Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3639/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 1071/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen für eine Altersrente für besonders langjährige Versicherte gemäß den §§ 51, 236b SGB VI und deren Verfassungsmäßigkeit (unter Bezugnahme auf Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 21. Juni 2016 – L 9 R 695/16 – juris).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
Der am 12. September 1952 geborene Kläger war bei der H. D. AG als Leiharbeiter und Flurförderfahrzeugfahrer in der Abteilung Materialfluss in W. beschäftigt. Gegen Zahlung einer Abfindung von 76.199,75 EUR wurde das Arbeitsverhältnis mit einem unter dem 14. Mai 2012 geschlossenen Aufhebungsvertrag mit Ablauf des 31. Mai 2012 beendet. Anschließend schloss der Kläger einen "Vertrag über ein Beschäftigungsverhältnis" im Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Aufhebungsvertrag zum Wechsel in die Transfergesellschaft im Rahmen des HEIDELBERG-Sozialplans mit der w.-p. GmbH ab. Gemäß § 2 dieses Vertrages endete das Beschäftigungsverhältnis zum 31. Mai 2013, ohne dass es einer Kündigung bedurfte. Sodann meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Bundesagentur für Arbeit gewährte sodann Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Juni 2013 bis zum 30. Mai 2015. Seit dem 1. Oktober 2015 bezieht der Kläger Altersrente für langjährig Versicherte auf Grund des Rentenbescheides vom 16. Juli 2015 nach seinem Rentenantrag dazu vom 16. April 2015 mit einem monatlichen Abschlag von 9 Prozent.
Im Versicherungskonto des Klägers sind Beitragszeiten auf Grund abhängiger Beschäftigung bis zum 31. Mai 2013, im Zeitraum 1. Juni 2013 bis 30. Mai 2015 Beitragszeiten auf Grund des Bezuges von Geldersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit und Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug von 31. Mai bis 30. September 2015 vermerkt.
Am 26. Februar 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236 b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Mit Bescheid vom 12. März 2015 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab, da die Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllt sei. Das Versicherungskonto enthalte bis zum 31. Dezember 2014 529 Beitragsmonate, so dass die erforderliche Anzahl von 540 Monaten nicht erreicht sei. Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn zählten nur mit, wenn diese Folge einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers seien. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Ohne diese Zeiten weise das Versicherungskonto nur 529 Kalendermonate auf.
Hiergegen erhob der Kläger am 31. März 2015 Widerspruch, den er damit begründete, dass die gesetzliche Regelung, wonach Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht angerechnet würden, verfassungswidrig sei. Er sei nur deswegen arbeitslos geworden, weil sein Arbeitgeber, die H. D. AG, die Insolvenz in Aussicht gestellt habe. Nur durch Freisetzung von mindestens 250 Mitarbeitern und durch die Gewährung eines staatlichen Überbrückungskredits sei die kurz bevorstehende Insolvenz abgewendet worden. Deswegen seien die älteren Mitarbeiter entlassen und in eine Auffanggesellschaft integriert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger erfülle die Wartezeit von 45 Jahren nicht. Die nach Entlassung beim vorherigen Arbeitgeber zur Abwendung einer Insolvenz erfolgte und auf ein Jahr befristete Integrierung älterer Mitarbeiter in eine Auffanggesellschaft erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen einer Wartezeitanrechnung nicht. Der bisherige Arbeitgeber führe den Geschäftsbetrieb weiter. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geltende Regelung bestünden nicht.
Am 9. November 2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Die gegenwärtige Rechtslage sei verfassungswidrig. Es müssten Ausnahmetatbestände bzw. Übergangsregelungen geschaffen werden. Nach der früheren Rechtslage seien auch Zeiten des Bezuges von Arbeitslosenhilfe bzw. Arbeitslosengeld angerechnet worden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat sich im Wesentlichen auf die Begründung des Widerspruchsbescheides bezogen.
Mit Urteil vom 23. Februar 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne keine Altersrente für besonders langjährig Versicherte beanspruchen. Hierbei stehe allerdings nicht der Umstand entgegen, dass dem Kläger mit Bescheid vom 16. Juli 2015 zum 1. Oktober 2015 eine andere Altersrente für langjährig Versicherte bewilligt worden sei. Denn er erfülle jedenfalls nicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236 b Abs. 1 SGB VI. Wie die Beklagte zu Recht ausgeführt habe, enthalte das Versicherungskonto des Klägers insgesamt 529 Monate an Pflichtbeitragszeiten, die auf die Wartezeit anzurechnen seien. Dementsprechend sei die Wartezeit von 45 Jahren (540 Monate) nicht erfüllt. Die in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn vorhandenen Zeiten auf Grund des Bezuges von Entgeltersatzleistungen seien nicht bei der Berechnung zu berücksichtigen. Die Arbeitslosigkeit sei nicht kausal durch eine Insolvenz des Arbeitgebers oder eine vollständige Geschäftsaufgabe bedingt gewesen, sondern dadurch, dass der Kläger unter dem 29. Mai 2012 einen Vertrag über ein Beschäftigungsverhältnis mit der Transfergesellschaft w.-p. GmbH abgeschlossen habe. Dieser Vertrag habe der Umsetzung des Interessenausgleichs und Sozialplans des bisherigen Arbeitgebers H. D. AG gedient. Hiermit habe der Kläger ein Beschäftigungsverhältnis mit der w.-p. GmbH begründet. Dieses Beschäftigungsverhältnis sei von vornherein auf ein Jahr, nämlich vom 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2013 befristet gewesen. In den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn habe der Kläger daher Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung nicht wegen der Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers, sondern wegen Ablaufs der Befristung bezogen. Der Beendigungsgrund eines Arbeitsverhältnisses im Sinne einer Befristung sei nicht vom Wortlaut der gesetzlichen Ausnahme erfasst. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Vorschrift des § 51 Abs. 3a SGB VI bestünden nicht.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. Februar 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. März 2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung, die der Kläger damit begründet, er halte die Vorschrift des § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 a SGB VI weiterhin für gleichheitswidrig. Die Rückausnahmen Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers berücksichtigten nicht sämtliche Sachverhalte unverschuldeter Arbeitslosigkeit. Die Privilegierung der durch vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingten Arbeitslosigkeit sei gleichheitswidrig. Mit Blick auf die Auslegung des Merkmals "vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers" stelle sich die Frage, wie der Fall zu behandeln sei, wenn ein Versicherter zur Abwendung der Insolvenz in eine Transfergesellschaft übertrete. Außerdem sei es unzutreffend, unter "vollständige Geschäftsaufgabe" die komplette Einstellung der gesamten Betriebstätigkeit zu verstehen. Auch eine Teileinstellung der Geschäftstätigkeit an einem Standort sei darunter zu fassen. Zudem bestehe die Möglichkeit, die Auflösung der Transfergesellschaft als vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers zu qualifizieren. Verneinendenfalls wäre der Übertritt in die Transfergesellschaft als wesentliche Bedingung für die Arbeitslosigkeit anzusehen. Im Sinne einer "teleologischen Reduktion" sei die Norm § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3c SGB VI auf den Kläger nicht anzuwenden; sie bezwecke den Schutz vor Missbrauch, wo Missbrauch auch möglich war. Die Norm sei aber erst nach dem Eintritt der Arbeitslosigkeit des Klägers wirksam geworden. Im Übrigen sei die Norm wegen Verstoßes gegen Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und wegen ihrer Unverhältnismäßigkeit verfassungswidrig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2015 zu verurteilen, ihm Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1. Oktober 2015 zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 25. April 2017 und 5. Mai 2017 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG und die angegriffenen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte wurde zu Recht abgelehnt.
Der Gewährung dieser Rente steht nicht entgegen, dass dem Kläger mit Bescheid vom 16. Juli 2015 zum 1. Oktober 2015 eine andere Altersrente, nämlich wegen langjähriger Versicherung bewilligt wurde. Zur Begründung wird auf die Begründung des SG in seinem Urteil vom 23. Februar 2017 Bezug genommen. Von einer weiten Darstellung der Entscheidungsgründe diesbezüglich wird abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Kläger erfüllte allerdings zum Zeitpunkt des begehrten Rentenbeginns am 1. Oktober 2015 (zur Auslegung des Begriffs "Rentenbeginn" im Sinne des Rentenbeginns Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 25. November 2008, B 5 RJ 15/04 R, veröffentlicht in Juris) nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 236 b Abs. 1 SGB VI für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Denn er hatte bei Vollendung des 63. Lebensjahres am 12. September 2015 (und auch später) nicht die gesetzlich geforderte Wartezeit von 45 Jahren erfüllt.
Hierzu wird auf die Begründung des SG in seinem Urteil Bezug genommen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG) mit der Klarstellung, dass der Kläger bis 30 September 2015 statt der erforderlichen 540 Monate nur 529 Wartezeitmonate bis zum 31. Dezember 2014 erreicht. Im Versicherungskonto des Klägers sind bis einschließlich 30. Mai 2015 Pflichtbeitragszeiten vermerkt. Hiervon entfallen 20 Monate (1. Oktober 2013 bis 30. Mai 2015) auf Beitragszeiten auf Grund des Bezuges von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor dem (gewünschten und auch tatsächlichen) Rentenbeginn vom 1. Oktober 2015, die damit nach den gesetzlichen Vorgaben des § 51 Abs. 3 a Nr. 3 SGB VI für die Berechnung der Wartezeit von 45 Jahren (= 540 Monaten) nicht in Ansatz zu bringen sind.
Von der Ausnahmevorschrift, wonach Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind) in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden dürfen, hat der Gesetzgeber eine (Rück-) Ausnahme vorgesehen, wonach solche Zeiten gleichwohl in Ansatz zu bringen sind, wenn ein solcher Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung seinerseits durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist. Eine Konstellation, in welcher die Arbeitslosigkeit durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des letzten Arbeitgebers des Klägers "bedingt" war, liegt hier allerdings unzweifelhaft nicht vor. Der Kläger ist auf Grund freiwilligen Willensentschlusses, nämlich mit Abschluss des vom 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2013 bestehenden, von vornherein befristeten Arbeitsverhältnisses mit der w.-p. GmbH aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Der Beendigungsgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses als Form eines freiwilligen Arbeitsverlustes wird - eindeutig - weder vom Wortlaut der gesetzlichen (Rück-) Ausnahme erfasst noch ist diese nach Sinn und Zweck den gesetzlichen normierten Tatbeständen, etwa im Weg einer verfassungskonformen (erweiternden) Auslegung gleichzusetzen (s. zu den Grenzen einer solchen Auslegung, BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - 1 BvR 2142/11 - , veröffentlicht in Juris). Auch wenn man - wie der Kläger meint - , zur Beurteilung des Beendigungsgrundes auf den ehemaligen Arbeitgeber H. D. AG abstellen würde, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit der Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen ebenfalls nicht erfüllt. Insoweit wird wiederum Bezug genommen auf die Begründung des SG in seinem Urteil vom 23. Februar 2017 und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Vorliegend greift auch die Auffassung des Klägers, dass ein Übertritt in eine Transfergesellschaft zur Abwendung der Insolvenz das Merkmal "vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers" erfülle, nicht durch. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat der frühere Arbeitgeber des Klägers, die H. D. AG das Geschäft nicht aufgegeben. Nach dem Gesetzeswortlaut kann ein zur Abwehr einer zunächst lediglich möglicherweise in Betracht kommende Insolvenz vom Arbeitgeber mit diesem vereinbarter Aufhebungsvertrag über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses nicht als ein "durch" eine Insolvenz bewirkte Arbeitslosigkeit des Arbeitsnehmers verstanden werden. Dies gilt unabhängig davon, wie berechtigt die Befürchtungen bei Vereinbarungen des Aufhebungsvertrages über das Arbeitsverhältnis waren und ob die Insolvenzabwendungsbemühungen im Ergebnis Erfolg gezeigt haben oder nicht. Zudem ist die Arbeitslosigkeit des Klägers vorliegend nicht bedingt durch den Aufhebungsvertrag, den er mit dem früheren Arbeitgeber H. D. AG geschlossen hat, sondern durch (bloßen) Zeitablauf des von vornherein befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Transfergesellschaft w.-p. GmbH eingetreten.
Der Senat sieht auch keine Veranlassung, das Verfahren dem BVerfG im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Grundgesetz (GG) vorzulegen. Denn die maßgebliche einfach- gesetzliche Regelung verletzt den Kläger zur Überzeugung des Senats nicht in verfassungswidriger Weise in seinen Grundrechten. Ob in der Regelung der §§ 51, 236b SGB VI eine Ungleichbehandlung oder sonstige Benachteiligung gegenüber anderen Versicherten - in anderen Sachverhaltskonstellationen - liegen könnte, kann dahinstehen. Denn einfachgesetzliche Bestimmungen sind im Rahmen der konkreten Normenkontrolle nur insoweit am Maßstab der Grundrechte zu prüfen, als der Kläger des Ausgangsverfahrens hiervon betroffen ist und eine Grundrechtsverletzung in Betracht kommt (vgl. BVerfGe 117, 272, 291 ff). Dies ist hier nicht der Fall.
Der 9. Senat des LSG Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 21. Juni 2016 (Az.: L 9 R 695/16), hierzu Folgendes ausgeführt:
Die Regelung der §§ 38, 51, 236b SGB VI verstößt weder zu Lasten des Klägers gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) noch gegen die Garantie des Eigentums (Art. 14 GG) noch sonst gegen höheres Recht.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 117, 272 (300 f.); st. Rspr). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz ist vom BVerfG nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl. BVerfGE 68, 287 (301); 81, 108 (117 f.); 84, 348 (359)).
Die ab 01.07.2014 in Kraft getretene Bestimmung des § 236b Abs. 1 und 2 SGB VI eröffnet für einen als "besonders langjährig Versicherte" bezeichneten Kreis von Personen, die - wie der Kläger - vor dem 01.01.1953 geboren sind und eine Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben, die Möglichkeit, nach Vollendung des 63. Lebensjahres eine Altersrente in einer nicht aufgrund eines verminderten Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI gekürzten Höhe zu beziehen. Hierin liegt eine Besserstellung gegenüber anderen Versicherten desselben Alters, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen und eine ungekürzte Altersrente erst mit Erreichung der Regelaltersgrenze (§ 35 Satz 2 i.V.m. § 235 SGB VI) erreichen können bzw. bei vorzeitiger Berentung entsprechende Abschläge in Kauf nehmen müssen. Entsprechendes gilt auch für den Kläger, der zwar über die Bestimmung des § 237 SGB VI eine (vorzeitige) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Anspruch nehmen konnte, die aber wegen seiner individuellen Altersgrenze von 65 Jahren (§ 237 Abs. 3 SGB i.V.m. Anlage 19) auf Dauer um den Zugangsfaktor 0,072 (24 Monate x 0,03) gekürzt wurde auf den Faktor 0,928 (s. zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung, BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 u.a., BVerfG (Kammer), Nichtannahmebeschluss vom 05.02.2009, 1 BvR 1631/04; BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 77/08 R, Juris). Eine weitere den Kläger treffende Ungleichbehandlung mit anderen Versicherten folgt aus der Regelung des § 51 Abs. 3a SGB VI, wonach Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur unter engen, in seinem Falle nicht vorliegenden Voraussetzungen auf die Wartezeit Anrechnung finden, während etwa frühere Unterbrechungen der Erwerbsbiographie mit Bezug von Arbeitslosengeld unbeachtlich sind bei der Wartezeitberechnung.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu Lasten des Klägers ist allerdings mit Blick auf den im Sozialrecht grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, insbesondere was die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises (hierzu BVerfGE 106, 166, 175 ff; 111, 160, 169 ff = SozR 4-5870 § 1 Nr. 1 Rdnr. 43 ff; 112, 164, 175 f; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19.02.2009 - B 10 KG 2/07 R -, SozR 4-5870 § 1 Nr. 2) und die Bezugsdauer der einzelnen Sozialleistung anbelangt, nicht zu erkennen. Von Verfassungs wegen gefordert ist daher nicht die bestmögliche und gerechteste Lösung; angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht entscheidend, ob eine Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Vielmehr kommt dem Gesetzgeber im Ergebnis ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der gewahrt ist, wenn er sich auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (BVerfG, Urteil vom 07.10.2014 – 2 BvR 1641/11 –, BVerfGE 137, 108, Rn. 108). Dies ist der Fall.
Vor Inkrafttreten der Novellierung des § 51 Abs. 3a SGB VI bestimmte dessen Nr. 1, dass Pflichtbeiträge wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Berechnung der Wartezeit von 45 Jahren nicht berücksichtigt werden konnten, was gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1 SGB VI weiterhin für Pflichtbeitragszeiten aufgrund Bezuges von Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld II gilt. Begründet wird dies gesetzgeberisch damit, dass diese Leistungen von einem Fürsorgecharakter geprägt sind und aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden (BT-Drs. 18/909, S. 20, 21). Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, wie z.B. Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, Unterhaltsgeld, Übergangsgeld, Eingliederungsgeld, Altersübergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld und Schlechtwettergeld werden demgegenüber grundsätzlich weiterhin für die Wartezeit berücksichtigt. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn diese Zeiten in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn liegen, es sei denn, es liegt einer der genannten (Rück-)Ausnahmen vor. Mit dieser Regelung sollen nach der gesetzgeberischen Begründung - wie ausgeführt - "Fehlanreize" vermieden werden (BT-Ausschuss-Drs. 18(11)102, S. 2). Zwar ist, worauf das LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 03.02.2016, a.a.O., Rdnr. 45) hingewiesen hat, keine tragfähige Grundlage - und erst Recht kein empirischer Beleg - für die Annahme erkennbar, solche "Fehlanreize", wie sie in der Gesetzesbegründung pauschal aufgegriffen werden, prägten das tatsächliche Geschehen in einem solchen Maße, dass andere Gründe für eine Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn vor diesem Hintergrund vernachlässigt werden könnten. Auf der anderen Seite entbehrt die Erwägung, Fehlanreize in Richtung Frühverrentung vermeiden zu wollen, auch nicht eines nachvollziehbaren und vertretbaren Ansatzes. Mit der Einschränkung, Pflichtbeitrags- oder Anrechnungszeiten bei Arbeitslosigkeit dann nicht für die Erfüllung der Wartezeit zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor dem beabsichtigten Rentenbeginn liegen, sollte verhindert werden, den Eintritt in eine vorzeitige Altersrente im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber weiter nach vorne zu verlagern. Die Erfahrung mit den Frühverrentungsvorhaben der 1990er Jahre hatte gezeigt, dass es regelmäßig zu einem dem Rentenbeginn vorgelagerten Bezug von Arbeitslosengeld gekommen war. Nunmehr sollte verhindert oder zumindest erschwert werden, aus der "Rente mit 63" eine "Rente mit 61" zu Lasten der Sozialversicherung zu machen (vgl. hierzu Schmidt, Anm. zu dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, jurisPR-SozR 18/2014 Anm. 1; SG Stade, Urteil vom 14.09.2015 - S 9 R 5/15 -, Rdnr. 19, Juris). Soweit diese Regelung daher vor dem Hintergrund der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung als Solidargemeinschaft erfolgt ist, ist sie aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt (vgl. auch BVerfGE 117, 272, 297 Rdnr. 82, Juris). Eines empirischen Nachweises für die befürchteten Fehlanreize und einer dadurch eintretenden konkreten Gefahr von Liquiditätsproblemen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung bedarf es mit Blick auf die insoweit bestehende gesetzgeberische Einschätzungsprärogative nicht (BVerfGE 138, 136, Rdnr. 144, Juris).
Zu berücksichtigen ist auch, dass durch die zum 01.07.2014 eingeführte abschlagfreie "Rente mit 63" nicht in unantastbare Rechtspositionen eingegriffen, sondern eine gesetzliche Privilegierung für einen bestimmten Kreis von Versicherten geschaffen wurde, von der auch andere Versicherte, etwa Personen, die zuvor schon die Altersgrenze erreicht hatten oder eine Altersrente mit Abschlägen bezogen, nicht profitieren konnten (vgl. § 34 Abs. 4 SGB VI). Auch in Bezug auf den Kläger wurde durch die genannte Regelung nicht in unantastbare Rechtspositionen eingegriffen, sondern es wurde ihm - wie anderen Versicherten - lediglich die Teilnahme an einer neu geschaffenen gesetzlichen Vergünstigung verwehrt, was aus den dargestellten Gründen vom weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum umfasst ist. Soweit der Kläger geltend macht, er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Pflichtbeitragszeiten wegen Bezugs von Arbeitslosengeld in den Jahren 2012 und 2013 auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden, verkennt er, dass schon die Vorgängerregelung des § 51 Abs. 3a Nr. 1 SGB VI in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung die Regelung enthielt, dass Zeiten mit Pflichtbeiträgen wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld nicht auf die lange Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden. Ein Vertrauensschutz im Hinblick auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung konnte daher insoweit nicht begründet werden. Hinzu kommt, dass die in 2012 und 2013 gezahlten Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit nach den allgemeinen rentenrechtlichen Vorgaben berücksichtigt werden. Diese sehen ohnehin einen Vorteil für den Versicherten in der Form vor, dass die erfolgten (in Entgeltpunkte umzurechnenden) Beitragszahlungen - ebenso wie alle vorausgegangenen Beiträge - in die Rentenberechnung nach Maßgabe der §§ 64 ff. SGB VI einzustellen sind, so dass diese zu einer entsprechenden Erhöhung der Rentenanwartschaften und -ansprüche führen. Da diese Beitragszahlungen dem Kläger somit rentenrechtlich gut gebracht werden, ist nicht zu erkennen, aus welchem verfassungsrechtlichen oder sonstigen Grund ein Anspruch darauf bestehen sollte, dass der Kläger wegen dieser Sozialleistungen zusätzlich als "besonders langjährig" Versicherter Anspruch auf eine ungekürzte Altersrente erwirbt, wie sie ansonsten für ihn angesichts seines Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze nicht zugänglich wäre (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Unabhängig davon hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, eine (gegebenenfalls geringfügige) versicherungspflichtige Beschäftigung in den Jahren 2012/2013 aufzunehmen, hieraus Pflichtbeiträge zu entrichten und dadurch die Wartezeit von 45 Jahren bei Vollendung des 63. Lebensjahres zu erfüllen.
Die gesetzliche Regelung ist auch im Lichte des Art. 14 GG nicht zu beanstanden. Zwar ist auch die Anwartschaft auf eine Rente aus eigener Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 117, 272 (292)). Allerdings steht dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 53, 257 (293)). Im Hinblick auf die Rentenanwartschaften kann der Gesetzgeber verschiedene Gesichtspunkte wie insbesondere beitragsbezogene und zeitbezogene Kriterien miteinander verschränken, die erst zusammen den realen Wert der Anwartschaft ausmachen. Wenn in bestehende Anwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspräche dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zu einem privaten Versicherungsverhältnis von Anfang an nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern auch auf dem Gedanken der Verantwortung und des sozialen Ausgleichs beruht (vgl. BVerfGE 116, 96 (125)). Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften müssen einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein (vgl. BVerfGE 53, 257 (293); 100, 1 (38); 117, 272 (294); st. Rspr.). Sie müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein. Insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 72, 9 (23); 75, 78 (97 f.)).
Hiervon ausgehend stellen die Vorschriften der §§ 51, 236b SGB VI eine zulässige gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung dar (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Regelung ist aus den genannten Erwägungen durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und entspricht auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Zudem ist (nochmals) darauf hinzuweisen, dass durch die gesetzliche Neuregelung in Bezug auf die 2012 und 2013 erworbenen Rentenanwartschaften aus dem Bezug von Arbeitslosengeld keine nachträgliche Änderung eingetreten ist, da diese - wie ausgeführt - schon im Zeitpunkt ihrer Begründung nicht auf die lange Wartezeit von 45 Jahren anzurechnen waren - und auf der anderen Seite die in dieser Zeit gezahlten Pflichtbeiträge auch nach der Neuregelung zum 01.07.2014 weiterhin ungeschmälert bei der Rentenhöhe berücksichtigt werden.
Diese Ausführungen macht sich der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen mit der Maßgabe, dass sie entsprechend für die in den Jahren 2013 bis 2015 erworbenen Rentenanwartschaften aus dem Bezug von Arbeitslosengeld gelten.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Die Auslegung der Bestimmungen der §§ 51 Abs. 3 a, §§ 236 b SGB VI und deren Vereinbarkeit mit höherem Recht ist über den Einzelfall hinaus bedeutsam und höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
Der am 12. September 1952 geborene Kläger war bei der H. D. AG als Leiharbeiter und Flurförderfahrzeugfahrer in der Abteilung Materialfluss in W. beschäftigt. Gegen Zahlung einer Abfindung von 76.199,75 EUR wurde das Arbeitsverhältnis mit einem unter dem 14. Mai 2012 geschlossenen Aufhebungsvertrag mit Ablauf des 31. Mai 2012 beendet. Anschließend schloss der Kläger einen "Vertrag über ein Beschäftigungsverhältnis" im Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Aufhebungsvertrag zum Wechsel in die Transfergesellschaft im Rahmen des HEIDELBERG-Sozialplans mit der w.-p. GmbH ab. Gemäß § 2 dieses Vertrages endete das Beschäftigungsverhältnis zum 31. Mai 2013, ohne dass es einer Kündigung bedurfte. Sodann meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Bundesagentur für Arbeit gewährte sodann Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Juni 2013 bis zum 30. Mai 2015. Seit dem 1. Oktober 2015 bezieht der Kläger Altersrente für langjährig Versicherte auf Grund des Rentenbescheides vom 16. Juli 2015 nach seinem Rentenantrag dazu vom 16. April 2015 mit einem monatlichen Abschlag von 9 Prozent.
Im Versicherungskonto des Klägers sind Beitragszeiten auf Grund abhängiger Beschäftigung bis zum 31. Mai 2013, im Zeitraum 1. Juni 2013 bis 30. Mai 2015 Beitragszeiten auf Grund des Bezuges von Geldersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit und Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug von 31. Mai bis 30. September 2015 vermerkt.
Am 26. Februar 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236 b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Mit Bescheid vom 12. März 2015 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab, da die Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllt sei. Das Versicherungskonto enthalte bis zum 31. Dezember 2014 529 Beitragsmonate, so dass die erforderliche Anzahl von 540 Monaten nicht erreicht sei. Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn zählten nur mit, wenn diese Folge einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers seien. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Ohne diese Zeiten weise das Versicherungskonto nur 529 Kalendermonate auf.
Hiergegen erhob der Kläger am 31. März 2015 Widerspruch, den er damit begründete, dass die gesetzliche Regelung, wonach Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht angerechnet würden, verfassungswidrig sei. Er sei nur deswegen arbeitslos geworden, weil sein Arbeitgeber, die H. D. AG, die Insolvenz in Aussicht gestellt habe. Nur durch Freisetzung von mindestens 250 Mitarbeitern und durch die Gewährung eines staatlichen Überbrückungskredits sei die kurz bevorstehende Insolvenz abgewendet worden. Deswegen seien die älteren Mitarbeiter entlassen und in eine Auffanggesellschaft integriert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger erfülle die Wartezeit von 45 Jahren nicht. Die nach Entlassung beim vorherigen Arbeitgeber zur Abwendung einer Insolvenz erfolgte und auf ein Jahr befristete Integrierung älterer Mitarbeiter in eine Auffanggesellschaft erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen einer Wartezeitanrechnung nicht. Der bisherige Arbeitgeber führe den Geschäftsbetrieb weiter. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geltende Regelung bestünden nicht.
Am 9. November 2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Die gegenwärtige Rechtslage sei verfassungswidrig. Es müssten Ausnahmetatbestände bzw. Übergangsregelungen geschaffen werden. Nach der früheren Rechtslage seien auch Zeiten des Bezuges von Arbeitslosenhilfe bzw. Arbeitslosengeld angerechnet worden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat sich im Wesentlichen auf die Begründung des Widerspruchsbescheides bezogen.
Mit Urteil vom 23. Februar 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne keine Altersrente für besonders langjährig Versicherte beanspruchen. Hierbei stehe allerdings nicht der Umstand entgegen, dass dem Kläger mit Bescheid vom 16. Juli 2015 zum 1. Oktober 2015 eine andere Altersrente für langjährig Versicherte bewilligt worden sei. Denn er erfülle jedenfalls nicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236 b Abs. 1 SGB VI. Wie die Beklagte zu Recht ausgeführt habe, enthalte das Versicherungskonto des Klägers insgesamt 529 Monate an Pflichtbeitragszeiten, die auf die Wartezeit anzurechnen seien. Dementsprechend sei die Wartezeit von 45 Jahren (540 Monate) nicht erfüllt. Die in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn vorhandenen Zeiten auf Grund des Bezuges von Entgeltersatzleistungen seien nicht bei der Berechnung zu berücksichtigen. Die Arbeitslosigkeit sei nicht kausal durch eine Insolvenz des Arbeitgebers oder eine vollständige Geschäftsaufgabe bedingt gewesen, sondern dadurch, dass der Kläger unter dem 29. Mai 2012 einen Vertrag über ein Beschäftigungsverhältnis mit der Transfergesellschaft w.-p. GmbH abgeschlossen habe. Dieser Vertrag habe der Umsetzung des Interessenausgleichs und Sozialplans des bisherigen Arbeitgebers H. D. AG gedient. Hiermit habe der Kläger ein Beschäftigungsverhältnis mit der w.-p. GmbH begründet. Dieses Beschäftigungsverhältnis sei von vornherein auf ein Jahr, nämlich vom 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2013 befristet gewesen. In den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn habe der Kläger daher Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung nicht wegen der Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers, sondern wegen Ablaufs der Befristung bezogen. Der Beendigungsgrund eines Arbeitsverhältnisses im Sinne einer Befristung sei nicht vom Wortlaut der gesetzlichen Ausnahme erfasst. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Vorschrift des § 51 Abs. 3a SGB VI bestünden nicht.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. Februar 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. März 2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung, die der Kläger damit begründet, er halte die Vorschrift des § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 a SGB VI weiterhin für gleichheitswidrig. Die Rückausnahmen Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers berücksichtigten nicht sämtliche Sachverhalte unverschuldeter Arbeitslosigkeit. Die Privilegierung der durch vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingten Arbeitslosigkeit sei gleichheitswidrig. Mit Blick auf die Auslegung des Merkmals "vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers" stelle sich die Frage, wie der Fall zu behandeln sei, wenn ein Versicherter zur Abwendung der Insolvenz in eine Transfergesellschaft übertrete. Außerdem sei es unzutreffend, unter "vollständige Geschäftsaufgabe" die komplette Einstellung der gesamten Betriebstätigkeit zu verstehen. Auch eine Teileinstellung der Geschäftstätigkeit an einem Standort sei darunter zu fassen. Zudem bestehe die Möglichkeit, die Auflösung der Transfergesellschaft als vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers zu qualifizieren. Verneinendenfalls wäre der Übertritt in die Transfergesellschaft als wesentliche Bedingung für die Arbeitslosigkeit anzusehen. Im Sinne einer "teleologischen Reduktion" sei die Norm § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3c SGB VI auf den Kläger nicht anzuwenden; sie bezwecke den Schutz vor Missbrauch, wo Missbrauch auch möglich war. Die Norm sei aber erst nach dem Eintritt der Arbeitslosigkeit des Klägers wirksam geworden. Im Übrigen sei die Norm wegen Verstoßes gegen Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und wegen ihrer Unverhältnismäßigkeit verfassungswidrig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2015 zu verurteilen, ihm Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1. Oktober 2015 zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 25. April 2017 und 5. Mai 2017 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG und die angegriffenen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte wurde zu Recht abgelehnt.
Der Gewährung dieser Rente steht nicht entgegen, dass dem Kläger mit Bescheid vom 16. Juli 2015 zum 1. Oktober 2015 eine andere Altersrente, nämlich wegen langjähriger Versicherung bewilligt wurde. Zur Begründung wird auf die Begründung des SG in seinem Urteil vom 23. Februar 2017 Bezug genommen. Von einer weiten Darstellung der Entscheidungsgründe diesbezüglich wird abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Kläger erfüllte allerdings zum Zeitpunkt des begehrten Rentenbeginns am 1. Oktober 2015 (zur Auslegung des Begriffs "Rentenbeginn" im Sinne des Rentenbeginns Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 25. November 2008, B 5 RJ 15/04 R, veröffentlicht in Juris) nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 236 b Abs. 1 SGB VI für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Denn er hatte bei Vollendung des 63. Lebensjahres am 12. September 2015 (und auch später) nicht die gesetzlich geforderte Wartezeit von 45 Jahren erfüllt.
Hierzu wird auf die Begründung des SG in seinem Urteil Bezug genommen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG) mit der Klarstellung, dass der Kläger bis 30 September 2015 statt der erforderlichen 540 Monate nur 529 Wartezeitmonate bis zum 31. Dezember 2014 erreicht. Im Versicherungskonto des Klägers sind bis einschließlich 30. Mai 2015 Pflichtbeitragszeiten vermerkt. Hiervon entfallen 20 Monate (1. Oktober 2013 bis 30. Mai 2015) auf Beitragszeiten auf Grund des Bezuges von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor dem (gewünschten und auch tatsächlichen) Rentenbeginn vom 1. Oktober 2015, die damit nach den gesetzlichen Vorgaben des § 51 Abs. 3 a Nr. 3 SGB VI für die Berechnung der Wartezeit von 45 Jahren (= 540 Monaten) nicht in Ansatz zu bringen sind.
Von der Ausnahmevorschrift, wonach Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind) in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden dürfen, hat der Gesetzgeber eine (Rück-) Ausnahme vorgesehen, wonach solche Zeiten gleichwohl in Ansatz zu bringen sind, wenn ein solcher Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung seinerseits durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist. Eine Konstellation, in welcher die Arbeitslosigkeit durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des letzten Arbeitgebers des Klägers "bedingt" war, liegt hier allerdings unzweifelhaft nicht vor. Der Kläger ist auf Grund freiwilligen Willensentschlusses, nämlich mit Abschluss des vom 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2013 bestehenden, von vornherein befristeten Arbeitsverhältnisses mit der w.-p. GmbH aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Der Beendigungsgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses als Form eines freiwilligen Arbeitsverlustes wird - eindeutig - weder vom Wortlaut der gesetzlichen (Rück-) Ausnahme erfasst noch ist diese nach Sinn und Zweck den gesetzlichen normierten Tatbeständen, etwa im Weg einer verfassungskonformen (erweiternden) Auslegung gleichzusetzen (s. zu den Grenzen einer solchen Auslegung, BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - 1 BvR 2142/11 - , veröffentlicht in Juris). Auch wenn man - wie der Kläger meint - , zur Beurteilung des Beendigungsgrundes auf den ehemaligen Arbeitgeber H. D. AG abstellen würde, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit der Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen ebenfalls nicht erfüllt. Insoweit wird wiederum Bezug genommen auf die Begründung des SG in seinem Urteil vom 23. Februar 2017 und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Vorliegend greift auch die Auffassung des Klägers, dass ein Übertritt in eine Transfergesellschaft zur Abwendung der Insolvenz das Merkmal "vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers" erfülle, nicht durch. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat der frühere Arbeitgeber des Klägers, die H. D. AG das Geschäft nicht aufgegeben. Nach dem Gesetzeswortlaut kann ein zur Abwehr einer zunächst lediglich möglicherweise in Betracht kommende Insolvenz vom Arbeitgeber mit diesem vereinbarter Aufhebungsvertrag über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses nicht als ein "durch" eine Insolvenz bewirkte Arbeitslosigkeit des Arbeitsnehmers verstanden werden. Dies gilt unabhängig davon, wie berechtigt die Befürchtungen bei Vereinbarungen des Aufhebungsvertrages über das Arbeitsverhältnis waren und ob die Insolvenzabwendungsbemühungen im Ergebnis Erfolg gezeigt haben oder nicht. Zudem ist die Arbeitslosigkeit des Klägers vorliegend nicht bedingt durch den Aufhebungsvertrag, den er mit dem früheren Arbeitgeber H. D. AG geschlossen hat, sondern durch (bloßen) Zeitablauf des von vornherein befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Transfergesellschaft w.-p. GmbH eingetreten.
Der Senat sieht auch keine Veranlassung, das Verfahren dem BVerfG im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Grundgesetz (GG) vorzulegen. Denn die maßgebliche einfach- gesetzliche Regelung verletzt den Kläger zur Überzeugung des Senats nicht in verfassungswidriger Weise in seinen Grundrechten. Ob in der Regelung der §§ 51, 236b SGB VI eine Ungleichbehandlung oder sonstige Benachteiligung gegenüber anderen Versicherten - in anderen Sachverhaltskonstellationen - liegen könnte, kann dahinstehen. Denn einfachgesetzliche Bestimmungen sind im Rahmen der konkreten Normenkontrolle nur insoweit am Maßstab der Grundrechte zu prüfen, als der Kläger des Ausgangsverfahrens hiervon betroffen ist und eine Grundrechtsverletzung in Betracht kommt (vgl. BVerfGe 117, 272, 291 ff). Dies ist hier nicht der Fall.
Der 9. Senat des LSG Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 21. Juni 2016 (Az.: L 9 R 695/16), hierzu Folgendes ausgeführt:
Die Regelung der §§ 38, 51, 236b SGB VI verstößt weder zu Lasten des Klägers gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) noch gegen die Garantie des Eigentums (Art. 14 GG) noch sonst gegen höheres Recht.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 117, 272 (300 f.); st. Rspr). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz ist vom BVerfG nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl. BVerfGE 68, 287 (301); 81, 108 (117 f.); 84, 348 (359)).
Die ab 01.07.2014 in Kraft getretene Bestimmung des § 236b Abs. 1 und 2 SGB VI eröffnet für einen als "besonders langjährig Versicherte" bezeichneten Kreis von Personen, die - wie der Kläger - vor dem 01.01.1953 geboren sind und eine Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben, die Möglichkeit, nach Vollendung des 63. Lebensjahres eine Altersrente in einer nicht aufgrund eines verminderten Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI gekürzten Höhe zu beziehen. Hierin liegt eine Besserstellung gegenüber anderen Versicherten desselben Alters, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen und eine ungekürzte Altersrente erst mit Erreichung der Regelaltersgrenze (§ 35 Satz 2 i.V.m. § 235 SGB VI) erreichen können bzw. bei vorzeitiger Berentung entsprechende Abschläge in Kauf nehmen müssen. Entsprechendes gilt auch für den Kläger, der zwar über die Bestimmung des § 237 SGB VI eine (vorzeitige) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Anspruch nehmen konnte, die aber wegen seiner individuellen Altersgrenze von 65 Jahren (§ 237 Abs. 3 SGB i.V.m. Anlage 19) auf Dauer um den Zugangsfaktor 0,072 (24 Monate x 0,03) gekürzt wurde auf den Faktor 0,928 (s. zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung, BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 u.a., BVerfG (Kammer), Nichtannahmebeschluss vom 05.02.2009, 1 BvR 1631/04; BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 77/08 R, Juris). Eine weitere den Kläger treffende Ungleichbehandlung mit anderen Versicherten folgt aus der Regelung des § 51 Abs. 3a SGB VI, wonach Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur unter engen, in seinem Falle nicht vorliegenden Voraussetzungen auf die Wartezeit Anrechnung finden, während etwa frühere Unterbrechungen der Erwerbsbiographie mit Bezug von Arbeitslosengeld unbeachtlich sind bei der Wartezeitberechnung.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu Lasten des Klägers ist allerdings mit Blick auf den im Sozialrecht grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, insbesondere was die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises (hierzu BVerfGE 106, 166, 175 ff; 111, 160, 169 ff = SozR 4-5870 § 1 Nr. 1 Rdnr. 43 ff; 112, 164, 175 f; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19.02.2009 - B 10 KG 2/07 R -, SozR 4-5870 § 1 Nr. 2) und die Bezugsdauer der einzelnen Sozialleistung anbelangt, nicht zu erkennen. Von Verfassungs wegen gefordert ist daher nicht die bestmögliche und gerechteste Lösung; angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht entscheidend, ob eine Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Vielmehr kommt dem Gesetzgeber im Ergebnis ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der gewahrt ist, wenn er sich auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (BVerfG, Urteil vom 07.10.2014 – 2 BvR 1641/11 –, BVerfGE 137, 108, Rn. 108). Dies ist der Fall.
Vor Inkrafttreten der Novellierung des § 51 Abs. 3a SGB VI bestimmte dessen Nr. 1, dass Pflichtbeiträge wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Berechnung der Wartezeit von 45 Jahren nicht berücksichtigt werden konnten, was gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1 SGB VI weiterhin für Pflichtbeitragszeiten aufgrund Bezuges von Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld II gilt. Begründet wird dies gesetzgeberisch damit, dass diese Leistungen von einem Fürsorgecharakter geprägt sind und aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden (BT-Drs. 18/909, S. 20, 21). Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, wie z.B. Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, Unterhaltsgeld, Übergangsgeld, Eingliederungsgeld, Altersübergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld und Schlechtwettergeld werden demgegenüber grundsätzlich weiterhin für die Wartezeit berücksichtigt. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn diese Zeiten in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn liegen, es sei denn, es liegt einer der genannten (Rück-)Ausnahmen vor. Mit dieser Regelung sollen nach der gesetzgeberischen Begründung - wie ausgeführt - "Fehlanreize" vermieden werden (BT-Ausschuss-Drs. 18(11)102, S. 2). Zwar ist, worauf das LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 03.02.2016, a.a.O., Rdnr. 45) hingewiesen hat, keine tragfähige Grundlage - und erst Recht kein empirischer Beleg - für die Annahme erkennbar, solche "Fehlanreize", wie sie in der Gesetzesbegründung pauschal aufgegriffen werden, prägten das tatsächliche Geschehen in einem solchen Maße, dass andere Gründe für eine Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn vor diesem Hintergrund vernachlässigt werden könnten. Auf der anderen Seite entbehrt die Erwägung, Fehlanreize in Richtung Frühverrentung vermeiden zu wollen, auch nicht eines nachvollziehbaren und vertretbaren Ansatzes. Mit der Einschränkung, Pflichtbeitrags- oder Anrechnungszeiten bei Arbeitslosigkeit dann nicht für die Erfüllung der Wartezeit zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor dem beabsichtigten Rentenbeginn liegen, sollte verhindert werden, den Eintritt in eine vorzeitige Altersrente im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber weiter nach vorne zu verlagern. Die Erfahrung mit den Frühverrentungsvorhaben der 1990er Jahre hatte gezeigt, dass es regelmäßig zu einem dem Rentenbeginn vorgelagerten Bezug von Arbeitslosengeld gekommen war. Nunmehr sollte verhindert oder zumindest erschwert werden, aus der "Rente mit 63" eine "Rente mit 61" zu Lasten der Sozialversicherung zu machen (vgl. hierzu Schmidt, Anm. zu dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, jurisPR-SozR 18/2014 Anm. 1; SG Stade, Urteil vom 14.09.2015 - S 9 R 5/15 -, Rdnr. 19, Juris). Soweit diese Regelung daher vor dem Hintergrund der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung als Solidargemeinschaft erfolgt ist, ist sie aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt (vgl. auch BVerfGE 117, 272, 297 Rdnr. 82, Juris). Eines empirischen Nachweises für die befürchteten Fehlanreize und einer dadurch eintretenden konkreten Gefahr von Liquiditätsproblemen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung bedarf es mit Blick auf die insoweit bestehende gesetzgeberische Einschätzungsprärogative nicht (BVerfGE 138, 136, Rdnr. 144, Juris).
Zu berücksichtigen ist auch, dass durch die zum 01.07.2014 eingeführte abschlagfreie "Rente mit 63" nicht in unantastbare Rechtspositionen eingegriffen, sondern eine gesetzliche Privilegierung für einen bestimmten Kreis von Versicherten geschaffen wurde, von der auch andere Versicherte, etwa Personen, die zuvor schon die Altersgrenze erreicht hatten oder eine Altersrente mit Abschlägen bezogen, nicht profitieren konnten (vgl. § 34 Abs. 4 SGB VI). Auch in Bezug auf den Kläger wurde durch die genannte Regelung nicht in unantastbare Rechtspositionen eingegriffen, sondern es wurde ihm - wie anderen Versicherten - lediglich die Teilnahme an einer neu geschaffenen gesetzlichen Vergünstigung verwehrt, was aus den dargestellten Gründen vom weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum umfasst ist. Soweit der Kläger geltend macht, er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Pflichtbeitragszeiten wegen Bezugs von Arbeitslosengeld in den Jahren 2012 und 2013 auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden, verkennt er, dass schon die Vorgängerregelung des § 51 Abs. 3a Nr. 1 SGB VI in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung die Regelung enthielt, dass Zeiten mit Pflichtbeiträgen wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld nicht auf die lange Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden. Ein Vertrauensschutz im Hinblick auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung konnte daher insoweit nicht begründet werden. Hinzu kommt, dass die in 2012 und 2013 gezahlten Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit nach den allgemeinen rentenrechtlichen Vorgaben berücksichtigt werden. Diese sehen ohnehin einen Vorteil für den Versicherten in der Form vor, dass die erfolgten (in Entgeltpunkte umzurechnenden) Beitragszahlungen - ebenso wie alle vorausgegangenen Beiträge - in die Rentenberechnung nach Maßgabe der §§ 64 ff. SGB VI einzustellen sind, so dass diese zu einer entsprechenden Erhöhung der Rentenanwartschaften und -ansprüche führen. Da diese Beitragszahlungen dem Kläger somit rentenrechtlich gut gebracht werden, ist nicht zu erkennen, aus welchem verfassungsrechtlichen oder sonstigen Grund ein Anspruch darauf bestehen sollte, dass der Kläger wegen dieser Sozialleistungen zusätzlich als "besonders langjährig" Versicherter Anspruch auf eine ungekürzte Altersrente erwirbt, wie sie ansonsten für ihn angesichts seines Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze nicht zugänglich wäre (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Unabhängig davon hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, eine (gegebenenfalls geringfügige) versicherungspflichtige Beschäftigung in den Jahren 2012/2013 aufzunehmen, hieraus Pflichtbeiträge zu entrichten und dadurch die Wartezeit von 45 Jahren bei Vollendung des 63. Lebensjahres zu erfüllen.
Die gesetzliche Regelung ist auch im Lichte des Art. 14 GG nicht zu beanstanden. Zwar ist auch die Anwartschaft auf eine Rente aus eigener Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 117, 272 (292)). Allerdings steht dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 53, 257 (293)). Im Hinblick auf die Rentenanwartschaften kann der Gesetzgeber verschiedene Gesichtspunkte wie insbesondere beitragsbezogene und zeitbezogene Kriterien miteinander verschränken, die erst zusammen den realen Wert der Anwartschaft ausmachen. Wenn in bestehende Anwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspräche dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zu einem privaten Versicherungsverhältnis von Anfang an nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern auch auf dem Gedanken der Verantwortung und des sozialen Ausgleichs beruht (vgl. BVerfGE 116, 96 (125)). Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften müssen einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein (vgl. BVerfGE 53, 257 (293); 100, 1 (38); 117, 272 (294); st. Rspr.). Sie müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein. Insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 72, 9 (23); 75, 78 (97 f.)).
Hiervon ausgehend stellen die Vorschriften der §§ 51, 236b SGB VI eine zulässige gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung dar (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Regelung ist aus den genannten Erwägungen durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und entspricht auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Zudem ist (nochmals) darauf hinzuweisen, dass durch die gesetzliche Neuregelung in Bezug auf die 2012 und 2013 erworbenen Rentenanwartschaften aus dem Bezug von Arbeitslosengeld keine nachträgliche Änderung eingetreten ist, da diese - wie ausgeführt - schon im Zeitpunkt ihrer Begründung nicht auf die lange Wartezeit von 45 Jahren anzurechnen waren - und auf der anderen Seite die in dieser Zeit gezahlten Pflichtbeiträge auch nach der Neuregelung zum 01.07.2014 weiterhin ungeschmälert bei der Rentenhöhe berücksichtigt werden.
Diese Ausführungen macht sich der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen mit der Maßgabe, dass sie entsprechend für die in den Jahren 2013 bis 2015 erworbenen Rentenanwartschaften aus dem Bezug von Arbeitslosengeld gelten.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Die Auslegung der Bestimmungen der §§ 51 Abs. 3 a, §§ 236 b SGB VI und deren Vereinbarkeit mit höherem Recht ist über den Einzelfall hinaus bedeutsam und höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Rechtskraft
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