L 5 KR 2817/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 4156/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2817/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für die Rückerstattung der Aufwendungen, die der Sozialhilfeträger einer Krankenkasse für die Gewährung von Krankenbehandlung an einen hilfebedürftigen Leistungsempfänger nach Maßgabe des § 264 Abs. 7 SGB V zu Unrecht erstattet hat, gilt § 112 SGB X. Erstattungspflichtig nach § 264 Abs. 7 Satz 1 SGB V ist, unabhängig von der An- oder Abmeldung des Hilfeempfängers, der (materiell-rechtlich) zuständige Sozialhilfeträger.

Geht bei (Rück-)Erstattungsfällen der Phase kontroverser Auseinandersetzung der Leistungsträger zunächst eine Phase kooperativer Ermittlungen auf der Grundlage einer (stillschweigenden) „Überprüfungsvereinbarung“ (vgl. BGH, Urteil vom 30.10.2007, - X ZR 101/06 -, juris) voraus, wird während der Ermittlungsphase grundsätzlich (noch) - die Verjährung hemmend - „verhandelt“ i.S.d. § 203 Satz 1 BGB (i.V.m. § 113 Abs. 2 SGB X); die während der Ermittlungsphase verstrichene Zeit wird der spätere (Rück-)Erstattungsschuldner regelmäßig nicht als Verjährungszeit zur Anspruchsabwehr geltend machen können, namentlich, wenn sich die kooperativen Ermittlungen wegen in der Sphäre des (Rück-)Erstattungsschuldners liegender Umstände verzögert haben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.05.2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 78.210,59 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Rückerstattung von Beträgen (77.370,59 EUR zzgl. Arzt- und Verwaltungspauschale i.H.v. 840,00 EUR), die er der Beklagten für die Gewährung von Leistungen der Krankenbehandlung nach Maßgabe des § 264 Abs. 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erstattet hat (Zeitraum Januar 2005 bis August 2006).

Der Kläger ist als Landkreis Träger der Sozialhilfe. Mit Schreiben vom 15.09.2004 meldete er den 1963 geborenen H.-J. R., seinerzeit Bezieher von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII, Hilfe zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff. SGB XII), ohne festen Wohnsitz (im Folgenden: R.), gemäß § 264 Abs. 1 SGB V bei der Beklagten als Leistungsbezieher an. R. sei am 05.08.2004 in eine Einrichtung für Obdachlose in R. (Einrichtung "Sp.") aufgenommen worden. Es werde um Übersendung der Krankenversichertenkarte gebeten.

Mit Schreiben vom 05.10.2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, R. habe die Einrichtung "Sp." verlassen. Der Sozialhilfebezug sei zum 30.09.2004 beendet worden und es bestehe kein Leistungsanspruch mehr. In der Anlage werde die Krankenversichertenkarte des R. zurückgegeben.

In der Folgezeit wurde R. im Zuständigkeitsbereich des Klägers noch kurzzeitig im V.-v.-P.-H., R., stationär (psychiatrisch) behandelt und deswegen bei der Beklagten erneut als Leistungsbezieher befristet bis 31.12.2004 angemeldet. Auf einer Liste aller durch die Beklagte betreuten Sozialhilfeempfänger des Klägers vom 28.11.2004 vermerkte der Kläger bzgl. des R., dass er Sp.Bewohner und weiter Betreuter (§ 264 Abs. 2 SGB V) als Haushaltsvorstand sei, die Rechtslage sei noch unklar. Unter dem 21.12.2004 eröffnete die Beklagte den bzgl. des R. zum 31.12.2004 beendeten Datensatz wieder zum 01.01.2005. Ab 01.01.2005 hielt sich R. u.a. in R. und K., jedoch nicht mehr im Zuständigkeitsbereich des Klägers auf und er bezog vom Kläger auch keine Leistungen mehr. Ab 29.08.2006 bezog R. Leistungen nach dem SGB XII vom Landratsamt R ...

Die Beklagte stellte dem Kläger (auch) für die Zeit nach dem 01.01.2005 weiterhin Krankenbehandlungskosten des R. zur Erstattung in Rechnung.

Mit Schreiben vom 17.08.2006 teilte der Kläger der Beklagten mit, man habe festgestellt, dass sie Krankenbehandlungskosten für bereits abgemeldete oder verstorbene Personen zur Erstattung abgerechnet habe. Die Beklagte möge die (in der Anlage zu dem Schreiben aufgeführten) Fälle (u.a. den Fall des R.) überprüfen und zu Unrecht erstattete Krankenbehandlungskosten zurückerstatten.

Am 20.06.2007 erstattete die Beklagte dem Kläger ihr vom diesem erstattete Krankenbehandlungskosten des R. für die Zeit von September bis Dezember 2006 zurück.

In einem Telefongespräch vom 25.06.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Angelegenheit werde (weiter) geprüft.

Mit Schreiben vom 24.07.2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, R. sei lediglich vom 05.08.2004 bis 30.09.2004 in R. als Betreuungsfall gemeldet gewesen. Die An- und Abmeldungen (bei der Beklagten) würden in Kopie beigefügt.

Mit Schreiben vom 20.10.2008 bat der Kläger die Beklagte um Überprüfung der ihm für die Zeit vom 30.08.2004 bis 30.09.2007 zur Erstattung in Rechnung gestellten Krankenbehandlungskosten des R. i.H.v. 103.269,15 EUR (abzüglich eines Rückerstattungsbetrags von 554,41 EUR). Aus seinen Akten gehe hervor, dass sich R. nur 2 Monate in seinem Zuständigkeitsbereich aufgehalten habe (05.08.2004 bis 30.09.2004). Er sei auch nur bis 30.09.2004 bei der Beklagten angemeldet gewesen. Es werde um Mitteilung gebeten, wie sich die ihm zur Erstattung in Rechnung gestellten Krankenbehandlungskosten zusammensetzten bzw. wo R. für welche Zeit behandelt worden sei. Dem Schreiben war eine Aufstellung des Kostenaufwands für R. (Quartale 1/2004 bis 3/2007) beigefügt.

In einem Telefongespräch vom 11.11.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Vorgang sei an die A. St. weitergeleitet worden. Nach einer (Zwischen-)Nachfrage des Klägers bei der A. St. teilte die Beklagte ihm mit E-Mail vom 21.11.2008 mit, Anfang Dezember werde nochmals eine Aufstellung der erstattungsfähigen Kosten übermittelt. Mit Schreiben vom 17.02.2009 fragte der Kläger erneut bei der Beklagten nach.

Mit Schreiben vom 04.03.2009 und 12.03.2009 erkannte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Rückerstattung von ihm erstatteter Krankenbehandlungskosten des R. für das Quartal 3/2006 i.H.v. 3.354,45 EUR zzgl. einer Arztpauschale i.H.v. 44,08 EUR bzw. für die Quartale 4/2006 und 2/2007 i.H.v. jeweils 6.421,58 EUR an. R. sei vom 01.08.2006 bis 15.08.2006 rückwirkend (über das zuständige Jobcenter) pflichtversichert worden.

Mit Schreiben vom 28.12.2009 machte der Kläger die Rückerstattung von Krankenbehandlungskosten des R. i.H.v. 77.370,59 EUR geltend; die Beklagte hatte ihm zuvor auf Anfrage (u.a. auch Telefongespräch am 10.03.2009) mit Schreiben vom 29.05.2009 Ausdrucke über Krankenbehandlungskosten (Krankenhausabrechnungen) des R. übersandt. Zur Begründung führte der Kläger aus, R., der in den vergangenen Jahren ohne festen Wohnsitz in Deutschland unterwegs gewesen sei, habe seinen Zuständigkeitsbereich bereits Ende 2004 wieder verlassen, weshalb er, der Kläger, für die weitere Leistungsgewährung nicht mehr zuständig gewesen sei. Dennoch habe die Beklagte ihm weiterhin Krankenbehandlungskosten des R. bis einschließlich 28.08.2006 zur Erstattung in Rechnung gestellt. Nach sehr aufwändigen und langwierigen Ermittlungen, die man erst jetzt habe abschließen können, sei festgestellt worden, dass Krankenbehandlungskosten für die Zeit vom 08.01.2005 bis 28.08.2006 zu Unrecht erstattet worden seien.

Mit Schreiben vom 18.01.2010 lehnte die Beklagte die Rückerstattung von Krankenbehandlungskosten ab. R. sei bei ihr als zuständiger Krankenkasse angemeldet worden. Deswegen habe sie die Leistungserbringung und die Übersendung der Krankenversichertenkarte veranlasst. Der Kläger müsse die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen beim (in Wahrheit) zuständigen Sozialhilfeträger gemäß § 103 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geltend machen.

Mit Schreiben vom 20.01.2010 führte der Kläger aus, R. habe sich nur bis 30.09.2004 in der Einrichtung "Sp." aufgehalten. Man habe ihm für die Zeit vom 05.08.2004 bis 30.09.2004 Leistungen gewährt, ihn ordnungsgemäß zum 30.09.2004 bei der Beklagten abgemeldet und der Beklagten die Krankenversichertenkarte zurückgesandt. Nachdem festgestellt worden sei, dass die Beklagte dennoch weiterhin Krankenbehandlungskosten des R. zur Erstattung abgerechnet habe, sei man dem nachgegangen, was äußerst arbeits- und zeitaufwändig gewesen sei, weil R. als Wohnsitzloser im gesamten süddeutschen Raum umhergereist sei. Als erstes Ergebnis der Nachforschungen sei es im Jahr 2008 zur Rückerstattung von Krankenbehandlungskosten i.H.v. 3.391,49 EUR (für die Zeit vom 01.08.2006 bis 15.08.2006) gekommen. In der Folgezeit sei ein weiterer Rückerstattungsbetrag von 16.241,69 EUR (Quartale 4/2006 und 2/2007) gezahlt worden. Die Überprüfung der der Beklagten zu Unrecht erstatteten Krankenbehandlungskosten des R. sei sodann ins Stocken geraten, weil die Beklagte Rechnungen für den Zeitraum 2005 bis 2006 nicht habe zur Verfügung stellen können. Man habe die Abrechnungsunterlagen daher selbst zusammentragen müssen. Erst im Jahr 2009 habe man Unterlagen zu den im Einzelnen abgerechneten Krankenbehandlungskosten des R. über die A. K. ermitteln und die Prüfung fortsetzen können. Abschließend sei festgestellt worden, dass sich R. zu keinem Zeitpunkt mehr in seinem, des Klägers, Zuständigkeitsbereich aufgehalten habe. Er sei in unterschiedlichen Regionen Süddeutschlands ärztlich behandelt worden. Damit habe sich bestätigt, dass er, der Kläger, zur Leistungsgewährung nicht mehr zuständig gewesen sei. Der daraus folgende Rückerstattungsanspruch gegen die Beklagte werde nach Maßgabe des § 112 SGB X geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 24.03.2010 führte der Kläger ergänzend aus, Rückerstattungsansprüche für die Zeit vom 01.10.2004 bis 31.12.2004 würden nur wegen Verjährung nicht geltend gemacht. Eine erneute Anmeldung des R. bei der Beklagten zum 01.10.2004 sei hier nicht aktenkundig.

Mit Schreiben vom 03.12.2010 führte die Beklagte abschließend aus, R. sei bei ihr zwar zum 01.10.2004 angemeldet und zum 31.12.2004 wieder abgemeldet worden. Danach habe sie jedoch eine erneute Anmeldung zum 01.01.2005, verarbeitet am 21.12.2004, erhalten. In einem Vermerk sei angegeben worden, R. halte sich in der Einrichtung "Sp." auf. Wegen der erneuten Anmeldung habe man ihm eine Krankenversichertenkarte zukommen lassen. Die Ummeldung auf einen neuen Sozialhilfeträger (Landkreis R.) sei am 19.02.2007 (Eingang der Anmeldung) zum 29.08.2006 erfolgt. Die Prüfung der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers durch die Krankenkasse sei im Meldeverfahren nicht vorgesehen. Bei Änderungen der Zuständigkeit müsse eine Abmeldung vorgenommen werden. Der Kläger möge sich ggf. an den für R. zuständigen Sozialhilfeträger halten.

Nachdem der Kläger erfolglos angeregt hatte, eine Vereinbarung über den Verzicht auf die Verjährungseinrede abzuschließen (eine den Zeitraum 01.01.2006 bis 27.08.2006 betreffende Verzichtsvereinbarung findet sich nur in der Verwaltungsakte der Beklagten ohne Abgangsvermerk, nicht jedoch in der Verwaltungsakte des Klägers), erhob der Kläger am 28.12.2010 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Es möge festgestellt werden, dass sein Anspruch auf Rückerstattung von Krankenbehandlungskosten i.H.v. 34.876,51 EUR zuzüglich Arzt- und Verwaltungspauschalen für das Jahr 2005 i.H.v. 504,00 EUR nicht verjährt sei und die Beklagte möge zur Rückerstattung von Krankenbehandlungskosten i.H.v 77.370,59 EUR zuzüglich Arzt- und Verwaltungspauschalen i.H.v. 840,00 EUR sowie Zinsen i.H.v. 5 % verurteilt werden. Zur Begründung trug der Kläger - unter Schilderung des Verfahrensganges - u.a. vor, die Beklagte habe auf sein Schreiben vom 20.10.2008, in dem er um Klärung des Sachverhalts gebeten habe, über Wochen nicht geantwortet und sodann mitgeteilt, sie habe das Schreiben an die Abrechnungszentrale in St. gesandt. Dort sei das Schreiben jedoch nicht eingegangen. Die Beklagte habe ihr erstattete Krankenbehandlungskosten des R. für das Jahr 2006 schließlich am 22.04.2009 bzw. 03.06.2009 (12.843,16 EUR bzw. 3.398,53 EUR) zurückerstattet. Er habe versucht, bei der Beklagten Unterlagen über eine Anmeldung des R. zum 01.01.2005 zu erhalten. Die Beklagte habe jedoch lediglich einen Datenabgleich vorgelegt. Sie habe zunächst auch Rechnungen über Krankenbehandlungskosten des R. während der Zeit vom 01.01.2005 bis 28.08.2006 nicht vorlegen können. Diese hätten bei den Niederlassungen der Beklagten in R. und K. angefordert werden müssen (Telefongespräch vom 10.03.2009). Nachdem die Beklagte die Nachweise über die zur Erstattung abgerechneten Krankenbehandlungskosten am 02.06.2009 übersandt habe, habe er, der Kläger, im Dezember 2009 festgestellt, dass er für alle abgerechneten Kosten als Sozialhilfeträger nicht zuständig gewesen sei, weil sich R. nicht mehr in seinem Zuständigkeitsbereich aufgehalten habe. R. sei seit 25.11.2004 in unterschiedlichen Krankenhäusern außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs, vor allem im Landkreis R. und im Landkreis K., behandelt worden. Sein Rückerstattungsanspruch sei nicht verjährt, da er sich seit dem Jahr 2007 um die Richtigstellung des Sachverhalts und die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe; die Verjährung sei daher aufgrund Verhandlungen gehemmt worden (§ 113 Satz 2 SGB X i.V.m. § 203 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB). Nachdem R. die Einrichtung "Sp." zum 30.09.2004 verlassen habe, habe man ihn bei der Beklagten gemäß § 264 Abs. 5 SGB V abgemeldet. Kurz nach Verlassen der Einrichtung "Sp." sei R. allerdings noch für kurze Zeit im V.-v.-P.-H., R., stationär behandelt worden, weshalb man ihn bei der Beklagten erneut vom 01.10.2004 bis 31.12.2004 angemeldet habe. Die Beklagte habe die erneute Anmeldung mit Schreiben vom 03.12.2010 bestätigt. Für die Zeit nach dem 01.01.2005 sei R. aber bei der Beklagten nicht mehr als Leistungsfall angemeldet worden, weil er sich weder in seinem, des Klägers, Zuständigkeitsbereich aufgehalten noch Leistungen von ihm bezogen habe. Die Beklagte müsse die ihr zu Unrecht erstatteten Krankenbehandlungskosten gemäß § 112 SGB V (gemeint wohl: SGB X) zurückerstatten.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der Kläger habe ihr die streitigen Krankenbehandlungskosten nicht zu Unrecht erstattet, weshalb ein Rückerstattungsanspruch nicht bestehe; offenbleiben könne daher, ob die Regelung des § 112 SGB X auf die Erstattung von Aufwendungen nach § 264 Abs. 7 SGB V überhaupt anwendbar sei. R. sei bei ihr zum 01.01.2005 erneut angemeldet worden. Im Zuge der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 01.01.2005 seien aus verwaltungsökonomischen Gründen alle Empfänger von Krankenbehandlungsleistungen nach § 264 SGB V (ohne Asylbewerber) in einem maschinellen Verfahren zum 31.12.2004 bei den Krankenkassen abgemeldet worden. Alle Personen, die auch über den 31.12.2004 hinaus Krankenbehandlung nach § 264 SGB V hätten erhalten sollen, hätten durch den Sozialhilfeträger bei der Krankenkasse erneut angemeldet werden müssen. Allerdings seien weder die Optionskommunen noch die Übergangskommunen nach § 65a Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Lage gewesen, den Krankenkassen die entsprechenden Meldungen auf manuellem Weg zeitnah zu übermitteln. Deshalb sei mit dem Städte- und Landkreistag am 01.12.2004 ein Ersatzmeldeverfahren vereinbart worden, das auch der Kläger angewendet habe. Danach habe sie allen Sozialämtern Listen der nach § 264 Abs. 2 SGB V betreuten Personen zur Verfügung gestellt. Die Sozialämter hätten auf diesen Listen den ab 01.01.2005 geltenden Status des jeweiligen Hilfeempfängers vermerkt. Die Listen seien bis 15.12.2004 an ihre zuständige Bezirksdirektion zurückgesandt worden. Auf der hier maßgeblichen Liste habe der Kläger für R. "Sp.Bewohner" vermerkt und die Spalte "weiterhin Betreuter (§ 264 Abs. 2 SGB V) als Haushaltsvorstand" angekreuzt. Damit sei R. mit Wirkung zum 01.01.2005 bei ihr erneut angemeldet worden. Sie habe R. während der Zeit vom 01.07.2004 bis 30.06.2007 Krankenbehandlungsleistungen gewährt. Die hierfür entstandenen Kosten habe der Kläger gemäß § 264 Abs. 7 SGB V erstattet. Eine rechtswidrige Vermögensverschiebung liege damit nicht vor. Rückerstattungsansprüche für das Jahr 2005 seien im Übrigen gemäß § 113 SGB X verjährt. Gemäß § 264 Abs. 7 SGB V würden die Krankenbehandlungskosten vierteljährlich erstattet; das sei auch hier geschehen. Für Rückerstattungsansprüche des Jahres 2005 sei am 31.12.2009 Verjährung eingetreten. Die Verjährung sei nicht gehemmt gewesen; Verhandlungen zwischen ihr und dem Kläger (§ 203 BGB) hätten nicht stattgefunden. Der Kläger habe lediglich seine vermeintlichen Ansprüche geltend gemacht und sie habe diese zurückgewiesen. Sollte man die teilweise Rückerstattung von Krankenbehandlungskosten am 22.04.2009 und 03.06.2009 als "Verhandeln" i.S.d. § 203 BGB einstufen, wären Rückerstattungsansprüche des Jahres 2005 ebenfalls verjährt. Die genannte Rückerstattung sei auf das Schreiben des Klägers vom 20.10.2008 vorgenommen worden, mit dem ihr eine Aufstellung des Kostenaufwandes für die Zeit vom 01.07.2004 bis 30.06.2007 übersandt worden sei. Damit hätte die Verjährung allenfalls für den Zeitraum vom 20.10.2008 bis 03.06.2009 - also für sieben Monate - gehemmt werden können; die Verjährungsfrist hätte sich über den 31.12.2009 hinaus nur um diese sieben Monate verlängert, so dass der Kläger den Rückerstattungsanspruch mit Schriftsatz vom 28.12.2010 auch dann erst nach Verjährungseintritt geltend gemacht hätte.

Der Kläger wandte ein, das Ersatzmeldeverfahren habe nur "Interimsmeldungen" zum Gegenstand gehabt. Die Beklagte habe darauf hingewiesen, dass es das auf Bundesebene abgesprochene (eigentliche) Meldeverfahren nicht ersetze, sondern nur ergänzend durchzuführen sei. Diese Vorgehensweise sei den Stadt- und Landkreisen durch Rundschreiben der kommunalen Spitzenverbände mitgeteilt worden. Um sicher zu gehen, habe er bei der Beklagten aber gezielt nachgefragt, ob ab 01.01.2005 tatsächlich eine formelle Anmeldung für alle Krankenbehandlungsfälle i.S.d. § 264 SGB V vorzunehmen sei. Die Beklagte habe das mit E-Mail vom 31.01.2005 bestätigt und zusätzlich darauf hingewiesen, dass ohne Anmeldung eine Krankenversichertenkarte nicht ausgegeben werde. Er habe daraufhin sämtliche Fälle mit dem dafür vorgesehenen Anmeldebogen ab 01.01.2005 bei der Beklagten (in St.) angemeldet. Für R. sei eine formelle Anmeldung dieser Art freilich nicht mehr vorgenommen worden. Man habe ihn lediglich vom 05.08.2004 bis 30.09.2004 und nochmals vom 05.10.2004 bis 31.12.2004 bei der Beklagten angemeldet. Daher habe eine maschinelle Abmeldung nach Maßgabe des Ersatzmeldeverfahrens eigentlich gar nicht durchgeführt werden müssen. Auf der von der Beklagten angeführten Anmeldeliste sei für R. zwar der Vermerk "Sp.Bewohner" eingetragen, zusätzlich aber vermerkt worden "Rechtslage noch unklar". Die Beklagte hätte daher bei ihm nachfragen und den Sachverhalt aufklären müssen, zumal Kosten für eine stationäre Behandlung des R. im Zentrum für Psychiatrie, R., (ZfP) vom 25.11.2004 bis 31.12.2004 bereits nicht mehr bei ihm, sondern bei einem anderen, nicht bekannten, Sozialhilfeträger zur Erstattung abgerechnet worden seien. Die Behandlungskosten des ZfP für die Zeit vom 01.01.2005 bis 07.01.2005 habe die Beklagte wiederum aus unerfindlichen Gründen bei ihm zur Erstattung abgerechnet, obwohl ein zusammenhängender Klinikaufenthalt des R. (25.11.2004 bis 07.01.2005) stattgefunden habe. Eine Versichertenkarte für R. sei ihm erst viel später am 27.10.2006 übersandt, der Beklagten jedoch umgehend mit Schreiben vom 23.11.2006 zurückgesandt worden. R. sei ab 01.01.2005 bei der Beklagten nicht mehr als Leistungsfall angemeldet gewesen. Entgegen der Auffassung der Beklagten hätten auch - teils telefonische - Verhandlungen i.S.d. § 203 BGB stattgefunden, die zu der teilweisen Rückerstattung von Krankenbehandlungskosten am 22.04.2009 und 02.06.2009 geführt hätten. Da zur Klärung des Rückerstattungsanspruchs für die Zeit vom 01.01.2005 bis 27.08.2006 keine Reaktion der Beklagten erfolgt sei, habe er die genaue Prüfung selbst in die Wege geleitet und - mit erheblichem Verwaltungsaufwand - geklärt, ob sich R. während der genannten Zeit in seinem Zuständigkeitsbereich aufgehalten habe und wo er ärztlich behandelt worden sei. Die Beklagte habe ihre Abrechnungsunterlagen erst mit Schreiben vom 29.05.2009 zur Verfügung gestellt. Aus diesen Unterlagen habe sich ergeben, dass R. sich seit 25.11.2004 nicht mehr in seinem, des Klägers, Zuständigkeitsbereich aufgehalten habe. Die telefonischen und schriftlichen Klarstellungen, vor allem die Schreiben vom 20.10.2008 und vom 28.12.2009, hätten zur Hemmung der Verjährung geführt. Es ergebe sich auch der Eindruck, dass die Beklagte durch ihr zögerliches Verhalten die Verjährung von Rückerstattungsansprüchen billigend in Kauf genommen, wenn nicht sogar bewusst herbeigeführt habe.

Die Beklagte trug hierauf (u.a.) vor, die Listen des Ersatzmeldeverfahrens seien von allen Sozialhilfeträgern in Baden-Württemberg akzeptiert worden. Der vom Kläger angeführte Zusatzvermerk "Rechtslage noch unklar" beruhe darauf, dass sich R. seinerzeit bereits seit 25.11.2004 im ZfP befunden habe und das Ende der stationären Behandlung nicht absehbar gewesen sei.

Der Kläger machte abschließend geltend, er sei davon ausgegangen, dass das Ersatzmeldeverfahren die formelle Anmeldung jeden einzelnen Hilfeempfängers nicht habe ersetzen sollen. Das gehe auch aus einem Schreiben der Beklagten vom 04.11.2004 hervor, in dem mitgeteilt worden sei, alle betreuten Personen müssten zum 31.12.2004 abgemeldet und die über den 01.01.2005 hinaus weiterhin betreuten Personen müssten neu angemeldet werden, wobei hierfür die neuen Anmeldebögen zu verwenden seien; die Anmeldung durch "Meldeliste" sei daher nicht ausreichend gewesen. Wegen der Vielzahl der Fälle habe er aber angenommen, dass er nicht alle weiterhin betreuten Hilfeempfänger zusätzlich einzeln anmelden müsse. Um sicher zu gehen, habe er bei der Beklagten jedoch explizit nachgefragt. Mit E-Mail vom 31.01.2005 habe die Beklagte mitgeteilt, dass die Anmeldung für alle im Jahr 2004 betreuten Personen zum 31.12.2004 beendet worden sei. Außerdem sei darauf hingewiesen worden, dass (auch) die bisher betreuten Hilfeempfänger ab 01.01.2005 wieder angemeldet werden müssten. Deswegen habe man die formelle Anmeldung der Hilfeempfänger mit dem dafür vorgesehenen Vordruck in die Wege geleitet. Die (erneute) Anmeldung des R. sei freilich nie beabsichtigt gewesen, weil die vorherige Anmeldung zum 31.12.2004 befristet gewesen sei und er sich ab der Jahreswende 2004/2005 nicht mehr in seinem, des Klägers, Zuständigkeitsbereich aufgehalten habe. Aus den E-Mail-Kontakten mit der Beklagten und den telefonischen Besprechungen gehe hervor, dass er Unklarheiten infolge der seinerzeit vorgenommenen Rechtsänderungen erkannt und mit der Beklagten erörtert habe, um sodann entsprechend den Vorgaben der Beklagten zu verfahren. Er habe, wie die anderen Sozialhilfeträger, das Ersatzmeldeverfahren zunächst akzeptiert. Die Forderung nach einer zusätzlichen formellen Anmeldung im Einzelfall sei von der Beklagten ausgegangen; sie habe darauf offenbar nur bei ihm, dem Kläger, bestanden. R. sei vom 30.08.2004 bis 01.10.2004 und erneut vom 05.10.2004 bis 11.10.2004 im V.-v.-P.-H., R., behandelt worden, weshalb man ihn ab 05.10.2004 nochmals befristet bis 31.12.2004 bei der Beklagten angemeldet habe. Danach sei sein Aufenthaltsort unbekannt gewesen. Der Vermerk "Rechtslage noch unklar" habe nicht die Zuständigkeit des Leistungsträgers, sondern die Frage betroffen, ob R. weiterhin Krankenbehandlung nach § 264 SGB V erhalte oder möglicherweise in die Pflichtversicherung als Bezieher von Arbeitslosengeld II wechsle. Die Beklagte hätte bei ihm spätestens zum Jahreswechsel 2004/2005 entsprechend nachfragen müssen; in anderen unklaren Fällen sei sie so verfahren. Eine bis 31.05.2005 gültige Krankenversichertenkarte sei bei ihm nicht eingegangen; entsprechendes Vorbringen der Beklagten werde bestritten. Die trotz Stornierung zum 07.07.2005 übersandte Krankenversichertenkarte habe er der Beklagten mit Schreiben vom 23.11.2006 zurückgesandt. Fraglich sei, welcher Kostenträger die Anmeldung des R. zum 01.01.2005 veranlasst, wer die ab 01.01.2005 geltende Krankenversichertenkarte erhalten habe und weshalb die Beklagte weiterhin Kosten bis 30.06.2007 bei ihm zur Erstattung abgerechnet habe.

Die Beklagte machte abschließend geltend, die (erneute) Anmeldung des R. sei am 21.12.2004 erfasst worden und man habe eine Krankenversichertenkarte an den Kläger versandt. Diese sei bis 31.12.2005 gültig gewesen. Eine Anmeldung des R. zum 21.03.2007 durch das Landratsamt R. sei bei ihr erst am 29.05.2007 eingegangen. Die E-Mail vom 31.01.2005 betreffe einen anderen Sachverhalt. Bei Ergehen dieser E-Mail sei die Anmeldung schon erfasst und die Krankenversichertenkarte bereits an den Kläger versandt gewesen.

Mit Urteil vom 20.05.2015 verurteilte das SG die Beklagte, an den Kläger 77.370,59 EUR zuzüglich Arzt- und Verwaltungspauschalen i.H.v. 840 EUR zu zahlen. Zur Begründung führte das SG aus, die Klage sei als allgemeine Leistungsklage (54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz, SGG) zulässig; sie sei auch begründet. Die Beklagte sei gemäß § 112 SGB X zur Rückerstattung der ihr vom Kläger erstatteten Krankenbehandlungskosten des R. verpflichtet. § 112 SGB X gelte zwar in erster Linie für die Rückerstattung von Erstattungszahlungen nach §§ 102 bis 105 SGB X, sei aber (vorbehaltlich von Sonderregelungen i.S.d. § 37 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, SGB I) auch auf die Rückgängigmachung fehlerhafter Erstattungszahlungen nach anderen Vorschriften des SGB anzuwenden, und damit auch auf die Rückerstattung von Erstattungszahlungen an die Krankenkasse nach § 264 Abs. 7 SGB V (str., vgl. PK-SGB X/Leopold, § 112 Rdnr. 8, 9; § 111 SGB X Rdnr. 18, 19). Rückerstattungsansprüche unterlägen nicht dem Ausschlusstatbestand des § 111 SGB X; die Verjährung richte sich nach § 113 SGB X. Der Kläger habe eine ihm gegenüber der Beklagten vermeintlich bestehende Erstattungspflicht erfüllen wollen; nach Rückabwicklung der Leistungsbeziehung mit dem Kläger könne sich die Beklagte ggf. an den (in Wahrheit) zuständigen Sozialhilfeträger halten.

Der Kläger habe der Beklagten Kosten für die Krankenbehandlung des R. im Zeitraum vom 08.01.2005 bis 29.08.2006 ohne Rechtsgrund erstattet. Der Rückerstattungsanspruch für das Jahr 2005 sei nicht verjährt. Gemäß § 113 SGB X verjährten Erstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt habe. Rückerstattungsansprüche verjährten in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt sei. Die Verjährung sei hier gemäß § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 203 BGB gehemmt gewesen, hilfsweise sei Verwirkung der Verjährungseinrede anzunehmen. Die Verjährung sei beim Schweben von Verhandlungen zwischen Gläubiger (Rückerstattungsberechtigter) und Schuldner (Rückerstattungsverpflichteter) über den Anspruch bzw. die ihn begründenden Umstände gehemmt; die Verjährungsfrist werde um die Hemmungszeit verlängert. Freilich bewirke die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs entgegen § 45 Abs. 3 SGB I für sich allein nicht die Hemmung der Verjährung; notwendig sei das Schweben von Verhandlungen über den Anspruch oder die anspruchsbegründenden Umstände. Die Verjährung sei gehemmt, solange der eine oder andere Teil die Fortsetzung von Verhandlungen verweigere. Der Begriff der Verhandlungen sei weit auszulegen, setze aber Aktionen und Reaktionen auf beiden Seiten voraus (vgl. Landessozialgericht (LSG) Thüringen, Urteil vom 30.06.2013, - L 6 KR 284/10 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.09.2011, - L 5 KR 2152/10 -, beide in juris). Der Gläubiger müsse lediglich klarstellen, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen wolle. Anschließend genüge jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner dies nicht sofort erkennbar ablehne. Verhandlungen schwebten schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgebe, die der jeweils anderen Partei die Annahme gestatte, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein. Nicht erforderlich sei, dass Vergleichsbereitschaft signalisiert werde oder Erfolgsaussichten bestünden (vgl. Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.12.2013, - 7 Sa 913/13 -, in juris).

Der Rückerstattungsanspruch des Klägers für Erstattungszahlungen des Jahres 2005 wäre an sich zum 31.12.2009 verjährt gewesen. Die Verjährung sei aber durch Verhandlungen der Beteiligten zwischen August 2006 und Juli 2007 sowie Oktober 2008 und Mai 2009 und damit für über 12 Monate gehemmt worden, so dass bei Klageerhebung am 28.12.2010 Verjährung noch nicht eingetreten sei. Das ergebe sich aus dem Schriftwechsel der Beteiligten: Auf die vom Kläger erstmals mit Schreiben vom 17.08.2006 geltend gemachte Rückerstattungsforderung bis einschließlich des Quartals 3/2006 habe die Beklagte mit Schreiben vom 20.06.2007 Rückerstattungszahlungen für September 2006 und Oktober bis Dezember 2006 geleistet. Auf die mit Schreiben des Klägers vom 24.07.2007 und 20.10.2008 erneut geltend gemachte Rückerstattungsforderung habe im November 2008 ein E-Mail-Kontakt stattgefunden und es sei weiter zu einer Nachfrage des Klägers im Februar 2009 gekommen. Im März 2009 habe die Beklagte einen Betrag von 3.354 EUR für das Quartal 3/2006 zurückerstattet (August 2006 nach rückwirkender Pflichtversicherung des R. über das Job-Center). Die Überweisung des Rückerstattungsbetrags wurde vom Kläger im Mai 2009 nachgefragt. Erst am 28.12.2009 habe der Kläger erneut die Rückerstattungsforderung geltend gemacht. Im Hinblick auf die erheblichen zeitlichen Unterbrechungen würden - die Verjährung hemmende - Verhandlungszeiträume von August 2006 bis Juli 2007 und Oktober 2008 bis Mai 2009 angenommen. Es spreche (hilfsweise) auch Vieles dafür, dass die Verjährungseinrede verwirkt wäre. Die Geltendmachung von Verjährung wäre nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falls als unzulässige Rechtsausübung anzusehen. Hierfür spreche zunächst die in § 86 SGB X geregelte Verpflichtung der Leistungsträger, bei der Erfüllung ihrer Aufgabe nach diesem Gesetzbuch eng zusammen zu arbeiten. Aus dem Auftragsverhältnis der Beteiligten bei der Gewährung von Krankenbehandlung gegen Kostenerstattung nach Maßgabe des § 264 SGB V folgten im Hinblick auf § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) besondere Nebenpflichten gegenüber dem jeweils anderen Teil (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.09.2011, - L 5 KR 2152/10 -, in juris). Zwischen den Beteiligten habe Schriftverkehr zur Abklärung der Voraussetzungen einer Rückerstattung der der Beklagten erstatteten Krankenbehandlungskosten des R. stattgefunden. Die Beklagte habe eine Überprüfung im Sinne einer Bestandsbereinigung veranlasst und Rückerstattungsansprüche des Klägers teilweise (für bestimmte Zeiten) anerkannt. Sollte die Verjährung deswegen nicht gehemmt worden sein, wäre der Kläger dadurch im Sinne eines Verwirkungsverhaltens der Beklagen jedenfalls davon abgehalten worden, zunächst auf einen ausdrücklichen Verzicht auf den Verjährungseinwand hinzuwirken bzw. rechtzeitig Leistungsklage zu erheben. Der Kläger hat sich darauf eingerichtet und darauf vertraut, dass Verjährung nicht geltend gemacht werden werde (Vertrauensgrundlage und Vertrauenstatbestand). Die Erhebung der Verjährungseinrede stelle sich deswegen als unzulässige Rechtsausübung dar. Im Ergebnis komme es daher allein auf die materielle Rechtslage an.

Der Kläger habe der Beklagten Krankenbehandlungskosten des R. für die Zeit von Januar 2005 bis August 2006 ohne Rechtsgrund (nach näherer Maßgabe des § 264 SGB V, insbesondere § 264 Abs. 7 SGB V) erstattet, weil er ab 01.01.2005 nicht mehr der für R. örtlich zuständige Sozialhilfeträger gewesen sei. Grundlage der dem R. von der Beklagten gewährten Krankenbehandlung sei der aus § 264 SGB V folgende gesetzliche Auftrag; insoweit werde eine "Quasi-Versicherung" durchgeführt. Gemäß § 264 SGB V gewährten die Krankenkassen die Krankenbehandlung für nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Sozialhilfeempfänger aufgrund gesetzlichen Auftrags i.S.d. § 93 SGB X. § 264 SGB V übertrage den Krankenkassen in Abstimmung mit dem SGB XII die den Sozialhilfeträgern dem Grund nach obliegende Aufgabe, die den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechenden Leistungen zu gewähren. Auf diese Weise werde die Krankenbehandlung der nicht versicherten Leistungsberechtigten nach dem SGB XII von den Krankenkassen übernommen. Es handele sich hierbei um eine Auftragsangelegenheit, zu deren Wahrnehmung die Krankenkassen durch den Gesetzgeber ausdrücklich gegen Kostenerstattung verpflichtet worden seien (vgl. Hauck/Noftz, SGB V § 264 Rdnr. 14). Die Beklagte sei durch entsprechende Kassenwahl des R. und Anmeldung des R. durch den Kläger die für die Leistungsgewährung zuständige Krankenkasse gewesen. Entgegen der Auffassung der Beklagten komme es auf eine etwaige erneute Anmeldung des R. bei ihr zum 01.01.2005 für die Zuständigkeit des Klägers als Sozialhilfeträger nicht an. Wie der Kläger dargetan und belegt habe, habe R. - was (allein) maßgeblich sei - bei ihm ab 01.012005 nicht mehr im Leistungsbezug gestanden. Daher könne offenbleiben, ob der Kläger R. zum 01.01.2005 bei der Beklagte erneut (irrtümlich) angemeldet habe oder nicht. Zur Erstattung von Krankenbehandlungskosten sei nur der zuständige Sozialhilfeträger verpflichtet. Aus § 264 SGB V folge nicht, dass der anmeldende Sozialhilfeträger gegenüber der Krankenkasse erstattungspflichtig sei und der Ausgleich bei Unzuständigkeit unter den Sozialhilfeträgern stattfinden müsste; hierfür gebe es keine Rechtsgrundlage. § 264 SGB V handele ausnahmslos vom zuständigen Träger der Sozialhilfe und wolle damit ersichtlich die Erstattungszuständigkeit im Außenverhältnis dem sozialhilferechtlichen Kompetenzgefüge unterwerfen (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2008, - B 8 SO 23/07 R -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.04.2007, - L 9 SO 5/06 -, beide in juris). Davon abgesehen sei das Vorbringen des Klägers, er habe R. seinerzeit nur im Ersatzmeldeverfahren (Interimsverfahren) als weiterhin betreuten Haushaltsvorstand angemeldet, überzeugend. Auf der (Melde-)Liste sei - da R. im ZfP behandelt worden sei - zwar unzutreffend "Sp.-Bewohner" vermerkt, zugleich jedoch auch "Rechtslage noch unklar" angegeben worden. Der Kläger habe hierzu schlüssig dargetan, es sei nur die Interimsanmeldung, jedoch keine erneute Einzelanmeldung ab 01.01.2005 vorgenommen worden, die die Beklagte aber verlangt habe.

Die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht des Klägers wegen missbräuchlicher Verwendung der Krankenversichertenkarte seien nicht erfüllt (264 Abs. 5 Satz 3 SGB V). Eine missbräuchliche Verwendung der Krankenversichertenkarte sei nicht belegt. Es bleibe unklar, ob und durch welchen Sozialhilfeträger R. Krankenversichertenkarten für 2005 und 2006 erhalten habe. Eine Obliegenheitsverletzung des Klägers im Sinne einer unterlassenen Rückforderung und Rückübersendung der Krankenversichertenkarten sei nicht ersichtlich. Der Kläger habe der Beklagten die Krankenversichertenkarte für 2004 zurückgesandt; für 2005 sei beim Kläger eine Krankenversichertenkarte nicht eingegangen. Die Krankenversichertenkarte für 2006 habe der Kläger erst im Oktober 2006 erhalten und der Beklagten unmittelbar zurückgesandt.

Die dem Kläger nach alledem zustehende Rückerstattungsforderung sei aber nicht zu verzinsen. Ein Zinsanspruch sei gemäß § 44 SGB I nur für Ansprüche auf Sozialleistungen vorgesehen.

Gegen das ihr am 05.06.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03.07.2015 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dem Kläger stehe der geltend gemachte Rückerstattungsanspruch nicht zu; er habe ihr die Krankenbehandlungskosten des R. nicht zu Unrecht gemäß § 264 Abs. 7 SGB V erstattet. Aufgrund fehlender Abmeldung durch den Kläger sei R. auch über den 31.12.2004 hinaus als Betreuungsfall des Klägers einzustufen. Wegen der Anmeldung des R. zum 21.12.2004 durch den Kläger habe sie davon ausgehen müssen, dass sie dem R. weiterhin gemäß § 264 Abs. 2 SGB V Krankenbehandlung gewähren müsse und die Krankenbehandlungskosten vom Kläger erstattet bekomme. Aus ihren Archivunterlagen gehe hervor, dass die in Listenform vorgenommene Anmeldung des R. keine bloße Interimsanmeldung dargestellt habe. Seinerzeit hätten zum 31.12.2004 kurzfristig über 11.000 Betreuungsfälle beendet werden müssen, weshalb die erneute Anmeldung der über den 31.12.2004 hinaus betreuten Personen ebenfalls in Listenform vorgenommen worden sei. Die erneute Anmeldung bereits erfasster Listenanmeldungen durch Anmeldevordruck sei nicht praktiziert worden. Die Archivunterlagen für die Zeit von Dezember 2004 bis Januar 2005 enthielten solche Vordruckanmeldungen auch nicht. Sie wären im Übrigen mit dem Vermerk "bereits erfasst" gekennzeichnet worden. Der Kläger hätte ca. 400 Personen durch Vordruck erneut anmelden müssen; das sei nicht geschehen. Die reguläre Anmeldung auch durch andere Sozialhilfeträger sei die Listenanmeldung gewesen. Die Ummeldung des R. auf einen anderen Sozialhilfeträger - Landkreis R. - sei erst am 19.02.2007 zum 29.08.2006 erfolgt. Die Krankenkassen überprüften die Zuständigkeit der Sozialhilfeträger nicht. Diese müssten Hilfeempfänger abmelden, sobald ihre Leistungszuständigkeit beendet sei. Hierfür genüge der Vermerk "Rechtslage noch unklar" auf der Listenanmeldung des R. nicht. Die aus der Pflicht zur engen Zusammenarbeit der Leistungsträger (§ 86 SGB X) folgenden Nebenpflichten habe nicht sie, sondern der Kläger verletzt. Er hätte sie wegen seiner Kenntnis von den Krankenhausaufenthalten des R. in verschiedenen Krankenhäusern und seiner Auffassung, nicht mehr für R. zuständig zu sein, auf den maßgeblichen Sachverhalt hinweisen und den zuständigen Sozialhilfeträger benennen müssen; er hätte insoweit der in der Listenanmeldung des R. vermerkten "unklaren" Rechtslage nachgehen und R. ggf. abmelden müssen. Entgegen der Auffassung des SG komme es maßgeblich darauf an, ob der Kläger R. abgemeldet habe oder nicht. Der Kläger sei auch nach dem 01.01.2005 für R. zuständiger Sozialhilfeträger gewesen (§ 98 Abs. 2 SGB XII). Da für R. eine Krankenversichertenkarte ausgestellt worden sei, würde der Kläger für deren Nutzung zudem gemäß § 264 Abs. 5 Satz 3 SGB V haften. Etwaige Rückerstattungsansprüche für im Jahr 2005 erstattete Krankenbehandlungskosten wären schließlich verjährt. Während der Zeit von August 2006 bis Juli 2007 seien keine, die Verjährung hemmenden Verhandlungen geführt worden. Hierfür genügten die Geltendmachung von Rückerstattungsansprüchen durch den Kläger und die nach durchgeführter Prüfung im Rahmen einer Bestandsbereinigung durch sie geleisteten Rückerstattungszahlung nicht. Die Verjährungseinrede sei nicht verwirkt. Ein Verwirkungsverhalten liege nicht vor. Sie habe nach erfolgter Prüfung Teilbeträge im Rahmen einer Bestandsbereinigung zurückerstattet. Die Bestandsbereinigung sei eine übliche Vorgehensweise, die immer wieder praktiziert werde. Dass deswegen beim Kläger das Vertrauen darauf erweckt worden sein solle, sie werde die Verjährungseinrede nicht geltend machen, könne nicht nachvollzogen werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.05.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die mit Beschluss vom 08.06.2017 zum Verfahren Beigeladenen haben sich nicht geäußert und stellen keinen Antrag.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er habe R. zunächst zum 01.10.2004 bei der Beklagten abgemeldet. Die erneute Anmeldung des R. mittels Behandlungsausweises vom 05.10.2004 wegen des seinerzeit stattfindenden Krankenausaufenthalts des R. sei bis 31.12.2004 befristet gewesen; einer Abmeldung des R. habe es daher nicht bedurft. Ab 01.01.2005 sei er für R. nicht mehr als Sozialhilfeträger zuständig gewesen. Wie bereits dargelegt, habe die Listenanmeldung - auch nach dem Verständnis der Beklagten - nur eine Interimsanmeldung dargestellt. Auf Nachfrage habe ihm die Beklagte mitgeteilt, dass auch für die "Listenfälle" noch (neue) Anmeldungen erstellt werden müssten. Er habe deswegen auch formelle (Einzel-)Anmeldungen für Personen vorgenommen, die auf den Anmeldelisten aufgeführt worden seien. Das sei für R. freilich nicht geschehen, da R. ab 01.01.2005 nicht mehr in seinem, des Klägers, Leistungsbezug gestanden habe; eine Abmeldung des R. sei auch deswegen nicht notwendig gewesen. Die Beklagte habe die Benennung des R. in der Anmeldeliste auch wegen des beigefügten Vermerks "Rechtslage noch unklar" nicht als Anmeldung verstehen dürfen. Demzufolge sei für R. auch keine Krankenversichertenkarte für 2005 übersandt worden. Er, der Kläger, habe erst am 27.10.2006 eine Krankenversichertenkarte für R. erhalten, diese aber umgehend an die Beklagte zurückgesandt, mit der telefonischen Mitteilung, man sei für R. nicht zuständig. Eine am 19.06.2007 erneut übersandte Krankenversichertenkarte für R. sei in gleicher Weise an die Beklagte zurückgesandt worden. R. habe sich in seinem Zuständigkeitsbereich zuletzt in der V.-v.-P.-K., R., aufgehalten; er habe diese Klinik am 11.10.2004 mit unbekanntem Ziel verlassen. Ihm, dem Kläger, sei jahrelang nicht bekannt gewesen, wo sich R. aufhalte. Die Beklagte habe ihm gleichwohl Krankenbehandlungskosten für R. zur Erstattung in Rechnung gestellt und er sei auch verpflichtet gewesen, diese Rechnungen zunächst zu begleichen. Aus den Abrechnungsunterlagen, die nur das Behandlungsdatum, den Erstattungsbetrag und die Art der Behandlung auswiesen, habe er, im Gegensatz zur Beklagten, nicht entnehmen können, wo R. ärztlich behandelt worden sei und sich (demzufolge) aufgehalten habe. Er habe erst nach intensiven Nachforschungen durch die Beklagte am 02.06.2009 Unterlagen zu den behandelnden Krankenhäusern einsehen können und dadurch festgestellt, dass R. am 25.11.2004 in das ZfP R. aufgenommen und am 07.01.2005 wieder entlassen worden sei. Er habe erst jetzt um den Aufenthaltsort des R. wissen können; seinerzeit sei R. aber bereits seit langem (seit 26.08.2006) vom Landkreis R. betreut worden. Fraglich sei, weshalb die Beklagte ihm ärztliche Behandlungen des R. zur Erstattung in Rechnung gestellt habe, obwohl aus den vorliegenden Rechnungen ohne weiteres hervorgehe, dass er nicht mehr für R. zuständiger Sozialhilfeträger sein könne. Im Verfahren nach § 264 SGB V sei nur der jeweils sachlich und örtlich zuständige Sozialhilfeträger erstattungspflichtig (§ 264 Abs. 7 SGB V). Der Rückerstattungsanspruch für Krankenbehandlungskosten des Jahres 2005 sei nicht verjährt. Für den - weit auszulegenden - Begriff der Verhandlungen i.S.d. § 203 BGB genüge jeder Meinungsaustausch über den Anspruch, wenn nicht sofort erkennbar die Verhandlungen in jeder Hinsicht abgelehnt würden (vgl. BGH NJW 2007,587; BGH NJW 2011, 1594). So begründe bereits die Anfrage eines Schädigers, ob Ansprüche geltend gemacht würden, Verhandlungen im hier maßgeblichen Sinn (BGH NJW 2001, 1723; ähnlich BGH NJW 2007, 64). Bei unterschiedlichen Verfahrensabschnitten, in denen zunächst die Verhandlung abgebrochen bzw. die Leistung abgelehnt worden sei oder die Verhandlungen "eingeschlafen" seien, komme es darauf an, ob eine erneute Überprüfung aufgrund einer Stellungnahme des Gläubigers noch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den zuvor geführten Verhandlungen stehe; dann hemme die erneute Überprüfung die Verjährungsfrist von Beginn der Verhandlungen an (OLG Hamm NJW-RR 1998, 101, 102). Die Hemmung der Verjährung ende erst, wenn eine der Parteien eindeutig zu erkennen gebe, dass keine weiteren Verhandlungen mehr stattfänden (BGH NJW 2004, 1654, 1655). Bleibe der Gläubiger untätig ("Einschlafenlassen" von Verhandlungen), gälten die Verhandlungen als beendet ab dem Zeitpunkt, an dem nach Treu und Glauben eine Antwort auf die letzte Stellungnahme des Schuldners spätestens zu erwarten gewesen wäre; hierfür gelte ein strenger Maßstab (BGH NJW 1986, 1337, 1338). Er habe die Beklagte mit Schreiben vom 17.08.2006 zur Prüfung des Rückerstattungsanspruchs aufgefordert, worauf Teilrückerstattungen erfolgt seien (Schreiben der Beklagten vom 20.06.2007). Außerdem habe die Beklagte in einem Telefongespräch vom 25.06.2007 erklärt, der Fall des R. werde geprüft und man werde zurückrufen. Damit sei die Verjährung von August 2006 bis Juli 2007 gehemmt gewesen. Auf sein Schreiben vom 24.07.2007 habe die Beklagte den geltend gemachten Rückerstattungsanspruch nicht abgelehnt. Nachdem zunächst ein Rückruf nicht erfolgt sei, habe die Beklagte (A. R.) auf sein Erinnerungsschreiben vom 20.10.2008 am 11.11.2008 telefonisch mitgeteilt, der Vorgang sei an die A. St. weitergeleitet worden. Er habe dort nachgefragt und als Antwort erhalten, die Angelegenheit werde geprüft. Mit E-Mail vom 21.11.2008 habe die Beklagte sodann mitgeteilt, Anfang Dezember werde nochmals eine Aufstellung der erstattungsfähigen Kosten übermittelt. Auf weitere Nachfrage mit Schreiben vom 17.02.2009 sei die Abrechnung der Beklagten durch Schreiben vom 04.03.2009 vorgenommen worden. Die Verjährung sei daher vom 17.08.2006 bis 04.03.2009, also für 30,5 Monate, gehemmt gewesen. Schließlich habe er mit Schreiben vom 20.01.2010 den Sachverhalt erneut dargestellt, worauf die Beklagte mit Schreiben vom 19.03.2010 weitere Unterlagen zur Prüfung angefordert habe; er habe ihr diese Unterlagen mit Schreiben vom 24.03.2010 übersandt. Erst auf sein Erinnerungsschreiben vom 22.10.2010 habe ihm die Beklagte mit Schreiben vom 03.12.2010 eine abschlägige Antwort erteilt. Die Verjährung sei daher auch vom 20.01.2010 bis 03.12.2010, also für 10 Monate, gehemmt gewesen. Die Beklagte habe die Verjährungseinrede zudem verwirkt. Er habe erst mit dem Schreiben der Beklagten vom 29.05.2009 die erforderlichen Unterlagen erhalten, um feststellen zu können, ob und in welcher Höhe Krankenbehandlungskosten für R. in den Jahren 2005 und 2006 zur Erstattung abgerechnet worden seien, obwohl R. bereits abgemeldet worden sei und sich nicht mehr in seinem Zuständigkeitsbereich aufgehalten habe. Es sei daher unredlich, dass die Beklagte ihn bis Mitte 2009 an der Klageerhebung gehindert habe, weil die zur Schadensberechnung notwendigen Unterlagen nicht vorgelegt worden seien. Rückerstattungsansprüche könnten ohnehin naturgemäß erst mit erheblicher Zeitverzögerung geltend gemacht werden. Wenn man ihn außerdem, wie hier, durch Teilrückzahlungen und Prüfungsversprechen in dem Glauben lasse, die Rückerstattung lasse sich ohne Klageerhebung bewerkstelligen, sei es rechtsmissbräuchlich, im Nachhinein die Verjährungseinrede geltend zu machen.

Am 12.07.2017 hat die mündliche Verhandlung des Senats stattgefunden. Die Vertreterin der Beklagten hat erklärt, bezüglich der Vereinbarung zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung finde sich in der Akte kein Vermerk, dass die Vereinbarung abgesandt worden sei. Es ist außerdem ein Ausdruck aus der EDV der Beklagten übergeben worden, in dem die für R. ausgestellten Krankenversichertenkarten mit Ausstellungsdatum (20.09.2004, 03.11.2004, 21.12.2004, 15.08.2005, 05.11.2005, 15.10.2006 und 14.01.2007) und Gültigkeitsdauer (bis 31.12.2004, 31.12.2005, 31.12.2006, 31.12.2007 bzw. zuletzt 31.03.2008) vermerkt sind. An wen die Krankenversichertenkarten versandt worden sind, ist nicht vermerkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Streitgegenstand ist die Rückerstattung der Aufwendungen, die der Kläger der Beklagten für die Krankenbehandlung des R. während der Zeit von Januar 2005 bis August 2006 nach Maßgabe des § 264 Abs. 7 SGB V erstattet hat. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem streitigen Rückerstattungsbetrag von über 70.000 EUR überstiegen. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig.

II. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist als Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG statthaft und zulässig und sie ist auch begründet; der Senat teilt die Rechtsauffassung des SG und nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Für die Rückerstattung der Aufwendungen, die der Sozialhilfeträger einer Krankenkasse für die Gewährung von Krankenbehandlung an einen hilfebedürftigen Leistungsempfänger nach Maßgabe des § 264 Abs. 7 SGB V erstattet hat, gilt § 112 SGB X; die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt (unten 1). Einwendungen oder Einreden stehen dem Rückerstattungsanspruch des Klägers, über dessen Höhe nicht gestritten wird, nicht entgegen; die Beklagte kann sich insbesondere auf Verjährung nicht berufen (unten 2).

1.) Für die Rückerstattung nach Maßgabe des § 264 Abs. 7 SGB V erstatteter Aufwendungen gilt § 112 SGB X; der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist nicht anzuwenden.

§ 112 SGB X regelt - als besondere Ausprägung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.09.2014, - L 11 KR 2398/13 -, in juris Rdnr. 18; jurisPK-SGB X/Leopold § 112 Rdnr. 8) - die Rückabwicklung von Erstattungszahlungen unter Leistungsträgern. Die Vorschrift ist Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, wonach derjenige, dessen Vermögen durch einen anderen ohne Rechtsgrund bewusst und zweckgerichtet vermehrt worden ist, dem anderen zur Rückgabe des Erlangten verpflichtet ist (KassKomm/Kater, SGB X § 112 Rdnr. 3). § 112 SGB X gilt deshalb nicht nur für die Rückabwicklung von Erstattungszahlungen, die zur Erfüllung (vermeintlicher) Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. SGB X (Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander) geleistet worden sind, sondern auch für die Rückabwicklung von Erstattungszahlungen zur Erfüllung sonstiger, den Erstattungsansprüchen aus §§ 102 ff. SGB X vergleichbarer, in den besonderen Teilen des SGB geregelter Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern (BSG, Urteil vom 22.03.2012, - B 8 SO 2/11 R -, in juris Rdnr. 9; BSG, Urteil vom 14.04.2011, - B 8 SO 23/09 R -, in juris Rdnr. 12 zu § 108 BSHG). Anderes gilt gemäß § 37 Satz 1 SGB I nur dann, wenn sich aus den übrigen Büchern des SGB Abweichendes ergibt (jurisPK-SGB X/Leopold § 112 Rdnr. 9).

Der in § 264 Abs. 7 SGB V geregelte Erstattungsanspruch der Krankenkasse ist den in §§ 102 ff. SGB X geregelten Erstattungsansprüchen vergleichbar, hat insbesondere die Gewährung von Sozialleistungen i.S.d. § 11 Satz 1 SGB I zum Gegenstand; dieses Erfordernis folgt daraus, dass "Beträge" i.S.d. § 112 SGB X nach Maßgabe der §§ 102 ff. SGB X geleistete Erstattungszahlungen sind, die ihrerseits Sozialleistungen zum Gegenstand haben müssen.

Gemäß § 264 Abs. 7 SGB V werden die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung (für hilfebedürftige Leistungsempfänger) nach den Absätzen 2 bis 6 (des § 264 SGB V) entstehen, von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe (oder der öffentlichen Jugendhilfe) vierteljährlich erstattet. Die Erstattungszahlungen des Sozialhilfeträgers an die Krankenkasse nach § 264 Abs. 7 SGB V sind als Sozialleistungen i.S.d. § 11 Satz 1 SGB I einzustufen, auch wenn sie unmittelbar nicht einem (Sozial-)Leistungsempfänger, sondern der Krankenkasse als Leistungsträger zufließen, da sie dem Ausgleich der Aufwendungen dienen, die der Krankenkasse für Leistungen der Krankenbehandlung - unstreitig Sozialleistungen i.S.d. § 11 Satz 1 SGB I - entstanden sind, die sie dem hilfebedürftigen (Sozial-)Leistungsempfänger im gesetzlichen Auftrag (§ 93 SGB X) des Sozialhilfeträgers (aus § 264 Abs. 2 ff. SGB V; dazu: BSG, Urteil vom 18.11.2014, - B 1 KR 20/13 R -, in juris Rdnr. 13 unter Hinweis auf die abweichende Auffassung des 8. Senats des BSG im Urteil vom 27.05.2014, - B 8 SO 26/12 R -, in juris Rdnr. 20; Urteil vom 12.11.2013, - B 1 KR 56/12 R -, in juris Rdnr. 10; vgl. zur Gegenmeinung auch jurisPK-SGB XII/Söhngen § 48 Rdnr. 26) gewährt hat. Das genügt für die (materielle) Einstufung der Erstattungszahlung als Sozialleistung i.S.d. § 11 Satz 1 SGB I.

Für die Rückabwicklung von Erstattungszahlungen des Sozialhilfeträgers zur Erfüllung eines (vermeintlichen) Erstattungsanspruchs der Krankenkasse aus § 264 Abs. 7 SGB V ist im SGB V von den Vorschriften des SGB X - hier von § 112 SGB X - Abweichendes i.S.d. § 37 Satz 1 SGB 1 nicht geregelt.

Die (besonderen) Vorschriften für gesetzliche Auftragsverhältnisse zwischen Leistungsträgern - hier zwischen der Krankenkasse und dem Sozialhilfeträger nach § 264 Abs. 2 ff. SGB V (dazu vorstehend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG) - schließen die Anwendung der (allgemeinen) Rückerstattungsvorschrift in § 112 SGB X ebenfalls nicht aus. Gemäß § 93 SGB X gelten die Regelungen über das vertragliche Auftragsverhältnis in § 89 Abs. 3 und 5 SGB X sowie in § 91 Abs. 1 und 3 X entsprechend, wenn ein Leistungsträger auf Grund gesetzlichen Auftrags für einen anderen handelt. Die genannten Vorschriften haben neben der Ausführung des Auftrags (§ 89 SGB X; hier Fortbestand der Verantwortung des Auftraggebers gegenüber dem Betroffenen (Leistungsempfänger) und Bindung des Beauftragten an die Rechtsauffassung des Auftraggebers - § 89 Abs. 3 und 5 SGB X) die Erstattung von Aufwendungen des Beauftragten durch den Auftraggeber (§ 91 SGB X; hier Erstattungsanspruch dem Grunde nach und Näheres zur Erstattung von Sach- und Dienstleistungen bzw. von schuldhaft zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen und zur Vorschusszahlung - § 91 Abs. 1 und 3 SGB X) zum Gegenstand. § 93 SGB X (i.V.m. § 91 Abs. 1 und 3 SGB X) trifft eine (abschließende) Sonderregelung (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 12.11.2013, - B 1 KR 56/12 R -, in juris zu § 111 SGB X) daher nur für die Erstattung von Aufwendungen in gesetzlichen Auftragsverhältnissen. Zur Rückerstattung von zu Unrecht erstatteten Aufwendungen verhält sich die Vorschrift nicht. Hierfür besteht - anders als für die Erstattung von Aufwendungen, wofür namentlich eine Rechtsgrundlage geschaffen werden muss - kein Regelungsbedarf. § 93 SGB X schließt die Anwendung der allgemeinen Rückerstattungsregelung in § 112 SGB X für das gesetzliche Auftragsverhältnis daher weder explizit noch implizit aus.

Da die Rückerstattung der nach Maßgabe des § 264 Abs. 7 SGB V geleisteten Erstattungszahlungen des Sozialhilfeträgers im Hinblick auf § 37 Satz 1 SGB I weder im SGB V (im besonderen Auftragsrecht des § 264 SGB V) noch im allgemeinen Auftragsrecht des SGB X (§ 93 SGB X) geregelt ist, bleibt es hierfür bei der Anwendung des § 112 SGB X (wie hier ersichtlich Hauck/Noftz, SGB X § 112 Rdnr. 8 für das vertragliche Auftragsverhältnis m.w.N. auch zu abweichenden Ansichten).

Die Voraussetzungen des § 112 SGB X sind erfüllt. Der Kläger hat die streitgegenständlichen Erstattungszahlungen ohne Rechtsgrund und damit zu Unrecht i.S.d. § 112 SGB X geleistet.

Zu Unrecht ist eine Erstattungszahlung geleistet, wenn der Erstattungsanspruch entweder von Anfang an gar nicht bzw. nicht in voller Höhe bestanden hat oder zu einem späteren Zeitpunkt weggefallen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.09.2014, - L 11 KR 3292/13 -, in juris Rdnr. 18) oder wenn der erstattende Leistungsträger nicht Schuldner des Erstattungsanspruchs ist. Das ist bei Erstattungszahlungen nach § 264 Abs. 7 SGB V insbesondere dann der Fall, wenn der erstattende Sozialhilfeträger für die Hilfegewährung nicht zuständig ist. Gemäß § 264 Abs. 7 Satz 1 SGB V ist erstattungspflichtig nämlich nur der für die Hilfe - auch gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII örtlich - zuständige Träger der Sozialhilfe. Maßgeblich ist stets die materielle (objektive) Rechtslage (vgl. Hauck/Noftz, SGB X § 112 Rdnr. 20); auf Verschuldensfragen kommt es bei der Anwendung des § 112 SGB X nicht an (vgl. jurisPK-SGB X/Leopold § 112 Rdnr. 28 m.w.N.; Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X § 112 Rdnr. 5). Der materiellen (objektiven) Rechtslage widersprechende Erklärungen von Leistungsträgern sind unerheblich. Das gilt auch für die An- oder Abmeldung eines Hilfeempfängers bei der die Krankenbehandlung nach Maßgabe des § 264 SGB V gewährenden Krankenkasse durch den Sozialhilfeträger.

Hier ist der Kläger für die Hilfegewährung an R. während der Zeit von Januar 2005 bis August 2006 unstreitig nicht örtlich zuständig gewesen, weil sich R. nicht mehr in seinem Zuständigkeitsbereich aufgehalten hat (§ 98 Abs. 2 SGB XII). Auf Einzelheiten der An- und Abmeldung des R. bei der Beklagten (durch Einzel- oder seinerzeit ggf. auch durch Listenan- und -abmeldung) kommt es nicht an. Der Kläger ist für die streitige Zeit nicht Schuldner eines Erstattungsanspruchs der Beklagten aus § 264 Abs. 7 Satz 1 SGB V gewesen. Das SG hat auch zu Recht angenommen, dass ein Erstattungsanspruch der Beklagten wegen missbräuchlicher Verwendung der Krankenversichertenkarte aus § 264 Abs. 5 Satz 3 SGB V nicht besteht; auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Eine missbräuchliche Kartenverwendung bzw. eine Obliegenheitsverletzung des Klägers (Einziehung der Krankenversichertenkarte und Übermittlung an die Krankenkasse, § 264 Abs. 5 Satz 2 SGB V) ist nicht nachgewiesen. Der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 12.07.2017 vorgelegte EDV-Ausdruck über die für R. ausgestellten und versandten Krankenversichertenkarten genügt hierfür nicht, da aus dem Ausdruck nicht hervorgeht, an wen bzw. an welchen Sozialhilfeträger die Krankenversichertenkarten versandt worden sind. Der Kläger hat die ihm zugegangenen Krankenversichertenkarten (für R.) - für 2004 und 2006 - jeweils nach Maßgabe des § 264 Abs. 5 Satz 2 SGB V ordnungsgemäß eingezogen und der Beklagten übermittelt. Die Übersendung einer Krankenversichertenkarte für 2005 an den Kläger ist weder den Verwaltungsakten des Klägers noch den Verwaltungsakten der Beklagten zu entnehmen; weitere Ermittlungen sind nicht möglich. Für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs aus § 264 Abs. 5 Satz 3 SGB V trägt die Beklagte die objektive Beweislast; auf Beweiserleichterungen oder (gar) eine Beweislastumkehr kann sie sich nicht berufen.

2.) Einwendungen oder Einreden stehen dem Rückerstattungsanspruch des Klägers nicht entgegen; die Beklagte kann sich insbesondere auf Verjährung nicht berufen.

Die einjährige Ausschlussfrist des § 111 SGB X gilt für Rückerstattungsansprüche nach § 112 SGB X nicht (vgl. Hauck/Noftz, SGB X § 112 Rdnr. 39 m.w.N.). Rückerstattungsansprüche verjähren gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist, in der Regel also mit der Auszahlung (BSG, Urteil vom 22.03.2012, - B 8 SO 2/11 R -, in juris Rdnr. 19). Auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung kommt es nicht an (jurisPK-SGB X/Leopold, § 112 Rdnr. 21). Der Rückerstattungsanspruch des Klägers für die streitgegenständlichen Erstattungszahlungen (Januar 2005 mit Auszahlung 2. Quartal 2005 bis August 2006) wäre danach mit Ablauf des Jahres 2009 bzw. des Jahres 2010 verjährt, wenn die Verjährung nicht zuvor durch Klageerhebung (die Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs allein genügt mangels Anwendbarkeit des § 45 Abs. 3 SGB I nicht) gemäß § 113 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden wäre. Das ist nach Auffassung des Senats aber der Fall.

Gemäß § 113 Abs. 2 SGB X gelten für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 203 BGB bestimmt: Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

§ 203 BGB enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken. Die Hemmung der Verjährung bei schwebenden Verhandlungen dient dem rechtspolitisch wünschenswerten Zweck, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, und sie entspricht auch der Billigkeit, da der Schuldner, der sich in Verhandlungen mit dem Gläubiger einlässt und diesen damit zunächst von der Klagerhebung abhält, nicht später die Erfüllung des Anspruchs unter Hinweis auf die auch während der Verhandlungen verstrichene Zeit soll ablehnen dürfen (MüKoBGB/Grothe § 203 Rdnr. 3). Der Begriff der "Verhandlung" in § 203 Satz 1 BGB ist weit auszulegen. Verhandlungen schweben bei jedem Meinungsaustausch über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, auf Grund dessen der Gläubiger davon ausgehen kann, dass sein Begehren von der Gegenseite noch nicht endgültig abgelehnt wird. Es ist nicht erforderlich, dass der Verhandlungspartner seine Vergleichsbereitschaft geäußert hat (vgl. auch BSG, Urteil vom 17.12. 2013, - B 1 KR 71/12 R -, in juris Rdnr.16). Erklärt dieser, sei es ausdrücklich, sei es konkludent, er sei grundsätzlich zu einer einverständlichen Regelung bereit, ist von einer Hemmung der Verjährung auszugehen. Die Hemmung endet, wenn die Fortsetzung weiterer Verhandlungen verweigert wird. Dies muss entweder ausdrücklich erfolgen oder durch eindeutiges Verhalten dem Verhandlungspartner gegenüber zum Ausdruck gebracht werden. Schlafen die Verhandlungen ein oder werden sie verschleppt, entfällt die Hemmung, wenn aus Sicht des Gläubigers nach Treu und Glauben ein nächster Schritt zu erwarten gewesen wäre, der jedoch nicht erfolgt ist (MüKoBGB/Grothe § 203 Rdnr. 5, 8 m.w.N.).

Das Schweben von Verhandlungen i.S.d. § 203 Satz 1 BGB über einen (Rück-)Erstattungsanspruch kann auch dann vorliegen, wenn die am (Rück-)Erstattungsverhältnis beteiligten Sozialleistungsträger zur Ermittlung des (Rück-)Erstattungssachverhalts zusammenarbeiten, zumal sie gemäß § 86 SGB X (allgemein) verpflichtet sind, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem SGB (sogar) eng zusammenzuarbeiten. Auch nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 30.10.2007, - X ZR 101/06 -, in juris Rdnr. 13) können Ermittlungshandlungen - etwa zur Mangelprüfung in Gewährleistungsfällen - als "Verhandlungen" i.S.d. § 203 Satz 1 BGB eingestuft werden. Die Hemmung setzt in solchen Fällen (bspw.) voraus, dass der (Werk-)Unternehmer bei dem Besteller den Eindruck erweckt, er werde den (Werk-)Mangel prüfen bzw. sich um ihn kümmern, und der Besteller hiermit einverstanden ist. Lehnt der (Werk-)Unternehmer nicht von vornherein jede Verantwortung für den (Werk-)Mangel ab, treffen die Vertragsparteien durch ihren Meinungsaustausch regelmäßig - so BGH a.a.O. - eine "Überprüfungsvereinbarung" und sie verhandeln i.S.d. § 203 Satz 1 BGB. Diese Rechtsgrundsätze gelten für Fallgestaltungen der hier vorliegenden Art entsprechend. Geht bei (Rück-)Erstattungsfällen der Phase kontroverser Auseinandersetzung der Leistungsträger zunächst eine Phase kooperativer Ermittlungen gleichsam auf der Grundlage einer (stillschweigenden) "Überprüfungsvereinbarung" i.S.d. genannten BGH-Rechtsprechung voraus, wird während der Zeit der Ermittlungsphase grundsätzlich (noch) i.S.d. § 203 Satz 1 BGB verhandelt; die während der Ermittlungsphase verstrichene Zeit wird der spätere (Rück-)Erstattungsschuldner regelmäßig nicht als Verjährungszeit zur Anspruchsabwehr geltend machen können. Das gilt namentlich dann, wenn sich die kooperativen Ermittlungen wegen in der Sphäre des (Rück-)Erstattungsschuldners liegender Umstände verzögert haben. Soweit dem Senatsurteil vom 28.09.2011 (- L 5 KR 2152/10, in juris Rdnr. 69) eine engere Auslegung des Verhandlungsbegriffs in § 203 Satz 1 BGB zu entnehmen ist, wird daran - im Hinblick auf die genannte BGH-Rechtsprechung - jedenfalls für den Fall kooperativer Ermittlungen von Sozialleistungsträgern nicht festgehalten, da hier der stillschweigende Abschluss einer "Überprüfungsvereinbarung" als Grundlage von "Verhandlungen" i.S.d. § 203 Satz 1 BGB regelmäßig anzunehmen sein wird.

Davon ausgehend hat das SG zu Recht Verjährungshemmung infolge schwebender Verhandlungen jedenfalls für die Zeit zwischen August 2006 und Juli 2007 und zwischen Oktober 2008 und Mai 2009 und damit für mehr als 12 Monate angenommen, sodass die am 28.12.2010 erhobene Klage des Klägers die Verjährung des Rückerstattungsanspruchs (für 2005 am 31.12.2009, für 2006 am 31.12.2010) noch rechtzeitig gehemmt hat (§ 213 Abs. 2 SGB X i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Der Senat teilt Rechtsauffassung des SG. Der Kläger hat der Beklagten, die um die Beendigung des Leistungsbezugs des R. ab 30.09.2004 durch das (Abmelde-)Schreiben des Klägers mit Rücksendung der Krankenversichertenkarte vom 05.10.2004 gewusst hatte, mit Schreiben vom 17.08.2006 mitgeteilt, man habe die Abrechnung von Krankenbehandlungskosten nach § 264 Abs. 7 SGB V (auch) für abgemeldete oder verstorbene Personen festgestellt und es werde um Überprüfung auch der Erstattungszahlungen für Krankenbehandlungen des R. gebeten. Daraufhin hat die Beklagte - in Erfüllung der Pflicht zur engen Zusammenarbeit mit dem Kläger aus § 86 SGB X - nachgeforscht, ob Krankenbehandlungskosten für R. zu Unrecht zur Erstattung abgerechnet worden sind. Über die für diese Prüfung erforderlichen (Krankenbehandlungs-)Unterlagen und Daten hat allein die Beklagte als den gesetzlichen Auftrag des Klägers (§ 264 Abs. 2 ff. SGB V) ausführender Leistungsträger verfügt. Der Kläger hat ohne Mitwirkung der Beklagten Feststellungen zum Rückerstattungssachverhalt, insbesondere zu den Aufenthaltsorten des R. bzw. den Orten der Erbringung von Krankenbehandlung während der streitigen Zeit (Januar 2005 bis August 2006) und damit zu seiner Leistungszuständigkeit (§ 98 Abs. 2 SGB XII) nicht treffen können. Die Beklagte hat im Juni 2007 teilweise (Zeitraum September bis Dezember 2006) Rückerstattung geleistet. In der Folgezeit haben weitere (aufwändige) Ermittlungen, teils unter begleitendem E-Mail-Verkehr und Telefonkontakten (u.a. Telefongespräche vom 25.06.2007 (Beklagte: Fall werde geprüft) und vom 11.11.2008 (Beklagte: Vorgang an die A. St. weitergeleitet)), stattgefunden, die deshalb ins Stocken geraten aber aus Sicht beider Beteiligter nicht abgebrochen bzw. beendet worden sind, weil die Krankenbehandlungsunterlagen des R. in den zuständigen Regionalgeschäftsstellen der Beklagten zunächst nicht verfügbar gewesen sind und erst in der Abrechnungszentrale der Beklagten in St. haben beschafft werden müssen. Die Beklagte hat diese Unterlagen dem Kläger erst mit Schreiben vom 29.05.2009 (nach einem Telefongespräch vom 10.03.2009) zur Verfügung stellen können. Erst jetzt hat sich herausgestellt, dass sich R. während der Zeit von Januar 2005 bis August 2006 nicht mehr im Zuständigkeitsbereich des Klägers aufgehalten hat und die Beklagte die während dieser Zeit angefallenen Krankenbehandlungskosten dem für die Leistungsgewährung nicht zuständigen Kläger zu Unrecht zur Erstattung in Rechnung gestellt hat. Erst jetzt hat der Kläger auch ein beziffertes Rückerstattungsbegehren an die Beklagte herantragen können (Schreiben vom 28.12.2009), das diese sodann abgelehnt hat (Schreiben vom 18.01.2010) und erst jetzt hat nach der Zeit der kooperativen Ermittlung die Zeit der kontroversen (streitigen) Auseinandersetzung begonnen.

Nach Auffassung des Senats stellt die Zeit der kooperativen Ermittlung des Rückerstattungssachverhalts durch den Kläger und die Beklagte als bei der Erfüllung des Auftrags aus § 264 Abs. 2 ff. SGB V nach Maßgabe des § 86 SGB X zur engen Zusammenarbeit verpflichtete Leistungsträger eine Zeit schwebender Verhandlungen i.S.d. § 203 Satz 1 BGB dar. Der Kläger hat sein Rückerstattungsbegehren mit dem Prüfungsersuchen im Schreiben vom 17.08.2006 an die Beklagte zur gemeinsamen Klärung des Sachverhalts, namentlich an Hand der (nur) der Beklagten vorliegenden Krankenbehandlungsunterlagen des R. herangetragen. In der Folgezeit hat er angesichts der Aufnahme gemeinsamer und auch zu Teilrückerstattungen führender Ermittlungen annehmen dürfen, die Beklagte werde die Erfüllung eines als (End-)Ergebnis der gemeinsamen Ermittlungen festgestellten Rückerstattungsanspruchs nicht unter Geltendmachung gerade der Zeit der gemeinsamen Ermittlungshandlungen als Verjährungszeit verweigern. Die Beklagte hat die Erfüllung eines Rückerstattungsanspruchs tatsächlich auch erst nach Abschluss der Ermittlungen - nach Übersendung der bei ihrer Abrechnungszentrale in St. eruierten Krankenbehandlungsunterlagen des R. (Krankenhausabrechnungen) an den Kläger mit Schreiben vom 29.05.2009 - erstmals mit Schreiben vom 18.01.2010 (nach Geltendmachung eines bezifferten Rückerstattungsanspruchs durch den Kläger mit Schreiben vom 28.12.2009) unter - rechtlich unzutreffendem - Hinweis auf die aus ihrer Sicht bestehende "Meldelage" verweigert. Erst jetzt - mit Beginn der Phase der streitigen Auseinandersetzung - hat der Kläger Veranlassung gehabt, einen Verzicht der Beklagten auf die Verjährungseinrede zu erwirken oder eine die Verjährung hemmende Klage zu erheben, was vorher - während der Phase der gemeinsamen Sachverhaltsermittlung und vor Klärung sowohl von Grund und Höhe eines etwaigen Rückerstattungsanspruchs untunlich gewesen wäre.

Der Beklagten wäre - Verjährung unterstellt - die Geltendmachung der Verjährungseinrede auch aus Rechtsgründen verwehrt; dabei kann offen bleiben, ob die in den Verwaltungsakten der Beklagten befindliche Vereinbarung über einen Verzicht auf die Verjährungseinrede für den Zeitraum 01.01.2006 bis 27.08.2006 (ohne Abgangsvermerk) an den Kläger abgesandt worden und wirksam geworden ist. Der Senat teilt auch insoweit die Rechtsauffassung des SG, das hierauf entscheidungserheblich freilich nicht abgestellt hat.

Die Verjährung berechtigt den (rück-)erstattungspflichtigen Leistungsträger, die Leistung zu verweigern (vgl. § 113 Abs. 2 SGB X i. V. m. § 214 Abs. 1 BGB). Über die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts muss er nach Ermessen (§ 39 Abs. 1 SGB I) befinden. Der (Rück-)Erstattungsgläubiger kann die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens verlangen, da die Sozialleistungsträger gem. § 86 SGB X zur engen Zusammenarbeit bei der Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet sind. Die Ermessensausübung unterliegt nach näherer Maßgabe des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG der Rechtskontrolle durch die Sozialgerichte. Allerdings folgt aus der Verjährungsregelung des § 113 SGB X, dass sich die Verteilung der (Kosten-)Last unter den Leistungsträgern nicht ausschließlich nach dem materiellen Recht richten soll. Es liegt gerade bei Ausgleichsansprüchen zwischen zwei Leistungsträgern - auch - im Interesse des Rechtsfriedens und der Überschaubarkeit der öffentlichen Haushalte, wenn die Ansprüche innerhalb angemessener Frist abgewickelt werden. Die Geltendmachung der Verjährungseinrede findet ihre Grenze daher lediglich in den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB), insbesondere dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung oder der Verwirkung. Unzulässige Rechtsausübung liegt vor, wenn sich der die Einrede geltend machende Leistungsträger zu seinem früheren Verhalten gegenüber dem (Rück-)Erstattungsberechtigten in Widerspruch setzt, insbesondere, wenn er diesen von der rechtzeitigen Geltendmachung des (Rück-)Erstattungsanspruchs abgehalten hat (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.1993, - 4 RA 6/92 -; Senatsurteil vom 28.09.2011, - L 5 KR 2152/10 -, in juris Rdnr. 66 vgl. zur Verwirkung zuletzt auch BSG, Urteil vom 23.05.2017 - B 1 KR 27/16 R -, in juris). Von einer Fallgestaltung dieser Art ist das SG hier zu Recht ausgegangen. Das Verhalten der Beklagten während der Phase kooperativer Ermittlung des Rückerstattungssachverhalts einschließlich der getätigten Teilrückerstattungen hat beim Kläger den berechtigten Eindruck erweckt, man werde die dem materiellen Recht entsprechende Vermögenslage insgesamt (wieder) herstellen und sich dem nicht im Nachhinein unter Geltendmachung der Verjährungseinrede verweigern.

Die Beklagte kann schließlich auch nicht einwenden, der Kläger verhalte sich widersprüchlich (§ 242 BGB in entsprechender Anwendung), weil er sich auf eine (materiell-rechtlich) zu Unrecht erfolgte Erstattung von Krankenbehandlungskosten für einen von ihm (regulär) angemeldeten Leistungsempfänger berufe. Der Kläger hat den R. für die streitige Zeit nicht durch Einzelanmeldung bei der Beklagten zur Gewährung von Krankenbehandlung nach § 264 SGB V angemeldet. Der seinerzeit übergangsweise vorgenommenen Listenanmeldung hat er den Vermerk "Rechtslage unklar" beigefügt und damit die bestehende Ungewissheit hinsichtlich der Leistungsgewährung für R. zum Ausdruck gebracht.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Beklagten aufzuerlegen, das diese (insbesondere) Sachanträge nicht gestellt und damit ein Prozessrisiko nicht übernommen haben.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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