit Dr. Ö. in seiner Auskunft gegenüber dem SG eine mittelgradige depressive Episode beschrieben hat, hat er zugleich mit der Diagnose einer Episode deutlich gemacht, dass die Erkrankung einen schwankenden bzw. keinen dauerhaft gleichbleibend starken Verlauf hat. Soweit Dr. Ö. eine soziale Desintegration am Arbeitsplatz durch Widerwillen bei der Tätigkeit beschrieben hat, hat der Kläger dies bei den Gutachtern Dr. E. und Dr. S. nicht bestätigen können. Auch soweit Dr. Ö. angibt, die familiäre Integration sei gestört, da die Familie mit der Erkrankung nicht umgehen könne, kann der Senat daraus keine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ableiten, sodass der Bewertung des GdB durch Dr. Ö. mit 30 nicht gefolgt werden kann.
Vor diesem Hintergrund konnte der Senat feststellen, dass der vom Beklagten zuletzt angenommene Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche nicht zu Lastend es Klägers rechtswidrig zu niedrig angesetzt wäre.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen. Auch ergeben sich solche nicht aus dem am 10.07.2015 beim LRA gestellten Antrag, in dem der Kläger auf eine mittelgradige depressive Episode, eine Radikulopathie im Lumbalbereich, eine Koxarthrose und "sonstige biomechanische Funktionsstörungen im Sakralbereich" angegeben hatte, denn diese Gesundheitsstörungen sind bereits in der vom Senat vorgenommenen Beurteilung enthalten. Soweit der Kläger eine Entheropathie gelten gemacht hat, ergab sich aus den vorliegenden ärztlichen Befunden und auch den Angaben des mit 171 cm und 82 kg (vgl. Messung bei Dr. S. ) und einem BMI von 28 kg/m2 präadipösen und in gutem Allgemeinzustand stehenden Klägers kein Hinweis auf eine relevante Einschränkung des Ernährungs- und Kräftezustandes, mithin auf einen GdB von mindestens 10 i.S.d. B Nr. 10 VG.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme (Schulter), - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine (Hüften und Fehlstatik), - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche. Nachdem beim Kläger vorliegend von zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 20 auszugehen ist und kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat einen Gesamt-GdB i.S.d. § 69 Abs. 1 SGB IX i.H.v. insgesamt allenfalls 30 feststellen.
Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der beim Kläger insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 40 bzw. die Schwerbehinderteneigenschaft, mithin einen GdB von 50, vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht entsprechend schwer funktionell in seiner Teilhabe im Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grad der Behinderung (GdB; mindestens 50 statt 30) seit 21.02.2013 zusteht.
Der 1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger (zur Aufenthaltsberechtigung vgl. Blatt 4, 64 der Beklagtenakte). In Ausführung eines vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart geschlossenen Vergleichs stellte das Landratsamt B. (LRA) mit Bescheid vom 29.06.2011 (Blatt 67/68 der Beklagtenakte) den GdB mit 30 seit dem 07.12.2009 fest.
Am 21.02.2013 beantragte der Kläger beim LRA die höhere (Neu-)Feststellung des GdB (Blatt 76/78 der Beklagtenakte). Zur Begründung seines Antrags verwies er auf einen Tennisellenbogen, ein femoroacetabuläres Impingement der rechten Hüfte, eine acetabuläre Zyste rechte Hüfte, einen Bandscheibenvorfall der LWS, eine Operation an der linken Schulter und Depressionen und Schlafstörungen.
Das LRA holte vom Arzt für Allgemeinmedizin Dr. M. den Befundschein vom 06.03.2013 (dazu vgl. Blatt 83/85 der Beklagtenakte) ein. Der Versorgungsarzt Dr. Wi. schätzte in seiner Stellungnahme vom 30.04.2013 der GdB auf 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks (GdB 30); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 10); Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, operiert (GdB 10); Chronisches Schmerzsyndrom, funktionelle Organbeschwerden, psychovegetative Störungen (GdB 10)). Das LRA lehnte daraufhin mit Bescheid vom 11.06.2013 (Blatt 89/90 der Beklagtenakte) die höhere (Neu-)Feststellung des GdB ab.
Mit seinem Widerspruch vom 17.06.2013 (Blatt 93 der Beklagtenakte) wies der Kläger darauf hin, dass sich der Gesundheitszustand gravierend verschlechtert habe, es bestehe Multimorbidität.
Am 05.07.2013 beantragte der Kläger beim LRA erneut einen höheren GdB (Blatt 94/95 der Beklagtenakte); er verwies auf rezidivierende depressive Episoden, eine somatoforme Schmerzstörung und ein Impingement der Schulter.
Das LRA zog Befundunterlagen des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Ö. (dazu vgl. 98/100 der Beklagtenakte) und von Dr. Ma. (dazu vgl. Blatt 104/118 der Beklagtenakte) bei. Der Versorgungsarzt Dr. K. schätzte in seiner Stellungnahme vom 16.09.2013 (Blatt 120/121 der Beklagtenakte) den GdB auf 30 (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks (GdB 30); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 10); Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, operiert (GdB 10); Chronisches Schmerzsyndrom, funktionelle Organbeschwerden, psychovegetative Störungen (GdB 10)).
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2013 (Blatt 123 der Beklagtenakte) wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat hiergegen am 10.10.2013 beim SG Klage erhoben und auf einen Tennisellenbogen, ein femoroacetabuläres Impingement der rechten Hüfte, eine acetabuläre Zyste der rechten Hüfte, einen Bandscheibenvorfall der LWS, eine Operation der Schulter und Depressionen/Schlafstörungen sowie den Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung verwiesen.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 28/53, 54/57 und 58/66 der SG-Akte Bezug genommen. Der Chirurg Dr. Z. hat dem SG am 18.11.2013 geschrieben, die Beschwerden im Bereich der Hüftgelenke seien als mittelgradig einzustufen. 2009 seien Beschwerden im Bereich der Lumbosakralgegend und des Beckens mit verstärkter Kyphosierung der Brustwirbelsäule im Röntgen sowie einer Hypolordosierung der Lendenwirbelsäule angegeben worden. Hinsichtlich der GdB-Bewertung schloss er sich der ihm überlassenen Einschätzung des Versorgungsarztes Dr. K. an. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Ö. hat mit Schreiben vom 02.12.2013 eine als mittelgradig einzuschätzende depressive Episode mitgeteilt. Ein Teil-GdB von 30 erscheine angebracht. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. M. hat dem SG am 11.12.2013 schmerzhafte Bewegungseinschränkungen von Seiten des Hüftgelenks seit 2009, die bisher keiner effektiven Klärung und Therapie zugeführt worden seien, angegeben. Die Bewertung mit einem GdB von 30 sei nicht zu beanstanden.
Am 10.07.2015 hat der Kläger beim LRA erneut die höhere (Neu-)Feststellung des GdB beantragt (Blatt 130/132 der Beklagtenakte). Zu diesem Antrag gab er eine mittelgradige depressive Episode, eine Radikulopathie im Lumbalbereich, eine Koxarthrose, eine Entheropathie und "sonstige biomechanische Funktionsstörungen im Sakralbereich" an.
Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. E ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 27.08.2015 (Blatt 96/125 der SG-Akte) nach Untersuchung des Klägers am 13.05.2015 auf psychiatrisch-psychotherapeutisch-psychosomatischen Fachgebiet eine depressive Störung leichter bis mittelschwerer Ausprägung dargestellt und mit einem GdB von 20 bewertet und unter Berücksichtigung weiterer GdB-Werte von 30 für die Funktionsminderung des rechten Hüftgelenks, von 10 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und 10 für die Funktionsbehinderung beider Schultern den Gesamt-GdB seit Februar 2013 auf 40 geschätzt.
Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 30.12.2015 (Blatt 130/131 der SG-Akte) weiterhin an einem GdB von 30 festgehalten (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks (GdB 20); Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 10); Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, operiert (GdB 10); Depressive Verstimmung, psychovegetative Störungen, funktionelle Organbeschwerden (GdB 20)). Dem ist der Kläger mit Schreiben vom 18.01.2016 (Blatt 133 der SG-Akte) unter Hinweis auf das Gutachten von Dr. E. entgegengetreten.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 27.06.2016 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 30. Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche sei der GdB mit 20 zu bewerten, was Dr. E. bestätigt habe. Die Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks sei ebenfalls mit einem GdB von 20 zu bewerten. Stärkere Bewegungseinschränkungen, die einen GdB von 30 bedingten, seien nicht nachgewiesen. Auch könnten die Beeinträchtigungen des Klägers nicht höher angesetzt werden, als bei einer beidseitigen Prothesenversorgung, die ebenfalls einen GdB von 20 bedingen würde. Dass zuvor ein GdB von 30 angenommen worden sei, sei unschädlich. Auch die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule und der Schultergelenke seien mit einem GdB von jeweils 10 ausreichend bewertet. Insgesamt sei der GdB mit 30 festzustellen.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 04.07.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 03.08.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Aufgrund falscher Beweiswürdigung sei das SG zu einem Gesamt-GdB von 30 gekommen. Zu Unrecht setze das SG für die Coxarthrose des rechten Hüftgelenks mit Zystenbildung einen GdB von 20 an, auch der Beklagte sei ursprünglich von einem höheren GdB ausgegangen. Ab Antragstellung sei mindestens von einem Teil-GdB 30 und ab einem späteren Zeitpunkt wegen weiterer Verschlechterungen des Gesundheitszustandes von einem Teil-GdB 40 auszugehen, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Wirbelsäulenerkrankung. Gehe man zusätzlich davon aus, dass mit Dr. Ö. auf psychiatrischem Fachgebiet ein Teil-GdB von 30 festzustellen sei, verbleibe ein Gesamt-GdB von 40 bzw. 50. Für die Bewertung von Dr. Ö. spreche durchaus auch diejenige von Dr. E. , der den GdB mit "mindestens 20" angegeben habe.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.06.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 11.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2013 zu verpflichten, bei ihm einen GdB von mindestens 50 seit 21.02.2013 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sachargumente, die eine abweichende Beurteilung begründeten, seien der Berufungsschrift nicht zu entnehmen. Eine zwischenzeitliche Verschlechterung des Hüftleidens sei nicht belegt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens beim Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. H. sowie eines Gutachtens beim Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S ...
Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 30.12.2016 (Blatt 27/53 der Senatsakte) nach Untersuchung des Klägers am 20.12.2016 ein Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung, ohne höhergradige degenerative Veränderungen und ohne Nervenwurzelreiz- oder –ausfallserscheinungen, ein Impingementsyndrom beider Schultergelenke, ohne höhergradige Funktionsbeeinträchtigung, ein femoro-acetabulares Impingement der Hüftgelenke rechts, geringfügig links, mit sehr diskreten degenerativen Veränderungen und leichtem Bewegungsdefizit rechts, eine Adduktorentenopathie bds., ein femoropatellares Schmerzsyndrom bds. und eine diskrete Fehlstatik des rechten Fußes als Senk- und Spreizfuß dargestellt. Die Funktionsbeeinträchtigungen der oberen Extremitäten hat er mit einem GdB unter 10, diejenigen der Lendenwirbelsäule mit einem GdB von 10 und diejenigen der unteren Extremitäten mit einem GdB von 20 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er auf 30 seit der letzten Antragstellung geschätzt.
Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 10.04.2017 (Blatt 56/99 der Senatsakte) nach Untersuchung des Klägers am 27.03.2017 chronische depressive Verstimmungen im Sinne einer Dysthymia diagnostiziert und mit einem GdB von 10 bewertet. Den Gesamt-GdB hat er mit 20 bewertet.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 102, 104 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des LRA vom Bescheid vom 11.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf (Neu-)Feststellung eines höheren GdB als 30.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 ff.). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Einzel- oder Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss damit durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Die Bemessung des Gesamt-GdB (dazu s. unten) erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB - nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB, sondern durch einen Vergleich der im zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen – bei Feststellung der Schwerbehinderung ist der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grds. weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 – L 8 SB 5215/13 – juris RdNr. 31) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nämlich nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau und unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit einen höheren Gesamt-GdB als 30 nicht rechtfertigen.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen. Nach B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulen-abschnitten ein GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB von 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in mindestens zwei Wirbelsäulenabschnitten (Senatsurteil 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 - juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z.B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt.
Der Senat konnte in diesem Funktionssystem anhand des Gutachtens von Dr. H. mit dem SG feststellen, dass beim Kläger ein Lumbalsyndrom bei Fehlhaltung, ohne höhergradige degenerative Veränderungen und ohne Nervenwurzelreiz- oder -ausfallserscheinungen besteht, das mit einem GdB von 10 zu bewerten ist. Dr. H. konnte einen Fingerspitzen-Boden-Abstand (FBA) von 25 cm feststellen, das Schober’sche Zeichen betrug 10/14,5 cm. Die Rückneigefähigkeit des Oberkörpers gelang bis 30 Grad, die Rotation zur Beckenebene rechts und links ebenfalls jeweils 30 Grad mit Schmerzäußerungen der mittleren Brust- und auch der oberen Lendenwirbelsäule. Bei der betastenden Untersuchung konnte Dr. H. diskrete Muskelspannungsstörungen von der Übergangszone Brust-/Lendenwirbelsäule bis etwa in Höhe des 3. Lendenwirbels reichend feststellen. Tastbaren Muskelknötchen und Ausstrahlungen in die Beine bestanden nicht, ließen sich auch nicht auslösen. Die Brustwirbelsäule war mit einer Entfaltbarkeit nach Ott mit 30/32,5 cm frei beweglich, es bestand eine leicht vermehrte Tonuserhöhung der dorsalen Rückenstreckmuskulatur mit Druckschmerz etwa TH6 bis TH12, ohne tastbare Muskelknötchen und ohne isolierte Schmerzen über den Wirbelverbindungs- oder Rippenwirbelgelenken der Brustwirbelsäule und auch kein Thoraxkompressionsschmerz. Dr. H. hat folgende Bewegungsmaße gemessen: Halswirbelsäule Vornüberneigen/Rückführen Kinn-Jugulumabstand 0/16 cm Rotation rechts/links 60/0/60o Seitneigung rechts/links 40/0/40o Lendenwirbelsäule Seitneigung (aus Fingerspitzen-Kniegelenksabstand von 20 cm ) rechts und links jeweils 1 cm Rückneigung 30o Vorneigung (FBA) 25 cm Rotation rechts/links je 30 o
Damit hat Dr. H. lediglich Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt (LWS) mit geringen funktionellen Auswirkungen beschrieben. Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität sind gering ausgeprägt, es bestehen allenfalls seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome in einem Wirbelsäulenabschnitt, auch neurologisch Ausfallzeichen bestehen nicht (z.B. bds. negatives Lasègue), sodass der Senat den GdB in diesem Funktionssystem lediglich mit 10 feststellen konnte, was auch der Bewertung durch die Versorgungsärzte und den Befunden, die die behandelnden Ärzte mitgeteilt haben entspricht.
Im Funktionssystem der Arme hat der Senat das Impingementsyndrom beider Schultergelenke, ohne höhergradige Funktionsbeeinträchtigung, berücksichtigt. Der hierfür vom Beklagten bisher angenommene GdB von 10 ist nicht zu Lasten des Klägers rechtswidrig zu niedrig. Auf Grundlage der vorliegenden ärztlichen Befunde, insbesondere des Gutachtens von Dr. H. , konnte der Senat feststellen, dass eine Versteifung eines oder beider Schultergelenke, eine Instabilität eines oder beider Schultergelenke, eine Schlüsselbeinpseudarthrose, eine Verkürzung eines oder beider Arme, eine Oberarmpseudarthrose oder ein Riss der langen Bizepssehne nicht vorliegt. Es besteht insoweit lediglich eine gewisse Bewegungseinschränkung beider Schultergelenks bei der Armhebung als die Arme nur bis 140o (rechts) bzw. 150o (links) gehoben werden können. Soweit der Beklagte daher nach B Nr. 18.13 VG einen GdB von 10 angenommen hat, ist dieser nicht zu niedrig festgesetzt.
Im Funktionssystem der Beine hat der Senat die Gesundheitsstörungen der Hüfte, der Knie und der Füße insgesamt mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Hier konnte der Senat auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. H. ein femoro-acetabulares Impingement der Hüftgelenke rechts, geringfügig links, mit sehr diskreten degenerativen Veränderungen und leichtem Bewegungsdefizit rechts sowie eine Adduktorentenopathie bds. feststellen. An den Knien besteht ein femoropatellares Schmerzsyndrom bds. und an den Füßen eine diskrete Fehlstatik des rechten Fußes als Senk- und Spreizfuß. Letztere ist als andere Fußdeformität, da ihre statischen Auswirkungen lediglich geringen Grades sind, mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten.
Bezüglich der Knie konnte der Senat mit dem Gutachten von Dr. H. eine Versteifung eines oder beider Kniegelenke, eine Lockerung des Kniebandapparates, einen Kniescheibenbruch und eine habituelle Kniescheibenverrenkung nicht feststellen können. Bei Beweglichkeit der Kniegelenke von beidseits 0-0-140o (vgl. Blatt 39 der Senatsakte = Seite 13 des Gutachtens Dr. H. ) konnte der Senat auch keine GdB-relevanten Bewegungseinschränkungen feststellen. Es besteht weder eine Kapselschwellung, noch eine Überwärmung, auch keine intraarticuläre Flüssigkeitsansammlung. Der Kläger hatte dagegen Dr. H. Druckschmerzen am inneren und äußeren Kniescheibenrand, rechts mehr als links, angegeben. Dieses femoropatellare Schmerzsyndrom bds. bedingt daher mangels funktioneller Auswirkungen auf die Kniegelenksfunktion keinen Teil-GdB.
An den Hüftgelenken besteht ein femoro-acetabulares Impingement mit sehr diskreten degenerativen Veränderungen sowie eine Adduktorentenopathie bds. Es besteht hier eine Schmerzangabe im Bereich der Adduktorenmuskulatur an den Schambeinen bds. mit Dehnungsschmerzen. Als auffällig hat Dr. H. eine Außendrehhaltung des rechten Beins im Liegen beschrieben. Schmerzen über der ventralen Hüftgelenkskapsel bzw. dem großen Rollhügel beider Hüftgelenke konnte Dr. H. nicht feststellen. Der Senat konnte auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Befunden eine Versteifung eines oder beider Hüftgelenke, eine Hüftdysplasie, eine Hüftgelenksresektion, eine schnappende Hüfte und auch eine Beinverkürzung nicht feststellen. Dagegen besteht eine geringfügige Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke. Dr. H. hat hier folgende Werte gemessen: Beugung/Streckung Normal 130-0-0/10o rechts 120-5-0 o links 120-0-0 o Damit erreicht die Bewegungseinschränkung noch nicht das Mindestmaß der GdB-relevanten Einschränkung von 90-10-0 o nach B Nr. 18.14 VG.
Damit hat sich auch an den Hüftgelenken lediglich ein leichtes Funktionsdefizit und eine Muskelspannungsstörungen im Bereich der Anspreizmuskeln der sog. Adduktoren gezeigt. Röntgenologisch hatte Dr. H. ausgeführt, korreliere dies mit sehr diskreten Umbauvorgängen. Auch die bisherige Diagnostik mittels Kernspintomographie an mehreren Kliniken hatte Degenerationen des Weichteilapparats des Hüftgelenks, ein sog. femoro-acetabuläres Impingement, gezeigt. In diesem Zusammenhang können auch kleine Zysten entstehen, wie Dr. H. ausgeführt hat. Eine höhergradige Funktionsbehinderung lässt sich dem jedoch nicht entnehmen. So war eine Beeinträchtigung des Gangbilds und eine stärkere Beeinträchtigung der Gehstrecke oder der Mobilität bei Dr. H. nicht zu erkennen. Soweit Dr. H. daher den GdB mit 20 eingeschätzt hatte, muss dies als nachvollziehbar aber großzügig bewertet angesehen werden. Dieser großzügigen Einschätzung schließt sich der Senat an.
Soweit der Beklagte früher einen Teil-GdB von 30 für die Gesundheitsstörungen der Hüftgelenke angenommen hatte, so ist diese Annahme weder in Bestandskraft erwachsen noch bindet diese den Senat. Vielmehr hat der Senat auf Grundlage der vorliegenden Befunde die funktionellen Auswirkungen der Hüftgelenksschäden zu bewerten; diese funktionellen Auswirkungen sind, auch wenn sie schmerzhaft sind, lediglich gering. Soweit Prof. Dr. W. und Dr. E. in den Berichten vom 07.05.2010, 23.06.2010 und 05.11.2013 (Blatt 42/43, 44/45 und 65/66 der SG-Akte) eine Beweglichkeit der rechten Hüfte von 0-0-90o bzw. 0-20-90o angegeben hatten, stellt dies keinen anhaltenden Zustand dar, was sich gerade am Bericht von Dr. St. vom 08.07.2013 zeigt, der eine Beweglichkeit der rechten Hüfte von (Extension/Flexion) 0-0-120o (Blatt 30/31 der SG-Akte) beschrieben hatte. Damit konnte der Senat eine andauernde mehr als geringfügige Bewegungsbeeinträchtigung nicht feststellen. Ein höherer Teil-GdB als 20 für beide Hüften war daher nicht anzunehmen.
Insgesamt konnte der Senat im Funktionssystem der Beine – auch unter Berücksichtigung der gegenseitigen Auswirkungen und Überschneidungen – einen höheren Einzel-GdB als 20 nicht feststellen.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche hat der Senat keinen höheren GdB als 20 annehmen können. Hier besteht eine chronische depressive Verstimmungen i.S. einer Dysthymia, wie Dr. S. in seinem Gutachten feststellen konnte. Der Gutachter Dr. E. hat im SG-Verfahren im Ergebnis dieselbe Gesundheitsstörung mit der Diagnose einer depressiven Störung leichter bis mittelschwerer Ausprägung beschrieben, was im Ergebnis unter Berücksichtigung eines nachvollziehbar schwankenden Verlauf derartiger Erkrankungen mit der Beurteilung durch Dr. S. zusammen passt.
Nach B Nr. 3.7 VG sind Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen als leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 und als stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten.
Vorliegend ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht besteht.
In der Untersuchung bei Dr. S. waren Gestik und Mimik angemessen. Es ergab sich klinisch kein Anhalt für eine manifeste Simulation oder Dissimulation. Im interaktionellen Verhalten war der Kläger freundlich zugewandt und höflich. Die Sprache war regelrecht moduliert, fest. Es bestanden keine Sprechstörungen wie Stammeln oder Stottern. Es lagen keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Auffassung und der Konzentration vor. Ebenso ließen sich keine Gedächtnisstörungen nachweisen. Es hatte sich keine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung gezeigt, auch wenn der Kläger in der Gutachtenssituation nicht sehr lebhaft gewirkt hatte. In der Grundstimmung war er subdepressiv bzw. dysthym. Die affektive Resonanzfähigkeit war leicht eingeschränkt und eher zum negativen Pol hin verschoben aber nicht aufgehoben. So konnte der Kläger durchaus spontan und mehrfach authentisch lächeln. Das formale Denken war nicht verlangsamt, es war folgerichtig. Eine vermehrte Grübelneigung bzw. ein Gedankenkreisen wurde berichtet, inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen, dissoziative oder somatische Störungen bestehen ebenso wenig wie eine endogene circadiane Rhythmik der Stimmungslage.
Der Kläger verfügt über gute soziale Kontakte. So hat er gute Kontakte zur Familie, arbeitet in Vollzeit und hat einen geplanten und gut ausgefüllten Tagesablauf (dazu vgl. Blatt 66 der Senatsakte = Seite 11 des Gutachtens Dr. S. ). Dieser wird auch durch Moscheebesuche, Besuche der Kinder und Enkel, Spaziergänge, Gartenarbeit und Beschäftigung in der Garage geprägt; einen wesentlichen sozialen Rückzug oder eine Einengung auf das Krankheitsgeschehen konnte der Senat dabei nicht erkennen. Vielmehr ist der Kläger in der Lage, seinen Alltag mit Arbeit, Familie und Freizeit zu gestalten und zu erleben.
Dazu passt auch, dass eine kontinuierliche, fachärztlich betreute Therapie nicht stattfindet. Zwar verordnet der Hausarzt Ibuprofen 600 mg, wovon der Kläger eine bis drei Tabletten am Tag einnimmt, eine kontinuierliche Psychopharmakotherapie erfolgt aber nicht. Dr. S. hat der Kläger mitgeteilt, er nehme bei Bedarf – ebenfalls vom Hausarzt rezeptiert, Doxepin 25 mg 1/2 bis 1 Tablette etwa zweimal pro Woche. Ein relevanter antidepressiver Effekt kann bei der bedarfsweisen Einnahme von Doxepin und dann auch in dieser Dosis nicht erwartet werden, was Dr. S. in seinem Gutachten dargelegt hat; die übliche Tagesdosis in der Behandlung depressiver Syndrome bei erwachsenen Menschen liege für Doxepin bei 150 mg. Der Kläger hat sich auch zuletzt vor etwa zwei Jahren ambulant bei Dr. Ö. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in S. , vorgestellt und auch nach einer stationären Rehabilitation in der M.-B.-Klinik die Behandlung nicht wieder aufgenommen.
Eine stärker beeinträchtigende Erkrankung konnte der Senat auch den Ausführungen von Dr. E. nicht entnehmen. Dort ist berichtet, der Kläger habe die vom Nervenarzt verordneten Medikamente nicht bekommen und nehme stattdessen Ibuprofen und ein pflanzliches Mittel. Im Übrigen hat der Kläger einen der Schilderung bei Dr. S. vergleichbaren Tagesablauf mit Arbeit, Freizeit, Familie und Moscheebesuchen dargestellt. Auch sind die psychopathologisch erhobenen Befunde des Dr. E. (dazu vgl. Blatt 116/117 der SG-Akte = Seite 21/22 des Gutachtens) denjenigen des Gutachtens von Dr. S. gleichartig, sodass sich auch insoweit eine Abweichung nicht erheben lässt. Dagegen hat Dr. E. deutliche Rückzugs- und Isolationstendenzen und eine im familiären Umfeld deutlich reduzierte Alltagsbewältigung beschrieben (Blatt 120 der SG-Akte = Seite 25 des Gutachtens), doch konnte der Senat dies auch anhand seiner Angaben im Gutachten nicht nachvollziehen.
Soweit Dr. Ö. in seiner Auskunft gegenüber dem SG eine mittelgradige depressive Episode beschrieben hat, hat er zugleich mit der Diagnose einer Episode deutlich gemacht, dass die Erkrankung einen schwankenden bzw. keinen dauerhaft gleichbleibend starken Verlauf hat. Soweit Dr. Ö. eine soziale Desintegration am Arbeitsplatz durch Widerwillen bei der Tätigkeit beschrieben hat, hat der Kläger dies bei den Gutachtern Dr. E. und Dr. S. nicht bestätigen können. Auch soweit Dr. Ö. angibt, die familiäre Integration sei gestört, da die Familie mit der Erkrankung nicht umgehen könne, kann der Senat daraus keine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ableiten, sodass der Bewertung des GdB durch Dr. Ö. mit 30 nicht gefolgt werden kann.
Vor diesem Hintergrund konnte der Senat feststellen, dass der vom Beklagten zuletzt angenommene Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche nicht zu Lastend es Klägers rechtswidrig zu niedrig angesetzt wäre.
Weitere - bisher nicht berücksichtigte - GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen. Auch ergeben sich solche nicht aus dem am 10.07.2015 beim LRA gestellten Antrag, in dem der Kläger auf eine mittelgradige depressive Episode, eine Radikulopathie im Lumbalbereich, eine Koxarthrose und "sonstige biomechanische Funktionsstörungen im Sakralbereich" angegeben hatte, denn diese Gesundheitsstörungen sind bereits in der vom Senat vorgenommenen Beurteilung enthalten. Soweit der Kläger eine Entheropathie gelten gemacht hat, ergab sich aus den vorliegenden ärztlichen Befunden und auch den Angaben des mit 171 cm und 82 kg (vgl. Messung bei Dr. S. ) und einem BMI von 28 kg/m2 präadipösen und in gutem Allgemeinzustand stehenden Klägers kein Hinweis auf eine relevante Einschränkung des Ernährungs- und Kräftezustandes, mithin auf einen GdB von mindestens 10 i.S.d. B Nr. 10 VG.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris).
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme (Schulter), - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Beine (Hüften und Fehlstatik), - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche. Nachdem beim Kläger vorliegend von zu berücksichtigenden höchsten Einzel-GdB von 20 auszugehen ist und kein Fall vorliegt, in denen ausnahmsweise GdB-Werte von 10 erhöhend wirken, konnte der Senat einen Gesamt-GdB i.S.d. § 69 Abs. 1 SGB IX i.H.v. insgesamt allenfalls 30 feststellen.
Insgesamt ist der Senat unter Berücksichtigung eines Vergleichs der beim Kläger insgesamt vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und deren gegenseitigen Auswirkungen einerseits und derjenigen Fälle, für die die VG einen GdB von 40 bzw. die Schwerbehinderteneigenschaft, mithin einen GdB von 50, vorsehen andererseits, zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht entsprechend schwer funktionell in seiner Teilhabe im Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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