Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1219/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 4380/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27.10.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1971 in der T. geborene Kläger reiste in den achtziger Jahren in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach dem Schulabschluss erlernte er keinen Beruf. Bis 2002 war er unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit als ungelernter Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Im Anschluss war der Kläger durchgehend arbeitslos bzw. arbeitsunfähig und bezog Arbeitslosengeld und Krankengeld. Seit 2005 bezieht er durchgehend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Seit der Jugendzeit litt der Kläger an epileptischen Anfällen. Nach der selektiven Entfernung der Amygdala und des Hippokampus linksseitig im Jahr 2002 treten zumindest seit Frühjahr 2009 keine cerebralen Krampfanfälle mehr auf.
Am 27.05.2009 beantragte der Kläger, nachdem bereits zuvor mehrere Rentenanträge erfolglos geblieben waren, die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und am 22.07.2009 erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Ausweislich des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Ulm (SG) zog die Beklagte ärztliche Unterlagen bei und ließ den Kläger durch den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. G. begutachten. Danach kam dieser in seinem Gutachten vom 08.09.2009 zum Ergebnis, dass der Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr in einer Fünf-Tage-Woche verrichten könne. Mit Bescheid vom 16.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2010 lehnte die Beklagte den Antrag daraufhin ab. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum SG (S 13 R 1224/10). Das Gericht beauftragte von Amts wegen Dr. E., Fach¬arzt für Orthopädie, mit der Begutachtung des Klägers. In seinem Gutachten vom 22.12.2010 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 29.10.2010 stellte dieser nachfolgende Diagnosen:
1. lumbales Facettensyndrom der unteren Len¬denwirbelsäule, 2. geringe Facettensymptomatik der mittleren und unteren Halswirbelsäule, 3. leichte Impingementsymptomatik der rechten Schulter
Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr in einer Fünf-Tage-Woche zu verrichten. Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG darüber hinaus Dr. L., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Begutachtung des Klägers. In seinem Gutachten vom 08.11.2011 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 26.10.2011 teilte dieser die Diagnose eines schmerzhaften Wirbelsäulensyndroms mit. Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr in einer Fünf-Tage-Woche zu verrichten. Mit Gerichtsbescheid vom 27.01.2012 wies das SG die Klage sodann ab.
Vom 02.05. bis 30.05.2012 absolvierte der Kläger eine stationäre Rehabilitation in der M. am S., die eine muttersprachliche Therapie mitumfasste. Laut Entlassungsbericht vom 31.05.2012 sei der Kläger der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemei¬nen Arbeitsmarktes für mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Als Diagnosen wurden angegeben: 1. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, 2. Zustand nach Bandscheibenprotrusion, Lendenwirbelsäulensyndrom, 3. Zustand nach Hirntumor 2001 [fokale Epilepsie, derzeit an¬fallsfrei], 4. Verdacht auf Intelligenzminderung.
Am 21.10.2013 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminde-rung. Die Beklagte zog verschiedene Arztbriefe der behandelnden Ärzte aus den Jahren 2012/2013, den Bericht des J. F. K. K., I., über die am 07.02.2002 durchgeführte Hirnoperation sowie das Gutachten des Arztes K. für die Bundesagentur für Arbeit vom 18.10.2013, welcher von einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten aus¬ging, bei. Ferner veranlasste die Beklagte die Begutachtung durch den Facharzt für Allgemeinmedizin G ... Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 21.11.2013 aufgrund der ambulanten Untersuchung am 18.11.2013 folgen¬de Gesundheitsstörungen: 1. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren 2. frühere Temporallappenepilepsie rechts, Zustand nach hirnchirurgischem Eingriff, seit Jahren anfallsfrei 3. diskrete Halbseitensymptomatik rechts nach hirnchirurgischem Eingriff 4. V.a. Intelligenzminderung 5. chronisches LWS-Syndrom
Der Kläger sei in der Lage, unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für min¬destens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Mit Bescheid vom 29.11.2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, da dieser die me-dizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle.
Hiergegen legte der Kläger am 12.12.2013 Widerspruch ein und trug vor, durch seinen reduzier-ten Allgemeinzustand sei er nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allge-meinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich irgendeiner Tätigkeit nachzugehen. Er habe starke Rücken- und Schulterbeschwerden und eine rechtsseitige Halbseitenlähmung. Er sei gezwungen täglich starke Medikamente einzunehmen, um seine Schmerzen einigermaßen aushalten zu kön-nen.
Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Gutach¬ters G. vom 07.01.2014 mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2014 unter Wiederholung und Vertiefung der Begründung des Ausgangsbescheides zurück.
Hiergegen richtete sich die am 14.04.2014 zum SG erhobene Klage des Klägers. Er sei nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr zu erbringen. Dies könne der behandelnde Hausarzt Dr. A. bestätigen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Die Kammer befragte Dr. A., Facharzt für Allgemeinmedizin, als sachverständigen Zeugen. Dieser gab am 11.06.2014 an, dass er den Kläger seit 1998 regelmäßig mit Gesprächstherapie und medikamentöser Therapie behandele. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich seit dem Behandlungsbeginn verschlechtert. Er sei nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten im Stehen, Sitzen und Gehen sowie in Schichten für drei Stunden täglich auszuüben. Aufgrund der Intelligenz und des Ausbildungsniveaus sei es dem Kläger auch nicht mehr möglich, neue Berufe zu erlernen. Ergänzend legte er fachärztliche Arztbriefe, unter anderem von Dr. K., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 18.09.2013 und 28.04.2014 sowie von Dr. E. vom 11.09.2013, vor.
Darüber hinaus beauftragte das SG Dr. W., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Begutachtung des Klägers. In seinem Gutachten vom 12.02.2015 stellte Dr. W. nach der ambulanten Untersuchung des Klägers und unter Beiziehung eines Dolmetschers für die türkische Sprache am 10.02.2014 nachfolgende Diagnosen. 1. zerebrales Anfallsleiden, anfallsfrei nach Hippocampektomie 2002 2. Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen 3. V.a. organische Wesensänderung
Dr. W., der während der Untersuchung Hinwiese auf simulative Tendenzen fand, leitete aus den objektivierbaren Gesundheitsstörungen qualitative Einschränkungen ab, hielt den Klä¬ger aber weiterhin für in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich aus¬zuüben.
Auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG wurde zudem Dr. M., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. In seinem Gutachten vom 02.10.2015 diagnostizierte dieser aufgrund ambulanter Untersu¬chung vom 02.10.2015 unter Hinzuziehung der zudem fremdanamnestisch befragten Tochter des Klägers als Dolmetscherin sowie in Anwesenheit deren Verlobten folgende Gesundheitsstörungen:
1. Organische Persönlichkeitsstörung im Sinne eines Lobotomiesyndroms vom pseudo-retardierten Typ nach Temporallappenepilepsie mit Entfernung zumindest von Teilen des linken Temporallappens bzw. Temporallappenresektion links 2002 mit postopera¬tivem Sprachverlust und kompletter Halbseitenlähmung rechts 2. passives Untersuchungsverhalten mit Hinweisen auf Beschwerdeverdeutlichung 3. Hinweise auf einen familiären Konflikt 4. symptomatisches Anfallsleiden mit komplex partiellen Anfällen in Remission 5. minimale Fazialisparese links, leichte Halbseitensymptomatik rechts mit Reflexbetonung und krankhaften Reflexen, Carpaltunnel-Syndrom links
Der Sachverständige führte, unter Berücksichtigung der Fremdanamnese der Tochter aus, dass von einer organischen Persönlichkeitsveränderung auszugehen sei. Dies schließe eine leichte Tätigkeit bei organisch bedingter schwankender Motivationslage mit reizbar aggressivem Verhalten im Wech¬sel zur Apathie auf Dauer über drei Stunden täglich aus. Allenfalls in einer Werkstatt für Behinderte sei eine stundenweise Beschäftigung möglich. Die Einschränkungen durch die Halbseitenlähmung und orthopädischen Beschwerden seien gering.
Mit seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 19.01.2016 erhob für die Beklagte Obermedizinalrat F. Einwendungen gegen das Gutachten und die Leistungseinschätzung von Dr. M ... Dieser habe keinen Dolmetscher beigezogen und sich im Wesentlichen auf die Fremdanamnese gestützt. Auch sei der Tagesablauf kritisch zu hinterfragen. Die Schwere der angenommenen Einschränkung sei auch mit einem mehrwöchigen T.aufenthalt des Klägers im Jahr 2014 nicht in Einklang zu bringen.
Hierauf erbat das SG eine ergänzende Stellungnahme bei Dr. M ... In seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 05.04.2016 und 21.06.2016 nahm Dr. M. zu den Einwendungen der Beklagten Stellung und führte aus, es sei ein Mangel der Aktenlage, dass zur Opera¬tion der Temporallappen keine Unterlagen oder bildgebende Befunde vorhanden seien. Es sei aber klinisch eindeutig von einer organischen Persönlichkeitsstörung im Sinne eines Lobotomiesyndroms vom pseudoretardierten Typ nach Temporallappenepilepsie auszugehen. Die bisheri¬gen Testungen des Klägers seien weder den sprachlichen Barrieren noch dessen Schulbildung gerecht geworden. Unter Berücksichtigung des Akteninhalts sowie der Befunde, insbesondere der fokalneurologischen Defizite, sowie der multiplen Verdachtsdiagnosen auf neuropsychologischem Gebiet, sei hinsichtlich der Diagnosestellung die Hinzuziehung eines Dolmetschers nach¬rangig und werde durch die Fremdanamnese mehr als aufgewogen.
In seinen sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 15.06.2016 und 09.08.2016 hielt Obermedizinalrat F. an seinen Bedenken fest.
Ergänzend nahm der Kläger zu den Einwendungen des Dr. F. Stellung. Zwar sei er vom 24.07. bis 12.09.2014 in der T. im Ur¬laub gewesen, hierbei jedoch umfassend von seiner Familie betreut und unterstützt worden. So¬fern die Beklagte bei ihrem Einwand hinsichtlich der fehlenden Objektivität der Übersetzung durch die Tochter verbleibe, sei ein weiteres Gutachten von Dr. M. unter Hinzuziehung eines vereidigten Dolmetschers zu veranlassen. Zutreffend sei, dass er seit ca. vier Jah¬ren keine Medikamente wegen seiner Epilepsie einnehme und anfallsfrei sei. Er fahre allenfalls kurze Strecken innerhalb seines Wohnortes mit seinem PKW.
Am 26.10.2016 zog die Kammer unter anderem die Gerichtsakten der Verfahren S 13 R 1224/10 und S 12 SB 2604/12 bei.
Mit Urteil vom 27.10.2016 wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis zeitweilig (nämlich bis zu vier Stunden täglich) mittelschwere Tätigkeiten unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, Verantwortung für Personen und Schichtdienst, mit Absturzgefahr oder unzureichend gesicherten Maschinen. Nicht mehr leidensgerecht seien zudem häufiges Bücken, schweres Heben und Tragen sowie Zwangshaltungen der Wirbelsäule. Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten mit Vibrationseinflüssen auf die Schultergelenke oder Len¬denwirbelsäule seien zu vermeiden. Dies ergebe sich zur Überzeugung der Kammer aus den sozi¬almedizinischen Einschätzungen im Entlassungsbericht der M. Klinik vom 03.05.2012 sowie den Gutachten von Dr. W. und Dr. E ... Die Leistungsfähigkeit des Klägers werde inzwischen - während im Verfahren S 13 R 1224/10 noch die Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule im Vordergrund gestanden hätten - durch seine Er¬krankungen auf psychiatrisch/neurologischem Fachgebiet eingeschränkt. Ausweislich des Gut¬achtens von Dr. W. liege beim Kläger ein seit Jahren anfallsfreies zerebrales Anfallsleiden nach Hippocampektomie 2002, eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen und ein Verdacht auf eine organische Wesensänderung vor. Aus diesen Erkrankung ergäben sich die oben genannten qualitativen Einschränkungen, aber keine zeitliche Minderung, wie der Sachverständige in seinem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar dargelegt habe. Dr. W. habe bei seiner Untersuchung unter Hinzuziehung eines Dolmetschers keine Sprachstö¬rung der türkischen Sprache, eine ungestörte Aufmerksamkeit und Konzentration und keine Störung der relevanten Gedächtnisfunktion feststellen können. Die Stimmungslage sei gedrückt gewesen, der Kläger eingeschränkt schwingungsfähig bei leichtgradig reduziertem Antrieb und Psychomoto¬rik. Der Sachverständige bescheinige dem Kläger intellektuelle Fähigkeiten im Durchschnittsbe¬reich. Hingegen habe er nicht das von Dr. M. erstmals beschriebene Lobotomiesyndrom mit der fehlenden Durchhaltefähigkeit für eine leichte Tätigkeit festzustellen vermocht. Auch keiner der zuvor mit dem Kläger befassten Gutachter (Dr. L., G., Dr. K.) oder die behandelnden Ärzte während des mehrwöchigen Aufenthaltes in der M. im Jahr 2012 seien von der von Dr. M. erhobenen Diagnose bzw. dessen schwerwiegenden Befunden ausgegangen. Zwar seien die Verdachtsdiagnosen der organischen Persönlichkeitsveränderung oder Intelligenzminderung gestellt worden, jedoch fänden sich auch immer wieder Beschreibungen über fehlende Motivation seitens des Klägers oder einem inadäquaten Beschwerdevorbringen. So sei Dr. W. aufgrund der von ihm erhobenen Befunde sowie den Beobachtungen des Klägers während der Untersuchung sowie der Testpsychologie nachvollziehbar davon ausgegangen, dass deutliche Hinweise für simulative Tendenzen seitens des Klägers vorlägen. Solche Diskrepanzen zwi¬schen Beschwerdeangaben und tatsächlichem Verhalten seien bereits zuvor von Dr. E. und Dr. L. deutlich beschrieben worden. Auch Dr. M. habe während seiner Untersuchung Hin¬weise auf Beschwerdeverdeutlichung bei passivem Untersuchungsverhalten nicht ausschließen können. Unstrei¬tig habe beim Kläger im Jahr 2002 eine Teilresektion des vorderen Temporallappens stattgefunden. Je¬doch würden weder die Diagnose noch die erhobenen Befunde sowie die daraus geschlossene sozialmedizinische Beurteilung des Dr. M. zu überzeugen vermögen. Denn die Begutachtung des Klägers habe unter Mitarbeit und Hinzuziehung der Tochter des Klägers und in Anwesenheit von deren Verlobten stattgefunden. Die Tochter habe auch die Übersetzung während der Befragung übernommen. In¬soweit bestünden bereits erhebliche methodische Bedenken gegen das Gutachten von Dr. M ... Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft entspreche es den Regeln der psychiatrischen Begutachtung, Dritte bei der Exploration abzulehnen. Denn bei der psychiatrischen Exploration und Untersuchung sei die Anwesenheit einer dritten Person kontraproduktiv und könne den Auf¬bau einer Beziehung zwischen Proband und Gutachter stören. Gerade auch bei Anwesenheit von Angehörigen könnten die Mitteilungen des Probanden verfälscht werden. Hingegen sei durchaus eine Fremdanamnese Dritter unabhängig von der Exploration des Probanden möglich (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 22.9.2016, - L 7 R 2329/15 -, in juris m.w.N). Zudem sei die Übersetzung durch Familienangehörige in der Regel nicht geeignet, sondern der Gutachter habe sich eines Dolmetschers zu bedienen (Keller in: -Meyer-Ladewig, 11. Auflage 2014, § 118 Rn. 11m). Vorliegend habe die Tochter des Klägers durch ihre Anwesenheit und Übersetzungen maßgeblich die Begutachtung beeinflusst, was sich bereits aus den Ausführungen des Gutachtens ergebe. So beschreibe Dr. M. auf S. 16 "Im Gesamteindruck zeigte sich ein deutlich angespannter, massiv in sich gekehrter Proband, welcher offensichtlich etwas Deutsch verstand und nur einfach strukturierte, teils wenig verständliche Angaben zu den gut¬achterlichen Fragen machte, was immer wieder zu Diskussionen mit der Tochter führte, die et¬was impulsiv mit den spärlichen und offensichtlich nur schwer verständlichen Angaben des Va¬ters umging, was dann zu leichten Maßregelungen vom Verlobten führte". Auf der gleichen Seite heiße es weiter unten "Die Motivation bei der Untersuchung mitzuwirken war äußerst gering, umso größer aber bei der Tochter, die sich sichtlich mit dem Verhalten des Vaters schwertat im Sinne von Peinlichkeit, offensichtlich dies aber auch von zu Hause her kannte". Dr. M. sei aufgrund der passiven Untersuchungshaltung mit mangelnder Mitarbeit und Kooperation davon ausgegangen, dass eine sinnvolle Beurteilung massiv eingeschränkt gewesen sei. Wie er an anderer Stelle (S. 29) eine sachliche Übersetzung durch die Tochter ohne wesentliche Auffälligkeiten habe annehmen können, erschließe sich für die Kammer nicht. Zudem sei insgesamt, trotz des Kapitels "Fremdanamnese der Tochter" nicht ersichtlich, welche weiteren Angaben vom Kläger stammten und welche maßgeblich von der Tochter stammten. Demgegenüber beschreibe Dr. W. in sei¬nem psychischen Befund einen freundlich zugewandten Probanden, der bereitwillig mit normal modulierter Sprache dem Dolmetscher über seine Beschwerden berichtet habe und auch nach Unter¬brechungen den Gesprächsfaden habe wieder aufnehmen können. Zur Überzeugung der Kammer sei daher das Gutachten des Dr. M. durch die Hinzuziehung der Tochter bei der Exploration verfälscht worden. Dies gelte insbesondere auch für die vom Sachverständigen beschriebenen Ein¬schränkungen des Klägers aufgrund der hirnorganischen Wesensänderung, die maßgeblich auf den Schilderungen der Tochter fußten. Darüber hinaus ergebe sich keine zeitliche Leistungseinschränkung aus den Schmerzen oder der Halbseitensymptomatik. Während der Untersuchung bei Dr. W. seien keine schmerzbe¬dingten Ausgleichsbewegungen zu erkennen gewesen und es sei dem Kläger möglich gewesen, sich ohne größere Hilfe alleine An- und Auszuziehen. Es hätte sich eine normale Beschwielung im Bereich der Hände- und Fußsohlen gefunden, mit Gebrauchsspuren im Bereich der Finger, was der vom Kläger ge¬schilderten Tatenlosigkeit widerspreche. Zudem habe ein unauffälliges Muskelrelief vorgelegen. Auch bei der Untersuchung von Dr. E. im Dezember 2012 habe der Kläger ein ruhiges Sitzverhalten ohne die Einnahme von Schonhaltungen der Wirbelsäule gezeigt. Die Schmerzen des Klägers seien nur teilweise durch die organischen Beschwerden der Wirbelsäule erklärbar, jedoch nicht in der von ihm geschilderten Weise. Die Kammer habe daher seitens der Schmerzen unter Berück¬sichtigung der Gutachten von Dr. W. und Dr. L. keine weitergehenden Leistungsein¬schränkungen abzuleiten vermocht. Insbesondere finde auch seit Jahren keine fachärztliche Behandlung hinsichtlich der Schmerzen statt, sodass die entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten (medi-kamentös, therapeutisch, ambulant, stationär) nicht ausgeschöpft seien. Der Kläger besuche nach seinen Angaben gegenüber Dr. M. lediglich einmal jährlich Dr. K., um die not¬wendige Bescheinigung für seinen Führerschein zu erhalten. Dies spreche einerseits für einen geringen Leidensdruck und schließe andererseits nach der von der Kammer vertretenen Rechts¬auffassung die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund der Schmerzen aus. Schließlich habe auch Dr. M. den übrigen Beschwerden, insbesondere der Halbseitenlähmung oder den orthopädischen Beschwerden, lediglich geringe Beeinträchtigungen der Leis¬tungsfähigkeit des Klägers beigemessen. Schließlich führe auch die leichte Impingementsymptomatik der rechten Schulter lediglich zu qualitativen Einschränkung. Die genannten qualitativen Einschränkungen stellten weder eine Summierung der Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungseinschränkung dar. Daneben sei, der in Betracht kommende Arbeitsmarkt, nicht wegen einer rentenrechtlich relevan¬ten Einschränkung der Gehfähigkeit verschlossen. Somit lägen bereits die medizinischen Voraussetzungen für eine teilweise oder volle Erwerbs¬minderungsrente nicht vor, sodass es auf das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Vorausset¬zungen nicht ankomme. Schließlich sei der Kläger auch nicht berufsunfähig gemäß § 240 Abs. 2 S. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), da er nach dem 01.01.1961 geboren sei.
Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 17.02.2017 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.
Hiergegen richtet sich die bereits am 25.11.2016 zum LSG erhobene Berufung des Klägers. Ausweislich des Gutachtens von Dr. M. lasse das Gesamtbild ein körperliches Leistungsprofil für leichte Arbeiten erkennen, die psychische Einschränkung der Belastbarkeit mit stark schwankender Motivation lasse aber auf Dauer eine mehrstündige Belastbarkeit mit zielgerichteten Aktivitäten nicht zu. Allenfalls eine Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte unter therapeutischer Anleitung sei für den Kläger stundenweise denkbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27.10.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 29.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.10.2013 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 08.06.2017 darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtige im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zu entscheiden. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, auf die Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten des SG und die Berufungsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten gehört.
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt. Er hat hierauf keinen Anspruch.
Zu entscheiden ist allein, ob der (rechtskundig vertretene) Kläger Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI hat, nicht aber, ob er Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI hat. Einen entsprechenden Antrag auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht gestellt. Hiermit korrespondieren auch die fehlenden Ausführungen zum Berufsschutz im Berufungsverfahren.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554).
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll- bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Leistungsfähigkeit des Klägers wird - unstreitig seit der streitgegenständlichen Antragstellung - maßgeblich durch seine Er¬krankungen auf psychiatrisch/neurologischem Fachgebiet eingeschränkt. Ausweislich des Gut¬achtens von Dr. W. liegen beim Kläger ein seit Jahren anfallsfreies zerebrales Anfallsleiden nach Hippocampektomie 2002, eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen und ein Verdacht auf eine organische Wesensänderung vor. Dr. W. hat bei seiner Untersuchung unter Hinzuziehung eines Dolmetschers keine Sprachstö¬rung der türkischen Sprache, eine ungestörte Aufmerksamkeit und Konzentration sowie keine Störung der relevanten Gedächtnisfunktion feststellen können. Die Stimmungslage war freilich gedrückt, der Kläger eingeschränkt schwingungsfähig bei leichtgradig reduziertem Antrieb und Psychomoto¬rik. Der Sachverständige bescheinigte dem Kläger intellektuelle Fähigkeiten im Durchschnittsbe¬reich. Nachvollziehbar und schlüssig leitet der Gutachter hieraus qualitative Leistungseinschränkungen ab. Zu vermeiden sind Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, Verantwortung für Personen und Schichtdienst, mit Absturzgefahr oder an unzureichend gesicherten Maschinen. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen ist der Kläger aus nervenärztlicher Sicht weiter in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Dies bestätigt nicht nur Dr. W., sondern auch das Gutachten des Allgemeinmediziners G. vom 21.11.2013 und der Reha-Entlassungsbericht der M.-Klinik vom 31.05.2012, wobei insoweit zu beachten ist, dass der Kläger auch muttersprachlich therapiert wurde. Diese gingen bei grundsätzlich vergleichbaren Diagnosen ebenfalls von einer qualitativen Leistungseinschränkung aus und bejahten eine Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für über sechs Stunden in einer Fünf-Tage-Woche. Schließlich gelangte auch das Gutachten des Arztes K. für die Bundesagentur für Arbeit vom 18.10.2013 zu einem sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten. Demgegenüber vermochte sich der Senat - wie das SG - dem Gutachten des Dr. M. nicht anzuschließen. Unstrei¬tig fand beim Kläger im Jahr 2002 eine Teilresektion des vorderen Temporallappens statt. Je¬doch vermögen weder die Diagnose noch die erhobenen Befunde sowie die daraus geschlossene sozialmedizinische Beurteilung des Dr. M. zu überzeugen. Zwar stellte dieser die Verdachtsdiagnosen der organischen Persönlichkeitsveränderung oder Intelligenzminderung, jedoch finden sich auch immer wieder Beschreibungen über fehlende Motivation seitens des Klägers oder ein inadäquates Beschwerdevorbringen. So ging Dr. W. aufgrund der von ihm erhobenen Befunde sowie den Beobachtungen des Klägers während der Untersuchung sowie der Testpsychologie nachvollziehbar davon aus, dass deutliche Hinweise für simulative Tendenzen seitens des Klägers vorliegen. Solche Diskrepanzen zwi¬schen Beschwerdeangaben und tatsächlichem Verhalten wurden bereits zuvor von Dr. E. und Dr. L. deutlich beschrieben. Auch Dr. M. konnte während seiner Untersuchung Hin¬weise auf Beschwerdeverdeutlichung bei passivem Untersuchungsverhalten nicht ausschließen. Gleichwohl setzt er sich mit dieser Problematik nicht näher auseinander und übernimmt unkritisch die vom Kläger bzw. seiner Tochter vorgetragene Beschwerdeschilderung. Darüber hinaus hatte der Senat zu berücksichtigen, dass bei der psychiatrischen Exploration und Untersuchung die Anwesenheit einer dritten Person - hier der Tochter und des Verlobten der Tochter - kontraproduktiv ist und den Auf¬bau einer Beziehung zwischen Proband und Gutachter stören kann. Gerade auch bei Anwesenheit von Angehörigen können die Mitteilungen des Probanden verfälscht werden. Hingegen ist durchaus eine Fremdanamnese Dritter unabhängig von der Exploration des Probanden möglich (vgl. LSG, Urteil vom 22.09.2016 - L 7 R 2329/15 -, in juris Rn. 50 mwN). Zudem ist die Übersetzung durch Familienangehörige in der Regel nicht geeignet, sondern der Gutachter hat sich eines Dolmetschers zu bedienen (Keller in: Meyer-Ladewig, 12. Auflage 2017, § 118 Rn. 11m). Vorliegend hat die Tochter des Klägers durch ihre Anwesenheit und Übersetzungen maßgeblich die Begutachtung beeinflusst. Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen im Urteil des SG Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG ab.
Eine quantitative Leistungseinschränkung ergibt sich zur Überzeugung des Senats auch nicht aus den Schmerzen oder der Halbseitensymptomatik. Während der Untersuchung bei Dr. W. waren keine schmerzbe¬dingten Ausgleichsbewegungen zu erkennen und es war dem Kläger möglich, sich ohne größere Hilfe alleine An- und Auszuziehen. Es fand sich eine normale Beschwielung im Bereich der Hände- und Fußsohlen, mit Gebrauchsspuren im Bereich der Finger, was der vom Kläger ge¬schilderten Tatenlosigkeit widerspricht. Zudem lag ein unauffälliges Muskelrelief vor. Auch bei der Untersuchung von Dr. E. im Oktober 2010 zeigte der Kläger ein ruhiges Sitzverhalten ohne die Einnahme von Schonhaltungen von Seiten der Wirbelsäule. Die Schmerzen des Klägers sind nur teilweise durch die organischen Beschwerden der Wirbelsäule erklärbar. Insbesondere findet auch seit Jahren keine fachärztliche Behandlung hinsichtlich der Schmerzen statt. Der Senat vermochte daher seitens der Schmerzen auch unter Berück¬sichtigung der Gutachten von Dr. W. und Dr. L. keine weitergehenden Leistungsein¬schränkungen abzuleiten.
Auch die beim Kläger bestehenden Erkrankungen auf orthopädischen Fachgebiet begründen zur Überzeugung des Gerichts in Übereinstimmung mit den Beteiligten keine quantitative Leistungseinschränkung. Übereinstimmend mit Dr. W. haben Dr. M. und Dr. L. hinsichtlich der orthopädischen Leiden keine gravierenden Leistungseinschränkungen angenommen. Nicht mehr leidensgerecht sind freilich häufiges Bücken, schweres Heben und Tragen sowie Zwangshaltungen der Wirbelsäule. Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten mit Vibrationseinflüssen auf die Schultergelenke oder Len¬denwirbelsäule sind zu vermeiden. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den sozi¬almedizinischen Einschätzungen im Entlassungsbericht der M. Klinik vom 31.05.2012 sowie den Gutachten von Dr. W. und Dr. E ...
Der Senat vermochte sich auch unter Berücksichtigung der vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenaussage des allein behandelnden Allgemeinmediziners Dr. A. nicht von einer qualitativen Leistungseinschränkung zu überzeugen. Die sachverständige Zeugenaussage lässt bereits eine Unterscheidung zwischen quantitativer und qualitativer Leistungseinschränkung vermissen. Eine quantitative Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkt ist im Übrigen auch nicht ableitbar. Dr. A. hat keine Befunde mitgeteilt, die eine derartige Einschränkung ergeben würden. Insbesondere ist durch das gerichtlichen Sachverständigengutachten des Dr. W. geklärt, dass die Erkrankungen des Klägers keine derart gravierende Auswirkung haben. Die Leistungseinschätzung der behandelnden Ärzte ist damit widerlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st. Rspr. des Senats (statt vieler Urteil des Senats vom 22.02.2017, - L 5 R 791/15 -, n.v.; vgl auch LSG, Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10, n.v.) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.
Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben sind, bestehen nicht. Ein Großteil der qualitativen Beschränkungen werden bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG, Urteil vom 30.11.1983, - 5 ARKn 28/82 - ; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, - GS 2/95 -; siehe auch BSG, Urteil vom 05.10.2005, - B 5 RJ 6/05 R - , alle in juris). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger leidensgerecht unzumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich oder mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI).
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen - wie vom Kläger angeregt -, nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1971 in der T. geborene Kläger reiste in den achtziger Jahren in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach dem Schulabschluss erlernte er keinen Beruf. Bis 2002 war er unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit als ungelernter Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Im Anschluss war der Kläger durchgehend arbeitslos bzw. arbeitsunfähig und bezog Arbeitslosengeld und Krankengeld. Seit 2005 bezieht er durchgehend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Seit der Jugendzeit litt der Kläger an epileptischen Anfällen. Nach der selektiven Entfernung der Amygdala und des Hippokampus linksseitig im Jahr 2002 treten zumindest seit Frühjahr 2009 keine cerebralen Krampfanfälle mehr auf.
Am 27.05.2009 beantragte der Kläger, nachdem bereits zuvor mehrere Rentenanträge erfolglos geblieben waren, die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und am 22.07.2009 erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Ausweislich des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Ulm (SG) zog die Beklagte ärztliche Unterlagen bei und ließ den Kläger durch den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. G. begutachten. Danach kam dieser in seinem Gutachten vom 08.09.2009 zum Ergebnis, dass der Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr in einer Fünf-Tage-Woche verrichten könne. Mit Bescheid vom 16.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.03.2010 lehnte die Beklagte den Antrag daraufhin ab. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum SG (S 13 R 1224/10). Das Gericht beauftragte von Amts wegen Dr. E., Fach¬arzt für Orthopädie, mit der Begutachtung des Klägers. In seinem Gutachten vom 22.12.2010 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 29.10.2010 stellte dieser nachfolgende Diagnosen:
1. lumbales Facettensyndrom der unteren Len¬denwirbelsäule, 2. geringe Facettensymptomatik der mittleren und unteren Halswirbelsäule, 3. leichte Impingementsymptomatik der rechten Schulter
Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr in einer Fünf-Tage-Woche zu verrichten. Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG darüber hinaus Dr. L., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Begutachtung des Klägers. In seinem Gutachten vom 08.11.2011 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 26.10.2011 teilte dieser die Diagnose eines schmerzhaften Wirbelsäulensyndroms mit. Der Kläger sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sechs Stunden und mehr in einer Fünf-Tage-Woche zu verrichten. Mit Gerichtsbescheid vom 27.01.2012 wies das SG die Klage sodann ab.
Vom 02.05. bis 30.05.2012 absolvierte der Kläger eine stationäre Rehabilitation in der M. am S., die eine muttersprachliche Therapie mitumfasste. Laut Entlassungsbericht vom 31.05.2012 sei der Kläger der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemei¬nen Arbeitsmarktes für mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Als Diagnosen wurden angegeben: 1. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, 2. Zustand nach Bandscheibenprotrusion, Lendenwirbelsäulensyndrom, 3. Zustand nach Hirntumor 2001 [fokale Epilepsie, derzeit an¬fallsfrei], 4. Verdacht auf Intelligenzminderung.
Am 21.10.2013 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminde-rung. Die Beklagte zog verschiedene Arztbriefe der behandelnden Ärzte aus den Jahren 2012/2013, den Bericht des J. F. K. K., I., über die am 07.02.2002 durchgeführte Hirnoperation sowie das Gutachten des Arztes K. für die Bundesagentur für Arbeit vom 18.10.2013, welcher von einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten aus¬ging, bei. Ferner veranlasste die Beklagte die Begutachtung durch den Facharzt für Allgemeinmedizin G ... Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 21.11.2013 aufgrund der ambulanten Untersuchung am 18.11.2013 folgen¬de Gesundheitsstörungen: 1. Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren 2. frühere Temporallappenepilepsie rechts, Zustand nach hirnchirurgischem Eingriff, seit Jahren anfallsfrei 3. diskrete Halbseitensymptomatik rechts nach hirnchirurgischem Eingriff 4. V.a. Intelligenzminderung 5. chronisches LWS-Syndrom
Der Kläger sei in der Lage, unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für min¬destens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Mit Bescheid vom 29.11.2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, da dieser die me-dizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle.
Hiergegen legte der Kläger am 12.12.2013 Widerspruch ein und trug vor, durch seinen reduzier-ten Allgemeinzustand sei er nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allge-meinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich irgendeiner Tätigkeit nachzugehen. Er habe starke Rücken- und Schulterbeschwerden und eine rechtsseitige Halbseitenlähmung. Er sei gezwungen täglich starke Medikamente einzunehmen, um seine Schmerzen einigermaßen aushalten zu kön-nen.
Die Beklagte wies den Widerspruch nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme des Gutach¬ters G. vom 07.01.2014 mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2014 unter Wiederholung und Vertiefung der Begründung des Ausgangsbescheides zurück.
Hiergegen richtete sich die am 14.04.2014 zum SG erhobene Klage des Klägers. Er sei nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr zu erbringen. Dies könne der behandelnde Hausarzt Dr. A. bestätigen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Die Kammer befragte Dr. A., Facharzt für Allgemeinmedizin, als sachverständigen Zeugen. Dieser gab am 11.06.2014 an, dass er den Kläger seit 1998 regelmäßig mit Gesprächstherapie und medikamentöser Therapie behandele. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich seit dem Behandlungsbeginn verschlechtert. Er sei nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten im Stehen, Sitzen und Gehen sowie in Schichten für drei Stunden täglich auszuüben. Aufgrund der Intelligenz und des Ausbildungsniveaus sei es dem Kläger auch nicht mehr möglich, neue Berufe zu erlernen. Ergänzend legte er fachärztliche Arztbriefe, unter anderem von Dr. K., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 18.09.2013 und 28.04.2014 sowie von Dr. E. vom 11.09.2013, vor.
Darüber hinaus beauftragte das SG Dr. W., Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Begutachtung des Klägers. In seinem Gutachten vom 12.02.2015 stellte Dr. W. nach der ambulanten Untersuchung des Klägers und unter Beiziehung eines Dolmetschers für die türkische Sprache am 10.02.2014 nachfolgende Diagnosen. 1. zerebrales Anfallsleiden, anfallsfrei nach Hippocampektomie 2002 2. Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen 3. V.a. organische Wesensänderung
Dr. W., der während der Untersuchung Hinwiese auf simulative Tendenzen fand, leitete aus den objektivierbaren Gesundheitsstörungen qualitative Einschränkungen ab, hielt den Klä¬ger aber weiterhin für in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der qualitativen Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich aus¬zuüben.
Auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG wurde zudem Dr. M., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. In seinem Gutachten vom 02.10.2015 diagnostizierte dieser aufgrund ambulanter Untersu¬chung vom 02.10.2015 unter Hinzuziehung der zudem fremdanamnestisch befragten Tochter des Klägers als Dolmetscherin sowie in Anwesenheit deren Verlobten folgende Gesundheitsstörungen:
1. Organische Persönlichkeitsstörung im Sinne eines Lobotomiesyndroms vom pseudo-retardierten Typ nach Temporallappenepilepsie mit Entfernung zumindest von Teilen des linken Temporallappens bzw. Temporallappenresektion links 2002 mit postopera¬tivem Sprachverlust und kompletter Halbseitenlähmung rechts 2. passives Untersuchungsverhalten mit Hinweisen auf Beschwerdeverdeutlichung 3. Hinweise auf einen familiären Konflikt 4. symptomatisches Anfallsleiden mit komplex partiellen Anfällen in Remission 5. minimale Fazialisparese links, leichte Halbseitensymptomatik rechts mit Reflexbetonung und krankhaften Reflexen, Carpaltunnel-Syndrom links
Der Sachverständige führte, unter Berücksichtigung der Fremdanamnese der Tochter aus, dass von einer organischen Persönlichkeitsveränderung auszugehen sei. Dies schließe eine leichte Tätigkeit bei organisch bedingter schwankender Motivationslage mit reizbar aggressivem Verhalten im Wech¬sel zur Apathie auf Dauer über drei Stunden täglich aus. Allenfalls in einer Werkstatt für Behinderte sei eine stundenweise Beschäftigung möglich. Die Einschränkungen durch die Halbseitenlähmung und orthopädischen Beschwerden seien gering.
Mit seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 19.01.2016 erhob für die Beklagte Obermedizinalrat F. Einwendungen gegen das Gutachten und die Leistungseinschätzung von Dr. M ... Dieser habe keinen Dolmetscher beigezogen und sich im Wesentlichen auf die Fremdanamnese gestützt. Auch sei der Tagesablauf kritisch zu hinterfragen. Die Schwere der angenommenen Einschränkung sei auch mit einem mehrwöchigen T.aufenthalt des Klägers im Jahr 2014 nicht in Einklang zu bringen.
Hierauf erbat das SG eine ergänzende Stellungnahme bei Dr. M ... In seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 05.04.2016 und 21.06.2016 nahm Dr. M. zu den Einwendungen der Beklagten Stellung und führte aus, es sei ein Mangel der Aktenlage, dass zur Opera¬tion der Temporallappen keine Unterlagen oder bildgebende Befunde vorhanden seien. Es sei aber klinisch eindeutig von einer organischen Persönlichkeitsstörung im Sinne eines Lobotomiesyndroms vom pseudoretardierten Typ nach Temporallappenepilepsie auszugehen. Die bisheri¬gen Testungen des Klägers seien weder den sprachlichen Barrieren noch dessen Schulbildung gerecht geworden. Unter Berücksichtigung des Akteninhalts sowie der Befunde, insbesondere der fokalneurologischen Defizite, sowie der multiplen Verdachtsdiagnosen auf neuropsychologischem Gebiet, sei hinsichtlich der Diagnosestellung die Hinzuziehung eines Dolmetschers nach¬rangig und werde durch die Fremdanamnese mehr als aufgewogen.
In seinen sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 15.06.2016 und 09.08.2016 hielt Obermedizinalrat F. an seinen Bedenken fest.
Ergänzend nahm der Kläger zu den Einwendungen des Dr. F. Stellung. Zwar sei er vom 24.07. bis 12.09.2014 in der T. im Ur¬laub gewesen, hierbei jedoch umfassend von seiner Familie betreut und unterstützt worden. So¬fern die Beklagte bei ihrem Einwand hinsichtlich der fehlenden Objektivität der Übersetzung durch die Tochter verbleibe, sei ein weiteres Gutachten von Dr. M. unter Hinzuziehung eines vereidigten Dolmetschers zu veranlassen. Zutreffend sei, dass er seit ca. vier Jah¬ren keine Medikamente wegen seiner Epilepsie einnehme und anfallsfrei sei. Er fahre allenfalls kurze Strecken innerhalb seines Wohnortes mit seinem PKW.
Am 26.10.2016 zog die Kammer unter anderem die Gerichtsakten der Verfahren S 13 R 1224/10 und S 12 SB 2604/12 bei.
Mit Urteil vom 27.10.2016 wies das SG die Klage ab. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte bis zeitweilig (nämlich bis zu vier Stunden täglich) mittelschwere Tätigkeiten unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, Verantwortung für Personen und Schichtdienst, mit Absturzgefahr oder unzureichend gesicherten Maschinen. Nicht mehr leidensgerecht seien zudem häufiges Bücken, schweres Heben und Tragen sowie Zwangshaltungen der Wirbelsäule. Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten mit Vibrationseinflüssen auf die Schultergelenke oder Len¬denwirbelsäule seien zu vermeiden. Dies ergebe sich zur Überzeugung der Kammer aus den sozi¬almedizinischen Einschätzungen im Entlassungsbericht der M. Klinik vom 03.05.2012 sowie den Gutachten von Dr. W. und Dr. E ... Die Leistungsfähigkeit des Klägers werde inzwischen - während im Verfahren S 13 R 1224/10 noch die Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule im Vordergrund gestanden hätten - durch seine Er¬krankungen auf psychiatrisch/neurologischem Fachgebiet eingeschränkt. Ausweislich des Gut¬achtens von Dr. W. liege beim Kläger ein seit Jahren anfallsfreies zerebrales Anfallsleiden nach Hippocampektomie 2002, eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen und ein Verdacht auf eine organische Wesensänderung vor. Aus diesen Erkrankung ergäben sich die oben genannten qualitativen Einschränkungen, aber keine zeitliche Minderung, wie der Sachverständige in seinem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar dargelegt habe. Dr. W. habe bei seiner Untersuchung unter Hinzuziehung eines Dolmetschers keine Sprachstö¬rung der türkischen Sprache, eine ungestörte Aufmerksamkeit und Konzentration und keine Störung der relevanten Gedächtnisfunktion feststellen können. Die Stimmungslage sei gedrückt gewesen, der Kläger eingeschränkt schwingungsfähig bei leichtgradig reduziertem Antrieb und Psychomoto¬rik. Der Sachverständige bescheinige dem Kläger intellektuelle Fähigkeiten im Durchschnittsbe¬reich. Hingegen habe er nicht das von Dr. M. erstmals beschriebene Lobotomiesyndrom mit der fehlenden Durchhaltefähigkeit für eine leichte Tätigkeit festzustellen vermocht. Auch keiner der zuvor mit dem Kläger befassten Gutachter (Dr. L., G., Dr. K.) oder die behandelnden Ärzte während des mehrwöchigen Aufenthaltes in der M. im Jahr 2012 seien von der von Dr. M. erhobenen Diagnose bzw. dessen schwerwiegenden Befunden ausgegangen. Zwar seien die Verdachtsdiagnosen der organischen Persönlichkeitsveränderung oder Intelligenzminderung gestellt worden, jedoch fänden sich auch immer wieder Beschreibungen über fehlende Motivation seitens des Klägers oder einem inadäquaten Beschwerdevorbringen. So sei Dr. W. aufgrund der von ihm erhobenen Befunde sowie den Beobachtungen des Klägers während der Untersuchung sowie der Testpsychologie nachvollziehbar davon ausgegangen, dass deutliche Hinweise für simulative Tendenzen seitens des Klägers vorlägen. Solche Diskrepanzen zwi¬schen Beschwerdeangaben und tatsächlichem Verhalten seien bereits zuvor von Dr. E. und Dr. L. deutlich beschrieben worden. Auch Dr. M. habe während seiner Untersuchung Hin¬weise auf Beschwerdeverdeutlichung bei passivem Untersuchungsverhalten nicht ausschließen können. Unstrei¬tig habe beim Kläger im Jahr 2002 eine Teilresektion des vorderen Temporallappens stattgefunden. Je¬doch würden weder die Diagnose noch die erhobenen Befunde sowie die daraus geschlossene sozialmedizinische Beurteilung des Dr. M. zu überzeugen vermögen. Denn die Begutachtung des Klägers habe unter Mitarbeit und Hinzuziehung der Tochter des Klägers und in Anwesenheit von deren Verlobten stattgefunden. Die Tochter habe auch die Übersetzung während der Befragung übernommen. In¬soweit bestünden bereits erhebliche methodische Bedenken gegen das Gutachten von Dr. M ... Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft entspreche es den Regeln der psychiatrischen Begutachtung, Dritte bei der Exploration abzulehnen. Denn bei der psychiatrischen Exploration und Untersuchung sei die Anwesenheit einer dritten Person kontraproduktiv und könne den Auf¬bau einer Beziehung zwischen Proband und Gutachter stören. Gerade auch bei Anwesenheit von Angehörigen könnten die Mitteilungen des Probanden verfälscht werden. Hingegen sei durchaus eine Fremdanamnese Dritter unabhängig von der Exploration des Probanden möglich (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 22.9.2016, - L 7 R 2329/15 -, in juris m.w.N). Zudem sei die Übersetzung durch Familienangehörige in der Regel nicht geeignet, sondern der Gutachter habe sich eines Dolmetschers zu bedienen (Keller in: -Meyer-Ladewig, 11. Auflage 2014, § 118 Rn. 11m). Vorliegend habe die Tochter des Klägers durch ihre Anwesenheit und Übersetzungen maßgeblich die Begutachtung beeinflusst, was sich bereits aus den Ausführungen des Gutachtens ergebe. So beschreibe Dr. M. auf S. 16 "Im Gesamteindruck zeigte sich ein deutlich angespannter, massiv in sich gekehrter Proband, welcher offensichtlich etwas Deutsch verstand und nur einfach strukturierte, teils wenig verständliche Angaben zu den gut¬achterlichen Fragen machte, was immer wieder zu Diskussionen mit der Tochter führte, die et¬was impulsiv mit den spärlichen und offensichtlich nur schwer verständlichen Angaben des Va¬ters umging, was dann zu leichten Maßregelungen vom Verlobten führte". Auf der gleichen Seite heiße es weiter unten "Die Motivation bei der Untersuchung mitzuwirken war äußerst gering, umso größer aber bei der Tochter, die sich sichtlich mit dem Verhalten des Vaters schwertat im Sinne von Peinlichkeit, offensichtlich dies aber auch von zu Hause her kannte". Dr. M. sei aufgrund der passiven Untersuchungshaltung mit mangelnder Mitarbeit und Kooperation davon ausgegangen, dass eine sinnvolle Beurteilung massiv eingeschränkt gewesen sei. Wie er an anderer Stelle (S. 29) eine sachliche Übersetzung durch die Tochter ohne wesentliche Auffälligkeiten habe annehmen können, erschließe sich für die Kammer nicht. Zudem sei insgesamt, trotz des Kapitels "Fremdanamnese der Tochter" nicht ersichtlich, welche weiteren Angaben vom Kläger stammten und welche maßgeblich von der Tochter stammten. Demgegenüber beschreibe Dr. W. in sei¬nem psychischen Befund einen freundlich zugewandten Probanden, der bereitwillig mit normal modulierter Sprache dem Dolmetscher über seine Beschwerden berichtet habe und auch nach Unter¬brechungen den Gesprächsfaden habe wieder aufnehmen können. Zur Überzeugung der Kammer sei daher das Gutachten des Dr. M. durch die Hinzuziehung der Tochter bei der Exploration verfälscht worden. Dies gelte insbesondere auch für die vom Sachverständigen beschriebenen Ein¬schränkungen des Klägers aufgrund der hirnorganischen Wesensänderung, die maßgeblich auf den Schilderungen der Tochter fußten. Darüber hinaus ergebe sich keine zeitliche Leistungseinschränkung aus den Schmerzen oder der Halbseitensymptomatik. Während der Untersuchung bei Dr. W. seien keine schmerzbe¬dingten Ausgleichsbewegungen zu erkennen gewesen und es sei dem Kläger möglich gewesen, sich ohne größere Hilfe alleine An- und Auszuziehen. Es hätte sich eine normale Beschwielung im Bereich der Hände- und Fußsohlen gefunden, mit Gebrauchsspuren im Bereich der Finger, was der vom Kläger ge¬schilderten Tatenlosigkeit widerspreche. Zudem habe ein unauffälliges Muskelrelief vorgelegen. Auch bei der Untersuchung von Dr. E. im Dezember 2012 habe der Kläger ein ruhiges Sitzverhalten ohne die Einnahme von Schonhaltungen der Wirbelsäule gezeigt. Die Schmerzen des Klägers seien nur teilweise durch die organischen Beschwerden der Wirbelsäule erklärbar, jedoch nicht in der von ihm geschilderten Weise. Die Kammer habe daher seitens der Schmerzen unter Berück¬sichtigung der Gutachten von Dr. W. und Dr. L. keine weitergehenden Leistungsein¬schränkungen abzuleiten vermocht. Insbesondere finde auch seit Jahren keine fachärztliche Behandlung hinsichtlich der Schmerzen statt, sodass die entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten (medi-kamentös, therapeutisch, ambulant, stationär) nicht ausgeschöpft seien. Der Kläger besuche nach seinen Angaben gegenüber Dr. M. lediglich einmal jährlich Dr. K., um die not¬wendige Bescheinigung für seinen Führerschein zu erhalten. Dies spreche einerseits für einen geringen Leidensdruck und schließe andererseits nach der von der Kammer vertretenen Rechts¬auffassung die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund der Schmerzen aus. Schließlich habe auch Dr. M. den übrigen Beschwerden, insbesondere der Halbseitenlähmung oder den orthopädischen Beschwerden, lediglich geringe Beeinträchtigungen der Leis¬tungsfähigkeit des Klägers beigemessen. Schließlich führe auch die leichte Impingementsymptomatik der rechten Schulter lediglich zu qualitativen Einschränkung. Die genannten qualitativen Einschränkungen stellten weder eine Summierung der Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungseinschränkung dar. Daneben sei, der in Betracht kommende Arbeitsmarkt, nicht wegen einer rentenrechtlich relevan¬ten Einschränkung der Gehfähigkeit verschlossen. Somit lägen bereits die medizinischen Voraussetzungen für eine teilweise oder volle Erwerbs¬minderungsrente nicht vor, sodass es auf das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Vorausset¬zungen nicht ankomme. Schließlich sei der Kläger auch nicht berufsunfähig gemäß § 240 Abs. 2 S. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), da er nach dem 01.01.1961 geboren sei.
Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 17.02.2017 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.
Hiergegen richtet sich die bereits am 25.11.2016 zum LSG erhobene Berufung des Klägers. Ausweislich des Gutachtens von Dr. M. lasse das Gesamtbild ein körperliches Leistungsprofil für leichte Arbeiten erkennen, die psychische Einschränkung der Belastbarkeit mit stark schwankender Motivation lasse aber auf Dauer eine mehrstündige Belastbarkeit mit zielgerichteten Aktivitäten nicht zu. Allenfalls eine Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte unter therapeutischer Anleitung sei für den Kläger stundenweise denkbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27.10.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 29.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.10.2013 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 08.06.2017 darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtige im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zu entscheiden. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, auf die Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten des SG und die Berufungsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten gehört.
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.03.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt. Er hat hierauf keinen Anspruch.
Zu entscheiden ist allein, ob der (rechtskundig vertretene) Kläger Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI hat, nicht aber, ob er Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI hat. Einen entsprechenden Antrag auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht gestellt. Hiermit korrespondieren auch die fehlenden Ausführungen zum Berufsschutz im Berufungsverfahren.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554).
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll- bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Leistungsfähigkeit des Klägers wird - unstreitig seit der streitgegenständlichen Antragstellung - maßgeblich durch seine Er¬krankungen auf psychiatrisch/neurologischem Fachgebiet eingeschränkt. Ausweislich des Gut¬achtens von Dr. W. liegen beim Kläger ein seit Jahren anfallsfreies zerebrales Anfallsleiden nach Hippocampektomie 2002, eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen und ein Verdacht auf eine organische Wesensänderung vor. Dr. W. hat bei seiner Untersuchung unter Hinzuziehung eines Dolmetschers keine Sprachstö¬rung der türkischen Sprache, eine ungestörte Aufmerksamkeit und Konzentration sowie keine Störung der relevanten Gedächtnisfunktion feststellen können. Die Stimmungslage war freilich gedrückt, der Kläger eingeschränkt schwingungsfähig bei leichtgradig reduziertem Antrieb und Psychomoto¬rik. Der Sachverständige bescheinigte dem Kläger intellektuelle Fähigkeiten im Durchschnittsbe¬reich. Nachvollziehbar und schlüssig leitet der Gutachter hieraus qualitative Leistungseinschränkungen ab. Zu vermeiden sind Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, Verantwortung für Personen und Schichtdienst, mit Absturzgefahr oder an unzureichend gesicherten Maschinen. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen ist der Kläger aus nervenärztlicher Sicht weiter in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Dies bestätigt nicht nur Dr. W., sondern auch das Gutachten des Allgemeinmediziners G. vom 21.11.2013 und der Reha-Entlassungsbericht der M.-Klinik vom 31.05.2012, wobei insoweit zu beachten ist, dass der Kläger auch muttersprachlich therapiert wurde. Diese gingen bei grundsätzlich vergleichbaren Diagnosen ebenfalls von einer qualitativen Leistungseinschränkung aus und bejahten eine Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für über sechs Stunden in einer Fünf-Tage-Woche. Schließlich gelangte auch das Gutachten des Arztes K. für die Bundesagentur für Arbeit vom 18.10.2013 zu einem sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten. Demgegenüber vermochte sich der Senat - wie das SG - dem Gutachten des Dr. M. nicht anzuschließen. Unstrei¬tig fand beim Kläger im Jahr 2002 eine Teilresektion des vorderen Temporallappens statt. Je¬doch vermögen weder die Diagnose noch die erhobenen Befunde sowie die daraus geschlossene sozialmedizinische Beurteilung des Dr. M. zu überzeugen. Zwar stellte dieser die Verdachtsdiagnosen der organischen Persönlichkeitsveränderung oder Intelligenzminderung, jedoch finden sich auch immer wieder Beschreibungen über fehlende Motivation seitens des Klägers oder ein inadäquates Beschwerdevorbringen. So ging Dr. W. aufgrund der von ihm erhobenen Befunde sowie den Beobachtungen des Klägers während der Untersuchung sowie der Testpsychologie nachvollziehbar davon aus, dass deutliche Hinweise für simulative Tendenzen seitens des Klägers vorliegen. Solche Diskrepanzen zwi¬schen Beschwerdeangaben und tatsächlichem Verhalten wurden bereits zuvor von Dr. E. und Dr. L. deutlich beschrieben. Auch Dr. M. konnte während seiner Untersuchung Hin¬weise auf Beschwerdeverdeutlichung bei passivem Untersuchungsverhalten nicht ausschließen. Gleichwohl setzt er sich mit dieser Problematik nicht näher auseinander und übernimmt unkritisch die vom Kläger bzw. seiner Tochter vorgetragene Beschwerdeschilderung. Darüber hinaus hatte der Senat zu berücksichtigen, dass bei der psychiatrischen Exploration und Untersuchung die Anwesenheit einer dritten Person - hier der Tochter und des Verlobten der Tochter - kontraproduktiv ist und den Auf¬bau einer Beziehung zwischen Proband und Gutachter stören kann. Gerade auch bei Anwesenheit von Angehörigen können die Mitteilungen des Probanden verfälscht werden. Hingegen ist durchaus eine Fremdanamnese Dritter unabhängig von der Exploration des Probanden möglich (vgl. LSG, Urteil vom 22.09.2016 - L 7 R 2329/15 -, in juris Rn. 50 mwN). Zudem ist die Übersetzung durch Familienangehörige in der Regel nicht geeignet, sondern der Gutachter hat sich eines Dolmetschers zu bedienen (Keller in: Meyer-Ladewig, 12. Auflage 2017, § 118 Rn. 11m). Vorliegend hat die Tochter des Klägers durch ihre Anwesenheit und Übersetzungen maßgeblich die Begutachtung beeinflusst. Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen im Urteil des SG Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG ab.
Eine quantitative Leistungseinschränkung ergibt sich zur Überzeugung des Senats auch nicht aus den Schmerzen oder der Halbseitensymptomatik. Während der Untersuchung bei Dr. W. waren keine schmerzbe¬dingten Ausgleichsbewegungen zu erkennen und es war dem Kläger möglich, sich ohne größere Hilfe alleine An- und Auszuziehen. Es fand sich eine normale Beschwielung im Bereich der Hände- und Fußsohlen, mit Gebrauchsspuren im Bereich der Finger, was der vom Kläger ge¬schilderten Tatenlosigkeit widerspricht. Zudem lag ein unauffälliges Muskelrelief vor. Auch bei der Untersuchung von Dr. E. im Oktober 2010 zeigte der Kläger ein ruhiges Sitzverhalten ohne die Einnahme von Schonhaltungen von Seiten der Wirbelsäule. Die Schmerzen des Klägers sind nur teilweise durch die organischen Beschwerden der Wirbelsäule erklärbar. Insbesondere findet auch seit Jahren keine fachärztliche Behandlung hinsichtlich der Schmerzen statt. Der Senat vermochte daher seitens der Schmerzen auch unter Berück¬sichtigung der Gutachten von Dr. W. und Dr. L. keine weitergehenden Leistungsein¬schränkungen abzuleiten.
Auch die beim Kläger bestehenden Erkrankungen auf orthopädischen Fachgebiet begründen zur Überzeugung des Gerichts in Übereinstimmung mit den Beteiligten keine quantitative Leistungseinschränkung. Übereinstimmend mit Dr. W. haben Dr. M. und Dr. L. hinsichtlich der orthopädischen Leiden keine gravierenden Leistungseinschränkungen angenommen. Nicht mehr leidensgerecht sind freilich häufiges Bücken, schweres Heben und Tragen sowie Zwangshaltungen der Wirbelsäule. Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten mit Vibrationseinflüssen auf die Schultergelenke oder Len¬denwirbelsäule sind zu vermeiden. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den sozi¬almedizinischen Einschätzungen im Entlassungsbericht der M. Klinik vom 31.05.2012 sowie den Gutachten von Dr. W. und Dr. E ...
Der Senat vermochte sich auch unter Berücksichtigung der vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenaussage des allein behandelnden Allgemeinmediziners Dr. A. nicht von einer qualitativen Leistungseinschränkung zu überzeugen. Die sachverständige Zeugenaussage lässt bereits eine Unterscheidung zwischen quantitativer und qualitativer Leistungseinschränkung vermissen. Eine quantitative Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkt ist im Übrigen auch nicht ableitbar. Dr. A. hat keine Befunde mitgeteilt, die eine derartige Einschränkung ergeben würden. Insbesondere ist durch das gerichtlichen Sachverständigengutachten des Dr. W. geklärt, dass die Erkrankungen des Klägers keine derart gravierende Auswirkung haben. Die Leistungseinschätzung der behandelnden Ärzte ist damit widerlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st. Rspr. des Senats (statt vieler Urteil des Senats vom 22.02.2017, - L 5 R 791/15 -, n.v.; vgl auch LSG, Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10, n.v.) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.
Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben sind, bestehen nicht. Ein Großteil der qualitativen Beschränkungen werden bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG, Urteil vom 30.11.1983, - 5 ARKn 28/82 - ; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996, - GS 2/95 -; siehe auch BSG, Urteil vom 05.10.2005, - B 5 RJ 6/05 R - , alle in juris). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger leidensgerecht unzumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich oder mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI).
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen - wie vom Kläger angeregt -, nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved